Bundessozialgericht, Urteil vom 18.09.2012, Az. B 2 U 14/11 R

2. Senat | REWIS RS 2012, 3110

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Gesetzliche Unfallversicherung - Übergangsrecht gem §§ 212, 214 Abs 2 S 1 SGB 7 - Versicherungsfall vor Inkrafttreten des SGB 7 am 1.1.1997 - Neufestsetzung des JAV gem § 90 Abs 2 SGB 7 - keine Vollendung des 30. Lebensjahres)


Tenor

Auf die Revisionen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Juni 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höhere Verletztenrente ab 1.7.1991.

2

Der 1971 geborene Kläger erlitt im Jahre 1989 auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall. Er befand sich zu diesem [X.]punkt noch in einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, die er am 1.8.1988 begonnen hatte und die am [X.] enden sollte. Der Kläger bezieht Rente aufgrund dieses Arbeitsunfalls. Sein Recht hierauf wurde ihm im Bescheid vom 5.12.1990 ab dem 1.10.1990 zuerkannt. Dessen Jahreswert wurde anfänglich mit 7798,90 [X.] (650 [X.] monatlich) festgestellt. Er ergab sich aus dem Produkt einer MdE von [X.] und dem [X.] von 23 396,69 [X.].

3

Der [X.] ergab sich aus dem zum [X.]punkt des Versicherungsfalls anzusetzenden Ausgangs-[X.] von 22 680 [X.] [X.] der Bezugsgröße von 37 800 [X.]), der zum 1.7.1990 im Rahmen der allgemeinen Rentenanpassung mit dem Anpassungsfaktor von 1,0316 vervielfältigt worden war. Dieser [X.] wurde in der Folgezeit mehrfach gesetzlich angepasst.

4

Allerdings hatte sich der Abschluss der Ausbildung des [X.] aufgrund des Versicherungsfalls über den vorgesehenen [X.] hinaus verzögert. Deshalb hatte die Beklagte zuvor nach § 573 Abs 1 Satz 1 und 2 [X.] auch die tariflichen und ortsüblichen Entgelte für einen Verkäufer, der am [X.] seine Berufsausbildung beendet hatte und zu diesem [X.]punkt 19 Jahre alt war, mit dem Ergebnis geprüft, dass diese Entgelte für den Kläger ungünstiger waren.

5

Mit Schreiben vom 9.10.2008 beantragte der Kläger eine Neuberechnung seiner "Rente rückwirkend ab 1991" unter Berücksichtigung des Tarifvertrages für den Einzelhandel, weil sie "bereits seit 1991" zu niedrig berechnet worden sei.

6

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 17.10.2008 eine Überprüfung mit der Begründung ab, dass der [X.] korrekt festgestellt worden sei. Eine erneute Überprüfung gemäß § 573 [X.] (heute § 90 [X.]) aufgrund einer neuen Ausbildung oder Umschulung sehe der Gesetzgeber nicht vor. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war dem Schreiben nicht beigefügt. Am 24.12.2008 wandte sich der Kläger in einem weiteren Schreiben an die Beklagte und verwies auf § 214 [X.]. Er reichte eine Bescheinigung seines (früheren) Arbeitgebers vom 4.12.2008 über die Lohnentwicklung bei Weiterbeschäftigung nach dem Ausscheiden im Jahr 1992 sowie den Tarifvertrag für den [X.] Einzelhandel von 1988/1989 ein; dieser sehe eine Steigerung nach Berufsjahren vor, die für ihn ab dem 1.7.1991 greife.

