Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.08.2022, Az. B 5 R 114/22 B

5. Senat | REWIS RS 2022, 8965

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - gerügter Verfassungsverstoß einer einfachgesetzlichen Norm


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 25. April 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Aussetzung einer Kürzung seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 35 [X.] für die Zeit vom [X.] bis zum 30.4.2020.

2

Der 1954 geborene Kläger ist schwerbehindert und bezog bis zum 30.4.2020 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Seine Ehe wurde im Jahr 2017 geschieden. Dabei wurde ein Versorgungsausgleich durchgeführt, bei dem zu Lasten des [X.] ein Anrecht aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 28,9807 Entgeltpunkten auf seine bisherige Ehefrau und von dieser zu seinen Gunsten ein entsprechendes Anrecht in Höhe von 10,7634 Entgeltpunkten übertragen wurde. Den Antrag des [X.] auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit (vgl § 27 [X.]) lehnte das Familiengericht ab. Der beklagte Rentenversicherungsträger berechnete die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem [X.] unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs neu (Bescheid vom 11.4.2018). Dabei verminderte er die bisher berücksichtigten 66,8805 Entgeltpunkte um 18,2173 Entgeltpunkte, dh um die Differenz zwischen 28,9807 abgegebenen und 10,7634 durch den Versorgungsausgleich von der bisherigen Ehefrau erworbenen Entgeltpunkten. Den Antrag des [X.] auf Zahlung einer nicht aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzten Rente lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 1.6.2018, Widerspruchsbescheid vom [X.]; Bescheid im Überprüfungsverfahren vom [X.] und Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 [X.] seien nicht erfüllt. Der Kläger habe durch den Versorgungsausgleich kein Anrecht erworben, aus dem er keine Leistung beziehen könne. Die dagegen erhobene Klage hat das [X.] abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 25.4.2022).

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.] hat der Kläger Beschwerde zum B[X.] erhoben. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G).

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Beschwerdebegründung legt einen Revisionszulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G gebotenen Weise dar. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 [X.]G zu verwerfen.

5

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten revisiblen Norm iS des § 162 [X.]G stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom [X.] KR 95/18 B - juris RdNr 3 mwN; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 RE 6/21 B - juris RdNr 6).

6

Der Kläger bezeichnet die Frage als grundsätzlich bedeutsam,

        

"ob Personen mit einer anerkannten Schwerbehinderung, welche im Gegensatz zur nicht schwer behinderten Ehefrau erhebliche Anwartschaften in die Rentenkasse erdient haben und, wenn der Ehepartner eine außereheliche Beziehung eingeht, durch die Abschaffung des [X.] unzumutbar benachteiligt werden".

7

Er trägt dazu vor, sein Fall sei nicht vergleichbar mit der Konstellation, über die das [X.] mit Beschluss vom 11.12.2014 (1 BvR 1485/12 - NJW 2015, 686) entschieden habe. Es müsse die Besonderheit seiner Schwerbehinderung berücksichtigt werden. Dass der Gesetzgeber das "[X.]" auch für diese Personengruppe beseitigt habe, verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des Art 3 Abs 3 Satz 2 GG.

8

Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger eine abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 [X.]G) mit höherrangigem Recht formuliert. Er trägt in der Beschwerdebegründung zunächst vor, sich gegen die Ablehnung einer Aussetzung der Kürzung seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 35 [X.] zu wenden, und macht umfangreiche Ausführungen zum Normzweck und zu den Anwendungsvoraussetzungen dieser Vorschrift. Auf den Hinweis der Beklagten und des L[X.], dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm in seinem Fall nicht vorliegen - da zur Durchführung des Versorgungsausgleichs keine Kürzung um die volle Summe der durch ihn ausgleichspflichtigen 28,9807 Entgeltpunkte erfolgte, sondern nur um die Differenz von 18,2137 Entgeltpunkten, sodass die von seiner bisherigen Ehefrau erworbenen Anrechte bei seiner Rente wegen Erwerbsminderung auch nach der Kürzung faktisch [X.] sind - geht er allerdings nicht weiter ein. Stattdessen fokussiert er sich mit seiner Rechtsfrage auf eine Benachteiligung durch die Abschaffung des "[X.]s", ohne zu erläutern, welcher Zusammenhang insoweit mit der Regelung in § 35 [X.] oder mit anderen Vorschriften besteht. Jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein Verfassungsverstoß geltend gemacht wird, muss eine darauf bezogene Rechtsfrage jedoch so klar formuliert sein, dass deutlich wird, welche konkrete Regelung des einfachen Rechts als mit der Verfassung nicht in Einklang stehend erachtet wird (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 291/21 B - juris Rd[X.]0; B[X.] Beschluss vom [X.] KR 95/18 B - juris RdNr 4 mwN). Das ist hier nicht der Fall.

