Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2017, Az. XII ZB 438/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 16703

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[X.]:[X.]:BGH:2017:250117BXIIZB438.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 438/16
vom
25. Januar 2017
in der [X.]
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja

FamFG §§ 274 Abs. 4 Nr. 1, 303 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4
a)
Die Beteiligung einer Person in einem Betreuungsverfahren als Betreuer oder
[X.] schließt nicht aus, dass dieselbe Person zugleich nach §
274 Abs.
4 Nr.
1
FamFG auch sog. Kann-Beteiligte des Verfahrens und dann gemäß §
303 Abs.
2 FamFG im eigenen Namen beschwerdeberechtigt ist (im [X.] an Senatsbeschlüsse vom 11.
Januar 2017

XII
ZB
305/16

zur [X.] bestimmt; vom 6.
Juli 2016

XII
ZB
61/16

FamRZ 2016, 1671 und vom 9.
September 2015

XII
ZB
125/15 -
FamRZ 2015, 2162).
b)
Legt der Betreuer oder der Bevollmächtigte im eigenen Namen Beschwerde ein, muss das Beschwerdegericht vor einer Beschwerdeverwerfung jedenfalls in Erwägung ziehen, dass die Beschwerdeberechtigung hierfür aus §
303 Abs.
2 Nr.
1 oder
2 FamFG folgen kann (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 11.
Januar 2017 -
XII
ZB
305/16 -
zur [X.] bestimmt).
c)
Als Person des Vertrauens kommt in Betreuungsverfahren auch eine Person in Betracht, die der Betroffene nicht benannt hat.
d)
Von einem für die Bejahung der Stellung als Person des Vertrauens genügenden, aktuell bestehenden Vertrauensverhältnis ist auszugehen, wenn der Betroffene einer Person eng verbunden ist und ihr daher in besonderem Maße Vertrauen entgegenbringt. Dies kann sich aus Äußerungen des Betroffenen, aber auch aus sonstigen Umständen ergeben (im [X.] an Senatsbeschluss vom 24.
Oktober 2012 -
XII
ZB
386/12 -
FamRZ 2013, 115).
BGH, Beschluss vom 25. Januar 2017 -
XII ZB 438/16 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 25.
Januar 2017
durch [X.] und [X.]
Klinkhammer, Schilling, Dr.
Botur
und Guhling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu
2 wird der Beschluss der
4. Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 22. Au-gust
2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur
erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.
Wert: 5

Gründe:
I.
Die im Jahre 1931 geborene Betroffene erteilte der Beteiligten zu
2 am 1.
Oktober 2009 eine umfassende Vorsorgevollmacht, die sie mehrfach
durch erneute Unterschriftsleistung, zuletzt am 4.
Oktober 2013, bestätigte. Außerdem errichtete sie zeitgleich und ebenfalls wiederholt durch ihre Unterschrift bestätigt eine Betreuungsverfügung und eine Patientenverfügung, in denen sie die [X.] zu
2 als die Person
benannte, die sie betreuen bzw. begleiten solle.
1
-
3
-

Unter Vorlage dieser Dokumente regte die Hausärztin der Betroffenen im März 2015 beim Amtsgericht die Einrichtung einer Betreuung für die Betroffene an. Um die Belange der Betroffenen habe sich bisher die Beteiligte zu
2 als de-ren Freundin gekümmert, die auch als Betreuerin vorgeschlagen werde. Unter Verweis auf die Vorsorgevollmacht lehnte das Amtsgericht die Einrichtung einer
Betreuung zunächst ab.
Im August 2015 hat sich der Ehemann der Betroffenen an das Amtsge-richt gewandt, einen von der Betroffenen unterzeichneten, auf den 11.
August 2015 datierenden Vollmachtwiderruf vorgelegt und finanzielle [X.] im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Beteiligten zu
2 für die Betroffene behauptet. Das Amtsgericht hat die Betroffene
in Anwesenheit der ihr zuvor bestellten Verfahrenspflegerin (Beteiligte zu 1) persönlich angehört und dann den Beteiligten zu
3, einen
Rechtsanwalt, zum Betreuer für den Aufgabenkreis

Gegen diesen Beschluss
hat die Beteiligte zu
2
im eigenen Namen [X.] eingelegt, die das [X.] als unzulässig verworfen hat, weil sie
nicht beschwerdebefugt sei.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu
2
mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie geltend macht, jedenfalls als Vertrauensperson der Betroffenen beschwerdebefugt zu sein.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß
§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statt-haft. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2 folgt für das Verfahren der Rechtsbeschwerde bereits daraus, dass ihre Erstbeschwerde verworfen worden 2
3
4
5
-
4
-

ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5.
November 2014

XII
ZB
117/14

FamRZ 2015, 249 Rn.
4 mwN). Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1. Wie das [X.] zutreffend ausführt, hat die Beteiligte zu
2
die Beschwerde nicht namens der Betroffenen, sondern im eigenen Namen [X.]. Weder aus §
303 Abs.
4 FamFG noch aus §
59 Abs.
1 FamFG ergibt sich jedoch eine eigene Beschwerdeberechtigung eines
Vorsorgebevollmächtigten gegen die Einrichtung einer (Kontroll-)Betreuung (vgl. Senatsbeschluss
vom 5.
November 2014

XII
ZB
117/14

FamRZ
2015, 249 Rn.
6
ff., 14
ff.).
2. Gleichwohl hält die angefochtene Entscheidung einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, nicht geprüft, ob sich das Recht
der Beteiligten zu
2 zur [X.] im eigenen Namen aus §
303 Abs.
2 Nr.
2 FamFG ergibt, obwohl hierzu auf-grund des Akteninhalts Anlass bestand.
a) Die Beteiligte zu
2 ist im ersten Rechtszug am Verfahren beteiligt [X.]. Ihre Hinzuziehung, die hier konkludent durch das Übersenden von [X.], die Ladung zum
ersten Anhörungstermin und die Bezeichnung im [X.] erfolgte (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 28.
September 2016

XII
ZB
251/16

FamRZ 2017, 50
Rn. 14 mwN), beruhte auf ihrer Stel-lung als Bevollmächtigte, derentwegen sie gemäß §
274 Abs.
1 Nr.
3 FamFG sog. Muss-Beteiligte im Sinne des §
7 Abs.
2 Nr.
2 FamFG war.
b) Nach der Rechtsprechung des Senats schließt die Beteiligung einer Person nach §
274
Abs.
1 Nr.
2 oder
3 FamFG

also als Betreuer oder [X.], sofern der Aufgabenkreis
betroffen ist

in Betreuungsverfahren nicht
aus, dass dieselbe Person zugleich nach §
274 Abs.
4 Nr.
1
FamFG auch sog. Kann-Beteiligte
des Verfahrens und dann gemäß
§
303 Abs.
2 FamFG im eigenen Namen beschwerdeberechtigt ist
(vgl. Senatsbeschluss
vom 6
7
8
9
-
5
-

11.
Januar 2017

XII
ZB
305/16

zur [X.] bestimmt; vgl. auch [X.] vom 6.
Juli 2016

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61/16

FamRZ 2016, 1671 Rn.
8 und vom 9.
September 2015

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ZB
125/15

FamRZ 2015, 2162 Rn.
5).
aa) Allerdings erfolgt die Beteiligung einheitlich
und nicht aufgespalten in verschiedene Funktionen. Soweit eine Person bereits Muss-Beteiligter ist, kommt ihre zusätzliche
-
dann doppelte -
Hinzuziehung nach §
7 Abs.
3 FamFG nicht in Betracht, weil die Hinzuziehung
nur für weitere Personen,
nicht aber für dieselbe Person in einer weiteren Beteiligtenrolle vorgesehen ist
(vgl. [X.] vom 11.
Januar 2017

XII
ZB
305/16

zur [X.] be-stimmt). Für den Betreuer oder den Bevollmächtigten, dessen Aufgabenkreis von dem Verfahren
betroffen ist, hat das Amtsgericht daher keine Veranlassung zu der Prüfung, ob eine Hinzuziehung auch als Angehöriger oder [X.] im Sinne des §
274 Abs.
4 Nr.
1 FamFG geboten ist. Im erstinstanzli-chen Verfahren besteht im Übrigen kein praktisches Bedürfnis für eine solche Differenzierung
nach Beteiligtenrollen.
bb) Anders verhält es sich hinsichtlich der Beschwerdebefugnis. Denn für deren Umfang ist aufgrund der gesetzlichen Regelung in §
303 Abs.
2 und 4 FamFG die Art der Beteiligung von Bedeutung. Betreuer und Bevollmächtigter als Muss-Beteiligte können
nur namens des Betroffenen wirksam Beschwerde einlegen (§
303 Abs.
4 Satz
1 FamFG), wohingegen §
303 Abs.
2 FamFG be-stimmten Angehörigen sowie einer
Vertrauensperson das Recht zur [X.] im eigenen Namen
im Interesse des Betroffenen
eröffnet.
Während der in [X.]n gemäß §
275 FamFG verfahrensfähige Betroffene die von Betreuer oder Bevollmächtigtem in seinem Namen eingelegte Beschwerde [X.] selbst zurücknehmen kann, ist das von einem der in §
303 Abs.
2
FamFG aufgeführten Kann-Beteiligten eingelegte Rechtsmittel in seinem Fort-bestand unabhängig vom Willen des Betroffenen.
10
11
-
6
-