7

Mit Schreiben vom 28.1.2009 erklärte die Beklagte, die erstmalige Festsetzung des [X.] sei mit dem Bescheid vom 5.12.1990 erfolgt. Hierin sei bereits die Überprüfung des [X.] gemäß § 573 [X.] enthalten. Eine erneute [X.]-Überprüfung aufgrund einer erneuten Ausbildung oder Umschulung sei weder im [X.] noch in der [X.] vorgesehen. Die Übergangsvorschrift des § 214 [X.] sei nicht anwendbar. Das [X.] sei am [X.] in [X.] getreten. Zu diesem [X.]punkt sei der [X.] bereits rechtswirksam festgestellt gewesen.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom [X.] wies die Beklagte einen nicht benannten Widerspruch des [X.] "gegen den Verwaltungsakt vom 17.10.2008" zurück, der sich gegen die Ablehnung der Neufestsetzung des [X.] richte. Es sei 1989 bei Vollendung des 18. Lebensjahres nach § 573 Abs 2 [X.] geprüft worden, ob ein höherer [X.] maßgeblich geworden sei. Der einschlägige Tarifvertrag habe aber keine Erhöhung des Entgelts nach Lebensalter vorgesehen. § 90 [X.] sei nach der Übergangsvorschrift des § 214 Abs 2 [X.] nicht anwendbar, weil der Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des [X.] zum [X.] eingetreten und der [X.] zu diesem [X.]punkt bereits einschließlich der Überprüfung zum Ausbildungsende rechtswirksam festgestellt gewesen sei.

9

Das [X.] hat die Klagen, mit denen der Kläger eine Abänderung des Bescheides vom 5.12.1990 und eine Neuberechnung seiner Rente ab 1.1.1991 begehrt hatte, mit Gerichtsbescheid vom 26.5.2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass sich für eine Neufeststellung der [X.] ab 1991 wegen der fiktiven Lohnerhöhungen im Rahmen einer Beschäftigung bei der seinerzeitigen [X.] weder in der zunächst maßgeblichen [X.] noch in dem später geltenden [X.] eine Anspruchsgrundlage finde.

Der Kläger hat mit seiner Berufung beantragt, den Gerichtsbescheid und den Bescheid der Beklagten vom 17.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] "aufzuheben" und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente unter Neufestsetzung des [X.] nach Maßgabe des § 90 Abs 2 [X.] seit dem 1.7.1991 zu gewähren.

Das L[X.] hat durch Urteil vom 17.6.2011 den Gerichtsbescheid des [X.] und den Bescheid der Beklagten vom 17.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] "aufgehoben" und die Beklagte "dem Grunde nach verurteilt", dem Kläger ab 1.1.2004 Verletztenrente unter Neufestsetzung des [X.] "auf der Grundlage der Regelungen der §§ 90 Abs. 2, 212, 214 Abs. 2 Satz 1 [X.]" zu gewähren. Es hat die Berufung "im Übrigen" zurückgewiesen. Der Kläger habe einen "Anspruch auf Neufestsetzung des [X.]" ab dem [X.] nach § 90 Abs 2 [X.] sowie "auf Gewährung von Verletztenrente" ab dem 1.1.2004. Soweit sein Berufungsbegehren auf Gewährung von Leistungen bereits ab dem 1.7.1991 gerichtet sei, sei die Berufung unbegründet. Über § 214 Abs 2 [X.] sei hier § 90 Abs 2 [X.] anwendbar, weil der Kläger erst nach Inkrafttreten des [X.] in den Anwendungsbereich der neuen Altershöchstgrenze von 30 Jahren gelangt sei und der Tarifvertrag für den [X.] Einzelhandel von 1988/1989 auch für [X.]en ab dem [X.] Entgelterhöhungen nach Berufsjahren vorsehe. Ob dies zu einem dem Kläger günstigeren [X.] führe, müsse die Beklagte nun ermitteln. Hingegen sei eine Leistungserbringung für [X.]en vor dem 1.1.2004 ausgeschlossen, weil es einen allgemeinen Rechtsgedanken gebe, der dies entsprechend § 44 Abs 4 [X.]B X für [X.]en vor dem [X.] vor dem [X.] (hier 2008) schlechthin ausschließe.

Hiergegen wenden sich der Kläger und die Beklagte mit ihren Revisionen.

