Bundessozialgericht, Urteil vom 31.08.2017, Az. B 2 U 11/16 R

2. Senat | REWIS RS 2017, 5909

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - Autofahrt - Unterbrechung des versicherten Weges - sachlicher Zusammenhang - objektivierte Handlungstendenz - eigenwirtschaftliche Tätigkeit - Einkauf - Weg zur Fahrertür des geparkten Wagens - Ende der Unterbrechung - markierende Handlung - keine Ungleichbehandlung - Heimweg zu Fuß - etwaiges früheres Wiederaufleben des Versicherungsschutzes


Leitsatz

Ein Beschäftigter, der die Fahrt von der Arbeitsstätte zur Wohnung unterbricht, um Lebensmittel einzukaufen, steht noch nicht wieder unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn er den Einkauf auf dem Beifahrersitz abgestellt hat und auf dem Weg zur Fahrertür stürzt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des [X.] vom 1. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Wegeunfall erlitten hat.

2

Die Klägerin fuhr am 1.12.2010 mit dem PKW von ihrer Arbeitsstätte nach [X.]. Für den Heimweg wählte sie an diesem Tag eine etwa 600 bis 700 Meter längere Route, weil sie auf der sonst von ihr befahrenen Wegstrecke wegen Schneeglätte mit erheblichen Verkehrsbehinderungen rechnete. Wegen der winterlichen Witterungsverhältnisse hatte sie in der Mittagspause darauf verzichtet, ein Mittagessen einzukaufen und zu sich zu nehmen. Sie trat ihre Heimfahrt deshalb mit einem deutlichen Hungergefühl an. Als sie während der Fahrt eine Metzgerei sah, hielt sie ihr Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand an und parkte dort. Die Klägerin verließ den PKW, betrat das wenige Schritte entfernt gelegene Geschäft, kaufte dort eine Mahlzeit ein und ging danach wieder zu ihrem Fahrzeug zurück. Sie öffnete vom Bürgersteig aus die Beifahrertür und stellte die Nahrungsmittel auf dem Beifahrersitz ab. Nachdem sie die Beifahrertür geschlossen hatte, ging sie auf dem Bürgersteig in Richtung des [X.], um die Fahrertür zu erreichen und mit dem Fahrzeug ihre Fahrt nach [X.] fortzusetzen. In Höhe des rechten hinteren Kotflügels ihres PKWs stürzte sie, fiel auf die Bordsteinkante und erlitt einen Bruch der rechten Hand sowie des rechten Oberschenkels und Prellungen.

3

Die Beklagte lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab (Bescheid vom 24.2.2011 und Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 11.4.2014) und das L[X.] die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Beschluss vom 1.2.2016). Zur Begründung hat das L[X.] ua ausgeführt, der grundsätzlich bestehende Versicherungsschutz während eines mit der versicherten Tätigkeit als Beschäftigte zusammenhängenden unmittelbaren Weges von dem Ort der versicherten Tätigkeit sei mit dem Parken des Fahrzeugs am Straßenrand unterbrochen worden. Diese Unterbrechung sei zum Zeitpunkt des [X.] noch nicht beendet gewesen. Der Einkauf des Essens habe nicht in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden, denn der Kauf von Nahrungsmitteln stelle ebenso wie die Nahrungsaufnahme selbst eine unversicherte, eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar. Dies gelte auch dann, wenn auf dem Heimweg Lebensmittel eingekauft würden, weil der Versicherte während seiner vorhergehenden Beschäftigung hungrig geworden sei und nach der Arbeit sogleich eine Mahlzeit zu sich nehmen wolle.

4

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 [X.]B VII. Sie habe einen als Wegeunfall versicherten Arbeitsunfall erlitten, weil die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet gewesen sei, als sie die Einkäufe auf dem Beifahrersitz verstaut, die Beifahrertür geschlossen und sich auf dem Weg um ihr Fahrzeug herum befunden habe.

5

Die Klägerin beantragt,

        

den Beschluss des [X.] vom 1. Februar 2016 und das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 11. April 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 2011 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 1. Dezember 2010 ein Arbeitsunfall ist.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das [X.] die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des [X.] zurückgewiesen. Der angefochtene Verwaltungsakt in dem Bescheid vom [X.] und der Widerspruchsbescheid vom [X.] sind rechtmäßig, denn die Klägerin hat am 1.12.2010 keinen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfall erlitten.

