Bundessozialgericht, Urteil vom 03.07.2020, Az. B 8 SO 27/18 R

8. Senat | REWIS RS 2020, 2441

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Einkommenseinsatz - Teilnahme an einer tagesstrukturierenden Maßnahme einer Einrichtung der freien Wohlfahrtspflege - Zahlungen der Einrichtung an die Maßnahmeteilnehmer - Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege - freiwillige Zuwendungen Dritter - Vorliegen einer besonderen Härte


Leitsatz

1. Die erforderliche sozialhilferechtliche Prüfung einer "besonderen Härte" wegen der Berücksichtigung freiwilliger Zuwendungen Dritter lässt sich nicht mit einer festen Obergrenze, bis zu der eine Zuwendung berücksichtigungsfrei wäre, vereinbaren.

2. Wird eine Einrichtung ausschließlich als Leistungserbringer für einen öffentlichen Träger einer Sozialleistung tätig, stellen Zahlungen an Maßnahmeteilnehmer keine Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege dar.

Tenor

Auf die Revision des [X.] werden das Urteil des [X.] vom 4. Mai 2018 und die Bescheide des Beklagten vom 24. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. März 2015 aufgehoben.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist die Berücksichtigung von Zuwendungen als Einkommen bei der Bemessung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem [X.] - ([X.]) in der [X.] vom 1.6.2014 bis zum 30.9.2014.

2

Der Kläger ist auf Grund einer psychischen Erkrankung behindert und erhielt von dem beklagten Sozialhilfeträger seit September 2010 Leistungen der teilstationären Betreuung in der Integrierten Angebotswerkstatt ([X.]) S., die von den Fachkliniken N. gGmbH betrieben wird. Die Einrichtung, mit der eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung besteht, hat 20 Plätze und richtet sich an Personen mit psychischen Problemen und/oder Suchtproblemen. Ziel der Einrichtung ist es, in den Austausch mit den Teilnehmern zu treten, um deren Fertigkeiten zu stärken bzw neue zu lernen. Für jede Stunde der Anwesenheit zahlt die [X.] eine Prämie (im Jahr 2014 iHv 1,60 [X.] pro Stunde) unabhängig von einer ausgeübten Tätigkeit, die aus den Spenden und Verkaufserlösen ihres Werkstattbereichs getragen wird.

3

Der Kläger bezog vom Beklagten laufend Grundsicherungsleistungen. Für die [X.] vom 1.6.2014 bis zum 31.12.2014 bewilligte er zuletzt Leistungen iHv 915,63 [X.] monatlich (Bescheid vom 15.5.2014). Einem Bedarf von 955,63 [X.] (Regelbedarf 391 [X.], Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag 149,63 [X.], Bedarf für Unterkunft und Heizung von 415 [X.]) stellte er ein "fiktives" Einkommen iHv 100 [X.] aus den Prämienzahlungen der [X.] gegenüber, wovon er 60 [X.] freistellte und 40 [X.] als Einkommen berücksichtigte. Auf Grund eines Versehens zahlte er für Juli bis September 2014 monatlich 955,63 [X.] aus.

4

Ab Juni 2014 besuchte der Kläger die [X.] regelmäßig mehr als 20 Stunden in der Woche. Er hat von der [X.] im Juni insgesamt 162,40 [X.] (bezeichnet als "[X.]" iHv 65 [X.] und als "arbeitsbedingte Aufwandsentschädigung" iHv 97,40 [X.]), im Juli insgesamt 101,20 [X.] ("[X.]" iHv 65 [X.] und "arbeitsbedingte Aufwandsentschädigung" iHv 36,20 [X.]), im August insgesamt 148,40 [X.] ("[X.]" iHv 130 [X.] und ein "Zusatzverdienst" iHv 18,40 [X.]) und im September insgesamt 174,80 [X.] ("[X.]" iHv 130 [X.] und ein "Zusatzverdienst" iHv 44,80 [X.]) erhalten. Der Beklagte hob mit einem Bescheid zur "8. Änderung der Bewilligung von Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2014" (ua) den Bescheid vom 15.5.2014 unter Hinweis auf § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ([X.]) teilweise auf und bewilligte für Juni 2014 Leistungen iHv 856,23 [X.], für Juli 2014 iHv 917,43 [X.], für August 2014 iHv 870,23 [X.] und für September 2014 iHv 843,83 [X.]. Von dem Einkommen - bezeichnet als Arbeitsverdienst - stellte er monatlich 63 [X.] frei und berücksichtigte es im Übrigen ohne weitere Abzüge. Mit einem als Aufhebungs- und Erstattungsbescheid bezeichneten Bescheid vom selben Tag hob er (ausschließlich) den Bescheid vom 15.5.2014 auf Grundlage von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.] auf. Für die [X.] vom 1.6.2014 bis 30.9.2014 forderte er 294,80 [X.] zurück (Bescheide vom 24.10.2014). Dem Widerspruch gab er statt, soweit die Erstattung auf mehr als 174,80 [X.] festgesetzt worden war. Die versehentliche Überzahlung von Leistungen im Juli, August und September 2014 könne auf Grundlage von § 50 Abs 1 Satz 1 [X.] nicht zurückgefordert werden. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom [X.]).