Der Kläger rügt eine Verletzung der §§ 90 Abs 2, 214 Abs 2 [X.], 44 [X.]B X. Die Rechtsansicht des L[X.], dass der [X.] auf die [X.] ab dem 1.1.2004 beschränkt sei, sei unzutreffend, weil es hier nicht darum gehe, ob der Erstbescheid aus dem Jahre 1990 rechtswidrig gewesen sei. Vielmehr habe die Beklagte die erforderliche Neufestsetzung einfach unterlassen. Der Anspruch auf eine Neufestsetzung ab dem Jahre 1991 folge ohne jede Einschränkung aus § 573 Abs 2 [X.]. § 44 Abs 4 [X.]B X komme nicht zur Anwendung. Zum 1.7.1991 wäre die Beklagte von Amts wegen verpflichtet gewesen, den [X.] neu festzusetzen. Für die [X.] ab [X.] folge der Anspruch auf Neufestsetzung aus §§ 90 Abs 2, 212, 214 Abs 2 [X.].

Der Kläger beantragt,

1.    

das Urteil des [X.] vom 17. Juni 2011 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 26. Mai 2010 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung der einen höheren Rentenwert ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 17. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2009 die Festsetzung des Höchstwerts des Rechts auf Rente im Bescheid vom 5. Dezember 1990 aufzuheben, ab 1. Juli 1991 einen höheren Wert dieses Rechts unter Zugrundelegung der Angaben der Firma K. GmbH & Co. KG über Jahresarbeitsentgelte seit 1991, zumindest aber der Vergütungsgruppe [X.] des Tarifvertrags für den niedersächsischen Einzelhandel festzusetzen, und ihm seitdem entsprechend höhere Rente zu zahlen,

2.    

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

1.    

das Urteil des [X.] vom 17. Juni 2011 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2010 abzuweisen,

2.    

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte rügt eine Verletzung des § 214 Abs 2 Satz 1 [X.]. Der Kläger habe 1989 einen Unfall erlitten und 1996 das 25. Lebensjahr vollendet. Nach dem Regelungskonzept der §§ 212 ff [X.] habe vermieden werden sollen, dass solche vor Inkrafttreten des [X.] bereits abgeschlossenen Versicherungsfälle erneut wieder aufgegriffen werden müssten. Die Ausnahmevorschrift des § 214 Abs 2 Satz 1 [X.] komme nur zur Anwendung, wenn der [X.] ab dem [X.] erstmals festzusetzen sei oder ausnahmsweise eine Neufestsetzung erforderlich werde. Ein solcher Ausnahmefall sei beim Kläger nicht erkennbar.

Entscheidungsgründe

Auf die Revisionen des [X.] und der [X.] war das Urteil des [X.] aufzuheben und die Sache an dieses Gericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des [X.] kann nicht beurteilt werden, ob und ab welchem [X.]punkt dem Kläger ein Anspruch auf höhere Verletztenrente aufgrund der Feststellung eines höheren [X.] zustand. Zu Recht hat das [X.] allerdings rechtsgutachtlich ausgeführt, dass der am [X.] in [X.] getretene § 90 Abs 2 [X.] (über § 214 Abs 2 [X.]) auf den Kläger Anwendung findet (hierzu unter 2.). Ebenfalls im Grundsatz zu Recht hat das [X.] ausgeführt, dass ein möglicher Zahlungsanspruch lediglich für die [X.] ab dem 1.1.2004 bestand, weil der Kläger seinen Antrag erst im Jahre 2008 gestellt hatte. Dies folgt bereits aus § 48 Abs 4 Satz 1 [X.] iVm § 44 Abs 4 [X.] (hierzu unter 3.). Letztlich konnte der [X.] aber nicht entscheiden, welcher der Beteiligten im Übrigen Recht hatte, und musste den Rechtsstreit an das [X.] zur Nachholung der tatsächlichen Feststellungen zurückgeben (vgl unter 4.).