9

Die Klägerin begehrt mit der zulässigen Kombination (§ 56 [X.]G) aus Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl § 54 Abs 1 S 1 Var 1, § 55 Abs 1 [X.] [X.]G; vgl zB B[X.] vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]1; B[X.] vom 2.12.2008 - [X.] U 17/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] mwN), die Ablehnungsentscheidung in dem Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall vom 1.12.2010 ein Arbeitsunfall ist. Der Übergang von der [X.] zur Feststellungsklage ohne Änderung des [X.] ist gemäß § 99 Abs 3 [X.] [X.]G nicht als Änderung der Klage anzusehen (vgl B[X.] vom 5.7.2016 - [X.] U 5/15 R - [X.] 4-2700 § 2 [X.] Rd[X.]1 - zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen; B[X.] vom 29.11.2011 - [X.] U 10/11 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]; B[X.] vom 18.6.2013 - [X.] U 10/12 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]1).

Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, weil sie am 1.12.2010 keinen Arbeitsunfall in Form eines Wegeunfalls iS des § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII erlitten hat. Nach § 8 Abs 1 S 1 [X.]B VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 [X.]B VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 S 2 [X.]B VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (stRspr; vgl zB B[X.] vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]2; B[X.] vom 15.11.2016 - [X.] U 12/15 R - [X.] 4-2700 § 2 [X.]; B[X.] vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]; B[X.] vom 17.12.2015 - [X.] U 8/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]; B[X.] vom 26.6.2014 - [X.] U 4/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]1; B[X.] vom 14.11.2013 - [X.] U 15/12 R - [X.] 4-2700 § 2 [X.]7 Rd[X.]1 und B[X.] vom 18.6.2013 - [X.] U 10/12 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]2).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die als Beschäftigte gemäß § 2 Abs 1 [X.] [X.]B VII versicherte Klägerin erlitt zwar bei dem Sturz auf den Gehweg eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf ihren Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 S 2 [X.]B VII. Sie schlug mit der rechten Körperseite auf die Bordsteinkante auf, wodurch ein Teil Außenwelt auf den Körper einwirkte (vgl hierzu B[X.] vom 29.11.2011 - [X.] U 10/11 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]4) und die Klägerin Gesundheits(erst)schäden erlitt. Zwar stand sie während des Zurücklegen des Weges von ihrer Arbeitsstätte zu ihrer Wohnung grundsätzlich unter Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII (dazu unter 1). Sie hatte jedoch diesen versicherten Weg für den Einkauf in der Metzgerei mehr als nur geringfügig unterbrochen (dazu unter 2). Diese Unterbrechung war zum Zeitpunkt des [X.] - beim Zurücklegen des Weges von der Beifahrertür zum Heck ihres PKWs - noch nicht beendet (dazu unter 3).

1. Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII versicherten Tätigkeiten zählt das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 [X.]B VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dabei ist nicht der Weg als solcher, sondern dessen Zurücklegen versichert, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf einer Strecke, die durch einen Ausgangs- und einen Zielpunkt begrenzt ist (B[X.] vom 13.11.2012 - [X.] U 19/11 R - B[X.]E 112, 177 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]; B[X.] vom [X.] - 2 RU 57/75 - [X.] 2200 § 550 [X.]4 Rd[X.]5). Der Versicherungsschutz besteht, wenn der Weg erkennbar zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit - oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung - zu erreichen. [X.] Kriterium für den sachlichen Zusammenhang ist, ob die anhand objektiver Umstände zu beurteilende Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges darauf gerichtet war, eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung auszuüben, dh ob sein Handeln zum Zurücklegen des Weges zu oder von der Arbeitsstätte gehört (vgl B[X.] vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]5; B[X.] vom 2.12.2008 - [X.] U 17/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]4; B[X.] vom 30.10.2007 - [X.] U 29/06 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]5 Rd[X.]; B[X.] vom 4.9.2007 - [X.] U 24/06 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]4 Rd[X.]2; B[X.] vom 11.9.2001 - B 2 U 34/00 R - [X.] 3-2700 § 8 [X.], jeweils mwN).

