Bundessozialgericht, Urteil vom 28.02.2013, Az. B 8 SO 12/11 R

8. Senat | REWIS RS 2013, 7761

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Einkommenseinsatz - Einkommensbegriff - Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege - Motivationszuwendung für die Teilnahme an einem Arbeitstraining - Begriff und Aufgaben der Wohlfahrtspflege - Begriff der Zuwendung


Leitsatz

1. Motivationszuwendungen (in Höhe von 1,60 Euro pro Stunde) eines Mitglieds des Paritätischen Wohlfahrtsverbands für die Teilnahme an einem Arbeitstraining bleiben bei der Bewilligung von Sozialhilfe als Einkommen unberücksichtigt.

2. Zu dem Begriff und den Aufgaben der freien Wohlfahrtspflege.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 31. März 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] (nur noch) weitere 8,56 Euro Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach §§ 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes [X.]uch - Sozialhilfe - ([X.]) für die [X.] vom 1.7. bis [X.].

2

Der 1968 geborene und wegen einer seelischen Erkrankung dauerhaft erwerbsgeminderte Kläger lebt mit seinem Lebenspartner in einer Mietwohnung in [X.] Seit 2006 bezieht er Grundsicherungsleistungen; ab [X.] nahm er an einem Arbeitstraining für psychisch Kranke der [X.] ([X.]) teil. Die Firma [X.] ist als Integrationsunternehmen für behinderte Menschen Mitglied des [X.]. Für die Teilnahme am Arbeitstraining zahlte sie eine "Motivationszuwendung", deren [X.]öhe von der Anwesenheit beim Arbeitstraining abhängig war und 1,60 Euro stündlich betrug. Der [X.]eklagte bewilligte nach Ablauf eines [X.]ewilligungszeitraums für die [X.] vom [X.] bis [X.] Grundsicherungsleistungen zunächst unter Zugrundelegung eines prognostischen Einkommens in [X.]öhe von 60 Euro monatlich ([X.]escheide vom [X.], [X.], [X.]; Widerspruchsbescheid nach Anhörung sozial erfahrener Dritter vom 6.11.2007), später - abhängig von der Vorlage entsprechender [X.]escheinigungen der [X.] unter Zugrundelegung konkreter Zahlungen ([X.]escheide vom 12.11.2007, 15.11.2007, 4.3.2008, 11.3.2008); im streitbefangenen Monat blieb es bei dem (fiktiven) Einkommen von 60 Euro (zuletzt [X.]escheid vom 15.11.2007). [X.]ei ihrer [X.]erechnung setzte die [X.]eklagte für Arbeitsmittel 5,20 Euro sowie 1/8 des Eckregelsatzes (43,13 Euro) zuzüglich [X.] der diesen [X.]etrag übersteigenden Einnahmen entsprechend der Regelung des § 82 Abs 3 Satz 2 [X.] ab, sodass ein zu berücksichtigendes Einkommen in [X.]öhe von 8,56 Euro verblieb.

3

Die auf höhere Leistungen (ohne Einkommensberücksichtigung) gerichtete Klage ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts <[X.]> Münster vom [X.]; Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> Nordrhein-Westfalen vom [X.]). Zur [X.]egründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, bei der Motivationszuwendung handele es sich um Einkommen nach § 82 [X.]. Sie sei mangels Zielsetzung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften auch keine zweckbestimmte Leistung iS von § 83 Abs 1 [X.]. Da die Zahlung der Motivationszuwendung als Gegenleistung die Anwesenheit beim Arbeitstraining voraussetze und somit nicht vorbehaltlos und im Vorhinein erfolge, handele es sich ebensowenig um eine Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege. Dagegen sprächen auch systematische Gründe. Das Entgelt aus einer [X.]eschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen ([X.]) werde nach § 82 Abs 3 Satz 2 [X.] - wenn auch in der [X.]öhe deutlich privilegiert - ebenfalls als Einkommen berücksichtigt. Dies spreche dafür, die hier streitige Motivationszuwendung nicht anders, jedenfalls aber nicht besser zu behandeln.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 84 Abs 1 Satz 1 [X.]. Die Motivationszulage müsse als Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege außer [X.]etracht bleiben. Es handele sich um eine freiwillige Leistung, weil sie nicht in einem synallagmatischen Austauschverhältnis zu einer Arbeit stehe; sie solle nur sein Erscheinen und seine Anwesenheit belohnen und diene danach allein einem ethisch und moralisch übergeordneten Ziel, nämlich der schrittweisen Reintegration des [X.]edachten in die Gesellschaft. Ein Vergleich mit einer [X.] verbiete sich.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] und des [X.] aufzuheben und ihm unter Änderung des [X.]escheids vom 15.11.2007 für die [X.] vom 1. bis [X.] weitere 8,56 Euro zu zahlen.

