Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.02.2014, Az. XII ZB 499/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7560

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Gegenstand

Kostenfestsetzung: Berechnung erstattungsfähiger Kosten für den Unterbevollmächtigten; Erstattungsfähigkeit der sowohl für den Hauptbevollmächtigten als auch für den Unterbevollmächtigten angefallenen Einigungsgebühr


Leitsatz

1. Die Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, stellen notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar, soweit sie die hierdurch ersparten, erstattungsfähigen Reisekosten des Prozessbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen.

2. Für die Vergleichsberechnung zwischen den fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten und den durch die Beauftragung des Unterbevollmächtigten zur Terminsvertretung entstandenen Kosten ist auf eine ex ante-Betrachtung abzustellen. Maßgeblich ist, ob eine verständige und wirtschaftlich denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte.

3. Zur Erstattungsfähigkeit einer sowohl für den Hauptbevollmächtigten als auch den Unterbevollmächtigten angefallenen Einigungsgebühr.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats des [X.] vom 2. August 2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

[X.]: 1.036 €

Gründe

I.

1

Die [X.]en streiten im Kostenfestsetzungsverfahren darüber, ob die Klägerin die Kosten ihres [X.]n erstattet verlangen kann.

2

Die [X.]en führten einen Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Anmietung eines Flugzeugs. Die Klägerin und ihr [X.]r sind in [X.] geschäftsansässig. Bei der Wahrnehmung des Termins vor dem [X.] in [X.] ließ sich der [X.] durch einen [X.]n vertreten. Der Prozess wurde durch einen widerruflich abgeschlossenen Vergleich im Verhandlungstermin endgültig beendet, nachdem der [X.] der Klägerin ebenfalls geraten hatte, den Vergleich nicht zu widerrufen.

3

Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat das [X.] auch die von der Klägerin geltend gemachten Kosten des [X.]n festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sie sich weiterhin gegen die Berücksichtigung der Kosten des [X.].

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

5

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Kosten des [X.]n stellten sich als Aufwand zweckentsprechender Rechtsverfolgung der Klägerin im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO dar. Einer [X.] sei es grundsätzlich gestattet, einen Prozessbevollmächtigten an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz zu beauftragen, wobei dessen Reisekosten an den Gerichtsort auch erstattungsfähig seien. Die Kosten für einen [X.]n seien dann erstattungsfähig, wenn sie die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten nicht wesentlich, nämlich um nicht mehr als 10 %, überstiegen. Bei einer Anreise des [X.]n zum Verhandlungstermin wären Reisekosten in Höhe von netto 470,20 € (bei Anreise mit der Bahn) bzw. 384 € (bei Anreise mit dem Pkw) entstanden. Die Kosten für den [X.]n seien mit zunächst 378,54 € günstiger gewesen. Aufgrund des Abschlusses des Widerrufsvergleichs im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.] sei indes sowohl für den Haupt- als auch für den [X.]n eine [X.] in Höhe von jeweils weiteren 535,60 € angefallen. Die [X.], die eine Überschreitung der 10 %-Grenze nach sich ziehe, wäre bei einer Wahrnehmung des Termins durch den [X.]n [X.] entstanden. Dennoch seien die Kosten des [X.]n in voller Höhe erstattungsfähig. Es komme nicht auf den Vergleich der tatsächlichen Kosten des [X.]n mit den fiktiven Reisekosten des [X.]n an, sondern darauf, ob die [X.] bei Veranlassung der Maßnahme ihrer Obliegenheit, die Kosten gering zu halten, nachgekommen sei. Diese Obliegenheit könne sich nur auf Kosten beziehen, die sich dem Grunde nach vorhersehen ließen. Hinsichtlich einer doppelten [X.] sei dies anzunehmen, wenn die Klägerin bei verständiger Würdigung die Möglichkeit eines Widerrufsvergleichs in ihre Betrachtungen habe einbeziehen müssen. Das sei hier nicht der Fall gewesen, da die Klägerin es vor dem Termin ausdrücklich abgelehnt habe, einen Vergleich abzuschließen, den [X.] ihrem [X.]n telefonisch vorgeschlagen habe.

6

Die [X.] sei nicht nur bei dem Terminsvertreter angefallen, der den Vergleich abgeschlossen habe, sondern auch bei dem [X.]n, der dazu geraten habe, den Vergleich nicht zu widerrufen. Der [X.] habe ohne Verletzung kostenrechtlicher Obliegenheiten in die Prüfung des Vergleichs einbezogen werden dürfen, da er derjenige gewesen sei, der die Angelegenheit maßgeblich bearbeitet habe und das Vertrauen der [X.] genieße.

7

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

8

a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass sich die Erstattungsfähigkeit von Kosten für einen [X.]n nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO richtet. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] stellen die Kosten eines [X.]n dann notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar, wenn durch die Tätigkeit des [X.]n erstattungsfähige Reisekosten des [X.]n in vergleichbarer Höhe erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den [X.]n entstanden wären ([X.] Beschluss vom 10. Juli 2012 - [X.] 106/11 - NJW 2012, 2888 Rn. 7 mwN).

