Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2012, Az. 5 StR 451/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 6981

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Nachschlagewerk: ja
[X.]St : ja
Veröffentlichung : ja

[X.] Art. 316e Abs. 3 Satz 1

In dem Verfahren nach Art. 316e Abs. 3 Satz 1 [X.] ist die nach § 66 StGB aF angeordnete Sicherungsverwahrung nur dann für erledigt zu erklären, wenn alle für die Anordnung der Sicherungsverwahrung kausalen Taten aus den Anlass-
und den Vorverurteilungen nicht mehr in den Katalog des § 66 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 StGB in der am 1. Januar 2011 in [X.] ge-tretenen Fassung fallen.

[X.], Beschluss vom 25. April 2012

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5 [X.]/11

[X.] [X.] a. M. -

5 [X.]/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 25. April
2012
in der Strafvollstreckungssache
gegen

wegen Diebstahls

-
2
-

Der 5. Strafsenat des [X.] hat am
25. April 2012
beschlossen:

In dem Verfahren nach Art.
316e Abs. 3 Satz 1 [X.] ist die nach § 66 StGB aF angeordnete Sicherungsverwahrung nur dann für erledigt zu erklären, wenn alle für die Anord-nung der Sicherungsverwahrung kausalen
Taten aus den
Anlass-
und den Vorverurteilungen nicht mehr in den Katalog des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in der am 1. Januar 2011 in [X.] getretenen Fassung fallen.

G r ü n d e

I.

Dem Vorlegungsverfahren liegt Folgendes zugrunde:

1. Das [X.] verhängte gegen den Verurteilten am 10.
Dezember 2007 wegen Diebstahls in drei Fällen eine Gesamtfreiheits-strafe von fünf Jahren und sechs Monaten und ordnete seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Der Verurteilung lagen drei Diebstähle im besonders schweren Fall zugrunde. Der Verurteilte führte diese im Mai und August 2005 und im April 2007 für einen Auftraggeber aus, indem er aus zwei Wohnhäusern und einem Geschäftshaus Gegenstände in einem Ge-ete.

Die Anordnung der Sicherungsverwahrung erfolgte gemäß § 66 Abs. 1 StGB in der bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung
(aF). Die Voraus-
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setzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF wurden durch zwei Vorverurteilun-gen erfüllt:

Am 30. Januar 1991
hatte das [X.] gegen den [X.] wegen schwerer räuberischer Erpressung eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten
verhängt. Der Verurteilte hatte mit einem Mittäter einen
Banküberfall begangen.

Am 31. Juli 1996 hatte
das [X.] den Verurteilten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer
Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Dem
lag
wiederum ein Banküberfall zugrunde, den der Verurteilte während eines Hafturlaubs im Rahmen der Verbüßung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 30. Januar 1991
verübt hatte.

Auch die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Siche-rungsverwahrung hielt
das [X.] für gegeben. [X.] beraten bejahte es bei dem Verurteilten
eine intensive Neigung zu Rechts-brüchen, insbesondere zu Banküberfällen und Diebstählen im besonders

41
f.),

, dass er wei-tere erhebliche rechtswidrige Taten,

insbesondere Diebstähle im besonders schweren Fall

begehen werde.

die Gefahr, dass der Verurteilte
schweren wirtschaftlichen Schaden anrichten werde
([X.] 44).

2. Derzeit verbüßt der Verurteilte die Gesamtfreiheitsstrafe aus dem vorgenannten Urteil des [X.]. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 20. Dezember 2010 lehnte das [X.] die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung ab. Das [X.] ist auf den [X.] 2012 notiert; im [X.] daran wäre
die Sicherungsverwahrung
zu vollstrecken.

