Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2011, Az. 2 StR 618/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 6837

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 618/10
vom
11. Mai 2011
in der Strafsache
gegen

wegen
schwerer räuberischer Erpressung

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2
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Der 2.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 11. Mai 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. September 2010
a)
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe der räuberischen Erpressung schuldig ist;
b)
im Ausspruch über die [X.] im Fall II. 2.
der Urteils-gründe und über die Gesamtstrafe sowie im Ausspruch
über die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungs-verwahrung aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer [X.] in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der [X.]
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3
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rung angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg hat; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
1. [X.] hält rechtlicher Prüfung insoweit nicht stand, als das [X.] den Angeklagten im Fall II.
2. der Urteilsgründe der schweren
räu-berischen Erpressung nach §
255 [X.]. §
250 Abs. 1 Nr. 1b StGB für schuldig befunden hat.
a) Nach den Feststellungen des [X.] überfiel der Angeklagte am 12. April 2010 eine Sparkasse, nachdem er für die Tatausführung unmittelbar zuvor aus der Auslage eines [X.] eine Wasserpistole entnommen hatte. Die grellbunte Spielzeugpistole, die auch in ihrer Form einer echten Waf-fe nicht ähnelte, verbarg er in seiner Jackentasche. Nach Betreten der Spar-kasse begab sich der Angeklagte zu dem Filialleiter und erklärte ihm, dass es sich um einen Banküberfall handele und er so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich haben wolle. Zugleich deutete er an, mit einer Schusswaffe be-waffnet zu sein, indem er seine Hand in die Jackentasche steckte und mit der darin befindlichen Wasserpistole eine zielende Bewegung machte. Der Filiallei-ter, der den in der Jackentasche verborgenen Gegenstand nicht sehen konnte, aber befürchtete, dass es sich um eine echte Waffe handelte,
ging mit ihm zum [X.]. Dort befanden sich zwei weitere Bankangestellte, die in dem [X.] den Täter wiedererkannten, der sie bei einem früheren Überfall im Vorjahr bereits mit einer echt aussehenden Pistole bedroht hatte. Sie sahen, dass der Angeklagte mit einem in seiner Jackentasche verborgenen Gegen-
stand drohte, und gingen davon aus, dass er eine echte Schusswaffe mit sich e-händigt.
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b) Diese rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen lediglich ei-nen Schuldspruch wegen -
einfacher
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räuberischer Erpressung (§
255 [X.]. §
249 Abs. 1 StGB). Ihnen ist zu entnehmen, dass der Angeklagte den [X.] konkludent drohte, von einer Schusswaffe Gebrauch zu machen, falls sie sich seiner Forderung nach Herausgabe von Geld widersetzen sollten. Damit hat der Angeklagte die Voraussetzungen der räuberischen Erpressung erfüllt. Für die Tatbestandserfüllung ist unerheblich, ob der Täter die Ausfüh-rung seiner Drohung beabsichtigt oder ob sie für ihn überhaupt realisierbar ist, solange er nur will, dass die Bedrohten -
wie hier
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die Ausführung der Drohung für möglich halten ([X.]St
23, 294, 295 f.;
[X.], [X.], 184).
Entgegen der Auffassung des [X.] handelt es sich bei der von dem Angeklagten verwendeten Wasserpistole indes um kein "Werkzeug oder Mittel"
im Sinne der Vorschrift des §
250 Abs. 1 Nr. 1b StGB, um den [X.] einer anderen Person durch Drohung mit Gewalt zu verhindern. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] scheiden als tatbestands-qualifizierende Drohungsmittel solche Gegenstände aus, bei denen die [X.] nicht auf dem objektiven Erscheinungsbild des Gegenstands selbst, sondern auf täuschenden Erklärungen des [X.] beruht (vgl. [X.]St
38, 116, 118 f.;
[X.], [X.], 184;
NStZ
2007, 332, 333;
[X.], NStZ
2011, 278;
weitere Nachw. bei [X.], StGB
58.
Aufl., §
250 Rn. 10a). Danach haftet einem zur Drohung eingesetzten vorgeblich gefährlichen Gegen-stand keine objektive Scheinwirkung an, wenn seine objektive Ungefährlichkeit schon nach dem äußeren Erscheinungsbild offenkundig auf der Hand liegt. Für diese
Beurteilung kommt es allein auf die Sicht eines objektiven Be-
trachters und nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall das Tatopfer eine sol-che Beobachtung tatsächlich machen konnte oder ob der Täter dies durch sein täuschendes Vorgehen gerade vereitelte (vgl. [X.], aaO).
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5