9

Für die Vergleichsberechnung zwischen den fiktiven Reisekosten des [X.]n und den durch die Beauftragung des [X.]n zur Terminsvertretung entstandenen Kosten ist - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht auf eine ex post-Betrachtung abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr, ob eine verständige und wirtschaftlich denkende [X.] die kostenauslösende Maßnahme ex [X.] als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die [X.] ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen ([X.] Beschlüsse vom 10. Juli 2012 - [X.] 106/11 - NJW 2012, 2888 Rn. 8 mwN und vom 11. November 2003 - [X.]/03 - NJW-RR 2004, 430).

b) Danach durfte die Klägerin im Zeitpunkt der Beauftragung des [X.]n davon ausgehen, dass die Kosten für dessen Einschaltung sogar günstiger sein würden als die Reisekosten ihres [X.]n. Einen Vergleichsabschluss, den [X.] zuvor ihrem [X.]n telefonisch vorgeschlagen hatte, hatte sie abgelehnt, so dass sie mit den dadurch entstehenden Gebühren nicht rechnen musste. Aus ihrer Sicht war es daher voraussichtlich sogar günstiger, den Termin durch einen [X.]n wahrnehmen zu lassen als durch ihren [X.]n. Die Prüfung der Klägerin, ob sie einen [X.]n zur Terminswahrnehmung hinzuzieht, lag damit auch im Interesse der erstattungspflichtigen Gegenpartei (vgl. [X.] Beschluss vom 16. Oktober 2002 - [X.] 30/02 - FamRZ 2003, 441, 442). [X.] wäre sie auch berechtigt gewesen, ihren [X.]n insofern tätig werden zu lassen, selbst wenn dadurch höhere Reisekosten angefallen wären als durch die Beauftragung eines [X.]n (vgl. hierzu [X.] Beschlüsse vom 11. Dezember 2007 - [X.] - NJW-RR 2008, 1378 Rn. 9 und vom 13. September 2005 - [X.]/04 - NJW-RR 2005, 1662; [X.]/[X.] 4. Aufl. § 91 Rn. 77).

c) Die Annahme des [X.], dass sowohl der [X.] als auch der [X.] jeweils die [X.] verdient haben und diese auch erstattungsfähig ist, hält ebenfalls der rechtlichen Nachprüfung stand.

aa) Nach teilweise vertretener Ansicht soll zwar in Fällen, in denen die [X.] in der Person zweier Rechtsanwälte entstanden ist, diese in der Regel nicht doppelt erstattungspflichtig sein. Anders verhalte es sich allenfalls dann, wenn die Hinzuziehung zweier Rechtsanwälte für den Vergleichsabschluss zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich gewesen sei. An diese Erforderlichkeit sei aber ein besonders strenger Maßstab anzulegen ([X.] 2004, 497; vgl. auch [X.] 1999, 1349; [X.] 1984, 949; [X.] JurBüro 1983, 772, 773; Musielak/[X.] ZPO 10. Aufl. § 91 Rn. 27; [X.]. Nr. 3401 [X.]/Teil 3 Rn. 52).

bb) Diese Rechtsprechung ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da sie im Wesentlichen zur Frage der Erstattungsfähigkeit einer zweiten [X.] für einen Verkehrsanwalt ergangen ist (vgl. [X.] JurBüro 2007, 595). Die Einschaltung eines Verkehrsanwalts ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] regelmäßig schon nicht erforderlich (Senatsbeschluss vom 7. Juni 2006 - [X.] 245/04 - NJW-RR 2006, 1563 Rn. 6 und [X.] Beschluss vom 21. September 2005 - [X.] - NJW 2006, 301, 302 mwN). Die eingeschränkte Erstattungsfähigkeit der Kosten des Verkehrsanwalts beruht auf der gesetzlichen Beschränkung seines Pflichtenkreises; er führt lediglich den Verkehr der [X.] mit dem Prozessbevollmächtigten (Nr. 3400 [X.] RVG). Die Prozessführung und die damit verbundene Beratung ist demgegenüber die vom Prozessbevollmächtigten in eigener Verantwortung wahrzunehmende Aufgabe.

Die Aufgabe des [X.]n beschränkt sich zwar auf die Vertretung im Termin (Nr. 3401 [X.] RVG); bei Abschluss eines Widerrufsvergleichs ist jedoch die Mitwirkung sowohl des Haupt- als auch des [X.]n notwendig (vgl. auch [X.] JurBüro 2007, 595). Die [X.] entsteht nach Nr. 1000 [X.] RVG für jede Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Regelmäßig wird der Terminsvertreter bei Einigungsgesprächen vor Gericht mitwirken. Jedenfalls im [X.] ist seine Mitwirkung bei der Protokollierung und Genehmigung erforderlich. Insofern gleicht der Terminsvertreter nicht dem Verkehrsanwalt ([X.]/Müller-Rabe RVG 20. Aufl. [X.] 3401 Rn. 96). Andererseits ist auch eine Mitwirkung des [X.]n notwendig, wenn über den vorbehaltenen Widerruf zu entscheiden ist. Es ist dessen Aufgabe als Verfahrensbevollmächtigter, der am umfassendsten informiert und der Vertrauensanwalt ist, zu entscheiden, ob eine Einigung zustande kommen soll (so auch [X.] JurBüro 2007, 595).

Dose                              Weber-Monecke                        Schilling

          Nedden-Boeger                                   Guhling

Meta

XII ZB 499/11

26.02.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 2. August 2011, Az: 18 W 141/11

§ 91 Abs 1 S 1 ZPO, Nr 1000 RVG-VV, Nr 3401 RVG-VV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.02.2014, Az. XII ZB 499/11 (REWIS RS 2014, 7560)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7560

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