5

Die Klage hat das Sozialgericht (SG) [X.] abgewiesen (Urteil vom 4.5.2018). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, bei dem Einkommen handele es sich um eine Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege, die als Zweck einen Anreiz zur Selbsthilfe der Teilnehmer des tagesstrukturierenden Angebots der [X.] habe. Soweit die Zuwendungen monatlich den Betrag von 63 [X.] überstiegen, beeinflussten sie die Lage des Klägers so günstig, dass Sozialhilfe daneben nicht gerechtfertigt sei. Dieser Grenzbetrag entspreche dem Ausbildungsgeld nach §§ 122, [X.] - ([X.]), das im [X.] der Teilnahme an einer Berufsbildungsmaßnahme in einer Werkstatt für behinderte Menschen ([X.]) als Einkommen nicht zu berücksichtigen sei. Weitere Absetzungen seien nicht vorzunehmen, weil der Kläger für den Besuch der Maßnahme keine weiteren Aufwendungen habe.

6

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Sprungrevision und macht eine Verletzung von §§ 84, 82 Abs 3 Satz 2 [X.] und Art 3 Grundgesetz (GG) geltend. Die Zuwendung werde lediglich als Anreiz erbracht und solle seinen Lebensunterhalt nicht, auch nicht teilweise decken, sodass auch die teilweise Berücksichtigung als Einkommen nicht iS von § 84 Abs 1 [X.] gerechtfertigt sei. Es bestehe keine mit einer Maßnahme im Berufsausbildungsbereich einer [X.] vergleichbare Situation. [X.] es bei einem anrechnungsfreien Betrag von 63 [X.], sei ein Anreiz nur für zwei Stunden am Tag gesetzt, im Übrigen bestehe kein Anreiz, über eine längere [X.] an der tagesstrukturierenden Maßnahme teilzunehmen.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 4. Mai 2018 und die Bescheide des Beklagten vom 24. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. März 2015 aufzuheben, soweit sie die Monate Juni, August und September 2014 regeln.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Sprungrevision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Die Bescheide des Beklagten vom 24.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] sind rechtswidrig, soweit der Kläger sie im Revisionsverfahren noch angefochten hat. An einer von § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] vorausgesetzten Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen zu Lasten des [X.], die dem bindend gewordenen Bescheid vom 15.5.2014 über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für die [X.] vom 1.6.2014 bis 30.9.2014 zugrunde lagen, fehlt es. Die nach dieser Bewilligungsentscheidung zugeflossenen Zuwendungen sind entgegen der Auffassung des [X.] nicht, auch nicht teilweise, als Einkommen zu berücksichtigen. Hat die Aufhebungsentscheidung des Beklagten vom 24.10.2014 keinen Bestand, führt dies zur Rechtswidrigkeit auch der Entscheidung über die Erstattung nach § 50 Abs 1 [X.]B X.

