Bundessozialgericht, Urteil vom 07.05.2019, Az. B 2 U 31/17 R

2. Senat | REWIS RS 2019, 7587

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - Unterbrechung des versicherten Weges - sachlicher Zusammenhang - Vorbereitungshandlung - nebenbei erfolgende Handlung - objektivierte Handlungstendenz - private Verrichtung - Briefeinwurf in Postkasten - Zäsur - keine geringfügige Unterbrechung: Verlassen des benutzten Pkw - keine Ungleichbehandlung gegenüber Fußgängern


Leitsatz

1. Befindet sich der Versicherte auf dem Weg von oder zu der Arbeitsstätte, bleibt der Versicherungsschutz bei geringfügigen Unterbrechungen des Weges bestehen.

2. Eine geringfügige Unterbrechung liegt nicht vor, wenn der benutzte PKW zum Zweck einer privaten Verrichtung (Briefeinwurf in Postkasten) verlassen werden muss.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 4. Mai 2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Gerichtsbescheid des [X.] vom 10. Juni 2015 aufgehoben wird.

Kosten sind in allen drei Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen gemäß § 8 Abs 2 [X.] versicherten Wegeunfall erlitten hat.

2

Am 18.3.2014 verließ die Klägerin nach Ende ihrer Arbeitszeit ihre Arbeitsstätte mit dem Pkw. Auf dem üblichen Heimweg zu ihrem Wohnort hielt sie an der rechten Fahrbahnseite an, um einen Privatbrief in einen Briefkasten zu werfen. Beim Aussteigen aus dem Fahrzeug stürzte die Klägerin und das Fahrzeug rollte über ihren linken Fuß, wodurch sie eine knöcherne Läsion der Fußwurzel erlitt.

3

Die Beklagte lehnte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab (Bescheid vom 6.5.2014 und Widerspruchsbescheid vom 30.9.2014). Das [X.] hat diese Bescheide aufgehoben sowie die Beklagte verpflichtet, das Ereignis vom 18.3.2014 als Arbeitsunfall anzuerkennen (Gerichtsbescheid vom 10.6.2015). Die Klägerin habe sich auf dem versicherten Weg befunden, weil es sich lediglich um eine geringfügige Unterbrechung gehandelt habe. Das Einwerfen des Briefes sei zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig gewesen und habe "im Vorbeigehen" und "ganz nebenher" ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung erledigt werden können.

4

Auf die Berufung der Beklagten hat das Sächsische L[X.] den Gerichtsbescheid vom "29. Oktober 2014" aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Nach der Rechtsprechung des B[X.] (Urteil vom [X.] - B 2 U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]) hänge der Versicherungsschutz gerade nicht davon ab, dass sich der Versicherte noch innerhalb des öffentlichen [X.] der Straße befinde. Vielmehr sei auf die Handlungstendenz abzustellen. Sobald ein Versicherter private eigenwirtschaftliche Zwecke verfolge, die mit der versicherten Fortbewegung nicht übereinstimmten, werde der Versicherungsschutz unterbrochen. Die Unterbrechung dauere so lange, bis die Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin wieder aufgenommen werde. Hier liege eine Unterbrechung des versicherten Arbeitsweges vor. Die Klägerin habe sich verletzt, als sie erkennbar mit der rein privaten Zielrichtung, einen Privatbrief in den Briefkasten zu werfen, aus dem Pkw ausgestiegen sei.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 8 Abs 2 [X.]. Versicherte seien nicht nur auf dem entfernungsmäßig kürzesten Weg von und zur Arbeitsstätte geschützt. Vielmehr seien ganz kleine Unterbrechungen für den Versicherungsschutz unschädlich, auch wenn sie privaten Zwecken dienten.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 4. Mai 2017 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 10. Juni 2015 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 [X.] [X.]G). Zu Recht hat das [X.] den zusprechenden Gerichtsbescheid des [X.] aufgehoben und die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1, § 56 [X.]G) abgewiesen. Der Tenor des Berufungsurteils vom [X.] war lediglich klarstellend von Amts wegen dahingehend zu berichtigen (§ 138 [X.] [X.]G), dass der Gerichtsbescheid vom 10.6.2015 (nicht vom 29.10.2014) aufgehoben wird.