1. Das [X.] ist schon fehlerhaft und unter Verkürzung des Klägerbegehrens, das stets letztlich auf eine höhere Verletztenrente ab dem 1.7.1991 gerichtet war, davon ausgegangen, Streitgegenstand der Klagen sei nur ein Anspruch auf Neufeststellung des [X.] nach § 90 Abs 2 [X.]. Nach Bundesrecht ist aber jedenfalls seit Inkrafttreten des [X.] eine Feststellung sowie eine Neufeststellung eines [X.] ua schon mangels unmittelbarer Rechtswirkung nach außen kein mit der Anfechtungsklage anfechtbarer oder mit der Verpflichtungsklage einklagbarer Verwaltungsakt iS des § 31 [X.]. Die (Neu-)Feststellung eines [X.] ist jeweils nur die verwaltungsinterne Klärung eines [X.] im Rahmen der Vorbereitung der Feststellung des Werts des Rechts auf Verletztenrente als solches oder eines anderen Rechts. Erst diese Wertfeststellung ist der Verwaltungsakt. § 90 [X.] regelt nur bestimmte typisierte Fälle, in denen ein anderer [X.] als der Ausgangs-[X.] nachträglich materiell-rechtlich maßgeblich wird und, sofern kein anderer wertbildender Faktor sich gegenteilig geändert hat, zu einer iS von § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] erheblichen wesentlichen rechtlichen Veränderung des Wertes des jeweiligen Rechts führt.

Der Kläger hatte am 9.10.2008 von der [X.] begehrt, die im Bescheid vom 5.12.1990 getroffene Feststellung des [X.] seines ihm in demselben Bescheid zuerkannten Rechts auf Verletztenrente ab dem 1.7.1991 wegen einer Erhöhung dieses Wertes aufgrund einer materiell-rechtlichen Änderung des [X.] nach § 573 Abs 2 [X.], ab 1997 nach § 90 Abs 2 [X.], gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 [X.] aufzuheben. Ferner sollte die Beklagte den neuen gesetzlichen Rentenwert feststellen und entsprechend höhere Rente zahlen. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 17.10.2008 die vom Kläger begehrte Aufhebung des am 5.12.1990 festgesetzten [X.] (und damit auch die davon abhängigen weiteren Ansprüche des [X.]) jedenfalls auch mangels einer nachträglichen wesentlichen Änderung der Verhältnisse beim [X.] abgelehnt, also das Nichtbestehen dieses Aufhebungsanspruchs iS des § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] festgestellt und den diesbezüglichen Widerspruch am [X.] zurückgewiesen. Es ging also im Rechtsstreit um eine gegen diese Ablehnung einer Aufhebung bzw Änderung des ursprünglichen Verwaltungsakts vom 5.12.1990 gerichtete zulässige Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 SGG. Die gemäß § 78 SGG statthafte Anfechtungsklage war zulässig mit einer Klage auf Verpflichtung der [X.] zur Aufhebung dieser Höchstwertfestsetzung vom 5.12.1990 für [X.] ab dem 1.7.1991 und ferner entsprechend § 54 Abs 4 SGG mit einer unechten Leistungsklage auf Verurteilung der [X.] zur Zahlung höherer Verletztenrente ab dem 1.7.1991 verbunden, welche die Verpflichtungsklage auf Neufeststellung des [X.] ab diesem [X.]punkt in Gesetzeskonkurrenz konsumierte.

Der Urteilsausspruch des [X.] genügte bereits nicht den bundesrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit eines Urteilsausspruchs. Das [X.] hat tenoriert, die Beklagte werde "dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 2004 Verletztenrente unter Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes auf der Grundlage der Regelungen der §§ 90 Abs. 2, 212, 214 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu gewähren". Damit hat es die Beklagte lediglich zur Neubescheidung verpflichtet und sie zur Durchführung ausschließlich auf abstrakte gesetzliche Vorschriften verwiesen, ohne dass Tatsachen dazu benannt worden wären, dass und ab wann sich für den Kläger ein höherer [X.] als Basis einer höheren Verletztenrente ergeben hätte.