6

Die [X.]eklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidung des [X.] für zutreffend.

8

Die [X.]eteiligten haben gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz ([X.]G) iVm § 278 Abs 6 Zivilprozessordnung in einem Teilvergleich den Streitgegenstand auf die [X.] vom 1. bis [X.] beschränkt und sich hinsichtlich des übrigen [X.]raums der rechtskräftigen Entscheidung in diesem Verfahren unterworfen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung des [X.]erufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]). Der [X.] kann anhand der tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) nicht beurteilen, ob für die streitbefangene Zeit (Juli 2007) eine um 8,56 Euro höhere Leistung zu erbringen ist, weil schon Ausführungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des [X.] und seines Lebenspartners fehlen. Die Motivationszuwendung ist allerdings nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

Gegenstand des Verfahrens ist nach Abschluss des [X.] (zur [X.]eschränkung des Streitgegenstands durch [X.], Urteil vom 20.9.2012 - [X.] [X.] 4/11 R -, [X.]-3500 § 28 [X.] Rd[X.]2 f mwN) nur noch der [X.]escheid vom 15.11.2007, soweit damit Leistungen in [X.]öhe von 503,24 Euro unter Zugrundelegung fiktiver (prognostischer) Einnahmen in [X.]öhe von 60 Euro und einer Einkommensanrechnung von 8,56 Euro bewilligt wurden. Dieser [X.]escheid, der den ursprünglichen [X.]escheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.11.2007 - soweit es den streitbefangenen Zeitraum betrifft - ersetzt und erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes [X.]uch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz - ), erging nach Erlass des Widerspruchsbescheids, aber vor Erhebung der [X.]lage am 4.12.2007. In diesen Fällen wird der [X.]escheid nach der bis zum 31.3.2008 geltenden Rechtslage (Änderung des § 96 [X.] durch das Gesetz zur Änderung des [X.] und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom [X.] - [X.]G[X.]l I 444) gemäß § 86 [X.] Gegenstand des Vorverfahrens und ist mit der [X.]lage wirksam angefochten und damit Gegenstand des gerichtlichen [X.]lageverfahrens ([X.] § 86 [X.]; [X.]-4100 § 157 [X.]. Seit [X.] ergibt sich dieselbe Rechtsfolge aus § 96 [X.] [X.] Gegen diesen [X.]escheid wehrt sich der [X.]läger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 iVm § 56 [X.]).

Die Stadt [X.] ist die richtige [X.]eklagte iS des § 70 [X.] [X.]; sie hat als örtlich und sachlich zuständiger Träger der Sozialhilfe gehandelt (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SG[X.] XII iVm § 3 Abs 2 SG[X.] XII, §§ 1, 2 Landesausführungsgesetz zum SG[X.] XII für das Land Nordrhein-Westfalen <[X.]> vom 16.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt [X.] 816 - und der Ausführungsverordnung zum SG[X.] XII des Landes [X.] vom 16.12.2004 - GV[X.]l [X.] 817). Die [X.]eteiligtenfähigkeit von [X.]ehörden in [X.] ist seit dem 1.1.2011 mit dem Inkrafttreten des Justizgesetzes [X.] vom [X.] (GV[X.]l [X.] 30) entfallen (zu dem hierdurch erfolgten [X.]eteiligtenwechsel [X.]SG [X.]-3500 § 29 [X.] Rd[X.]1).

