Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2012, Az. XII ZB 133/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9123

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 133/11

vom

15. Februar 2012

in der Betreuungssache

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-
Der XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15.
Februar 2012
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Hahne und [X.], Dr.
Klinkhammer, Schilling und Dr.
Nedden-Boeger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu
3 wird der Be-schluss der 3.
Zivilkammer des [X.] vom 14.
Februar 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des [X.], an das Land-gericht zurückverwiesen.
[X.]: 3.000

Gründe:
A.
Der Beschwerdeführer begehrt die Beteiligung an dem für seine Tochter geführten Betreuungsverfahren, in dem die Entscheidung über eine Verlänge-rung der Betreuung ansteht.
Das Notariat hat den hierauf gerichteten Antrag abgelehnt. Zur [X.] ist ausgeführt worden, die Betreuungsbehörde habe sich mit gewichtigen Argumenten gegen eine Hinzuziehung des [X.] ausgesprochen. Die Gründe hierfür könnten nicht näher dargelegt werden, da dies einer Akteneinsicht gleichkäme, die dem Vater verwehrt bleiben solle.
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Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des [X.] hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren [X.].

B.
I. Die Rechtsbeschwerde ist nach §
574 Abs.
1 Nr.
2 ZPO statthaft, da das [X.] sie zugelassen hat. Der Beschluss, durch den ein Antrag auf Verfahrensbeteiligung nach §
274 Abs.
4 Nr.
1 FamFG abgelehnt wird, kann gemäß §
7 Abs.
5 Satz
2 FamFG mit der sofortigen Beschwerde in entspre-chender Anwendung der §§
567 bis 572 ZPO angefochten werden. Die Rechts-beschwerde findet in diesen Fällen unter anderem statt, wenn das Beschwer-degericht sie zugelassen hat (Senatsbeschlüsse vom 5.
Januar 2011

XII
ZB
152/10
-
FamRZ 2011, 368 Rn.
2 und vom 30.
März 2011

XII
ZB
698/10
-
FamRZ 2011, 966 Rn.
11; BT-Drucks. 16/6308 S.
179). Das Rechtsmittel ist auch sonst zulässig. Der Beteiligte zu
3 ist [X.], weil sein Hinzuziehungsantrag zurückgewiesen worden ist (vgl. [X.] vom 5.
Januar 2011 -
XII
ZB
152/10
-
FamRZ 2011, 368 Rn.
2 und vom 30.
März 2011 -
XII
ZB
698/10
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FamRZ 2011, 966 Rn.
11; BT-Drucks. 16/6308 S.
179).
II. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Das Notariat habe den [X.] im Wesentlichen abgelehnt, weil der Verdacht geäußert worden sei, der Beteiligte zu
3 [X.] bzw. [X.] die Betroffene. Die durchgeführte
Anhörung habe ergeben, dass dem [X.] zu
3 diese Verdächtigungen bekannt seien. Er habe sie auch im Rah-3
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men eines Antrittsbesuches der Betreuerin offen thematisiert. Obwohl die [X.] gegen den Vater keinen Einfluss auf den weiteren Fortgang und das Ergebnis des bisherigen Betreuungsverfahrens gehabt hätten, [X.] es nicht sachgerecht und verfahrensfördernd, den Beteiligten zu
3 hinzuzu-ziehen. Das damit verbundene Recht zur Akteneinsicht könne zur Folge haben, dass die Auseinandersetzung mit den von dritter Seite in den Raum gestellten Verdächtigungen gegenüber dem Beschwerdeführer das weitere Verfahren be-lasteten.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach §
7 Abs.
3 FamFG iVm §
274 Abs.
4 Nr.
1 FamFG kann das Be-treuungsgericht im Interesse des Betroffenen unter anderem dessen Eltern am Verfahren beteiligen. Das setzt voraus, dass die Beteiligung sachgerecht und verfahrensfördernd ist. Maßstab ist mithin das wohlverstandene Interesse des vom Verfahren betroffenen Beteiligten, da die Beteiligung der selbst in ihren Rechten nicht betroffenen Personen ausschließlich in dessen Interesse erfolgt (BT-Drucks. 16/6308
S.
179).
b) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Entscheidung über die Hinzuziehung von Angehörigen des Betroffenen in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist ([X.]/[X.] FamFG 17.
Aufl. §
274 Rn.
18; [X.] in Bork/[X.]/[X.] FamFG §
274 Rn.
12; [X.] in [X.]/[X.] ZPO 32.
Aufl. §
7 FamFG Rn.
12). Die Entscheidung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren deshalb nur eingeschränkt darauf über-prüft werden, ob die Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob das Ermessen sonst fehlerhaft ausgeübt worden ist (Senatsbeschlüsse vom 26.
No-vember 2011 -
XII
ZB
465/11
-
FamRZ 2012, 24, Rn.
17; vom 14.
Februar 2007