Gegenstand des Rechtsstreits sind die Verfügungen des Beklagten betreffend die teilweise Aufhebung der Bewilligung vom 1.6.2014 bis zum 30.9.2014 und die darauf gestützte Festsetzung einer Erstattungsforderung. Dabei bilden die beiden Bescheide vom 24.10.2014, die der Beklagte zeitgleich mit Aufgabe zur Post bekannt gegeben hat, eine Einheit unabhängig davon, ob (was nicht mehr nachvollzogen werden kann) die Bekanntgabe in einer Postsendung erfolgt ist oder in unterschiedlichen Sendungen, die ggf an verschiedenen Tagen zugegangen sind. Die Verfügungen in beiden Bescheiden, die Grundsicherungsleistungen in der streitigen [X.] wegen erzielten Einkommens der Höhe nach zu ändern, korrespondieren miteinander, ohne dass aus [X.] einem der beiden Bescheide abschließend ein Vorrang einzuräumen wäre, wie der Beklagte meint. Der Kläger hat sich zudem entgegen der im Widerspruchsbescheid dargestellten Auffassung des Beklagten sowohl im Widerspruchs- als auch im Klageverfahren nicht allein gegen die Erstattungsforderung gewandt. Er hat vielmehr von Beginn an seine Auffassung deutlich gemacht, wonach die Zahlungen der [X.] nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien und der Anwendungsbereich des § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] deshalb nicht eröffnet sei.

Die Klage hat der Kläger im Revisionsverfahren auf die Anfechtung der angegriffenen Bescheide (vgl § 54 Abs 1 [X.]G) beschränkt, soweit sie die Leistungen für die Monate Juni, August und September 2014 betreffen. Wegen der Ansprüche für Juli 2014 war die ursprünglich erhobene Klage dagegen wegen fehlenden [X.] unzulässig, weil der Beklagte für Juli Leistungen iHv 917,43 [X.] statt zuvor 915,63 [X.] festgesetzt hatte. Eine Erstattung von Leistungen für Juli 2014 steht ohnehin nicht mehr im Streit; denn der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid bereits zum Ausdruck gebracht, dass eine Erstattung (soweit versehentlich mehr als 917,43 [X.] ausgezahlt worden sind) nicht auf § 50 Abs 1 [X.]B X in Verbindung mit den streitbefangenen [X.] gestützt werden kann.

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide misst sich wegen der teilweisen Aufhebung der Bewilligungsentscheidung für die Monate Juni, August und September an § 48 Abs 1 Satz 2 [X.]. Nach § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom [X.]punkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach seinem Erlass Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Erforderlich für die Prüfung ist insoweit ein Vergleich zwischen den Verhältnissen bei Bewilligung am 15.5.2014 und bei Zufluss des Einkommens im Juni, August und September 2014. Bei dieser Prüfung haben die Bewilligungsentscheidungen vom 23.12.2013 und vom [X.], mit denen der Beklagte ursprünglich die [X.] vom 1.1.2014 bis zum 31.12.2014 geregelt hatte, keine Bedeutung mehr. Mit der Bewilligungsentscheidung vom 15.5.2014 hat er (insoweit bindend) für die [X.] vom 1.6.2014 bis zum 31.12.2014 höhere Leistungen als zuvor bewilligt (monatlich 915,63 [X.]) und die zuvor ergangenen Bescheide, soweit sie diesen [X.]raum ebenfalls geregelt hatten, damit ersetzt; diese Bescheide haben sich für den streitigen [X.]raum erledigt (§ 39 Abs 2 [X.]B X).

Zu berücksichtigendes Einkommen nach den §§ 82 bis 84 [X.]B XII, das auf die bewilligten Grundsicherungsleistungen nach § 19 Abs 2 [X.]B XII iVm § 41 Abs 1 und 3 [X.]B XII (hier in der Fassung des [X.] [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] Sozialgesetzbuch <[X.]/[X.]BII/[X.]BXII-ÄndG> vom 24.3.2011 ) anzurechnen wäre, hat der Kläger nach Bewilligung aber nicht erzielt.