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3. Auf Antrag des Verurteilten hat das [X.] mit Be-schluss vom 11. Mai 2011
die Sicherungsverwahrung gemäß Art.
316e Abs.
3 Satz 1 [X.] für erledigt
erklärt. Unter Bezugnahme
auf den Be-schluss des [X.] vom 1. April 2011
(NStZ 2011, 703) hat die Strafvollsteckungskammer die Auffassung vertreten, dass Art.
316e Abs. 3 Satz 1 [X.] die Erledigungserklärung vorsehe, wenn die Sicherungsverwahrung auf
Grundlage der im anordnenden Urteil getroffenen Feststellungen nach §
66 StGB in der am 1. Januar 2011 in [X.] getretenen Fassung
(nF)
aktuell nicht mehr angeordnet werden könnte, weil dessen Vo-raussetzungen nicht mehr vorlägen. Dies sei der Fall, da die vom Verurteilten begangenen Diebstähle nach § 66 Abs. 1 StGB nF keine tauglichen Anlass-taten mehr seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft [X.], der die Generalstaatsanwaltschaft [X.] am Main beigetreten ist. In ihrer Stellungnahme begründete die [X.] dies damit, dass eine Erledigung der Sicherungsverwahrung nach Art.
316e Abs. 3 Satz 1 [X.] sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Willen des Gesetzgebers bereits dann nicht möglich sei, wenn auch nur eine der Anlass-
und Vortaten in den Katalog des § 66 Abs. 1 StGB
nF falle.

4. Das Oberlandesgericht [X.] am Main beabsichtigt, auf die so-fortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Beschluss der [X.] aufzuheben. Schon nach dem Wortlaut des Art.
316e Abs. 3 Satz 1 [X.] lägen die Voraussetzungen für die Anordnung der [X.] im verfahrensgegenständlichen Fall nicht vor, da beide Vortaten in
den Katalog des § 66 Abs. 1 StGB
nF fielen. Auch die
Gesetzesbegründung mache deutlich, dass bei der Erledigungsprüfung nicht allein die [X.], sondern jeweils auch die Vortaten in den Blick zu nehmen seien.

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An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Oberlandesgericht
[X.] am Main
durch den genannten Beschluss des [X.] vom 1. April 2011 (aaO) gehindert und hat die Sache zur Entschei-dung folgender Rechtsfrage dem [X.] vorgelegt:

Ist in dem Verfahren nach Art.
316e Abs. 3 Satz 1 [X.] die nach §
66 StGB aF angeordnete Sicherungsverwahrung ohne Berücksichtigung der Vorverurteilungen schon immer dann für erledigt zu erklären, wenn die der [X.] zugrunde liegende Tat nicht mehr in den Katalog des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in der am 1. Januar 2011 in [X.] getretenen Fassung fällt?

5. Der [X.] beantragt, die [X.] zu beja-hen und die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Be-schluss des [X.] vom 11. Mai 2011 als unbegründet zu ver-werfen. Er teilt die Rechtsauffassung des vorlegenden [X.] nicht. Die dort
favorisierte Auslegung enge den Anwendungsbereich der Er-ledigterklärung über Gebühr ein und versage Personen eine Aufhebung der gegen sie angeordneten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die nach der aktuellen Rechtslage eine [X.] nicht mehr zu [X.] hätten. Dies entspreche nicht dem mit der Einführung eines Erledi-gungsverfahrens verfolgten Ziel des Gesetzgebers, die durch die Neuord-nung des Rechts der Sicherungsverwahrung bewirkte Verengung des [X.] des §
66 StGB auch gegenüber solchen Personen anzu-erkennen, gegen die die Maßregel nach altem Recht bereits rechtskräftig angeordnet worden sei.

II.

Die [X.] gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr.
3 GVG liegen vor. Der [X.] hält die Rechtsauffassung des vorlegenden 11
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-

[X.], die vom [X.] (NStZ 2012, 96, 97) obiter dictu geteilt wird, für zutreffend. Eine Erledigterklärung im formalisier-ten Verfahren nach Art.
316e Abs. 3 Satz 1 [X.] ist
ausgeschlossen, wenn
sich auch nur eine der Anlass-
oder Vortaten dem Katalog des § 66 StGB nF zuordnen lässt.

1.
Dieses Verständnis legt
bereits der Wortlaut der Norm
zwingend nahe.

Nach Art. 316e Abs. 3 Satz 1 [X.] erklärt das Gericht eine nach §
66 StGB vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete [X.] nach §
66 StGB in der seitdem geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine Anordnung sein können. In den Fällen, in denen sich die Anordnung der Sicherungsverwahrung auf § 66 Abs. 1 StGB aF stützt, sind neben einer [X.] qualifizierte Vorverurteilungen

e--
als auch auf den Vortaten. Der Regelung ist nicht zu entnehmen, dass sich der beziehen soll; vielmehr wird er als Ober-begriff für Anlass-
und Vortaten verwendet.

