Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.07.2012, Az. VIII ZB 106/11

8. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4908

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kostenausgleichsverfahren: Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten


Leitsatz

Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den auswärtigen Prozessbevollmächtigten beim Prozessgericht die Vertretung in der mündlichen Verhandlung wahrnimmt, richtet sich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte (Fortführung von BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002, VIII ZB 30/02, WM 2003, 1617).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss des [X.] - 8. Zivilsenat - vom 2. November 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die sofortige Beschwerde des [X.] gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] vom 11. Juli 2011 zurückgewiesen worden ist.

Auf die sofortige Beschwerde werden die von der Beklagten dem Kläger zu erstattenden Kosten auf weitere 170,61 € (insgesamt 1.855,88 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Februar 2011 festgesetzt.

Die Kosten der Beschwerdeverfahren werden der Beklagten auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 170,61 €.

Gründe

I.

1

Die [X.]en streiten im Kostenausgleichsverfahren nach § 106 ZPO darüber, ob der Kläger die Kosten seines Unterbevollmächtigten erstattet verlangen kann.

2

Der in [X.] ansässige Kläger hat die Beklagte auf Zahlung des Kaufpreises für einen Pkw in Anspruch genommen. Er hat seinen ortsansässigen Prozessbevollmächtigten mit der gerichtlichen Vertretung beauftragt. Das zunächst angerufene [X.] hat den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen, welches einen Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung auf den 3. Dezember 2010 anberaumt hat. Eine Anordnung zur Ladung von Zeugen ist nicht erfolgt. Mit der [X.] hat der Kläger einen Rechtsanwalt aus [X.] als Unterbevollmächtigten beauftragt.

3

Am 16. Februar 2011 hat das [X.] festgestellt, dass zwischen den [X.]en ein Vergleich zustande gekommen ist. Dieser sieht vor, dass die Kosten des Rechtsstreits zu 5/7 von der [X.] und zu 2/7 von dem Kläger getragen werden.

4

Im anschließenden Kostenausgleichsverfahren hat der Kläger unter anderem die Kosten des Unterbevollmächtigten in Höhe von 930,82 € geltend gemacht. Die fiktiven Kosten für eine Anreise seines Prozessbevollmächtigten zu dem Termin hat er mit 629,05 € beziffert. Das [X.] hat die von der [X.] dem Kläger zu erstattenden Kosten auf 1.640,33 € festgesetzt. Hierbei hat es die Kosten des Unterbevollmächtigten lediglich in Höhe der fiktiven Reisekosten der Prozessbevollmächtigten des [X.] berücksichtigt. Auf die sofortige Beschwerde des [X.] hat das Beschwerdegericht den Kostenfestsetzungsbeschluss abgeändert und die zu erstattenden Kosten auf 1.685,27 € nebst Zinsen festgesetzt.

5

Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde macht der Kläger weiter geltend, bei der Berechnung der zu erstattenden Kosten sei der Betrag in Höhe von 930,82 € für den Unterbevollmächtigten anzusetzen.

II.

6

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 ZPO) hat Erfolg.

7

1. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten, der - wie hier - für den am Wohnort oder Geschäftsort der [X.] ansässigen Rechtsanwalt Termine beim Prozessgericht wahrnimmt, richtet sich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. Oktober 2002 - [X.], [X.], 1617 unter [[X.] II 2 a; vom 21. Dezember 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 381 Rn. 6; vom 9. September 2004 - [X.], [X.], 84 unter II 2 a; vom 4. April 2006 - [X.], [X.], 1089 Rn. 4) stellen die Kosten eines Unterbevollmächtigten dann notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des [X.] erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den [X.] entstanden wären.

8

2. Für die Vergleichsberechnung zwischen den fiktiven Reisekosten des [X.] und den durch die Beauftragung des Unterbevollmächtigten zur Terminsvertretung entstandenen Kosten ist - anders als das Beschwerdegericht meint - nicht auf eine ex post-Betrachtung abzustellen. Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des [X.] vielmehr ([X.], Beschlüsse vom 16. Oktober 2002 - [X.], aaO unter [[X.] II 2 [X.]; vom 4. April 2006 - [X.], aaO Rn. 6), ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige [X.] die kostenauslösende Maßnahme ex [X.] als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die [X.] ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen.

9

Wenn die [X.] prüft, ob sie einen Unterbevollmächtigten zur [X.] hinzuzieht, liegt dies auch im Interesse der erstattungspflichtigen Gegenpartei; denn die Beauftragung des Unterbevollmächtigten kann, etwa bei einem geringen Streitwert und einer erheblichen Entfernung zwischen dem Kanzleisitz des [X.] und dem Prozessgericht oder wenn mehrere Termine wahrzunehmen sind, kostengünstiger sein als die [X.] durch den [X.] (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2002 - [X.], aaO unter [[X.] II 2 a).

Bei der gebotenen ex [X.]-Beurteilung durfte der Kläger im Zeitpunkt der Beauftragung des Unterbevollmächtigten davon ausgehen, dass voraussichtlich mehrere Termine vor dem Prozessgericht in [X.] wahrzunehmen sein würden. Das [X.] hatte zunächst nur Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter ohne Ladung von Zeugen anberaumt, obgleich von beiden [X.]en Zeugen zum Beweis ihrer - strittigen - Behauptungen benannt worden waren. Für die Anreise des Hauptprozessbevollmächtigten des [X.] zu zwei Terminen vor dem [X.] wären höhere Kosten entstanden als durch die Beauftragung des Unterbevollmächtigten.

3. Dem Kläger steht daher gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten seines Unterbevollmächtigten für die Wahrnehmung des Termins in Höhe von 170,61 € nebst Zinsen gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO entsprechend der im Vergleich getroffenen Kostenverteilungsquote zu.

Ball                                                  Dr. Hessel                                               Dr. Achilles

                       Dr. Schneider                                             Dr. Bünger

Meta

VIII ZB 106/11

10.07.2012

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 2. November 2011, Az: 8 W 71/11

§ 91 Abs 1 S 1 ZPO, § 106 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.07.2012, Az. VIII ZB 106/11 (REWIS RS 2012, 4908)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4908

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZB 106/11 (Bundesgerichtshof)


I ZB 38/14 (Bundesgerichtshof)

Kostenfestsetzung: Erstattungsfähigkeit von Flugreisekosten des Hauptbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung; Erstattungsfähigkeit von Kosten des unterbevollmächtigten Terminsvertreters - …


XII ZB 499/11 (Bundesgerichtshof)

Kostenfestsetzung: Berechnung erstattungsfähiger Kosten für den Unterbevollmächtigten; Erstattungsfähigkeit der sowohl für den Hauptbevollmächtigten als auch …


I-10 W 49/06 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


I ZB 38/14 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.