2. Das [X.] hat allerdings zu Recht gleichsam "rechtsgutachtlich" ausgeführt, dass auf den Fall des [X.] § 90 Abs 2 [X.] grundsätzlich Anwendung finden kann. Insoweit scheitert die Beklagte mit dem für sie im Vordergrund ihrer Argumentation stehenden Revisionsvorbringen, dass das [X.] insofern Bundesrecht verkannt hätte. Das [X.] hat vielmehr im Ergebnis richtig ausgeführt, dass § 90 Abs 2 [X.], wie der gesamte § 90 [X.], nach seinem zeitlichen Anwendungsbereich seit dem [X.], dem Inkrafttreten des [X.], gilt.

Nach § 90 Abs 2 Satz 1 [X.] wird bei Versicherten, die zur [X.] des Versicherungsfalls das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn es für sie günstiger ist, der [X.] jeweils nach dem Arbeitsentgelt neu festgesetzt, das zur [X.] des Versicherungsfalls für Personen mit gleichartiger Tätigkeit bei Erreichung eines bestimmten Berufsjahres oder bei Vollendung eines bestimmten Lebensjahres durch Tarifvertrag vorgesehen ist. Der im Jahre 1971 geborene Kläger hatte zur [X.] des Inkrafttretens des [X.] am [X.] zwar das 25. Lebensjahr (§ 573 Abs 2 [X.]), nicht jedoch das 30. Lebensjahr vollendet (§ 90 Abs 2 [X.]). Zu Recht hat das [X.] aus den Regelungen des Übergangsrechts gemäß §§ 212 ff [X.] abgeleitet, dass § 90 Abs 2 [X.] auf den Fall des [X.] Anwendung findet. Nach § 212 [X.] gelten die Vorschriften des [X.] bis [X.] Kapitels des [X.] für Versicherungsfälle, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eintreten, soweit nicht in den nachfolgenden Vorschriften etwas anderes bestimmt ist. Eine solche abweichende Regelung enthält § 214 Abs 2 Satz 1 [X.], nach dem die Vorschriften über den [X.] auch für die Versicherungsfälle gelten, die vor dem Tag des Inkrafttretens des [X.] eingetreten sind, wenn der [X.] nach dem Inkrafttreten des [X.] erstmals oder aufgrund des § 90 [X.] neu festgesetzt wird. Das BSG hat bereits entschieden (Urteil vom [X.] - B 2 U 28/01 R - [X.] 3-2700 § 214 [X.]), dass § 214 Abs 2 Satz 1 [X.] jedenfalls nicht zu einer Anwendung des § 90 Abs 2 [X.] in den "[X.]" führt, bei denen die Sachverhalte neuer, durch die Vorschrift erst geschaffener Voraussetzungen für eine Erhöhung des [X.] bereits vor dem [X.] eingetreten waren. Dies war in dem vom BSG seinerzeit entschiedenen Sachverhalt der Fall, denn der dortige Kläger hatte das 30. Lebensjahr bereits im Jahre 1994 vollendet gehabt. Bei einer Vollendung des 30. Lebensjahres nach Inkrafttreten des [X.] tritt die tatsächliche Gegebenheit, an die die Norm des § 90 Abs 2 [X.] eine Rechtsfolge knüpft, aber erst zu einem [X.]punkt ein, zu dem das neue Recht bereits in [X.] getreten ist. Zudem spricht § 214 Abs 2 Satz 1 am Ende [X.] ausdrücklich von einer Neufestsetzung nach § 90 [X.], so dass schon der Wortlaut der Vorschrift die Anwendbarkeit der Norm auf Versicherungsfälle verdeutlicht, die vor dem [X.] nach altem Recht eingetreten sind, auch wenn der [X.] für ein damals entstandenes Recht auf Leistungen schon festgestellt worden war. Die Anwendung des § 90 Abs 2 [X.] auf solche "Altfälle" setzt aber voraus, dass dessen Tatbestand in vollem Umfang erst nach dem 31.12.1996 erfüllt wurde. Daher ist ggf der Wert eines Rechts auf eine Geldleistung, der nach einem gemäß § 573 Abs 2 [X.] maßgeblichen [X.] festgesetzt worden war, auch bei am [X.] bereits 25-Jährigen, aufgrund eines nach neuem Recht ab dem [X.] maßgeblich gewordenen [X.] erneut festzusetzen. Andernfalls wäre - und dies hat das BSG in seinem Urteil vom [X.] (aaO, Rd[X.]6) gemeint - § 214 Abs 2 Satz 1 [X.] widersprüchlich, weil er seine Anwendbarkeit und zugleich seine Unanwendbarkeit anordnen würde. Auch die von der [X.] angeführten verwaltungspraktischen Konsequenzen erfordern keine andere Auslegung dieser Übergangsvorschrift. Sie greifen bei [X.] nach dem 31.12.1996 ohnehin nicht. Bei der Anwendung des § 90 Abs 2 [X.] auf Fallgestaltungen wie die Vorliegende ist nach Maßgabe des § 48 [X.] auf Antrag oder bei amtlicher Kenntnis von Umständen, die eine wesentliche Änderung des [X.] als möglich erscheinen lassen, von Amts wegen ein Verwaltungsverfahren einzuleiten, ob die bisherige Festsetzung des Werts des Leistungsrechts wegen eines neu maßgeblich gewordenen [X.] aufzuheben und der Wert neu festzustellen ist. Damit ist ggf lediglich der nach § 573 Abs 2 [X.] maßgeblich gewesene [X.] jener verunfallten Versicherten zu überprüfen, die vor Inkrafttreten des [X.] das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, was eine überschaubare Anzahl von Fällen darstellen dürfte. Mithin war auf den im Jahre 1971 geborenen Kläger der neue § 90 Abs 2 [X.] ab [X.] anwendbar, weil er zu diesem [X.]punkt die neue Altersgrenze von 30 Jahren nicht erreicht hatte. Ob deshalb ein höherer [X.] für den Rentenwert materiell-rechtlich maßgeblich geworden ist, hängt davon ab, ob nach dem 31.12.1996 der Tatbestand dieser Vorschrift erfüllt wurde. Dazu fehlen Tatsachenfeststellungen.