Ob der [X.]läger einen Anspruch auf die verlangten höheren Leistungen im Monat Juli 2007 hatte, lässt sich nicht abschließend beurteilen. [X.]ei dem Rechtsstreit handelt es sich um einen [X.]öhenstreit, bei dem Grund und [X.]öhe des Leistungsanspruchs in vollem Umfang zu überprüfen sind (stRspr; vgl: [X.]SGE 95, 8 ff Rd[X.] 6 = [X.]-4300 § 140 [X.]; [X.]SGE 95, 191 ff Rd[X.]3 = [X.]-4300 § 37b [X.]; [X.]SGE 108, 123 ff Rd[X.]3 = [X.]-3500 § 82 [X.] 7; [X.]SG [X.]-4300 § 130 [X.] 3 Rd[X.] 9). Die Rechtmäßigkeit des angegriffenen [X.]escheides misst sich dabei allein an § 19 Abs 2 SG[X.] XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - [X.]G[X.]l I 3022) iVm §§ 41 ff SG[X.] XII. Die einschränkenden Regelungen der §§ 45, 48 SG[X.] X kommen dabei nicht zur Anwendung, weil die Leistungshöhe im [X.]escheid vom 15.11.2007 gegenüber dem früheren, den streitbefangenen Zeitraum betreffenden erledigten [X.]escheid nicht geringer ist.

Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist nach § 19 Abs 2 SG[X.] XII iVm §§ 41 ff SG[X.] XII auf Antrag ua Personen zu leisten, die - wie der [X.]läger - dauerhaft erwerbsgemindert sind und ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen (nach den §§ 82 bis 84 und 90 SG[X.] XII) bestreiten können. Dabei sind gemäß § 43 Abs 1 SG[X.] XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005 - [X.]G[X.]I I 818) Einkommen und Vermögen auch des nicht getrennt lebenden Lebenspartners, die dessen notwendigen Lebensunterhalt übersteigen, zu berücksichtigen. Feststellungen zu den Einkommens- und den Vermögensverhältnissen des [X.] bzw seines Lebenspartners, die Voraussetzung für die Prüfung der [X.]edürftigkeit des [X.] sind, fehlen gänzlich. Soweit es den streitbefangenen Zeitraum betrifft, ist dem Urteil des [X.] noch nicht einmal zu entnehmen, ob dem [X.]läger Leistungen der [X.] tatsächlich und ggf in welcher [X.]öhe zugeflossen sind, weil das [X.] in Anlehnung an die [X.]erechnung der [X.]eklagten für diesen Monat zu Unrecht fiktive (prognostische) Einnahmen in [X.]öhe von 60 Euro berücksichtigt hat. Die erforderlichen Feststellungen wird das [X.] ggf nachzuholen haben.

Die Motivationszuwendung ist zwar Einkommen iS des § 82 SG[X.] XII; dieses Einkommen bleibt aber als Zuwendung der freien [X.] gemäß § 84 Abs 1 SG[X.] XII bei der [X.]emessung der Leistung außer [X.]etracht, weil es die Lage des [X.] nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Sozialhilfe ungerechtfertigt wäre. Einkommen sind nach § 82 Abs 1 Satz 1 SG[X.] XII alle Einnahmen in Geld und Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SG[X.] XII, der Grundrente nach dem [X.]undesversorgungsgesetz ([X.]VG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des [X.]VG vorsehen, und der Renten oder [X.]eihilfen nach dem [X.]undesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an [X.]örper oder Gesundheit bis zur [X.]öhe der vergleichbaren Grundrente nach dem [X.]VG. Zu den vom [X.]egriff des Einkommens umfassten Einnahmen in Geld gehören, soweit sie nicht in § 82 Abs 1 SG[X.] XII ausdrücklich ausgenommen sind - wie hier - alle Zuflüsse von Zahlungsmitteln (vgl nur [X.] in juris [X.] SG[X.] XII, § 82 SG[X.] XII Rd[X.]8 mwN), gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher [X.]ezeichnung - hier "Motivationszuwendung" - oder in welcher Form sie geleistet werden. Für die Frage, ob Einkommen vorliegt, spielt es daher (zunächst) keine Rolle, welcher Art die Einkünfte sind, aus welcher Quelle sie stammen und aus welchem Grunde sie geleistet werden, ob sie einmalig oder laufend, regelmäßig oder unregelmäßig erzielt werden ([X.] in [X.]auck/[X.], SG[X.] XII, [X.] § 82 Rd[X.] 9, Stand Juni 2008). Unerheblich ist es deshalb auch, ob die Einnahmen zu den Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes gehören und der Steuerpflicht unterliegen (§ 1 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SG[X.] XII § 82 SG[X.] XII>). Die dem [X.]läger geleistete Motivationszuwendung ist danach als Zufluss von Zahlungsmitteln Einkommen und unterfällt nicht den in § 82 Abs 1 Satz 1 SG[X.] XII genannten Ausnahmen.