Anders als das [X.] in seiner angefochtenen Entschei-dung meint, hätte es keiner Präzisierung im Wortlaut der Vorschrift bedurft, um diesen Regelungsgehalt zum Ausdruck zu bringen. Im Gegenteil: Hätte der Gesetzgeber eine Regelung treffen wollen, die eine Erledigungserklärung schon dann vorsähe, wenn nach Maßgabe des neuen Rechts die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht gege-ben wären, so hätte eine entsprechend
einfache, unmissverständliche
Ge-setzesformulierung auf der Hand gelegen. Zudem hat der Gesetzgeber in Regelungen in Art.
316e
Abs.
1 und
2 [X.], die sich allein auf [X.] beziehen, klare andere Formulierungen gewählt.
Hinzu kommt
schließ-lich, dass der Gesetzgeber die ihm unterstellte
Intention, jede nach §
66 14
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-

StGB aF angeordnete Sicherungsverwahrung, welche die formellen
Anforde-rungen des §
66 StGB nF nicht erfüllt, für erledigt zu erklären, mit der ge-wählten Formulierung des Art.
316e Abs. 3 Satz
1 [X.], bei der sich [X.] beziehen würde, überhaupt nicht verwirklicht
hätte:
In den Fällen des § 66 Abs. 2 StGB aF, in denen es auf Vortaten nicht ankommt, würde ein solches Begriffsverständnis nämlich [X.] nicht dazu führen, dass die Sicherungsverwahrung immer dann
erledigt werden müsste, wenn
sie nach neuem Recht nicht mehr angeordnet werden könnte. Denn in Fällen, in denen von mehreren erforderlichen [X.]en auch nur eine einzige dem Straftatenkatalog des § 66 StGB nF
unterfiele,
mithin die Sicherungsverwahrung nicht mehr angeordnet werden könnte, fände eine Erledigung nach Art.
316e Abs. 3 Satz 1 [X.] gleichwohl nicht statt.

Insgesamt bringt der Wortlaut des Art.
316e Abs. 3 Satz 1 [X.] deutlich zum Ausdruck, dass gerade nicht jede Unterbringung für erledigt erklärt werden soll, die heute nicht mehr angeordnet werden könnte.

2.
Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers.

a) Eine übergeordnete Norm, die den Gesetzgeber gezwungen hätte, die
Erledigung rechtskräftig angeordneter
Sicherungsverwahrungen in allen Fällen herbeizuführen, die nach Maßgabe des neuen Rechts bereits die [X.] Voraussetzungen des § 66 StGB nicht mehr erfüllt hätten, ist nicht ersichtlich.

Verfassungsrechtlich abgesicherte Vertrauensschutzbelange (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG,
Art. 7 Abs.
1, Art.
5 MRK),
die im Bereich der Sicherungs-verwahrung gelten (vgl. [X.] 128, 326),
sind
durch die Rechtsänderung nicht berührt.

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8
-

Zwar wird das in § 2 Abs. 3 StGB festgelegte Meistbegünstigungsge-bot teilweise als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips und als Ausprägung verhältnismäßiger Gerechtigkeit, mithin als Grundsatz mit Verfassungsrang, angesehen (so [X.] in LK, StGB, 12. Aufl., § 2 Rn. 55 mwN; vgl. auch Art.
15 Abs. 1 des [X.] über bürgerliche und politische Rechte). Indes gilt dieses Gebot nicht im Bereich der Maßregeln
(vgl. § 2 Abs. 6 StGB) und überdies t-

Rechtskräftige Strafurteile werden durch eine nach Eintritt der [X.] vorgenommene Milderung des Strafgesetzes grundsätzlich nicht be-rührt. Es steht vielmehr im Ermessen des Gesetzgebers, ob die Milderung eines Strafgesetzes auch auf rechtskräftige Verurteilungen ausgedehnt wer-den soll. Das Grundgesetz schreibt eine solche Rückwirkung nicht vor
([X.]
4, 110). (vgl. [X.],
[X.] 2011, 216, 219) kann insoweit keine Rede sein. Vielmehr ist
es Wesen der Rechtskraft,
Rechtssicherheit herzustellen. Der [X.] handelt nicht willkürlich, wenn er der Rechtssicherheit Vorrang vor der Einzelfallgerechtigkeit gibt (vgl. [X.] 19, 150,
166
mwN).
Trifft er keine entsprechenden Übergangsregelungen, so ist eine Rechtskraftdurchbre-chung grundsätzlich nur auf dem Wege der Gnade möglich.
Speziell inner-halb des Maßregelrechts bieten
allerdings die Prüfungsverfahren nach §
67c Abs.
1, §
67e Abs. 1 StGB
für eine Neuorientierung eine gesetzliche Hand-habe.