XII
ZB
150/05
-
FamRZ 2007, 711 Rn.
9; vom 3.
November 2004 7
8
9
-
5
-

XII
ZB
165/00
-
FamRZ 2005, 104, 105 und [X.], 127 =
FamRZ 2003, 1267, 1268).
c) Letzteres ist hier der Fall.
aa) Es ist nicht erkennbar, dass das Beschwerdegericht bei seiner [X.] das Ergebnis der durchgeführten Anhörung in vollem [X.] berücksichtigt hat. Die Betroffene hat in einem Schreiben an das Notariat Widerspruch gegen die für sie bestellte Betreuerin erhoben und ausgeführt, als Betreuer kämen nur Vater und Bruder in Frage. Bei der Anhörung hat die Be-troffene angegeben, dass sie das Schreiben allein verfasst habe. Der Umstand, dass sie ihren Vater als Betreuer möchte, lässt aber darauf schließen, dass sie auch seine Beteiligung an dem Verfahren wünscht. Einen solchen Wunsch hat das Gericht zu berücksichtigen (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 265). Die persönli-che Einschätzung eines
Betroffenen kann als Indiz dafür herangezogen wer-den, dass die Beteiligung
eines Angehörigen dem Wohl des Betroffenen dient ([X.] in Hahne/Munzig
Beck OK FamFG §
274 Rn.
37). Das [X.] hat daher den Sachverhalt in dieser Hinsicht nicht hinreichend gewürdigt.
bb) Darüber hinaus sind die angestellten Erwägungen nicht ermessens-fehlerfrei. Das [X.] stützt seine Auffassung wesentlich auf den Ge-sichtspunkt, eine Beteiligung des [X.] sei nicht sachgerecht und verfahrens-fördernd, weil zu befürchten sei, dass die Auseinandersetzung mit den akten-kundigen Verdächtigungen gegen ihn das Betreuungsverfahren belastete. [X.] hat das [X.] festgestellt, dass dem Vater die Verdächtigun-gen bekannt sind. Dies hatte bereits bisher keinen Einfluss auf den Fortgang des Betreuungsverfahrens. Eine Belastung des Verfahrens ist, wie die Rechts-beschwerde zu Recht geltend macht, vor diesem Hintergrund auch nicht zu be-fürchten. Die Verdächtigungen sind in pauschaler Weise und anonym in den 10
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Akten festgehalten. Eine Auseinandersetzung damit kann deshalb allenfalls in einem schlichten Bestreiten bestehen. Dies würde das Verfahren aber nicht befrachten. Die Würdigung des [X.]s ist deshalb insofern nicht wider-spruchsfrei.
cc) Abgesehen davon hat auch das [X.] zu erkennen gegeben, dass für den Fall, dass die Vorwürfe
künftig nicht weiterverfolgt werden sollten, nichts gegen eine Beteiligung des [X.] spreche. Ob und gegebenenfalls
wann es zu einer solchen Weiterverfolgung kommt, erscheint allerdings offen. Die Betreuerin hat zur [X.] ihrer Anhörung jedenfalls keinen Anlass gesehen, Polizei oder Staatsanwaltschaft einzuschalten; sie müsse sich erst Klarheit über die Lebenssituation der Betroffenen verschaffen. Von welchem [X.]punkt an davon auszugehen sein würde, dass der Vater mit Rücksicht darauf mit einer Beteiligung an dem Verfahren rechnen
kann, ist damit nicht absehbar und von ihm auch nicht beeinflussbar.
d) Mit der gegebenen Begründung kann die Entscheidung, den Vater nicht als Beteiligten zu dem Betreuungsverfahren hinzuzuziehen, deshalb kei-nen Bestand haben. Tragfähige Informationen über Einschränkungen der Le-bensbewältigungskompetenz eines Betroffenen und über seinen tatsächlichen Hilfebedarf werden am ehesten von denjenigen Angehörigen zu erwarten sein, die mit dem Betroffenen durch ein Näheverhältnis verbunden sind ([X.]/[X.] aaO §
274 Rn.
18). Das ist hier der Beteiligte zu
3, mit dem die [X.] in [X.] lebt. Dass dieser Gesichtspunkt gebührend [X.] worden ist, obwohl der ihm entgegengesetzte Umstand einer Belas-tung des Verfahrens jedenfalls nicht maßgebend sein kann, ist nicht ersichtlich.
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e) Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen, das unter Berücksichtigung aller [X.] erneut über den Antrag des [X.] zu befinden haben wird.

Hahne

[X.]

Klinkhammer

Schilling

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
Notariat [X.], Entscheidung vom 05.08.2010 -
I VG 8/2010 -

LG [X.], Entscheidung vom 14.02.2011 -
3 [X.]/10 -

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Meta

XII ZB 133/11

15.02.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2012, Az. XII ZB 133/11 (REWIS RS 2012, 9123)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9123

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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