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Ein solcher Fall lag hier vor. Wie auch das [X.] im Ausgangs-punkt noch zutreffend erkannt hat ([X.]), war die Wasserpistole nach ih-rem äußeren Erscheinungsbild "nicht geeignet, den Anschein einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs zu erwecken, da sie nach Form und Farbe deut-lich als Spielzeug zu klassifizieren gewesen wäre". Keine Bedeutung kommt demgegenüber für die objektive Betrachtung des vom Angeklagten eingesetz-ten Gegenstands den vom [X.] insoweit für maßgeblich erachteten [X.] Umständen des Tatgeschehens zu, dass die Wasserpistole von den [X.] in ihrem Erscheinungsbild nicht wahrgenommen werden konnte und nur aufgrund ihrer verdeckten Verwendung den vom Angeklagten erstrebten Bedrohungseffekt entfaltete und dass die beiden Bankangestellten aufgrund des Wiedererkennens des Angeklagten aus ihrer Wahrnehmung der vermeint-lich echten Waffe bei dem zuvor von ihm begangenen Überfall schlussfolger-ten, dass der Angeklagte erneut mit einer echten Pistole drohen würde.
Der [X.] hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von §
354 Abs. 1 StPO abgeändert. Dies hat den Wegfall der insoweit verhängten [X.] zur Folge. Der [X.] vermag nicht auszuschließen, dass die [X.] und die Strafzumessung durch die fehlerhafte rechtliche Würdi-gung beeinflusst worden sind. So erscheint es möglich, dass die [X.] von einem -
hier unter dem Gesichtspunkt der verminderten Schuldfähigkeit (§
21 StGB) bejahten
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minder schweren Fall auch bei zutreffender Annahme einer (einfachen) räuberischen Erpressung ausgegangen wäre. Wegen der Aufhebung der [X.] im Fall II. 2. der Urteilsgründe hat auch die Ge-samtstrafe keinen Bestand.
2. Auch der Ausspruch über die Maßregel hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da -
anders
als zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung
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die formellen Voraussetzungen für deren Anordnung aufgrund 6
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der Änderung der Vorschrift des §
66 StGB durch das am 1. Januar 2011 in [X.] getretene Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 ([X.]) nicht mehr vorliegen. Der [X.] hat insoweit gemäß der in Art. 316e Abs. 2 [X.] vorgesehenen Übergangsvorschrift das gegenüber dem bisherigen Recht mildere neue Gesetz zu Gunsten des Angeklagten anzuwenden (§
354a StPO).
Nach der für den Angeklagten günstigeren, weil strengeren formellen Vo-raussetzung der Vorschrift des §
66 Abs. 1 Nr. 2 StGB nF muss der Täter we-gen Straftaten der in Nr. 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, [X.] jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sein. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zwar erfüllt die [X.] durch das [X.] Kassel vom 8. November 1999 zu einer Gesamt-freiheitsstrafe von zehn Jahren die genannte Voraussetzung, da der dort u.a. abgeurteilte sexuelle Missbrauch von Kindern in neun Fällen nach §
66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB nF taugliche [X.] sein kann. Es fehlt jedoch an der zweiten erforderlichen
Vorverurteilung. Alle weiteren den Urteilsfeststellungen zu entnehmenden Vorstrafen -
insbesondere die vom [X.] im angefoch-tenen Urteil noch herangezogene Verurteilung durch das [X.] Arnsberg vom 8. August 1990 u.a. wegen Diebstahls in vier Fällen
-
erfolgten wegen De-likten, die nach der Neufassung des Gesetzes keine tauglichen Anknüpfungsta-ten für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach §
66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB mehr sein können.
Der [X.] kann nicht gemäß §
354a [X.]. §
354 Abs. 1 analog StPO in der Sache selbst entscheiden. Zwar kommt nach den Feststellungen in [X.], dass die formellen Voraussetzungen für eine Anordnung der Siche-rungsverwahrung gemäß §
66 Abs. 3
StGB nF vorliegen können, da insoweit 9
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die frühere Verurteilung durch das [X.] Kassel vom 8. November 1999 genügte. Eine Anordnung der Sicherungsverwahrung nach dieser Vorschrift steht jedoch im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. An einer solchen Ermessensentscheidung fehlt es hier, da das [X.] die Unterbringung des Angeklagten ausdrücklich auf die vorrangige Vorschrift des §
66 Abs. 1 StGB aF gestützt hat, nach der die Anordnung der Maßregel zwingend war. Das Revisionsgericht kann die fehlende Ermessensentscheidung nicht [X.]; sie ist dem neuen Tatrichter vorbehalten (vgl. [X.], [X.], 12).

[X.]

Schmitt

Berger

Eschelbach

Ott

Meta

2 StR 618/10

11.05.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2011, Az. 2 StR 618/10 (REWIS RS 2011, 6837)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6837

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 618/10

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