Nach den für den [X.] gemäß § 163 [X.]G bindenden Feststellungen des [X.] bewegte sich die Klägerin nach der Beendigung ihrer versicherten Beschäftigung am Ort der Tätigkeit zunächst mit der Handlungstendenz, ihre Wohnstätte zu erreichen. Dass die Klägerin abweichend von der sonst von ihr befahrenen Strecke eine 600 bis 700 Meter längere Route und damit nicht die direkte und kürzere Wegstrecke als Heimweg nutzte, lässt den Versicherungsschutz nicht in jedem Fall entfallen. Zwar steht, wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII und dem dort verwendeten Begriff "unmittelbar" ergibt, grundsätzlich nur das Zurücklegen des direkten Weges nach und von der versicherten Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (stRspr, vgl zB B[X.] vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]7 mwN). Allerdings kann ein Weg, der nicht nur unbedeutend länger ist als der kürzeste Weg, dann ein versicherter unmittelbarer Weg iS des § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII sein, wenn die längere Wegstrecke aus der durch objektive Gegebenheiten erklärbaren Sicht des Versicherten weniger zeitaufwändig, sicherer, übersichtlicher, besser ausgebaut oder kostengünstiger als der kürzere direkte Weg ist (vgl B[X.] vom 24.6.2003 - [X.] U 40/02 R - [X.] 2003, 2446; B[X.] vom 11.9.2001 - B 2 U 34/00 R - [X.] 3-2700 § 8 [X.] Rd[X.]8). Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, ließe sich anhand der Feststellungen des [X.] nicht beurteilen. Dies kann aber offenbleiben, weil die Klägerin jedenfalls auch den konkreten, als Heimweg gewählten Weg nicht nur geringfügig unterbrochen hatte und die Unterbrechung zum Unfallzeitpunkt noch nicht beendet war.

2. Das Zurücklegen des möglicherweise versicherten Weges zur Wohnung und der damit grundsätzlich mögliche Versicherungsschutz wurden durch die dem Einkauf in der Metzgerei dienenden Handlungen der Klägerin unterbrochen. Der Einkauf stand als rein privatwirtschaftliche Handlung nicht mehr unter dem Schutz der [X.] (dazu unter a). Die Unterbrechung hatte zum Zeitpunkt des Sturzes bereits begonnen, sodass ein möglicherweise gegebener Versicherungsschutz entfallen war (dazu unter b).

a) Der Kauf einer Mahlzeit, die zuhause verzehrt werden sollte, stand als rein privatwirtschaftliche Handlung nicht unter dem Schutz der [X.]. Wird der Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen, entfällt der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit der Versicherungsschutz. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Versicherte lediglich seine Fortbewegung beendet, um sich an Ort und Stelle einer anderen, nicht nur geringfügigen Tätigkeit zuzuwenden, oder ob er den eingeschlagenen Weg verlässt, um an anderer Stelle einer privaten Verrichtung nachzugehen und erst danach auf den ursprünglichen Weg zurückzukehren (B[X.] vom 2.12.2008 - [X.] U 17/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]9; B[X.] vom 30.10.2007 - [X.] U 29/06 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]5 Rd[X.]0 mwN). Der Einkauf stand weder als lediglich geringfügige Unterbrechung unter Versicherungsschutz (dazu unter aa), noch bestand Versicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt der Nahrungsaufnahme (dazu unter bb) oder demjenigen des Weges zur Nahrungsaufnahme (dazu unter cc).