Dabei stellt die letztgenannte Regelung ihrem Wortlaut nach

und ange-sichts dessen,
dass eine doppelte
Hinzuziehung nicht vorgesehen ist, auch fol-gerichtig

lediglich auf die Beteiligung als solche, nicht aber darauf ab, dass die aufgeführten Kann-Beteiligten in eben dieser Funktion im ersten Rechtszug be-teiligt worden sind.
Maßgebend ist insoweit allein,
ob es sich tatsächlich um einen der in §
303 Abs.
2
Nr.
1 FamFG aufgezählten Angehörigen oder eine Person des Vertrauens im Sinne des §
303 Abs.
2 Nr.
2 FamFG handelt.
cc) Legt der Betreuer oder

wie hier

der Bevollmächtigte entgegen §
303 Abs.
4 Satz
1 FamFG im eigenen Namen Beschwerde ein, muss das [X.]gericht daher vor einer Beschwerdeverwerfung jedenfalls in Erwägung ziehen, dass die Beschwerdeberechtigung hierfür
aus §
303 Abs.
2 Nr.
1 oder
2 FamFG folgen kann
(vgl. Senatsbeschluss vom 11.
Januar 2017

XII
ZB
305/16

zur [X.] bestimmt). Entsprechende Anhaltspunkte können sich nicht nur aus Beschwerdeschrift und -begründung, sondern aus dem gesamten Akteninhalt ergeben. Nachdem es gemäß §
65 Abs.
1 FamFG nicht zwingend einer Beschwerdebegründung bedarf, kann der [X.] derartige Gesichtspunkte zudem in einer Stellungnahme auf den Hinweis
darlegen, den das Beschwerdegericht vor der [X.] zu [X.] hat (vgl. zur Hinweispflicht etwa Senatsbeschlüsse vom 24.
Juli 2013

XII
ZB
40/13
-
FamRZ 2013, 1569 Rn.
6 und vom 15.
August 2007

XII
ZB
101/07

FamRZ 2007, 1725 Rn.
7
f.).
c) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht ge-recht.
Das [X.] hat nicht geprüft, ob die Beteiligte zu
2
auch Person des Vertrauens im Sinne der §§
303 Abs.
2 Nr.
2, 274 Abs.
4 Nr.
1 FamFG ist.
aa) Als solche kommt

anders als nach §§
315 Abs.
4 Satz
1 Nr.
2, 335 Abs.
1 Nr.
2 FamFG bei Unterbringungssachen (zur
Ausnahme bei Kindern un-12
13
14
15
-
7
-

ter 14 Jahren vgl. Senatsbeschluss vom 24.
Oktober 2012

XII
ZB
386/12

FamRZ 2013, 115 Rn.
13
ff.)
und nach §§
418 Abs.
3 Nr.
2, 429 Abs.
2 Nr.
2 FamFG bei Freiheitsentziehungssachen

auch eine Person in Betracht, die der Betroffene nicht benannt hat.
(1) Diese Frage ist allerdings streitig.
Nach einer Auffassung
setzt die Hinzuziehung als Vertrauensperson über den Gesetzeswortlaut des §
274 Abs.
4 Nr.
1 FamFG hinaus die Benen-nung durch den Betroffenen voraus ([X.] BeckRS 2011, 01804; [X.], 1411, 1412; [X.] BtPrax 2009, 155, 158; [X.] in [X.] Praxiskommentar Betreuungs-
und Unterbringungsrecht 3.
Aufl. §
274 FamFG Rn.
21
f.; Jurgeleit/Bui

Betreuungsrecht 3.
Aufl. §
274 FamFG Rn.
23; MünchKommFamFG/[X.] 2.
Aufl. §
274 Rn.
11; Prütting/
Helms/[X.] FamFG 3.
Aufl. §
274 Rn.
45; wohl auch Bahrenfuss/[X.] FamFG 2.
Aufl. §
303 Rn.
6 und §
274 Rn.
13; [X.]/[X.] 4.
Aufl. §
274 FamFG Rn.
17).
Demgegenüber wird auch vertreten,
es bedürfe keiner solchen Benen-nung
durch den Betroffenen (BeckOK
FamFG/[X.] [Stand: 1.
August 2016] §
274 Rn.
12; [X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
274 Rn.
16; [X.]/Weinreich/Rausch FamFG 5.
Aufl. §
274 Rn.
12
f.; [X.] in [X.]/[X.]/Harm Betreuungsrecht 6.
Aufl. §
274 FamFG Rn.
25; wohl auch [X.]/[X.] [Stand: August 2016] §§
315, 7 FamFG Rn.
47).
(2) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.
Für sie
spricht eindeutig der Wortlaut
der Bestimmung, die im
Unter-schied zu den für Unterbringungs-
bzw. Freiheitsentziehungssachen geltenden §§
315 Abs.
4 Satz
1 Nr.
2, 335 Abs.
1 Nr.
2, 418 Abs.
3 Nr.
2, 429 Abs.
2 Nr.
2
16
17
18
19
20
-
8
-

