Bundessozialgericht, Urteil vom 19.12.2013, Az. B 2 U 5/13 R

2. Senat | REWIS RS 2013, 92

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Gegenstand

(Gesetzliche Unfallversicherung - Neufestsetzung des JAV gem § 90 Abs 2 SGB 7 - Studentin - Arbeitsunfall - Maßgeblichkeit des Lebensalters - keine Voraussetzung: Verzögerung oder Nichtbeendigung der Ausbildung oder des Studiums - tarifliche Eingruppierung - Vergütungsgruppe IIa des BAT - Übergangsrecht)


Leitsatz

Die Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes für Versicherte, die zur Zeit des Versicherungsfalls das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, setzt nicht voraus, dass die Ausbildung oder das Studium mit Verzögerung oder überhaupt nicht beendet wurden.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 4. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe des [X.] ([X.]) als Grundlage für die Berechnung der Verletztenrente der Klägerin.

2

Die 1974 geborene Klägerin erlitt 1996 als Studentin der [X.] ([X.]) beim Hochschulsport einen Unfall, bei dem sie sich eine Verletzung des rechten Kniegelenks zuzog. Die Beklagte bewilligte der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls nach einem Teilanerkenntnis in einem [X.]-Prozess eine Verletztenrente ab dem [X.] nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 20 vH. Hierbei legte sie den Mindest-[X.] als [X.] zu Grunde (Bescheid vom 20.1.2006).

3

Kurz darauf bat die Beklagte die Klägerin zwecks Überprüfung des [X.] nach Abschluss der Schul- bzw Berufsausbildung um eine chronologische Aufstellung des bisherigen schulischen und beruflichen Werdeganges und Übersendung von Kopien der Abschlusszeugnisse bzw Diplome sowie ggf auch des Arbeitsvertrages und holte sodann weitere Auskünfte über den Ablauf des Studiums beim Dekan des Fachbereichs Mathematik der [X.] und der [X.] beim Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der [X.] ein.

4

Mit Bescheid vom 10.2.2009 nahm die Beklagte den Bescheid vom 20.1.2006 teilweise zurück und berechnete die Rente rückwirkend ab [X.] nach einem [X.] von 28 609,17 [X.] neu. Nach § 90 Abs 2 [X.] sei das Arbeitsentgelt maßgeblich, das für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort gezahlt werde. Die Berechnung des [X.] erfolge nach einer Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V b B/L des [X.] ([X.]). Die Klägerin habe ihr Studium der Mathematik erfolgreich an der [X.] ([X.]), [X.], abgeschlossen. Aufgrund der Auskunft der [X.] sei dieser Studienabschluss aber inhaltlich nicht gleichwertig mit einem [X.] universitären Abschluss, weshalb eine (fiktive) Eingruppierung in den höheren Dienst ([X.] II a) nicht durchgeführt werden könne. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom [X.]).

5

Die Klägerin hat Klage zum [X.] erhoben. Auf Befragen des [X.] teilte die [X.] mit, dass bei der bisherigen Beurteilung des Falles nicht bekannt gewesen sei, dass die Klägerin im Juli 2004 eine Promotion an der Universität [X.] in [X.], einer anerkannten [X.] wissenschaftlichen Hochschule, abgeschlossen habe. Mit [X.] und Promotion werde mindestens ein Bildungsniveau nachgewiesen wie mit einem [X.] wissenschaftlichen Hochschulabschluss. Durch Urteil vom 2.12.2010 hat das [X.] die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide verurteilt, den [X.] der Klägerin aufgrund einer Eingruppierung in den höheren Dienst neu festzusetzen.