b) Im Zuge der Änderungen
der Voraussetzungen des § 66 StGB durch das [X.] und zu begleitenden Regelungen vom 22.
Dezember 2010
(BGBl. [X.]) hat sich der Gesetzgeber entschieden, mit Art.
316e Abs. 3 Satz 1 [X.] eine Übergangsregelung zu treffen. Er wollte ein

gegenüber dem [X.] nach §
67c Abs.
1,
§
67e Abs. 1 StGB vereinfachtes

Ver-fahren zur Erledigung auf der Grundlage alten Rechts rechtskräftig angeord-21
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23
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-

neter Sicherungsverwahrungen ohne weitere Hang-
oder
Gefährlichkeitsprü-fung zur Verfügung stellen. Im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens wollte er dabei jedoch nicht so weit gehen, eine
Erledigung für all diejenigen Unterbringungsfälle vorzusehen, bei denen eine Anordnung der Sicherungs-verwahrung nach der
seit dem 1. Januar 2011 geltenden Gesetzeslage nicht mehr möglich wäre; er wollte auch nicht die Erledigung ohne Rücksicht auf die rechtliche Qualität der Vorverurteilung für alle die Fälle
herbeiführen, in denen die den Anlass der [X.] bildende Tat nicht mehr unter den
Katalog des §
66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nF
fällt.

Dieser Wille geht klar aus der Begründung des
Gesetzentwurfs der Fraktionen der [X.] und [X.] (BT-Drucks. 17/3403, [X.], 51)
hervor, der Grundlage des Gesetzgebungsverfahrens war und zu
der Neuregelung
führte. Zwar wird dort einleitend als Regelungsziel der Rechtsgedanke formu-liert, dass der (zukünftig)
engere Anwendungsbereich des § 66 StGB nF auch denen zugute
kommen solle, gegen die Sicherungsverwahrung bereits rechtskräftig angeordnet sei. Wenn bestimmte Delikte die Sicherungsverwah-rung nicht mehr rechtfertigen könnten, erscheine es als Gebot der Gerechtig-mehr zu vollstrecken (aaO, [X.]). Daher sei in solchen Fällen die Siche-erklären (aaO, [X.]).

Dass der Gesetzentwurf

r-s Generalbundesan-walts, [X.], 11, unter Bezugnahme auf [X.],
aaO,
S.
218) jedoch nicht uneingeschränkt folgt, ergibt sich aus den weiteren Ausführungen der [X.]. Das Erledigungsverfahren nach Art.
316e Abs. 3 Satz 1 [X.] soll danach [X.] die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsver-wahrung nach § 66 StGB erfüllten, nicht mehr unter den Katalog des neuen

Anlass-
und Vor-24
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10
-

Wenn eine oder mehrere Taten auch die Voraussetzungen des § 66 StGB nF erfüll-angenommen werden, dass der Täter allein im Hinblick auf die Begehung
solcher Taten rückfallgefährdet sei, die nach neuem Recht die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht mehr gestatteten. Daraus folge allerdings on Gesetzes wegen vorgegebene Erledigung der Sicherungsverwahrung eigneten (aaO, [X.]).
Der Entwurf, dem der Gesetzgeber gefolgt ist,

h-n
allgemeinen Prüfungsverfahren nach §
67c Abs.
1, § 67e Abs. 1 StGB.

c) Zwar hätte
der
[X.]

