Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.03.2023, Az. XI ZR 83/22

11. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 1514

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Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 24. März 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als dem [X.] zu 2 auf Feststellung, dass die Klägerin verpflichtet ist, an die Beklagte für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens Nutzungsersatz in Höhe von 4,88% p.a. auf den jeweils noch offenen Darlehenssaldo zu zahlen, stattgegeben worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis 80.000 €.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines [X.]s gerichteten Willenserklärung der Klägerin.

2

Die Klägerin erwarb im Juni 2017 einen Gebrauchtwagen [X.] 350d zum Kaufpreis von 71.000 €. Zur Finanzierung des über die Anzahlung von 5.000 € hinausgehenden Kaufpreises und einer Ratenabsicherungsprämie von 2.425,94 € schlossen die Parteien mit Datum vom 13. Juni 2017 einen Darlehensvertrag über 68.425,94 €. Das Darlehen sollte in 60 Monatsraten zu je 774,36 € und einer Schlussrate von 34.790 € zurückgezahlt werden. Neben einer der Gesetzlichkeitsfiktion genügenden Information über ein Widerrufsrecht und weitere Pflichtangaben enthält der Darlehensvertrag folgende Angabe über die Verzugsfolgen:

"Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet: Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."

3

Mit E-Mail vom 26. Mai 2020 erklärte die Klägerin den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Die [X.] wies den Widerruf als verfristet zurück.

4

Mit der Klage hat die Klägerin zuletzt (1.) die Zahlung von 47.589,80 € nebst Zinsen nach Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs, (2.) die Feststellung, dass sich die [X.] mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde, (3.) die Feststellung, dass sie infolge ihrer Widerrufserklärung aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag weder Zins- noch Tilgungsleistungen schulde, und (4.) die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht dem Feststellungsantrag zu 3 stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen; ferner hat es auf die [X.] der [X.]n festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, (1.) an die [X.] hinsichtlich des finanzierten Fahrzeugs Wertersatz nach den im [X.] zu 3 näher bestimmten Maßgaben zu leisten und (2.) an die [X.] für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des streitgegenständlichen Darlehens durch Rückgabe des Fahrzeugs Nutzungsersatz in Höhe von 4,88% p.a. zu zahlen.

6

Dies hat das Berufungsgericht im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Die Klägerin habe ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen. Der Widerruf sei nicht verfristet, weil die der Klägerin erteilte Pflichtangabe über den Verzugszins fehlerhaft gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] in der Sache [X.]/20 könne die [X.] der Klägerin eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts nicht vorwerfen. Aufgrund dessen sei der Feststellungsantrag zu 3 begründet. Der [X.] zu 1 sei dagegen derzeit unbegründet, weil der Zahlungsanspruch mangels eines ordnungsgemäßen Angebots des finanzierten Fahrzeugs nicht fällig sei. Die wörtlichen Angebote der Klägerin seien zur Herbeiführung eines Annahmeverzugs der [X.]n unzureichend gewesen, weil sie verlangt habe, dass die [X.] ihren Widerruf als fristgerecht anerkenne. Darüber hinaus habe die [X.] eine Rücknahme des Fahrzeugs auch nicht endgültig verweigert. Aufgrund dessen seien der Feststellungsantrag zu 2 und der Freistellungsantrag zu 4 unbegründet.

8

Die [X.] sei begründet. Der [X.] zu 1 finde seine Grundlage in dem der [X.]n zustehenden Wertersatzanspruch aus § 358 Abs. 4 Satz 1, § 357 Abs. 7 BGB. Der [X.] zu 2 sei aus § 357a Abs. 3 BGB begründet, der bei einem verbundenen Geschäft im vorliegenden Fall des Widerrufs des [X.]s anwendbar sei.

9

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit der [X.] zu 1 abgewiesen und die [X.] zu 2 zuerkannt worden ist. Die von der [X.]n eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat sie zurückgenommen; sie ist durch Senatsbeschluss vom 7. Februar 2023 dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt worden.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO i.V.m. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht dem [X.] zu 2 auf Feststellung, dass die Klägerin verpflichtet ist, an die [X.] für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens Nutzungsersatz in Höhe von 4,88% p.a. auf den jeweils noch offenen Darlehenssaldo zu zahlen, stattgegeben hat, kann keinen Bestand haben. Insoweit verletzt die angegriffene Entscheidung den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus, das heißt, im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen der Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist ([X.] 22, 267, 274; 79, 51, 61; 86, 133, 146; 96, 205, 216 f.; Senatsbeschluss vom 19. März 2019 - [X.], NJW 2019, 2080 Rn. 11 [X.]).

2. Nach diesen Maßgaben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, das Berufungsgericht habe gehörswidrig das Vorbringen der Klägerin zu dem von ihr geltend gemachten Verzicht der [X.]n auf den Zinsanspruch unberücksichtigt gelassen.

Die Klägerin hat sowohl in erster Instanz mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2020 (dort [X.]) als auch mit der Berufungsbegründung (dort S. 13) vorgetragen, dass die [X.] in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf den Zinsanspruch aus § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB in der jeweils bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) verzichtet und die Klägerin diesen Verzicht durch Unterzeichnung des Darlehensvertrags angenommen habe. Mit diesem Vorbringen hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt, sondern den Zinsanspruch der [X.]n gemäß § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB aF lediglich mit der Begründung bejaht, dass § 358 Abs. 4 Satz 4 BGB diesen Anspruch nicht ausschließe. Aufgrund dessen muss davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einem Verzicht der [X.]n auf den Zinsanspruch nicht zur Kenntnis genommen hat.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung steht der [X.] nicht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Zwar hat das Berufungsgericht in der [X.] vom 1. Oktober 2021 darauf hingewiesen, dass der Zinsanspruch aus § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB aF gegeben sein dürfte. Hierzu hat aber die Klägerin in ihrer Stellungnahme auf eine Entscheidung des [X.] verwiesen, in dem eine Zinszahlungspflicht verneint worden ist.

3. Das angefochtene Urteil beruht auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Verbraucher bei Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung zwar grundsätzlich aus § 358 Abs. 4 Satz 1 aF i.V.m. § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB aF zur Zahlung der vereinbarten [X.] für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn der [X.] mit einem weiteren Vertrag, hier einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug, verbunden ist (Senatsurteil vom 25. Oktober 2022 - [X.], [X.], 2332 Rn. 37 [X.]). Vorliegend kommt aber nach dem übergangenen Vorbringen der Klägerin in Betracht, dass die [X.] - was der Senat mit Urteil vom 25. Oktober 2022 (aaO Rn. 38 ff. [X.]) im Einzelnen begründet hat - gemäß Ziffer [X.]. 5 ihrer Darlehensbedingungen auf eine Verzinsung verzichtet hat.

III.

Im Übrigen hat die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil keinen Erfolg, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Zur Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 14. Juni 2022 ([X.], [X.], 1371 Rn. 17 ff., 22 [X.]). Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

[X.]     

      

Grüneberg     

      

[X.]

      

Derstadt     

      

Ettl     

      

Meta

XI ZR 83/22

14.03.2023

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 24. März 2022, Az: 13 U 68/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.03.2023, Az. XI ZR 83/22 (REWIS RS 2023, 1514)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1514

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