9

Die Anfechtungsklage ist nicht begründet, weil die Ablehnung der Feststellung eines Arbeitsunfalls durch die Beklagte rechtmäßig war und die Klägerin dadurch nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt ist (§ 54 Abs 2 [X.] [X.]G). Sie hat keinen Arbeitsunfall iS des § 8 [X.]B VII erlitten.

Nach § 8 Abs 1 [X.] [X.]B VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 [X.]B VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 S 2 [X.]B VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität) (stRspr; vgl zuletzt B[X.] Urteil vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]; B[X.] Urteil vom 15.11.2016 - [X.] U 12/15 R - [X.] 4-2700 § 2 [X.]; B[X.] Urteil vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]; B[X.] Urteil vom 17.12.2015 - [X.] U 8/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 9; B[X.] Urteil vom 26.6.2014 - [X.] U 4/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 11; B[X.] Urteil vom 14.11.2013 - [X.] U 15/12 R - [X.] 4-2700 § 2 [X.] Rd[X.] 11; B[X.] Urteil vom 18.6.2013 - [X.] U 10/12 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 12).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Klägerin erlitt zwar, als sie beim Aussteigen aus dem PKW stürzte, eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf ihren Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 S 2 [X.]B VII. Dieser führte zu einer knöchernen Läsion der [X.] links und damit zu einem Gesundheitsschaden. Die Klägerin war - wie sich den Feststellungen des [X.] noch hinreichend entnehmen lässt - zum Zeitpunkt des [X.] auch dem Grunde nach als Beschäftigte gemäß § 2 Abs 1 [X.] 1 [X.]B VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ihre Verrichtung zur Zeit des [X.] - das Aussteigen aus dem PKW, um einen privaten Brief einzuwerfen - stand jedoch nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit ihrer versicherten Tätigkeit.

Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt des [X.] ihre Arbeitszeit beendet und die Arbeitsstätte verlassen, weshalb ein Unfall auf einem Betriebsweg von vornherein ausscheidet (vgl B[X.] Urteil vom 27.11.2018 - [X.] U 7/17 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 12 ff). Sie hat aber auch keinen versicherten Wegeunfall gemäß § 8 Abs 2 [X.] 1 [X.]B VII erlitten. Zwar stand sie während des Zurücklegens des Weges von ihrer Arbeitsstätte zu ihrer Wohnung grundsätzlich unter Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 [X.] 1 [X.]B VII (dazu unter 1.). Der Versuch, einen Brief in den Briefkasten zu werfen, führte jedoch zu einer Unterbrechung dieses Weges, die zum Unfallzeitpunkt noch nicht beendet war. Damit stand diese Verrichtung nicht in einem inneren Zusammenhang mit dem versicherten Weg (dazu unter 2.).

1. Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 [X.] 1 [X.]B VII das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 [X.]B VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Die in § 8 Abs 2 [X.] 1 [X.]B VII gebrauchte Formulierung "des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges" kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit, wobei nicht der Weg als solcher, sondern dessen Zurücklegen versichert ist, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf einer Strecke, die durch einen Ausgangs- und einen Zielpunkt begrenzt ist (B[X.] Urteile vom 23.1.2018 - B 2 U 3/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 12, vom 31.8.2017 - [X.] U 11/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.], vom 13.11.2012 - [X.] U 19/11 R - B[X.]E 112, 177 = [X.] 4-2700 § 8 [X.], Rd[X.], vom [X.] - 2 RU 57/75 - [X.] 2200 § 550 [X.] und vom 15.12.1959 - 2 [X.] - B[X.]E 11, 156 = juris Rd[X.] 15). Versichert ist in der gesetzlichen Unfallversicherung mithin als Vorbereitungshandlung der eigentlichen Tätigkeit das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Der Versicherungsschutz besteht, wenn der Weg erkennbar zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit - oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung - zu erreichen. [X.] Kriterium für den sachlichen Zusammenhang ist, ob die anhand objektiver Umstände zu beurteilende Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges darauf gerichtet ist, eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung auszuüben, dh ob sein Handeln auf das Zurücklegen des direkten Weges zu oder von der Arbeitsstätte gerichtet ist (vgl B[X.] Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 3/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 12; B[X.] Urteil vom 31.8.2017 - [X.] U 11/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]; B[X.] Urteil vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 15; B[X.] Urteil vom 2.12.2008 - [X.] U 17/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 14; B[X.] Urteil vom 30.10.2007 - [X.] U 29/06 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 9; B[X.] Urteil vom 4.9.2007 - [X.] U 24/06 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 12; B[X.] Urteil vom 11.9.2001 - B 2 U 34/00 R - [X.] 3-2700 § 8 [X.], jeweils mwN).