6

Das L[X.] hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte der Klägerin höhere Verletztenrente unter Zugrundelegung eines [X.] nach [X.] II a zu gewähren habe (Urteil vom [X.]). Zutreffend habe die Beklagte § 90 Abs 2 [X.] als Rechtsgrundlage für die Neufeststellung des [X.] herangezogen. Der Neuberechnung des [X.] der Klägerin sei vorliegend das Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen, das für Personen ihres Alters und ihrer Ausbildung durch den im maßgebenden Zeitpunkt, April 1996, geltenden [X.] in Vergütungsgruppe II a vorgesehen gewesen sei. Die Eingruppierung richte sich gemäß § 22 Abs 1 S 1 [X.] nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (Anlagen 1a und 1b). Bei der Klägerin sei von einer abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulausbildung auszugehen. Sie habe zunächst ein [X.] an einer [X.] technischen Hochschule mit einer Regelstudienzeit von mehr als sieben Semestern aufgenommen, dessen erfolgreicher Abschluss - unabhängig von der Anzahl der tatsächlich studierten Semester - ihr die Einstellung in den höheren Dienst bzw in Vergütungsgruppe [X.] II a ermöglicht hätte. Auch wenn die Klägerin keinen Abschluss als Diplom-Mathematikerin an einer [X.] Universität erlangt habe, sei ihre Ausbildung an der [X.] vom Wintersemester 1993/1994 bis einschließlich Sommersemester 1996 sowie ihr Studium an der Universität [X.] in [X.] im Wintersemester 1996/1997 sowie im Sommersemester 1997, das sie mit dem Master of Science abschloss, so zu bewerten, als habe sie an einer [X.] Universität ein Diplom in Mathematik erreicht. Die Klägerin habe insgesamt acht Semester vollwertig studiert. Aufgrund ihrer Aussagen und der von ihr vorgelegten Studienbelege gehe der Senat davon aus, dass sie an der [X.] sechs Semester Mathematik studiert habe, woran sich zwei Semester [X.] in [X.] angeschlossen hätten. Das Studium an der Universität [X.] habe mit dem Abschluss als Master of Science geendet. Im Rahmen dieses Masterstudiums habe die Klägerin eine Abschlussarbeit ("Dissertation") angefertigt, die separat bewertet worden sei. Ein weiteres Indiz für die Gleichwertigkeit des Masterabschlusses mit dem [X.] Diplom sei die Einschätzung der [X.], wonach die Klägerin mit dem von der Universität [X.] zuerkannten Master of Science zur Promotion in [X.] hätte zugelassen werden können. Die Klägerin sei überdies mittlerweile als Gymnasiallehrerin in den Schuldienst in [X.] eingestellt und als Studienrätin in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen worden. Die in diesem Amt gewährte Besoldungsgruppe [X.] für Beamte entspreche der Vergütungsgruppe [X.] II a für Angestellte, was zusätzlich für die Richtigkeit des hier gefundenen Ergebnisses spreche.

7

Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin ihr Studium ohne eine unfallbedingte Verzögerung abgeschlossen habe und ihr daher lediglich der Mindest-[X.] gemäß § 85 [X.] zustehe, sie mithin keinen [X.] gemäß § 90 Abs 1 [X.] habe. Das B[X.] habe nur zu § 90 Abs 1 Satz 1 [X.] entschieden, dass die Zuerkennung höherer Verletztenrente nicht in Betracht komme, wenn die Ausbildung planmäßig und ohne Verzögerung beendet worden sei (Hinweis auf B[X.] vom [X.] - B 2 U 11/11 R - B[X.]E 112, 43 = [X.]-2700 § 90 [X.] 2). Der Anspruch der Klägerin auf höhere Verletztenrente sei jedoch an § 90 Abs 2 [X.], nicht an § 90 Abs 1 Satz 1 [X.] zu messen, wie dies die Beklagte in ihrem Bescheid vom 10.2.2009 auch selbst zutreffend erkannt habe. § 90 Abs 2 [X.] baue nicht auf der Vorschrift des § 90 Abs 1 Satz 1 [X.] auf, so dass zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen des § 90 Abs 1 Satz 1 [X.] erfüllt sein müssten, um den Anwendungsbereich des § 90 Abs 2 [X.] zu eröffnen.