FamFG
gerade nicht darauf abstellt, dass
die Person des Vertrauens vom Be-troffenen benannt ist. Zwar ist richtig, dass die Uneinheitlichkeit der Regelungen für
[X.]n einerseits und für Unterbringungs-
bzw. Freiheitsentzie-hungssachen andererseits in den Gesetzesmaterialien nicht begründet wird (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S.
264
ff., 273, 291) und für sie auch keine überzeu-genden sachlichen Gründe ersichtlich sind
(vgl. [X.]/[X.] 4.
Aufl. §
315 FamFG Rn.
15; [X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
315 Rn.
8). Die insoweit engere Fassung der §§ 315 Abs.
4 Satz
1 Nr.
2, 335 Abs.
1 Nr.
2, 418 Abs.
3 Nr.
2, 429 Abs.
2 Nr.
2 FamFG dürfte allein darauf zurückzu-führen sein, dass die Formulierung aus der Vorgängervorschrift des §
70 d Abs.
1 Satz
1 Nr.
4 [X.] übernommen wurde. Dies kann jedoch nicht dazu füh-ren, den Anwendungsbereich der §§
274 Abs.
4 Nr.
1, 303 Abs.
2 Nr.
2 FamFG entgegen ihrem klaren Wortlaut einzuschränken, zumal
der Gesetzgeber inso-weit nicht an das Vorbild des §
68
a Satz
4 [X.] angeknüpft hat, nach dem das Gericht im Betreuungsverfahren auf Verlangen des Betroffenen bestimmte Per-sonen anhören sollte.
In die
gleiche
Richtung weisen die Gesetzesmaterialien.
Nach diesen soll eine Beteiligung von Verwandten gemäß
§
274 Abs.
4 Nr.
1 FamFG aus-nahmsweise auch gegen den Willen des Betroffenen in Betracht kommen, wenn sein subjektiver Wille seinen objektiven
Interessen zuwider liefe und keine erheblichen Gründe gegen die Hinzuziehung des Verwandten sprechen (BT-Drucks. 16/6308 S.
265
f.). Für die Beteiligung einer Vertrauensperson, die ebenso wie die eines Angehörigen nur im Interesse des Betroffenen erfolgen
kann (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S.
266), lässt sich den Materialien nichts
Abwei-chendes entnehmen. Wenn jedoch die Hinzuziehung auch gegen den Willen des Betroffenen möglich ist, kann eine Benennung durch ihn nicht zwingende Voraussetzung für die Stellung als Vertrauensperson sein.
21
-
9
-

Zudem würde es Sinn und Zweck des §
274 Abs.
4 Nr.
1 FamFG
wider-sprechen, durch
das Erfordernis einer

wie auch immer gearteten

Benennung den Betroffenen, die zu einer solchen nicht (mehr) in der Lage sind, die Hinzu-ziehung
einer Vertrauensperson generell zu verwehren
(vgl.
[X.]/Weinreich/Rausch FamFG 5.
Aufl. §
274 Rn.
13; so aber ausdrücklich [X.], 1411, 1412; Jurgeleit/Bui

Betreuungs-recht 3.
Aufl. §
274 FamFG Rn.
23). Denn die Bestimmung will zum einen die altruistische Beteiligung von Personen ermöglichen, die dem Betroffenen auf-grund Verwandtschafts-
oder Vertrauensverhältnisses besonders nahe stehen, um den Interessen des Betroffenen im Betreuungsverfahren bestmöglich ge-recht zu werden (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S.
265
f.; Senatsbeschluss vom 22.
Oktober 2014