Nach den das B[X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) ereignete sich der Unfall auf dem Weg zu ihrer Wohnung, nachdem die Klägerin das Gelände ihrer Arbeitsstätte verlassen hatte. Damit war die Handlungstendenz der Klägerin während der Autofahrt darauf gerichtet, vom Ort der versicherten Tätigkeit zum versicherten Ziel - ihre Wohnung - zu gelangen (vgl B[X.] Urteil vom 31.8.2017 - [X.] U 11/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 13; B[X.] Urteil vom 2.12.2008 - [X.] U 17/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 14; B[X.] Urteile vom 4.9.2007 - [X.] U 24/06 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] und vom 11.9.2001 - B 2 U 34/00 R - [X.] 3-2700 § 8 [X.], jeweils mwN). Nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) befand sich die Klägerin auch auf dem unmittelbaren Weg zu ihrer Wohnung. Wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs 2 [X.] 1 [X.]B VII und dem dort verwendeten Begriff "unmittelbar" ergibt, steht grundsätzlich nur das Zurücklegen des direkten Weges nach und von der versicherten Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (B[X.] Urteil vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 17).

2. Das Zurücklegen des unmittelbaren versicherten Weges von dem Ort der Tätigkeit und der damit verbundene Versicherungsschutz wurde durch die dem beabsichtigten [X.] dienenden Handlungen der Klägerin unterbrochen. Diese Verrichtungen standen als rein privatwirtschaftlich nicht mehr unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung (dazu unter a). Die Unterbrechung des Weges war auch mehr als geringfügig (dazu unter b). Die Unterbrechung hatte zum Zeitpunkt des Sturzes bereits begonnen, wodurch der zunächst gegebene Versicherungsschutz entfallen war (dazu unter c). Diese Unterbrechung dauerte auch noch an, so dass der Versicherungsschutz vor dem Unfallereignis nicht erneut begründet wurde (dazu unter d).

a) Der beabsichtigte [X.] stand als rein privatwirtschaftliche Handlung nicht unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 [X.] 1 [X.]B VII. Das [X.] hat den Senat bindend (§ 163 [X.]G) festgestellt, dass es sich um einen [X.] handelte. Dass es sich bei dem [X.] um eine dienstlich veranlasste Verrichtung gehandelt haben könnte, mit der die Klägerin zumindest glaubte, eine im Rahmen ihrer Beschäftigung geschuldete Tätigkeit zu erbringen, ist nicht ersichtlich. Die objektivierte Handlungstendenz der Klägerin war damit nicht auf die Erfüllung einer versicherten Verrichtung aus dem Beschäftigungsverhältnis gerichtet.