Die Zuwendungen der [X.] an den Kläger, die teils als Motivationsgeld, teils als arbeitsbedingte Aufwandsentschädigung und teils als Zuverdienst bezeichnet sind, sind Einkommen iS des § 82 Abs 1 Satz 1 [X.]B XII. Danach sind Einkommen alle Einnahmen in Geld und Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem [X.]B XII, der Grundrente nach dem [X.] ([X.]) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des [X.] vorsehen, und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem [X.]. Zu den vom Begriff des Einkommens umfassten Einnahmen in Geld gehören (von den genannten Ausnahmen abgesehen) alle Zuflüsse von Zahlungsmitteln gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden. Für die Frage, ob Einkommen vorliegt, spielt es daher (zunächst) keine Rolle, welcher Art die Einkünfte sind, aus welcher Quelle sie stammen und aus welchem Grunde sie geleistet werden, ob sie einmalig oder laufend, regelmäßig oder unregelmäßig erzielt werden. Unerheblich ist es deshalb auch, ob die Einnahmen zu den Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören und der Steuerpflicht unterliegen (zum Ganzen bereits [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 12/11 R - B[X.]E 113, 86 = [X.]-3500 § 84 [X.], Rd[X.]4).

Die Zuwendung, die die [X.] erbringt, unterfällt den Regelungen des § 84 [X.]B XII. Entgegen der Auffassung des [X.] und der Beteiligten handelt es sich vorliegend aber nicht um eine Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege (§ 84 Abs 1 Satz 1 [X.]B XII), sondern um freiwillige Zuwendungen Dritter, die im Grundsatz angerechnet werden soll, es sei denn, ihre Berücksichtigung würde eine besondere Härte bedeuten (§ 84 Abs 2 [X.]B XII).

Dabei kann offen bleiben, ob die Fachkliniken N. gGmbH (nunmehr [X.]), die die [X.] betreibt, als Gesellschaft der [X.], des [X.], des [X.] und der Vereine [X.] (zumindest der zuletzt genannte Verein ist Mitglied des [X.]), selbst Mitglied eines der in der [X.] der freien Wohlfahrtverbände [X.] eV organisierten Verbände der freien Wohlfahrtspflege ist und ob ggf Organisationen, die nicht einem der dort zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbände angehören, zu den Einrichtungen der "freien Wohlfahrtspflege" iS des § 84 Abs 1 [X.]B XII zählen (zur denkbaren Einbeziehung von Einrichtungen und Organisationen in den Anwendungsbereich des § 84 Abs 1 [X.]B XII, die nicht der Liga/[X.] angehören, bereits B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 12/11 R - B[X.]E 113, 86 = [X.]-3500 § 84 [X.], Rd[X.]6; eingehend zum Streitstand [X.], [X.]b 2014, 613, 617 f). Jedenfalls ist die Leistung, die die [X.] für den Beklagten auf Grundlage von Vereinbarungen nach §§ 75 ff [X.]B XII erbringt, keine Tätigkeit der "freien Wohlfahrtspflege" iS des § 84 Abs 1 [X.]B XII. Damit stellt sich auch die Zuwendung, die sie in untrennbarem Zusammenhang mit dieser Leistung ausschließlich an die [X.] erbringt, ohne dazu verpflichtet zu sein, nicht als Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege dar.

Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist für die "freie Wohlfahrtspflege" iS des § 84 Abs 1 [X.]B XII kennzeichnend eine planmäßige, ohne Gewinnerzielungsabsicht und zum Wohle der Allgemeinheit neben dem Staat und öffentlichen Trägern ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende Betreuung und/oder Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete, notleidende oder sonst sozial benachteiligte Personen, die auch über die Ziele einer bloßen Selbsthilfeorganisation hinausgeht. Die freie Wohlfahrtspflege unterstützt insoweit die Sozialhilfeträger durch private Organisationen bei ihren Aufgaben nach dem [X.]B XII angemessen, ist in der Gestaltung ihrer Arbeit aber völlig frei (B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 12/11 R - B[X.]E 113, 86 = [X.]-3500 § 84 [X.], Rd[X.]5 mwN).