8

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 90 Abs 2 [X.]. Das L[X.] sei zunächst zu Unrecht davon ausgegangen, dass bei der Klägerin eine abgeschlossene wissenschaftliche Ausbildung vorliege, die eine Einstellung in den höheren Dienst bzw eine Eingruppierung nach [X.] II a rechtfertigen könne. Die Klägerin habe an der [X.] lediglich fünf und nicht sechs Semester studiert. Das L[X.] gehe insbesondere in seiner Argumentation fehl, das Wintersemester 1995/96 sei kein reines Prüfungssemester gewesen, denn die Einschätzungen des L[X.] zu diesem Prüfungssemester seien lebensfremd und gingen an der akademischen Wirklichkeit vorbei. Tatsächlich habe die Klägerin lediglich sieben Semester absolviert. Das B[X.] habe am [X.] - allerdings nur zu § 90 Abs 1 Satz 1 [X.] - entschieden, dass eine höhere Verletztenrente dann nicht in Betracht komme, wenn die Ausbildung planmäßig und ohne Verzögerung beendet worden sei. Dies müsse auch für § 90 Abs 2 [X.] gelten. Andernfalls würde man unterstellen, dass § 90 Abs 1 und Abs 2 [X.] völlig unterschiedliche [X.] hätten.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des [X.] vom 4. Februar 2013 und des [X.] vom 2. Dezember 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die noch hinreichend iS des § 164 [X.] 2 Satz 3 SGG begründete Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das [X.] in dem angefochtenen Urteil vom [X.] entschieden, dass der Klägerin gemäß § 90 [X.] 2 [X.] höhere Verletztenrente unter Berechnung des [X.] auf der Basis der Vergütungsgruppe [X.] zu gewähren ist.

Zutreffend hat das [X.] ausgeführt, dass es sich bei dem Begehren der Klägerin um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 [X.] 4 SGG handelt, auf die hin die Bescheide vom 10.2. und [X.] zu ändern waren. Das Begehren der Klägerin war von vornherein nicht auf eine isolierte Neufestsetzung des [X.] gerichtet, was - wie der Senat in einem weiteren Urteil am [X.] ([X.] U 14/11 R - Juris Rd[X.]8 = [X.] Aktuell 2013, 202) entschieden hat - unzulässig gewesen wäre, weil es sich bei dem [X.] insofern lediglich um ein Berechnungselement (Wertfaktor) im Rahmen der Vorbereitung der Feststellung des Werts des Rechts auf Verletztenrente handelt. Soweit das [X.] die Beklagte zur Leistung verurteilt hat, ist dem Tenor und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Verurteilung zur Neuberechnung der Verletztenrente für den Zeitraum ab dem [X.] gilt und dass die Neuberechnung auf der Basis des [X.] im [X.] (1996) zu erfolgen hat, was beides zutreffend ist.

Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin ist § 90 [X.] 2 [X.], der gemäß § 214 [X.] 2 Satz 1 [X.] Anwendung findet (hierzu unter 1). Die materiellen Voraussetzungen für eine Neuberechnung des [X.] sind erfüllt, weil - wie das [X.] zu Recht entschieden hat - die Klägerin fiktiv in die Vergütungsgruppe II a des [X.] einzustufen war (hierzu unter 2). § 90 [X.] 2 [X.] stellt eine eigenständige Anspruchsgrundlage dar, die von den Voraussetzungen des § 90 [X.] 1 [X.] unabhängig ist (hierzu unter 3).