Sie ist aber eine Zuwendung der freien [X.] nach § 84 Abs 1 Satz 1 SG[X.] XII, die als Einkommen außer [X.]etracht bleibt. Die [X.], deren Träger der [X.] ist, ist der freien [X.] zuzurechnen. Das SG[X.] XII enthält weder in § 84 SG[X.] XII noch in § 5 SG[X.] XII (Verhältnis zur freien [X.]) eine Definition der [X.]. Die freie [X.] unterstützt die Sozialhilfeträger durch private Organisationen (nicht als beliehene Träger öffentlicher Verwaltung; [X.]VerfGE 22, 180 ff) bei ihren Aufgaben nach dem SG[X.] XII angemessen, ist in der Gestaltung ihrer Arbeit aber völlig frei (vgl auch § 5 SG[X.] XII). Unter [X.] ist deshalb eine planmäßige, ohne Gewinnerzielungsabsicht und zum Wohle der Allgemeinheit neben dem Staat und öffentlichen Trägern ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende [X.]etreuung und/oder [X.]ilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete, notleidende oder sonst sozial benachteiligte Personen, die auch über die Ziele einer bloßen Selbsthilfeorganisation hinausgeht, zu verstehen ([X.]SGE 15, 116, 117; 15, 190, 191; 18, 133, 134; Piepenstock in jurisP[X.]-SG[X.] XII, § 5 SG[X.] XII Rd[X.]2). Dieses [X.]egriffsverständnis entspricht der Regelung des § 66 Abs 2 Satz 1 Abgabenordnung ([X.]), wonach [X.] "die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte Sorge für notleidende oder gefährdete Mitmenschen" ist. Die Sorge kann sich nach § 66 Abs 2 Satz 2 [X.] auf das gesundheitliche, sittliche, erzieherische oder wirtschaftliche Wohl erstrecken und Vorbeugung oder Abhilfe bezwecken.

So liegt der Fall hier, weil die [X.] als Integrationsunternehmen für behinderte Menschen das Arbeitstraining nicht zur Gewinnerzielung oder zur Erzielung produktiver Arbeitsergebnisse, sondern zur Rehabilitation behinderter Menschen sowie zu therapeutischen und [X.] Zwecken einsetzt. Ob nur die in der Liga der [X.] zusammengeschlossenen Verbände (Caritasverband, Diakonisches Werk, die [X.], Deutsches Rotes [X.]reuz, der [X.] und die [X.]) erfasst sind ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]ohm, SG[X.] XII, 18. Aufl 2010, § 5 SG[X.] XII Rd[X.]6; [X.] in [X.]/[X.], SG[X.] II/SG[X.] XII/[X.], § 84 SG[X.] XII Rd[X.]4 ff, Stand Oktober 2007) oder ob auch andere gemeinnützige und freie Einrichtungen und Organisationen (etwa Selbsthilfeverbände, Geschädigtenverbände) hinzuzurechnen sind (Piepenstock aaO; [X.] in Grube/[X.], SG[X.] XII, 4. Aufl 2012, § 5 SG[X.] XII Rd[X.] 7; [X.] in Lehr- und Praxiskommentar SG[X.] XII, 9. Aufl 2012, § 5 Rd[X.]; [X.]SGE 58, 210, 212 = [X.] 2200 § 539 [X.]11), kann dahinstehen, weil die [X.] Mitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ist.

