Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2011, Az. 4 StR 127/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5970

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 127/11

vom
8. Juni
2011
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schweren Raubes u.a.

-
2
-
Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 8. Juni
2011
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Un-terbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwah-rung angeordnet worden ist.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren [X.] in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, Freiheitsbe-raubung und vorsätzlicher Körperverletzung, wegen Betrugs und wegen fahr-lässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Des Weiteren hat es die Un-terbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet und eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von fünf Jahren festgesetzt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde ge-stützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.]
-
3
-
dungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kann nicht bestehen bleiben. Zwar hat das [X.] die [X.] rechtsfehlerfrei auf §
66 Abs.
1 StGB a.F. gestützt und die formellen Vo-raussetzungen der Sicherungsverwahrung nach §
66 Abs.
1 Nr.
1 StGB a.F. durch die Urteile des [X.]s Traunstein vom 23. Juli 2007 und des [X.] vom 1. Oktober 1998 als erfüllt angesehen. Den [X.] ist jedoch nicht zu entnehmen, ob nach der am 1. Januar 2011 -
nach [X.] des angefochtenen Urteils -
in [X.] getretenen Neufassung der Vor-schrift des §
66 Abs.
1 StGB die Voraussetzungen der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ebenfalls erfüllt sind.
Durch das [X.] und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 ([X.]) ist u.a. die Bestimmung des §
66 StGB erheblich umgestaltet worden. Gemäß der Übergangsregelung des Art. 316e Abs.
1 [X.] findet, sofern die für die Maßregelanordnung relevanten Anlasstaten vor dem 1. Januar 2011 begangen wurden, zwar grundsätzlich das bisherige Recht Anwendung. Anderes gilt indes dann, wenn nach neuem Recht die rechtlichen Voraussetzungen für eine Un-terbringung in der Sicherungsverwahrung nicht mehr gegeben sind. In diesen Fällen ist nach Art. 316e Abs.
2 [X.], der auch in der Revisionsinstanz zu beachten ist (§
354a StPO), das neue Recht als das mildere Gesetz anzuwen-den (vgl. [X.], Urteil vom 27. Januar 2011 -
4 [X.] Rn.
49; Beschluss vom 12. Januar 2011 -
2 StR 642/10 Rn.
2).
2
3
-
4
-
Nach §
66 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 [X.] müssen die in formeller Hinsicht für die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erforderli-chen Vorverurteilungen jeweils Straftaten zum Gegenstand haben, die in §
66 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1a bis c [X.] bezeichnet sind. Diesen Anforderungen genügen die Urteile des [X.]s Traunstein vom 23. Juli 2007 und des [X.]s Göttingen vom 1. Oktober 1998, auf welche sich die [X.] für die Bejahung der formellen Voraussetzungen des §
66 Abs.
1 Nr.
1 StGB a.F. gestützt hat, nicht, weil beiden Entscheidungen ausschließlich nicht vom Katalog des §
66 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 [X.] erfasste Delikte zu Grunde la-gen. Beide Urteile sind nach §
66 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 [X.] nicht mehr [X.], formell die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu begründen.
Als Vorverurteilungen, welche den Voraussetzungen des neuen Rechts entsprechen, kommen nach den Feststellungen allein die Verurteilungen durch das [X.] Schwerin vom 2. Februar 1995 wegen räuberischen Angriffs auf [X.]fahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und wegen Geiselnahme in zwei Fällen sowie durch das [X.] Berlin vom 11. August 1978 u.a. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverlet-zung und wegen räuberischer Erpressung in Betracht, wobei das angefochtene Urteil weder die Höhe der Einzelstrafen aus dem Urteil des [X.]s Berlin vom 11. August 1978 mitteilt, noch die jeweiligen [X.] genau feststellt. Die [X.] legen es -
wie der [X.] in seinem Verwerfungsantrag im Einzelnen darlegt -
allerdings zumindest sehr nahe, dass für die Katalogtaten im Urteil des [X.]s Berlin vom 11.
August 1978 eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verhängt [X.] und die Verjährungsregelung des §
66 Abs.
4 Satz
3
und 4
[X.] der Berücksichtigung der jeweils abgeurteilten Taten nicht entgegen steht.
4
5
-
5
-
In materieller Hinsicht hat sich die [X.] aber -
der damaligen Rechtslage entsprechend -
bei der Feststellung des Hangs neben der neu [X.] Gewalttat zum Nachteil der Eheleute R.

maßgeblich auf die nach §
66 Abs.
1 Nr.
1 StGB a.F. als Symptomtaten gewerteten Straftaten ge-stützt, welche den Urteilen des [X.]s Traunstein vom 23. Juli 2007 und des [X.]s Göttingen vom 1. Oktober 1998 zu Grunde lagen, während die Verurteilungen durch das [X.] Berlin vom 11. August 1978 und das [X.] Schwerin vom 2. Februar 1995 in der Gesamtwürdigung des Land-gerichts nur am Rande und in summarischer Weise Erwähnung finden. Ob das [X.] bei einer Gesamtbewertung, welche insbesondere die nach neuem Recht in formeller Hinsicht zur
Begründung der Sicherungsverwahrung gemäß §
66 Abs.
1 [X.] allein in Betracht kommenden Taten aus den Urteilen des [X.]s Berlin vom 11. August 1978 und des [X.]s Schwerin vom 2. Februar 1995 in den Blick zu nehmen und damit auf anders gewichteter tatsächlicher Grundlage zu erfolgen hätte, ebenfalls zur Bejahung eines Hangs des Angeklagten gelangt wäre, vermag der Senat den Urteilsgründen mit hin-reichender Sicherheit nicht zu entnehmen. Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung bedarf daher einer neuen tatrichterlichen [X.] und Entscheidung.
6
-
6
-
Bei der neuerlichen Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung werden die Anforderungen zu beachten sein, die das [X.] in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 -
2 BvR 2365/09 -
für die befristete weitere Anwendung des §
66 StGB alter und neuer Fassung aufgestellt hat (vgl. Rn. 172 der Entscheidung).
Ernemann Roggenbuck

Mutzbauer

Bender Quentin
7

Meta

4 StR 127/11

08.06.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2011, Az. 4 StR 127/11 (REWIS RS 2011, 5970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5970

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2 BvR 2365/09

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