1. Nach § 90 [X.] 2 Satz 1 [X.] wird bei Versicherten, die zur [X.] das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn es für sie günstiger ist, der [X.] jeweils nach dem Arbeitsentgelt neu festgesetzt, das zur [X.] für Personen mit gleichartiger Tätigkeit bei Erreichung eines bestimmten Berufsjahres oder bei Vollendung eines bestimmten Lebensjahres durch Tarifvertrag vorgesehen ist. Zu Recht hat das [X.] aus den Regelungen des Übergangsrechts der §§ 212 ff [X.] abgeleitet, dass § 90 [X.] 2 [X.] auf den Fall der Klägerin Anwendung findet. Nach § 212 [X.] gelten die Vorschriften des [X.] bis [X.] Kapitels des [X.] für Versicherungsfälle, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eintreten, soweit nicht in den nachfolgenden Vorschriften etwas anderes bestimmt ist. Eine solche abweichende Regelung enthält § 214 [X.] 2 Satz 1 [X.], nach dem die Vorschriften über den [X.] auch für die Versicherungsfälle gelten, die vor dem Tag des Inkrafttretens des [X.] eingetreten sind, wenn der [X.] nach dem Inkrafttreten des [X.] erstmals oder aufgrund des § 90 [X.] neu festgesetzt wird. Der Senat hat am [X.] (aaO, Rd[X.] 22) entschieden, dass schon der Wortlaut der Vorschrift die Anwendbarkeit der Norm auf Versicherungsfälle verdeutlicht, die vor dem [X.] nach altem Recht eingetreten sind, auch wenn der [X.] für ein damals entstandenes Recht auf Leistungen schon festgestellt worden war. Hier tritt die Besonderheit hinzu, dass der Versicherungsfall zwar 1996 - also noch unter Geltung der [X.] - eingetreten ist, die - erste - Neufeststellung des [X.] aber erst im Jahre 2006 - also unter Geltung des [X.] - erfolgte. Insofern ist also eine Feststellung des [X.] "erstmals" nach § 90 [X.] erfolgt, weshalb bereits die erste Tatbestandsalternative der Übergangsnorm des § 214 [X.] 2 Satz 1 [X.] erfüllt ist.

2. Zu Recht hat das [X.] auch entschieden, dass bei der Klägerin nach § 90 [X.] 2 [X.] der [X.] auf der Basis der Vergütungsgruppe II a des [X.] festzusetzen ist. Die im Jahre 1974 geborene Klägerin hatte zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls am 17.4.1996 das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet. Nach § 90 [X.] 2 [X.] ist daher darauf abzustellen, welches Arbeitsentgelt für Personen mit gleichartiger Tätigkeit bei Erreichung eines bestimmten Berufsjahres oder bei Vollendung eines bestimmten Lebensjahres durch Tarifvertrag vorgesehen ist. Das [X.] hat hierbei zutreffend auf den bundesweit geltenden [X.] abgestellt, wie er "zur [X.]", also im Jahre 1996 galt. Das [X.] hat dabei § 22 [X.] 1 Satz 1 [X.] iVm der Allgemeinen Vergütungsordnung (Anlage 1a zum [X.]) und weiterhin die Protokollnotiz [X.] zu der Vergütungsgruppe II a herangezogen und den Sachverhalt unter die Voraussetzungen dieser Protokollnotiz subsumiert. Die durch das [X.] so vorgenommene "fiktive" Eingruppierung der Klägerin ist nicht zu beanstanden. Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin in die Vergütungsgruppe [X.] einzuordnen war (vgl zu der sog [X.] etwa [X.] vom 7.5.2008 - 4 [X.] - [X.], 25; 15.3.2006 - 4 [X.] - [X.], 590; 9.12.1998 - 10 [X.] - [X.] 1999, 464; 12.8.1998 - 10 [X.] - [X.] 1999, 80). Die entsprechende Definition in der Vergütungsordnung (Anlage 1a zum [X.]) setzt dabei lediglich voraus, dass eine wissenschaftliche Hochschulausbildung abgeschlossen ist. Umfasst sind aber auch Angestellte, "die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben". Insofern hat das [X.] festgestellt (§ 163 SGG), dass die Klägerin nunmehr in [X.] als Gymnasiallehrerin in der Besoldungsgruppe [X.] nach dem [X.] tätig ist. Schon dieser Umstand alleine dürfte bereits ausreichend dafür sein, sie bei der hier erforderlichen fiktiven Prüfung der Vergütungsgruppe II a des [X.] zuzuweisen.