in der Tendenz insoweit dem Generalbun-desanwalt folgend

eine Übergangsregelung im Sinne einer Erledigung aller rechtskräftig angeordneten Sicherungsverwahrungen, die nach neuem Recht nicht mehr die formellen Voraussetzungen des § 66 StGB
erfüllen würden, unter den Gesichtspunkten der materiellen Gerechtigkeit, der Rechtsklarheit und der Verfahrensökonomie für vorzugswürdig erachtet.
Die mit der Neure-gelung verwirklichten
deutlich strengeren Anforderungen für die Verhängung der Sicherungsverwahrung werden auch eine Anordnung ihres (weiteren) Vollzugs durch die Strafvollstreckungskammer im Rahmen der Prüfung nach §
67c Abs.
1, §
67e Abs.
1 StGB in Fällen, in denen die Maßregel jetzt gar nicht mehr angeordnet werden dürfte, nur bei gleichwohl
ausnahmsweise bestehender hochgradiger Gefährlichkeit des Verurteilten für im Sinne von §
66 StGB nF spezifische Rechtsgüter gestatten. Derartige Rechtssicherheit zum Schutze der Allgemeinheit in Ausnahmefällen durch eine flexiblere Übergangsregelung zu ermöglichen und sie nicht im Interesse ausnahmslo-ser Gleichbehandlung von Alt-
und Neufällen von vornherein
auszuschließen, stand dem Gesetzgeber aber frei. Es kann ihm
nicht unterstellt werden, er habe sich sowohl im Gesetzestext als auch in der Begründung

p-so
[X.],
aaO, [X.]). Es besteht, ungeachtet der eingangs [X.]
-
11
-

schal weit gefassten Formulierung zum Regelungsziel,
kein Widerspruch in den Gesetzesmotiven:

Die [X.] ist

wie auch die Vortaten

bloßer Anknüpfungspunkt für das Merkmal der Gefährlichkeit, nicht deren Anordnungsgrund
([X.] 109, 133, 174). Hinter der Herausnahme insbesondere der gewalt-losen Vermögens-
und Eigentumsdelikte aus dem Katalog tauglicher Anlass-
und Vortaten steht die Annahme, dass sich in der Regel auch die hangbe-dingte Gefährlichkeit des [X.] nur auf die erneute Begehung solcher Taten erstreckt, da die Anlass-
und Vortaten symptomatisch sowohl für den Hang als auch für die Gefährlichkeit des [X.] sein müssen (BT-Drucks. 17/3403, [X.]). Fällt
ein Teil der Taten auch nach neuem Recht unter den
Katalog tauglicher Anlass-
und Vortaten, so können diese im Einzelfall durchaus Symptom dafür sein, dass sich die hangbedingte Gefährlichkeit des [X.] auf die erneute Begehung solcher Taten erstreckt.

Die formellen Voraussetzungen des § 66 StGB markieren insoweit le-ü-fung (Hang und [X.]). Nach den Wertungen des [X.] sollen ein Hang zu gewaltlosen Eigentums-
oder Vermögensdelikten und eine entsprechende Gefährlichkeit des [X.] für die Anordnung der Sicherungsverwahrung grundsätzlich nicht mehr ausreichen. Diese Änderung des [X.] hat einnämlich
der formellen Krite-rien des § 66 StGB, nach sich gezogen.
Die Altfälle, in denen die Siche-rungsverwahrung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung bereits rechtskräftig angeordnet war, haben den damals gültipassiert; Hang und [X.] wurden rechtskräftig festgestellt. Im Hinblick auf die im Zeitpunkt der [X.] geltenden weiteren Hang-
und Gefährlichkeitskriterien stellt sich allerdings die Frage, ob die nun enger definierte Gefährlichkeit hinreichend belegt ist. Das hat der Gesetzge-r

27
28
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12
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denen keine der Anlass-
und Vortaten mehr die formellen Voraussetzungen des § 66 StGB nF erfüllen würde. Hier ist es nämlich nahezu ausgeschlos-sen, dass bei individueller Betrachtung eine den engeren Maßstäben des §
66 StGB genügende Gefährlichkeit des [X.] festgestellt werden könnte. Alle anderen Fälle überlässt der Gesetzgeber demgegenüber einer individu-Sicherungsverwahrung in absehbarer Zeit zumindest nach § 67d Abs. 2 einer aktuellen Gefährlichkeitsprüfung zur Überzeugung gelangt, dass sich eine vom Täter etwa weiterhin ausgehende Rückfallgefahr nur auf solche Taten bezieht, die nach neuem Recht nicht mehr taugliche Anlass-
oder Vor-taten für die Sicherungsverwahrung sein können
(BT-Drucks. 17/3403, S.
51).

3.

.
316e Abs. 3 Satz
1 [X.]

auf den der [X.] in der Begründung [X.] entscheidend abstellt

lassen sich zum Inhalt der Regelung keine der Auffassung des [X.]es widersprechenden
Gesichtspunkte ent-nehmen.