3. Weiterhin hat das [X.] im Ergebnis richtig gesehen, dass die unechte Leistungsklage (sofern über sie in der Sache nach einem Erfolg der Anfechtungs- und der Verpflichtungsklage zu entscheiden wäre) des [X.] höchstens für [X.] ab dem 1.1.2004 zu höheren Rentenzahlungen führen kann. Dies folgt aber nicht aus dem vom [X.] behaupteten, rechtlich fragwürdigen richterrechtlichen "allgemeinen Rechtsgedanken des § 44 Abs 4 [X.]" (so das [X.] unter Hinweis auf etwa BSG vom [X.] - 11a RA 28/85 - RdNr 13), der als bloßes Richterrecht gemäß dem Vorrang des Gesetzes aus Art 20 Abs 3 GG Regelungen nicht verdrängen kann, die der [X.] selbst in seinen Gesetzen ausgesprochen hat. Das Ergebnis der Rechtsbetrachtungen des [X.] war aber schon deshalb richtig, weil das Gesetz selbst, begrenzt auf den Anwendungsbereich des § 48 Abs 1 [X.], die entsprechende Geltung des § 44 Abs 4 [X.] angeordnet hat. Sollte nämlich der auf § 48 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 1 [X.] gestützte Aufhebungsanspruch Erfolg haben und wäre ein höherer Rentenwert schon für [X.]en vor dem 1.1.2004 entstanden, so wäre die höhere Rente gemäß § 48 Abs 4 Satz 1 Regelung 2 [X.] entsprechend § 44 Abs 4 [X.] höchstens für vier Jahre vor dem Jahr der 2008 erfolgten Antragstellung zu zahlen.