Dies kann aber dahinstehen, denn nach der Protokollnotiz [X.] zur Vergütungsordnung hat die Klägerin auch ein wissenschaftliches Hochschulstudium iS des [X.] abgeschlossen. Die entsprechende Protokollnotiz [X.] lautet: "Wissenschaftliche Hochschulen sind Universitäten, Technische Hochschulen sowie andere Hochschulen, die nach Landesrecht als wissenschaftliche Hochschulen anerkannt sind. Abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung liegt vor, wenn das Studium mit einer ersten Staatsprüfung oder mit einer Diplomprüfung beendet worden ist. Der ersten Staatsprüfung oder der Diplomprüfung steht eine Promotion oder die Akademische [X.]chlussprüfung (Magisterprüfung) einer Philosophischen Fakultät nur in den Fällen gleich, in denen die Ablegung einer ersten Staatsprüfung oder einer Diplomprüfung nach den einschlägigen Ausbildungsvorschriften nicht vorgesehen ist. Eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung setzt voraus, dass die [X.]chlussprüfung in einem Studiengang abgelegt wird, der seinerseits mindestens das Zeugnis der Hochschulreife (allgemeine Hochschulreife oder einschlägige fachgebundene Hochschulreife) als Zugangsvoraussetzung erfordert und für den [X.]chluss eine Mindeststudienzeit von mehr als sechs Semestern - ohne etwaige Praxissemester, Prüfungssemester o. Ä. - vorgeschrieben ist." Hierzu hat das [X.] festgestellt, dass die Klägerin insgesamt acht Semester an wissenschaftlichen Hochschulen studiert hat und aus dieser Tatsache den rechtlichen Schluss gezogen, die Voraussetzungen einer "abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulausbildung" iS der Protokollnotiz [X.] der allgemeinen Vergütungsordnung hätten vorgelegen. Die Anwendung dieser Norm auf den Sachverhalt stellt auch die Beklagte selbst nicht in Zweifel. Auch sie geht ersichtlich davon aus, dass die Klägerin bei [X.]olvierung von acht Studiensemestern eine wissenschaftliche Hochschulausbildung abgeschlossen hätte. Vielmehr trägt sie in ihrer Revisionsbegründung hierzu lediglich vor, die Klägerin habe an der [X.] nur fünf und nicht sechs Semester studiert. Das [X.] habe nicht davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin im Wintersemester 1995/96 studiert habe, weil dies ein reines Prüfungssemester gewesen sei. Die Einschätzungen des [X.] zu diesem Prüfungssemester seien "lebensfremd" und gingen an der "akademischen Wirklichkeit" vorbei. Mit diesem Vorbringen macht die Beklagte aber keine Verfahrensmängel geltend, durch die die den Senat gemäß § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] über die Dauer des Studiums der Klägerin in Zweifel gezogen werden könnten (zu den Voraussetzungen einer Rüge des Überschreitens der Grenzen der freien Beweiswürdigung vgl [X.] 15.9.2011 - [X.] U 22/10 R - Juris und vom 31.5.2005 - [X.] U 12/04 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 2 Rd[X.] 9). Im Übrigen stellt die Protokollnotiz [X.] der Allgemeinen Vergütungsordnung (Anlage 1a zum [X.]) selbst ersichtlich nur darauf ab, dass für den "[X.]chluss eine Mindeststudienzeit von mehr als sechs Semestern vorgeschrieben ist", so dass zweifelhaft ist, ob das vom [X.] zu Grunde gelegte Kriterium des achtsemestrigen Studiums, das offensichtlich aus der für die tarifliche Einstufung nicht konstitutiven Einschätzung der [X.] herrührt, rechtlich überhaupt aus dem [X.] bzw der einschlägigen Protokollnotiz abgeleitet werden kann. Nach dem klaren Wortlaut der Protokollnotiz [X.] ist jedenfalls lediglich ein Studium mit einer Mindeststudienzeit von mehr als sechs Semestern vorausgesetzt. Auch dies kann aber dahinstehen, weil eine Studiendauer der Klägerin von acht Semestern ohnehin - mangels durchgreifender Verfahrensrügen - für den Senat bindend festgestellt ist. [X.] kann schließlich auch, wie zusätzlich die Tatsache zu werten ist, dass die Klägerin an einer angesehenen [X.] Universität einen Doktortitel erworben hat, was ihre Eingruppierung in [X.] zusätzlich noch rechtfertigen dürfte.