aa) Es handelte sich nicht um eine, den Versicherungsschutz unberührt lassende, lediglich geringfügige Unterbrechung des Weges. Eine Unterbrechung ist nur dann als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das ursprünglich geplante Ziel führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann (vgl B[X.] vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]1 mwN; B[X.] vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]5 mwN; B[X.] vom 17.2.2009 - [X.] U 26/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]5; B[X.] vom 12.4.2005 - [X.] U 11/04 R - B[X.]E 94, 262 = [X.] 4-2700 § 8 [X.]4, Rd[X.]9). Die Gesamtheit des vorliegend von der Klägerin geplanten Handelns kann nicht mehr als geringfügig angesehen werden, weil der Einkauf in der Metzgerei eben gerade nicht "nur nebenbei" erledigt werden konnte. Vielmehr setzte der subjektive Wunsch des Einkaufens von Nahrungsmitteln eine neue objektive Handlungssequenz in Gang, die sich - auch äußerlich - deutlich von der versicherten Handlungssequenz "von der Arbeitsstätte nach [X.] fahren" abgrenzen lässt (B[X.] vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]6).

bb) Gründe dafür, dass der Kauf der Mahlzeit hier ausnahmsweise versichert gewesen sein könnte (vgl hierzu zuletzt B[X.] vom 5.7.2016 - [X.] U 5/15 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen, [X.] 4-2700 § 2 [X.] Rd[X.]6; B[X.] vom 18.6.2013 - [X.] U 7/12 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]7 sowie B[X.] vom 10.10.2002 - [X.] U 6/02 R - [X.] 3-2700 § 8 [X.]1 S 48 f mwN), sind weder festgestellt noch erkennbar. Es kann deshalb dahinstehen, dass die Nahrungsaufnahme als solche auf nach § 8 Abs 2 [X.] [X.]B VII versicherten Wegen zu den versicherten Verrichtungen zählen kann. Dies hat der [X.] ausnahmsweise anerkannt, wenn betriebliche Interessen die Nahrungsaufnahme wesentlich beeinflussen und dadurch den inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit begründen. Es ist hier aber nach den Feststellungen des [X.] nicht ersichtlich, dass das Zurücklegen des Weges ein besonderes Hungergefühl verursacht hätte, das zur Fortsetzung der Fahrt den Einkauf in der Metzgerei zwingend erforderlich gemacht hätte (vgl B[X.] vom 5.7.2016 - [X.] U 5/15 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen, [X.] 4-2700 § 2 [X.], Rd[X.]6; B[X.] vom [X.] - [X.] U 20/99 R - [X.] 3-2700 § 8 [X.], [X.] 3-2200 § 548 [X.], Rd[X.]9). Aus den gemäß § 163 [X.]G bindenden Feststellungen des [X.] ergibt sich vielmehr, dass die Klägerin die Mahlzeit zum Verzehr zu [X.] einkaufte.

cc) Zwar kann auch das Zurücklegen eines Weges durch einen Beschäftigten mit der Handlungstendenz, sich an einem vom Ort der Tätigkeit verschiedenen Ort Nahrungsmittel zu besorgen oder einzunehmen, nach der Rechtsprechung des [X.]s unabhängig von dessen zwingender betrieblicher Notwendigkeit grundsätzlich versichert sein. Diese Rechtsprechung bezieht sich aber nur auf während einer Arbeitspause zurückgelegte Wege zur Nahrungsaufnahme oder zum Einkauf von Lebensmitteln für den alsbaldigen Verzehr am Arbeitsplatz (vgl zur Abgrenzung auch [X.]surteil vom 31.8.2017 - [X.] U 1/16 R -; B[X.] vom 18.6.2013 - [X.] U 7/12 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]0; B[X.] vom [X.] - [X.] U 23/09 R - [X.] Aktuell 2010, 897; B[X.] vom 20.2.2001 - [X.] U 6/00 R - [X.] 2001, 1111 mwN; B[X.] vom 27.6.2000 - [X.] U 22/99 R - [X.] 3-2200 § 548 [X.] f mwN). Versicherungsschutz besteht dagegen nicht, wenn die Lebensmittel nach Beendigung der versicherten Tätigkeit allein für den Verzehr zu [X.] besorgt werden (vgl auch B[X.] vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]). Dies gilt grundsätzlich auch, wenn während der versicherten Tätigkeit keine Mahlzeit eingenommen werden konnte, denn der Kauf von Lebensmitteln stellt ebenso wie die Nahrungsaufnahme eine privatwirtschaftliche, nicht versicherte Tätigkeit dar, auch wenn sie während des versicherten Zurücklegens eines Weges erfolgt (vgl B[X.] vom 2.12.2008 - [X.] U 15/07 R - [X.] Aktuell 2009, 200).