XII
ZB
125/14

FamRZ 2015, 133 Rn.
13). Gerade bei ei-nem Betroffenen, der zur Kommunikation nicht mehr in der Lage ist, können Vertrauenspersonen aus seinem [X.] Umfeld wie
zum Beispiel Lebensge-fährten oder enge Freunde viel zur Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich beste-hender Hilfsmöglichkeiten sowie etwa nach §
1901 Abs.
3 BGB zu berücksichti-gender Wünsche des Betroffenen beitragen ([X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
274 Rn.
15). Zum anderen soll die Vorschrift dem Umstand Rechnung tragen, dass die Hinzuziehung bestimmter Personen auch deshalb geboten sein kann, weil sie ein vom Betreuungsverfahren berührtes schützenswertes ideelles Inte-resse haben (BT-Drucks. 16/6308 S.
265). Beide [X.] beanspru-chen bei Verfahren mit Betroffenen, die zur Benennung einer Vertrauensperson nicht mehr in der Lage sind, mindestens ebenso Geltung wie bei anderen Be-troffenen.
Eine einschränkende Auslegung der §§
274 Abs.
4 Nr.
1, 303 Abs.
2 Nr.
2 FamFG ist auch nicht mit Blick auf verfahrensökonomische Gründe ge-rechtfertigt. Insbesondere steht nicht zu
befürchten, dass jeder Dritte durch die bloße Behauptung, Vertrauensperson zu sein, die Beteiligung und dann auch 22
23
-
10
-

die Beschwerdeberechtigung
erlangen könnte (so aber offensichtlich AG Frank-furt
am Main FamRZ 2012, 1411, 1412). Denn die Hinzuziehung als [X.] erfordert ebenso die positive Feststellung eines Vertrauensverhält-nisses wie die Bejahung der Beschwerdeberechtigung in Fällen
der Doppel-funktionalität. Angesichts der Vielzahl möglicher Erkenntnisquellen erscheint es schließlich möglich, in geeigneten Fällen auch ohne eine Benennung durch den Betroffenen zur Überzeugung vom Bestehen
eines
solchen Vertrauensverhält-nisses
zwischen
dem Betroffenen und einem Dritten zu gelangen (a.A. [X.] BtPrax 2009, 155, 158).
bb) Von einem §§
274 Abs.
4 Nr.
1, 303 Abs.
2 Nr.
2 FamFG genügen-den, aktuell bestehenden
Vertrauensverhältnis ist auszugehen, wenn der Be-troffene
einer Person eng verbunden ist (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S.
266) und ihr daher in besonderem Maße Vertrauen entgegenbringt. Dies kann sich aus Äußerungen des Betroffenen, aber auch aus sonstigen Umständen ergeben (vgl. Senatsbeschluss vom 24.
Oktober 2012

XII
ZB
386/12

FamRZ 2013, 115 Rn.
16; [X.] in [X.]/[X.]/Harm Betreuungsrecht 6.
Aufl. §
274 FamFG Rn.
25).
Hierzu ist stets eine Einzelfallprüfung anzustellen.
cc) Nach diesen Maßgaben erscheint es jedenfalls denkbar, die [X.] zu
2 als Person des Vertrauens im Sinne der §§
274 Abs.
4 Nr.
1, 303 Abs.
2 Nr.
2 FamFG anzusehen, obwohl die Betroffene sie für das vorliegende Verfah-ren nicht als solche benannt hat. Die Beteiligte zu
2 hatte in einem Schreiben an die Hausärztin der Betroffenen davon berichtet, die Betroffene

g-

seit April 2013
intensiv zu betreuen, und die ent-sprechenden Unterstützungsmaßnahmen detailliert geschildert. In einem an das Amtsgericht gerichteten Schriftsatz hatte sie die Beziehung zur Betroffenen als eng und vertrauensvoll beschrieben. Der Bericht der Verfahrenspflegerin vom 12.
Januar 2016 über ein Gespräch mit der Betroffenen belegt diese Ein-24
25
-
11
-

schätzung. Zudem ist die Beteiligte zu
2 in der Vorsorgevollmacht als [X.] bezeichnet.
Das [X.] hätte mithin im Rahmen seiner die Zulässigkeit des Rechtsmittels betreffenden Amtsermittlungspflicht der Frage nachgehen müs-sen, ob die Beteiligte zu
2 nicht nur Bevollmächtigte, sondern auch [X.] der Betroffenen ist, und hierzu ggf. auch die Betroffene anhören müs-sen.
3. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§
74 Abs.
5, Abs.
6 Satz
1 und
2 FamFG).

Dose

Klinkhammer

Schilling

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.06.2016 -
36 [X.] 239/15 -

LG [X.], Entscheidung vom 22.08.2016 -
4 [X.] -

26
27

Meta

XII ZB 438/16

25.01.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2017, Az. XII ZB 438/16 (REWIS RS 2017, 16703)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16703

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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36 XVII 239/15

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