Die an den [X.]läger im Zusammenhang mit dem Arbeitstraining geleisteten Zahlungen sind auch Zuwendungen iS des § 84 Abs 1 Satz 1 SG[X.] XII. Eine Zuwendung liegt vor, wenn sie in Ergänzung zu den Leistungen der Sozialhilfe zum Wohle des Leistungsberechtigten und nicht als Gegenleistung im Zusammenhang mit einem Austauschvertrag im Sinne einer synallagmatischen Verknüpfung gegenseitiger Verpflichtungen - etwa einem Arbeitsvertrag (vgl auch die [X.]eispiele von [X.] in [X.]/[X.], aaO, § 84 SG[X.] XII Rd[X.]7, Stand Oktober 2007) - erbracht wird (vgl auch [X.] in jurisP[X.]-SG[X.] XII, § 84 SG[X.] XII Rd[X.] 7; [X.]ohm in [X.]/[X.]/[X.]ohm, SG[X.] XII, 18. Aufl 2010, § 84 SG[X.] XII Rd[X.] 5; [X.] in Grube/[X.], SG[X.] XII, 4. Aufl 2012, § 84 SG[X.] XII Rd[X.] 5; [X.] in [X.], SG[X.] II/SG[X.] XII, § 84 SG[X.] XII Rd[X.]1, Stand September 2007; von [X.]oppenfels-Spies in [X.]reikebohm/Spellbrink/Waltermann, [X.]ommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 84 SG[X.] XII Rd[X.]). Der [X.]egriff der Zuwendung orientiert sich an den Aufgaben der Verbände der freien [X.] als Träger eigener [X.] Aufgaben (§ 5 Abs 1 SG[X.] XII), denen § 5 SG[X.] XII eine besondere Stellung zubilligt, und steht mit § 5 SG[X.] XII in einer engen Wechselwirkung. Die Träger der Sozialhilfe sollen mit ihnen zusammenarbeiten und auf Selbstständigkeit und Zielsetzung der Aufgabendurchführung achten (§ 5 Abs 2 SG[X.] XII). Die Zusammenarbeit soll darauf gerichtet sein, dass sich die Sozialhilfe und die Tätigkeit der freien [X.] zum Wohle des Leistungsberechtigten wirksam ergänzen, und die Sozialhilfeträger sollen die freie [X.] in ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der Sozialhilfe angemessen unterstützen (§ 5 Abs 3 SG[X.] XII). Ob die Leistung "freiwillig" erbracht wird oder den jeweiligen Träger der freien Wohlfahrt eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung zur Erbringung der Leistung trifft, ist für das Tatbestandsmerkmal der Zuwendung in § 84 Abs 1 SG[X.] XII ohne [X.]edeutung. Dies zeigt schon der Wortlaut von § 84 Abs 2 SG[X.] XII, der seinerseits von Zuwendungen spricht, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, mithin selbst statuiert, dass Zuwendungen iS von § 84 SG[X.] XII auch (Geld-)Leistungen sein können, die auf einer rechtlichen Verpflichtung beruhen.

Die Zahlungen des [X.] waren nach dem aufgezeigten [X.]egriffsverständnis der Zuwendung iS von § 84 Abs 1 SG[X.] XII Vermögensmehrungen im Rahmen der Aufgaben der freien [X.]. Sie sollten nur einen Anreiz zur Selbsthilfe durch Teilnahme am Arbeitstraining schaffen und waren deshalb keine "Vergütung", sondern Teil der durch die [X.] in Ergänzung zu den Leistungen der Sozialhilfe erbrachten "[X.]". Weder dienten sie (auch) eigennützigen Zwecken (etwa einer Gewinnerzielungsabsicht), noch stellten sie eine vertraglich vereinbarte "Gegenleistung" für eine verrichtete Tätigkeit dar. Dabei ist es für die [X.]eurteilung als Zuwendung ohne [X.]edeutung, dass ihre [X.]öhe von der [X.] abhängig war, weil es dem [X.]läger freistand, am Arbeitstraining teilzunehmen und die [X.] nur den Maßstab für die zu belohnende Ausdauer des Rehabilitanden bildeten, um gleichzeitig einen Anreiz zu setzen, das Arbeitstraining im eigenen Interesse fortzusetzen.