b) Die Unterbrechung des versicherten Weges und der damit verbundene Wegfall des Versicherungsschutzes erfolgte in dem Moment, in dem der Klägerin nach außen hin erkennbar ihre subjektive Handlungstendenz in ein für Dritte beobachtbares "objektives" Handeln umgesetzt hatte (B[X.] vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]3). Der Versicherungsschutz entfiel damit hier spätestens in dem Moment, in dem die Klägerin ihren PKW am rechten Straßenrand anhielt. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin - hier der Wohnung der Klägerin - dient, ist ausschließlich die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten (stRspr seit B[X.] vom 9.12.2003 - [X.] U 23/03 R - B[X.]E 91, 293 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 3; vgl auch B[X.] vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]2 mwN; B[X.] vom 30.10.2007 - [X.] U 29/06 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]5; vom 2.12.2008 - [X.] U 17/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] und [X.] U 26/06 R - B[X.]E 102, 111 = [X.] 4-2700 § 8 [X.]9, Rd[X.]2 f; vom 17.2.2009 - [X.] U 26/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]). Bei Benutzung eines PKWs wird die Handlungstendenz, sich nicht weiter auf einem versicherten Weg fortbewegen zu wollen, dabei nicht erst mit dem Verlassen des öffentlichen [X.] ersichtlich, sondern wird ggf bereits durch ein vollständiges Abbremsen des Fahrzeuges nach außen dokumentiert (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]3 ff mwN; vgl auch [X.], [X.]b 2014, 589). Dies kann hier letztlich dahinstehen, weil die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls ihren PKW bereits verlassen und das Ladengeschäft aufgesucht hatte.

3. Die Unterbrechung war zum Unfallzeitpunkt noch nicht beendet und der Versicherungsschutz deshalb nicht erneut entstanden. Erst mit der Fortführung des ursprünglichen Weges liegt wieder eine versicherte Tätigkeit vor (B[X.] vom 2.12.2008 - [X.] U 26/06 R - B[X.]E 102, 111 = [X.] 4-2700 § 8 [X.]9, Rd[X.]), es sei denn, dass aus der Dauer und der Art der Unterbrechung auf eine endgültige Lösung des Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit geschlossen werden muss (B[X.] vom 10.10.2006 - [X.] U 20/05 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]9 Rd[X.]6 mwN). Die Klägerin hatte die für eine solche Lösung nach wie vor maßgebende Grenze von zwei Stunden hier zwar noch nicht überschritten (s zum sog [X.] zuletzt B[X.] vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.], Rd[X.]4). Sie hatte aber zum Unfallzeitpunkt den durch den Einkauf unterbrochenen Weg auch noch nicht wieder aufgenommen.

Auch wenn sie bereits an ihrem PKW angelangt war, den Einkauf auf dem Beifahrersitz verstaut hatte und sich auf dem Weg zur Fahrerseite des Kraftfahrzeuges befand, begründete dies allein den Versicherungsschutz auf der zum Unfallzeitpunkt zurückgelegten Wegstrecke nicht neu. Dies gilt selbst dann, wenn ihre weitere Handlungstendenz darauf gerichtet war, wieder die Fahrt nach [X.] aufzunehmen.