An diesem Merkmal - der freien Gestaltung der Aufgaben - fehlt es aber, wenn eine Einrichtung auf Grundlage von öffentlich-rechtlichen Verträgen ausschließlich als Leistungserbringer für einen öffentlichen Träger einer Sozialleistung (vgl § 12 Sozialgesetzbuch [X.] - <[X.]B I>) tätig wird (ähnlich [X.] in jurisPK-[X.]B XII, 3. Aufl 2020, § 84 Rd[X.]3; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]B XII, 12. Aufl 2020, § 84 RdNr 4). Ist die Einrichtung - wie hier - auf Grundlage von Verträgen nach §§ 75 ff [X.]B XII (hier in der bis zum 31.12.2016 geltenden alten Fassung; im Folgenden ) im Hinblick auf alle vorgehaltenen Plätze zur Erbringung von Betreuungs- und Hilfeleistungen an solche Berechtigte verpflichtet, für die der öffentliche Träger eine entsprechende Bewilligung ausgesprochen hat (vgl auch § 76 Abs 1 Satz 2 [X.]B XII aF), und erhält sie (nur) in diesem Fall vom öffentlichen Träger die ausgehandelte Vergütung, entfällt ihre Möglichkeit, die "notleidende" Person nach eigener Entscheidung frei aufzunehmen und an ihren Angeboten - und damit auch an der mit der Teilnahme verbundenen Zuwendung - teilhaben zu lassen. Wie das [X.] ausgeführt hat, hat die Einrichtung dann ein eigenes (auch wirtschaftliches) Interesse an der Erbringung der angebotenen Maßnahmen ausschließlich an vom öffentlichen Träger zuvor bestimmte Teilnehmer, um ihre Kosten decken zu können. In der Gestaltung ihrer Aufgaben ist sie auch im Übrigen nicht mehr frei; denn die Verträge mit dem öffentlichen Träger bestimmen den Inhalt, den Umfang und die Qualität der zu erbringenden teilstationären Leistungen (vgl § 75 Abs 3 Satz 1 [X.] [X.]B XII aF) und enthalten im Einzelnen Regelungen über die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen durch den öffentlichen Träger (vgl § 75 Abs 3 Satz 1 [X.]II aF). Die Einrichtung kann lediglich noch darüber entscheiden, ob sie den [X.]n überhaupt aus Spendenmitteln eine Zuwendung wegen der Teilnahme an der Maßnahme erbringt und wie hoch diese ggf ist. Damit erfolgt die Zuwendung selbst im Verhältnis zum Empfänger zwar freiwillig (dazu sogleich); wegen der dargestellten engen Bindung dieser Entscheidung an die eigenen Interessen als Leistungserbringer (nämlich der durchgehenden Auslastung der Einrichtung unter Kostengesichtspunkten) entfällt aber der Charakter als "Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege". Der [X.] weicht mit dieser Entscheidung nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung ab; denn in dem 2013 entschiedenen Fall (B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 12/11 R - B[X.]E 113, 86 = [X.]-3500 § 84 [X.]) lagen der Betreuung des dortigen [X.] in einem "Arbeitstraining" keine vertraglichen Vereinbarungen mit einem Träger einer Sozialleistung nach § 12 [X.]B I zugrunde. Was gilt, wenn vertragliche Bindungen als Leistungserbringer zwar fehlen, die Tätigkeit einer nicht-staatlichen Einrichtung von einem Träger nach § 12 [X.]B I aber mit öffentlichen Mitteln gefördert wird, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.

Die Zahlung der [X.] ist auch keine nach Inhalt und Zweck bestimmte Leistung iS des § 83 Abs 1 [X.]B XII. Danach sind Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. Hier kann aber offenbleiben, ob als eine solche "öffentlich-rechtliche Vorschrift" die in einem Normvertrag nach §§ 75 ff [X.]B XII vereinbarte Zuwendung an den Teilnehmer (mit ausdrücklicher Zweckbestimmung) genügen würde (zum Ganzen [X.], [X.]b 2014, 613, 617; vgl auch B[X.] vom 23.3.2010 - [X.] [X.] 17/09 R - B[X.]E 106, 62 = [X.]-3500 § 82 [X.], RdNr 24); denn jedenfalls sind die Zahlungen an die [X.] durch den Leistungserbringer hier von den Regelungen der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung nicht erfasst.