9

Des Weiteren muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des [X.], aber auch des B[X.] - im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen geschildert, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden (B[X.] Beschluss vom [X.] KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 282/18 B - juris Rd[X.]3 mwN). Auch daran fehlt es hier. Zwar erläutert der Kläger die Regelung des § 35 [X.] und zitiert hierzu aus [X.] und instanzgerichtlichen Entscheidungen. Soweit er in seiner Rechtsfrage vor allem auf eine unzumutbare Benachteiligung aufgrund des [X.] einer außerehelichen Beziehung durch den vormaligen Ehepartner abstellt, lässt er jedoch die insoweit einschlägige Regelung in § 27 [X.] und die Ablehnung von deren Anwendung durch das hierfür zuständige Familiengericht außer [X.]. Auch mit den Beschlüssen des [X.] zur Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung des [X.]s (vom 11.12.2014 - 1 BvR 1485/12 - NJW 2015, 686, und vom 6.5.2014 - 1 BvL 9/12 ua - [X.]E 136, 152) setzt er sich inhaltlich nicht näher auseinander. Ebenso wenig reflektiert er die Rechtsprechung insbesondere des [X.] zu Art 3 Abs 3 Satz 2 GG (vgl zB [X.] Beschluss vom 16.12.2021 - 1 BvR 1541/20 - NJW 2022, 380 = juris RdNr 91 mwN).

Dass der Kläger die gesetzgeberische Entscheidung zur Umgestaltung des Versorgungsausgleichs und infolgedessen auch die angefochtene L[X.]-Entscheidung aus sozialpolitischen Gründen für falsch hält, ist für das [X.] unerheblich (vgl zB B[X.] Beschluss vom 30.12.2015 - [X.] R 345/15 B - juris Rd[X.]4).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

[X.]

Meta

B 5 R 114/22 B

25.08.2022

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Speyer, 24. August 2020, Az: S 20 R 439/18, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 27 VersAusglG, § 35 VersAusglG, § 101 Abs 3 SGB 6, § 268a SGB 6, GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.08.2022, Az. B 5 R 114/22 B (REWIS RS 2022, 8965)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8965

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 13 R 25/12 R (Bundessozialgericht)

Witwenrentenberechnung - Versorgungsausgleich - Malus - Folgerente - Besitzschutz - persönliche Entgeltpunkte


B 13 R 5/20 R (Bundessozialgericht)

(Berücksichtigung eines versorgungsausgleichsbedingten Abschlags bei der Ermittlung der Höhe einer Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung …


XII ZB 428/12 (Bundesgerichtshof)

Versorgungsausgleichsverfahren: Berücksichtigung der Gesetzesänderung betreffend den Wegfall des sog. Rentnerprivilegs; Ausgleichskürzung bei vorzeitigem Rentenbezug des …


XII ZB 175/21 (Bundesgerichtshof)

Versorgungsausgleich: Berechnung des Ehezeitanteils in der gesetzlichen Rentenversicherung im Falle eines Besitzschutzes


B 5 R 2/12 R (Bundessozialgericht)

Witwenrentenberechnung - Versorgungsausgleich - Malus - Folgerente - Besitzschutz - persönliche Entgeltpunkte


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 1485/12

1 BvR 1541/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.