Die bloße Nachbarschaft zu Art.
313 [X.] begründet noch keinen gesetzessystematischen Zusammenhang, der einen bestimmten Regelungs-inhalt des Art. n-sichtliche Parallele zur Regelung des Art.

,

e-leg für ein allein an Gerechtigkeits-
und nicht an [X.]

entgegen der Auffassung des [X.]s

nicht. Zwar beruft sich der Gesetzentwurf im Eingang der Begründung zu Art.
316e Abs. 3 Satz
1 [X.] auf den Rechtsgedanken des Art.
313 [X.]. In der weite-ren Begründung rückt er jedoch

wie dargelegt

von einer vollständigen Übernahme dieses [X.] ab und stellt dabei
gerade [X.] in den Mittelpunkt. Dies erscheint angesichts der Unter-29
30
-
13
-

schiedlichkeit des Regelungsgegenstandes von Art.
313 [X.] einerseits
und Art.
316e Abs. 3 Satz 1 [X.] andererseits auch nicht widersprüchlich oder gar
willkürlich. Denn Art.
313 [X.] betrifft den Erlass von rechtskräf-tig verhängten Strafen für nach gesetzlicher Neuregelung nicht mehr als strafwürdig angesehene Taten. Demgegenüber ist Anordnungsgrund der Si-cherungsverwahrung die Gefährlichkeit des Straftäters; die formellen Vo-raussetzungen des § 66 StGB markieren nur symptomatische Kriterien für diese Gefährlichkeit.

III.

Nach dem oben (unter [X.]) Gesagten verstößt die Regelung des Art. 316e Abs. 3 Satz 1 [X.],
insbesondere mit Blick
auf die allgemeinen Vorschrif-ten über die Überprüfung der Unterbringung nach §
67c Abs.
1, §
67e Abs.
1 StGB,
auch nicht gegen das Willkürverbot, das der Gesetzgeber bei der Ge-staltung von Übergangsregelungen zu beachten hat (vgl. [X.] 44, 1,
21; [X.], Urteil vom 26. Oktober 2011, [X.], NJW 2012, 231
Rn.
24).

IV.

Die [X.] ist daher wie aus dem Leitsatz ersichtlich zu be-antworten.

Demnach hat die Prüfung der Erledigung der Sicherungsverwahrung oder der Aussetzung ihrer

(vgl. zur Eingrenzung dieses Begriffs [X.] Karlsruhe
NStZ 2011, 581; [X.] Mün-chen, Beschluss vom 24. Oktober 2011

1 Ws 868-869/11; Hanseatisches [X.] Hamburg, Beschluss vom 17. November 2011

2 Ws 85/11
Rn.
109
ff.), zu denen auch der verfahrensgegenständliche Fall gehört, nach den allgemeinen Regeln der §
67c Abs.
1,
§
67e Abs. 1, §
67d Abs. 2
StGB zu erfolgen. Der [X.] geht dabei davon aus, dass die Änderung des § 66 StGB die Strafvollstreckungskammern in diesen Fällen zu einer Prüfung der 31
32
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-
14
-

Erledigung oder Aussetzung von Amts wegen verpflichtet. Im Rahmen dieser Prüfung sind die einschränkenden Maßgaben aufgrund der Fortgeltungsan-ordnung im Urteil des [X.] vom 4. Mai 2011
([X.] 128, 326)
zu beachten (vgl. zu der dort angemahnten Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung Gesetzentwurf der Bundesregierung, [X.]. 173/12). Dabei wird unter [X.] keine Vollzugsfortdauer anzuordnen sein, wenn sich ein Hang und eine entsprechende Gefährlichkeit des Verurteilten nur noch in Bezug auf Taten ergeben, die nach der Wertung des Gesetzgebers in §
66 StGB nF nicht mehr Anlass für die Anordnung von Sicherungsverwahrung sein können. Die Erwägungen im [X.] werden eine entsprechende Behandlung des vorliegenden Falles nahe legen.

[X.] Raum Schaal

Schneider Bellay

Meta

5 StR 451/11

25.04.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2012, Az. 5 StR 451/11 (REWIS RS 2012, 6981)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6981

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungsverwahrung in Übergangsfällen


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5 StR 451/11

IV ZR 150/10

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