Bei abgrenzbaren Unterbrechungen bedarf es als objektives Kriterium zur Wiederbegründung des Versicherungsschutzes einer das Ende der Unterbrechung nach natürlicher Betrachtungsweise markierenden Handlung. Denn die objektive Bewegung in die "richtige" Richtung und die damit einhergehende subjektive Handlungstendenz alleine reichen zur Wiederbegründung des Versicherungsschutzes nicht aus, wenn sich die Versicherte auf einem Abweg befindet bzw den Weg unterbrochen hat (vgl für den irrtümlichen Abweg B[X.] vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]7; vgl auch B[X.] vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] mwN). An der früheren Rechtsprechung, wonach die Unterbrechung endete, sobald die Versicherte nach Erledigung der eigenwirtschaftlichen Verrichtung zur Fortsetzung des Weges in den Bereich der Straße zurückkehrte (s etwa B[X.] vom 2.7.1996 - 2 RU 16/95 - [X.] 3-2200 § 550 [X.]4 mwN), hat der [X.] seit der Entscheidung vom 9.12.2003 ([X.] U 23/03 R - B[X.]E 91, 293 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 3) nicht mehr festgehalten. Wird der Weg zu oder von der Arbeitsstätte durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig unterbrochen, setzt der Versicherungsschutz folglich erst dann wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist und der ursprüngliche Weg wieder aufgenommen wird (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] und [X.] U 12/12 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 49 Rd[X.]8; B[X.] vom 17.2.2009 - [X.] U 26/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]; B[X.] vom 2.12.2008 - [X.] U 17/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] und - [X.] U 26/06 R - B[X.]E 102, 111 = [X.] 4-2700 § 8 [X.]9, Rd[X.]2 f; B[X.] vom 30.10.2007 - [X.] U 29/06 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]5).

Im vorliegenden Fall war die Klägerin von ihrer Arbeitsstätte auf dem Weg nach [X.] mit dem PKW unterwegs. Die konkrete, zur Zurücklegung des versicherten Weges unternommene Verrichtung "Autofahren" hatte sie zur Erledigung des eigenwirtschaftlichen Motivs "Lebensmittel kaufen" unterbrochen. Der [X.] lässt offen, ob und zu welchem Zeitpunkt der Versicherungsschutz in der [X.] nach einer Unterbrechung der Fahrt mit einem KFZ wieder entsteht, insbesondere, ob die das Ende der Unterbrechung und die Wiederbegründung des Versicherungsschutzes markierende Handlung bereits im Einsteigen in das Fahrzeug, im Starten des [X.], im Losfahren oder erst im Einfädeln in den fließenden Verkehr zu sehen ist. Denn jedenfalls genügt das bloße Abstellen des Einkaufs auf dem Beifahrersitz und die Fortbewegung zur Fahrertür - wie bei der Klägerin - noch nicht, um die Unterbrechung, die ggf bereits mit dem Abbremsen des PKW begonnen hatte, wieder "aufzuheben" und Versicherungsschutz wieder zu begründen.

Der Unfall geschah mithin zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin noch nicht einmal die Fahrertür ihres Fahrzeugs erreicht oder geöffnet hatte, um anschließend den mit dem PKW angetretenen Weg von der Arbeit nach [X.] fortzusetzen. Dass die Klägerin sich entschlossen haben könnte, diesen Weg zu Fuß oder mittels eines anderen Verkehrsmittels fortzusetzen, hat das [X.] nicht festgestellt und ist auch nicht ersichtlich.

Auch wenn der Versicherungsschutz in der [X.] bei Fußgängern im Gegensatz zu mit einem KFZ zurückgelegten Wegen ggf früher wieder aufleben würde, spricht dies nicht gegen die soeben dargestellte Abgrenzung. Sofern das Abstellen auf eine die Unterbrechung beendende Handlung eine Ungleichbehandlung zu Lasten der Versicherten, die mit einem Fahrzeug fahren, gegenüber solchen, die zu Fuß gehen, bedeuten könnte, läge eine solche ggf mögliche Ungleichbehandlung gerade darin begründet, dass bei Fußgängern - anders als bei der Benutzung eines PKW - in der Regel keine äußeren objektiv wahrnehmbaren Grenzen existieren (vgl [X.], [X.]b 2014, 589, 591; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/ [X.]/Heinz/Bieresborn, [X.]B VII, Stand: Januar 2016, § 8 Rd[X.]39).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 [X.]G

Meta

B 2 U 11/16 R

31.08.2017

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Gießen, 11. April 2014, Az: S 1 U 136/11, Urteil

§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 31.08.2017, Az. B 2 U 11/16 R (REWIS RS 2017, 5909)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5909

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Gesetzliche Unfallversicherung - Betriebsweg - Antrittsort: von zu Hause - unmittelbarer Beginn mit einer versicherten …


B 2 U 3/13 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - sachlicher Zusammenhang - Unterbrechung: Abbiegevorgang - Abbremsen bzw zum Halten …


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2 U 16/15

2 U 34/00

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