3. Schließlich folgt - entgegen der Rechtsansicht der Revision - auch nichts anderes aus der von ihr angeführten Entscheidung des Senats vom [X.] ([X.] U 11/11 R = [X.], 43 = [X.] 4-2700 § 90 [X.] 2). § 90 [X.] 2 [X.] kommt auch dann zur Anwendung, wenn die Ausbildung tatsächlich rechtzeitig beendet wurde. § 90 [X.] 2 [X.] setzt allein und ausschließlich voraus, dass der Versicherte zur [X.] das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (vgl nur [X.] in LPK-[X.], 3. Aufl 2011, § 90 Rd[X.]2 f; [X.], [X.], 4. Aufl 2009, § 90 Rd[X.]1). Für die Anwendung des § 90 [X.] 1 Satz 1 [X.] kommt es hingegen - wie der Senat am [X.] (aaO) entschieden hat - maßgebend auf den Zeitpunkt an, "in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre". Hierzu hat der Senat im Einzelnen begründet, dass aus Entstehungsgeschichte, Wortlaut und systematischer Stellung der Norm des § 90 [X.] 1 Satz 1 [X.] folge, dass im Falle einer tatsächlich rechtzeitig beendeten Ausbildung eine Neufestsetzung nach § 90 [X.] 1 Satz 1 [X.] nicht in Betracht kommt ([X.] [X.], aaO).

§ 90 [X.] 2 [X.] setzt hingegen schon von seinem Wortlaut her nicht voraus, dass der Versicherte zur [X.] sich überhaupt in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet (vgl [X.], aaO und [X.], aaO). Maßgeblich ist ausschließlich das Lebensalter zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls. Folglich stehen die [X.]ätze 1 und 2 des § 90 [X.] auch nicht in einem Stufenverhältnis derart, dass [X.] 2 nur zur Anwendung kommen könnte, wenn die Voraussetzungen des [X.] 1 vorliegen. Vielmehr ergänzen sich die Neufeststellungen nach [X.] 1 und [X.] 2 des § 90 [X.], so dass jeweils die Vorschrift anzuwenden ist, die nach Durchführung einer Vergleichsberechnung zu einem höheren [X.] führt (vgl nur Rütenik in jurisPK-[X.], § 90 Rd[X.] 57). Ist - wie in dem vom BSG am [X.] - [X.] U 11/11 R - entschiedenen Fall - eine Neuberechnung nach § 90 [X.] 1 Satz 1 [X.] nicht möglich, weil der Versicherte seine Ausbildung innerhalb der vorgeschriebenen Zeit absolviert hatte, so schließt dies eine Neuberechnung nach § 90 [X.] 2 [X.] also grundsätzlich nicht aus, zumal der Versicherte im Regelfall auch das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfte. Eine "Sperrwirkung" für eine Neufestsetzung des [X.] auch nach § 90 [X.] 2 [X.] durch eine fristgemäß abgeschlossene Ausbildung oder ein fristgemäß beendetes Studium, wie sie die Beklagte der genannten Entscheidung des [X.] [X.] entnehmen will, ist dort nicht erwähnt und entspricht auch nicht - wie aufgezeigt - Wortlaut und System des § 90 [X.].

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Meta

B 2 U 5/13 R

19.12.2013

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Speyer, 2. Dezember 2010, Az: S 12 U 266/09, Urteil

§ 90 Abs 1 S 1 SGB 7, § 90 Abs 2 S 1 SGB 7, § 212 SGB 7, § 214 Abs 2 S 1 SGB 7, § 22 Abs 1 S 1 BAT, Anl 1a BAT

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 19.12.2013, Az. B 2 U 5/13 R (REWIS RS 2013, 92)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 92

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