Es handelt sich bei dem Einkommen aber um eine Zuwendung iS des § 84 Abs 2 [X.]B XII, die ein anderer (Dritter) erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben. Auf Grundlage der bindenden Feststellungen des [X.] (vgl § 163 [X.]G) besteht für die [X.] keine rechtliche Pflicht zur Zahlung der Zuwendung im Verhältnis zum Kläger als Teilnehmer der Maßnahme. Insbesondere handelt es sich nicht um Arbeitseinkommen, weil der Kläger seinerseits nicht zur Erbringung einer Arbeitsleistung verpflichtet ist. Soweit die Zuwendung zum Teil als "arbeitsbedingte Aufwandsentschädigung" und "Zuverdienst" bezeichnet ist, führt die Bezeichnung allein zu keinem anderen Ergebnis. Auch andere Vereinbarungen über die Zahlung der Zuwendung, die eine rechtliche Verpflichtung der [X.] zur regelmäßigen Zahlung der Zuwendung begründen würden, sind zwischen dem Kläger und der [X.] nicht getroffen worden. Für eine sittliche Pflicht als Grundlage der Zahlung ist nichts erkennbar.

Freiwillige Zuwendungen Dritter sollen gemäß § 84 Abs 2 [X.]B XII als Einkommen außer Betracht bleiben, soweit ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten eine besondere Härte bedeuten würde. Anders als im Anwendungsbereich des § 84 Abs 1 [X.]B XII ist die Berücksichtigung einer freiwilligen Zuwendung als Einkommen damit der Regelfall; nur ausnahmsweise erfolgt keine Berücksichtigung, wenn der Einsatz der Einnahmen durch Hinzutreten atypischer Umstände übermäßig hart bzw grob unbillig erscheint (so die Formulierung in § 11a Abs 5 [X.] Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - <[X.]B II> idF des [X.]/[X.]BII/[X.]BXII-ÄndG, der an § 84 Abs 2 [X.]B XII ausdrücklich angelehnt ist, vgl BT-Drucks 17/3404 [X.]; dazu auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]B XII, 12. Aufl 2020, § 84 RdNr 8). Die Prüfung der besonderen Härte erfolgt in wertender Gesamtbetrachtung aller vorliegenden Umstände ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]B XII, 10. Aufl 2015, § 84 RdNr 8; Siebel-Huffmann in [X.] Sozialrecht, § 84 [X.]B XII RdNr 5, Stand Dezember 2019). Wie die Systematik der Regelungen in §§ 82 ff [X.]B XII zeigt, sind Gründe für eine Nichtberücksichtigung auf der Einnahmenseite ("gesetzliche Härtefälle") vor allem besondere Anlässe oder Zwecke einer Einnahme (§ 82 Abs 1 Satz 1 [X.]B XII, § 83 Abs 1 [X.]B XII); auch im Anwendungsbereich des § 84 Abs 2 [X.]B XII ist damit bei Prüfung einer besonderen Härte in erster Linie den Umständen und dem Zweck der Zuwendung nachzugehen ([X.] in jurisPK-[X.]B XII, 3. Aufl 2020, § 84 Rd[X.]9). Insbesondere die Berücksichtigung von Zuwendungen, die denselben Zweck verfolgen wie die Sozialhilfe, bedeutet im Regelfall keine besondere Härte (vgl bereits B[X.] vom 23.8.2013 - [X.] [X.] 24/11 R - RdNr 22). Auch bei der Prüfung nach § 84 Abs 2 [X.]B XII sollen [X.] vermieden werden, sodass das Vorliegen einer besonderen Härte - ähnlich wie dies § 84 Abs 1 [X.]B XII ausdrücklich formuliert - auch davon abhängt, ob die Nichtanrechnung der Zuwendung neben der Sozialhilfe ungerechtfertigt ist (vgl Giere in [X.]/[X.], [X.]B XII, 6. Aufl 2018, § 84 Rd[X.]2; so ausdrücklich auch § 11a Abs 5 Nr 2 [X.]B II).

Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall von einer besonderen Härte auszugehen, die entstünde, wenn die von der [X.] gezahlte Zuwendung als Einkommen berücksichtigt würde. Mit der Zuwendung wird - unabhängig von der unterschiedlichen Bezeichnung - auf Grundlage der Feststellungen des [X.] vom Zuwendenden ein einheitlicher Zweck verfolgt: Es wird damit ein Anreiz gesetzt, durch regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme die bestehenden behinderungsbedingten Einschränkungen in Bezug auf die Teilhabe am Leben in der [X.] aktiv zu mindern oder zu überwinden. Aus der Höhe der Zuwendung (1,60 [X.] pro teilgenommener Stunde) wird deutlich, dass ein Zusammenhang mit einem Erfolg bei einer Tätigkeit, die als [X.] ausgeübt wird, nicht besteht. Dass die Teilnehmer berechtigt sind, auch die gesamte [X.] während der täglichen Öffnung der [X.] dort zu verbringen mit der Folge, dass sie eine höhere Zuwendung erhalten, führt nicht dazu, dass die Zuwendung mit der daneben gezahlten Sozialhilfe zweckidentisch würde und der Gesichtspunkt der besonderen Härte entfiele. Wollte man das anders sehen, würde die freiwillige Teilnahme von Grundsicherungsberechtigten an einer Eingliederungshilfemaßnahme zu einer unmittelbaren, vom [X.] nicht beabsichtigten Begünstigung (Entlastung) des Sozialhilfeträgers führen. Selbst wenn der Kläger auch ohne Zahlung der Zuwendung die Maßnahme besucht hätte, wie das [X.] es andeutet, führt dies nicht dazu, dass der Charakter der Zahlung als Anreiz entfallen und die Zahlung etwa zu einer der Entlohnung vergleichbaren Einnahme würde. Da es sich um eine freiwillige Zuwendung handelt, ist für die Beurteilung des Zuwendungszwecks allein die Sicht des Zuwendenden entscheidend; die [X.] hat dementsprechend an den Zuwendungen zur Motivation auch an den Kläger festgehalten.

Im Anwendungsbereich des § 84 Abs 2 [X.]B XII verbietet sich schließlich eine pauschalierende Betrachtung an Einkommensgrenzen. Mit dem Begriff der "besonderen Härte" im Einzelfall lässt sich eine feste Obergrenze, bis zu der eine Zuwendung [X.] wäre und wie sie die Vorschriften über das Einkommen an anderen Stellen vorsehen, nicht vereinbaren, auch wenn der bei der Beurteilung der besonderen Härte heranzuziehende Zuwendungszweck an Bedeutung verliert, je höher die Zuwendung ist. Angesichts des geringen Betrags ist vorliegend allerdings nicht der Schluss gerechtfertigt, dass die besondere Härte ganz oder teilweise entfalle und (deshalb) nach der Lebenssituation zumindest ein Teil der Sozialhilfe nicht mehr benötigt werde. Dies hat der [X.] bereits zu § 84 Abs 1 [X.]B XII entschieden, der ebenfalls eine Entscheidung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorgibt (B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 12/11 R - B[X.]E 113, 86 = [X.]-3500 § 84 [X.], Rd[X.]9 f); im Anwendungsbereich des § 84 Abs 2 [X.]B XII gilt nichts anderes. Insbesondere lässt sich weder aus den Freibeträgen für Beschäftigte in einer [X.] noch aus dem Zweck des im Berufsbildungsbereich einer [X.] gezahlten Ausbildungsgelds (vgl § 125 [X.]B III), das nach der Rechtsprechung des [X.]s als Einkommen unberücksichtigt bleibt (B[X.] vom 23.3.2010 - [X.] [X.] 17/09 R - B[X.]E 106, 62 = [X.]-3500 § 82 [X.], RdNr 30 ff), mangels Vergleichbarkeit eine Grenze ableiten, ab der wegen der Höhe der Zuwendung eine besondere Härte entfiele. Entscheidend dafür ist, dass die genannten Leistungen nicht den Zweck verfolgen, den die Zuwendung hier hat.

Liegt eine besondere Härte vor, bleibt das Einkommen regelmäßig unberücksichtigt. Für abweichende Gesichtspunkte ist hier nichts erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 8 SO 27/18 R

03.07.2020

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Schleswig, 4. Mai 2018, Az: S 12 SO 44/15

§ 41 SGB 12, §§ 41ff SGB 12, § 19 Abs 2 SGB 12, § 82 Abs 1 S 1 SGB 12, § 84 Abs 1 S 1 SGB 12, § 84 Abs 2 SGB 12, § 75 SGB 12, §§ 75ff SGB 12

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 03.07.2020, Az. B 8 SO 27/18 R (REWIS RS 2020, 2441)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2441

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