4. Ob nach dem Bescheid vom 5.12.1990 und vor oder nach dem 1.7.1991 ein für den Rentenwert des [X.] günstigerer [X.] bis Ende 1996 nach § 573 Abs 2 [X.] oder seit dem [X.] nach § 214 Abs 2 Satz 1 [X.] iVm § 90 Abs 2 [X.] materiell-rechtlich maßgeblich geworden ist, kann aufgrund der Feststellungen des [X.] nicht beurteilt werden. War der Verletzte - wie hier der Kläger - zur [X.] des Arbeitsunfalls noch nicht 25 Jahre alt, so wurde nach § 573 Abs 2 [X.] der [X.] dem Arbeitsentgelt angepasst, das zur [X.] seines Arbeitsunfalls von der Vollendung eines bestimmten Lebensalters ab, höchstens aber des 25. Lebensjahres, für Personen mit gleichartiger Tätigkeit durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist, wenn es für den Berechtigten günstiger ist. Der Kläger meint, dass nach § 573 Abs 2 [X.] bereits ab 1.7.1991 ein höherer als der am 5.12.1990 festgestellte [X.] rechtlich maßgeblich geworden sei und zu einem höheren Rentenwert geführt habe. Mithin sei bereits zu diesem [X.]punkt (ggf) eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 1 [X.] gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt vom 5.12.1990 eingetreten. Hierzu liegen keine Feststellungen des [X.] vor.

Gleiches gilt für die Voraussetzungen des § 90 Abs 2 [X.] ([X.]) seit dem [X.]. Dieser setzt ua voraus, dass die Festsetzung des [X.] für den Versicherten zum jeweils maßgebenden [X.]punkt "günstiger" ist. Ob dies hier der Fall ist, kann der [X.] aufgrund der fehlenden tatsächlichen Feststellungen ebenfalls nicht beurteilen.

Hinzu kommt, dass der Kläger möglicherweise erstens einen Rechtsanspruch auf höhere Verletztenrente wegen eines zum oder nach dem 1.7.1991 gemäß § 573 Abs 2 [X.] maßgeblich gewordenen [X.] hatte. Zweitens könnte der Wert des Rechts auf Rente seit dem [X.] noch höher geworden sein, wenn seither die Voraussetzungen des § 90 Abs 2 [X.] erfüllt wurden und danach ein noch günstigerer [X.] maßgeblich wurde.

Daher ist der Tenor der Entscheidung des [X.] - ungeachtet seiner [X.] - auch insofern unzutreffend, als es die Beklagte verurteilt hat, den [X.] ab 1.1.2004 nach den §§ 90 Abs 2 iVm § 214 Abs 2 [X.] neu festzusetzen. Wäre ein anderer [X.] nach § 573 Abs 2 [X.] zwischen 1991 und 1996 (Vollendung des 25. Lebensjahres) derjenige, der zu einem Anspruch des [X.] auf höchstmögliche Verletztenrente führt, so würde die vom [X.] ausgesprochene abstrakte Verpflichtung der [X.] zur Neuermittlung des [X.] ausschließlich nach § 90 Abs 2 [X.] (iVm § 214 Abs 2 [X.]) dem materiellen Begehren des [X.] sogar widersprechen.

Das [X.] wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Meta

B 2 U 14/11 R

18.09.2012

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Oldenburg (Oldenburg), 26. Mai 2010, Az: S 7 U 125/09, Gerichtsbescheid

§ 573 Abs 2 RVO, § 90 Abs 2 SGB 7, § 212 SGB 7, § 214 Abs 2 S 1 SGB 7, UVEG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.09.2012, Az. B 2 U 14/11 R (REWIS RS 2012, 3110)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3110

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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