Die Zuwendung ist auch nicht etwa deshalb (ausnahmsweise) als Einkommen zu berücksichtigen, weil sie - soweit im streitbefangenen Zeitraum ein Zufluss bis zu 60 Euro überhaupt erfolgt ist - die Lage des [X.] so günstig beeinflusst hat, dass daneben Sozialhilfe ungerechtfertigt wäre (§ 84 Abs 1 Satz 2 SG[X.] XII). Ob dies der Fall ist, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig (dazu [X.] in jurisP[X.]-SG[X.] XII, § 84 SG[X.] XII Rd[X.]3); dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die freie [X.] Zuwendungen unabhängig von staatlichen Leistungen gerade zu dem Zweck gewährt, die Lage des [X.]ilfebedürftigen zu verbessern (Geiger in LP[X.]-SG[X.] XII, 9. Aufl 2012, § 84 SG[X.] XII Rd[X.] 4) und der öffentliche Träger nicht auf [X.]osten der [X.] entlastet werden soll ([X.] in [X.]auck/[X.], SG[X.] XII, [X.] § 5 Rd[X.] 39, Stand Februar 2013). Deshalb ist neben der [X.]öhe insbesondere die mit der Zuwendung verfolgte Absicht ein wesentliches [X.]riterium, das allerdings an [X.]edeutung verliert, je höher die Zuwendung ist. Soll die Zuwendung nur in Ergänzung - also zusätzlich - zur den laufenden [X.]edarf deckenden Sozialhilfe (dazu [X.] in [X.]/[X.], SG[X.] II/SG[X.] XII/[X.], § 84 Rd[X.]9, Stand Oktober 2007; [X.] in jurisP[X.]-SG[X.] XII, § 84 SG[X.] XII Rd[X.]3) erbracht werden, spricht dies deshalb dafür, sie als Einkommen außer [X.]etracht zu lassen.

Vorliegend wird die Zuwendung als Anreiz an den [X.]ilfebedürftigen erbracht. Sie soll nicht dazu dienen, dessen Lebensunterhalt (zum Teil) zu decken, sondern ihn anhalten, motivieren und anspornen, das Arbeitstraining weiter durchzuführen und zu beenden, um ihn dem ersten Arbeitsmarkt oder zumindest einer Werkstatt für behinderte Menschen näher zu bringen. Durch die [X.]erücksichtigung der Zuwendungen als Einkommen würde dieser Anreizeffekt verloren gehen. Allein die [X.]öhe der Zuwendung - bis zu 60 Euro monatlich - erlaubt angesichts des geringen [X.]etrags nicht den Schluss, unter Außerachtlassung des [X.] würden sich Zuwendung und Sozialhilfe gegenseitig so verstärken (überkompensieren), dass nach der Lebenssituation zumindest ein Teil der Sozialhilfe nicht mehr benötigt werde (dazu [X.] in jurisP[X.]-SG[X.] XII, § 84 SG[X.] XII Rd[X.]3). Dieses Ergebnis steht nicht zuletzt im Einklang mit § 5 Abs 4 SG[X.] XII, wonach die Sozialhilfeträger nicht von der Erbringung von Geldleistungen absehen sollen, wenn im Einzelfall entsprechende Leistungen von der freien [X.] erbracht werden. Dieser gesetzlichen [X.]onstellation entspricht es, kleinere Geldbeträge, die nur dafür gezahlt werden, dass die [X.]ereitschaft eines behinderten [X.]edürftigen zur freiwilligen Teilnahme an einem Arbeitstraining gefördert wird, bei der Grundsicherungsleistung gänzlich unberücksichtigt zu lassen.

Ob die Einnahme daneben auch als nach Zweck und Inhalt bestimmte Leistung nach § 83 Abs 1 SG[X.] XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) von der Einkommensanrechnung ausgenommen ist, was mangels eines aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften ausdrücklich genannten Zwecks wohl zu verneinen wäre, kann danach offen bleiben.

Das [X.] wird ggf auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 12/11 R

28.02.2013

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Münster, 27. Juli 2009, Az: S 8 (12) SO 150/07, Urteil

§ 19 Abs 2 S 1 SGB 12 vom 27.12.2003, § 41 SGB 12 vom 02.12.2006, § 82 Abs 1 S 1 SGB 12 vom 02.12.2006, § 84 Abs 1 S 1 SGB 12, § 84 Abs 1 S 2 SGB 12, § 84 Abs 2 SGB 12, § 5 Abs 1 SGB 12, § 5 Abs 2 SGB 12, § 5 Abs 3 SGB 12, § 5 Abs 4 SGB 12, § 66 Abs 2 S 1 AO 1977, § 66 Abs 2 S 2 AO 1977

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 28.02.2013, Az. B 8 SO 12/11 R (REWIS RS 2013, 7761)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7761

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