Auch war der [X.] nicht als Vorbereitungshandlung der Fahrt zum Wohnort versichert. Nur bestimmte Handlungen zur Vorbereitung einer versicherten Tätigkeit stehen nach § 8 Abs 2 [X.]B VII unter Versicherungsschutz, während sonstige typische Vorbereitungshandlungen grundsätzlich nicht versicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeiten sind. Vorbereitungshandlungen oder vorbereitende Tätigkeiten sind Maßnahmen, die einer versicherten Tätigkeit vorangehen und ihre Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (zuletzt B[X.] Urteil vom 27.11.2018 - [X.] U 7/17 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] ; B[X.] Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 3/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 17 ; vgl B[X.] Urteil vom 13.11.2012 - [X.] U 27/11 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] - [X.] 2013, 351; B[X.] Urteil vom 17.2.2009 - [X.] U 26/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]; B[X.] Urteil vom 28.4.2004 - [X.] U 26/03 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 5 - [X.]b 2005, 171). Anhaltspunkte für eine solche versicherte Vorbereitungshandlung lassen sich dem Urteil des [X.] nicht entnehmen.

Wird der Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen, entfällt der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit der Versicherungsschutz. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Versicherte lediglich seine Fortbewegung beendet, um sich an Ort und Stelle einer anderen, nicht nur geringfügigen Tätigkeit zuzuwenden, oder ob er den eingeschlagenen Weg verlässt, um einer privaten Verrichtung nachzugehen und erst danach auf den ursprünglichen Weg zurückzukehren (B[X.] Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 3/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 15 ; B[X.] Urteil vom 30.10.2007 - [X.] U 29/06 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] mwN; B[X.] Urteil vom 2.12.2008 - [X.] U 17/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 19).

b) Die Unterbrechung war auch nicht geringfügig. Zwar kann auch bei einer privat veranlassten Unterbrechung ausnahmsweise der Versicherungsschutz gemäß § 8 Abs 2 [X.] 1 [X.]B VII fortbestehen, wenn die Unterbrechung nur geringfügig ist. Soweit das [X.] die Auffassung zu vertreten scheint, das B[X.] habe in seiner neueren Rechtsprechung die Rechtsfigur der "geringfügigen Unterbrechung" gänzlich aufgegeben, so dass jedwede Unterbrechung des Weges aus privaten Motiven unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer zur Beendigung des Versicherungsschutzes führe, trifft dies nicht zu. Der erkennende Senat prüft vielmehr weiterhin die Geringfügigkeit einer Unterbrechung als selbständiges, den Versicherungsschutz des § 8 Abs 2 [X.] 1 [X.]B VII erhaltendes Merkmal (B[X.] Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 3/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 16 ; B[X.] Urteile vom 31.8.2017 - [X.] U 11/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] und - [X.] U 1/16 R - juris, jeweils Rd[X.] 16; B[X.] Urteil vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 21 mwN).

Eine Unterbrechung ist aber nur dann als geringfügig zu bezeichnen, wenn die Verrichtung bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges in seiner Gesamtheit anzusehen ist (Urteil vom 17.2.2009 - [X.] U 26/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 15). Das ist der Fall, wenn sie zu keiner erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das ursprünglich geplante Ziel führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann (vgl zB B[X.] Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 3/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 16; B[X.] Urteil vom 31.8.2017 - [X.] U 11/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]; B[X.] Urteil vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 21 mwN).

Dies war hier allerdings nicht der Fall, weil das geplante Handeln in seiner Gesamtheit betrachtet gerade nicht "nur nebenbei" erledigt werden konnte. Vielmehr setzte der subjektive Wunsch der Klägerin, einen Brief einzuwerfen, eine neue objektiv beobachtbare Handlungssequenz in Gang, die sich auch äußerlich klar von dem versicherten Vorgang des "nach Hause Fahrens" abgrenzen lässt (zuletzt B[X.] Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 3/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 16 ; B[X.] Urteil vom 31.8.2017 - [X.] U 1/16 R - Rd[X.] 16 ; B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 50 Rd[X.] 16).Das beabsichtigte Verlassen und Aussteigen aus dem Fahrzeug, das Zurücklegen des Weges von der Fahrerseite um das Fahrzeug herum auf den Bürgersteig, der dortige Gang zum Briefkasten und der anschließende Weg zurück stellten insgesamt keine geringfügigen, "nur nebenbei" erfolgenden Handlungen dar. Sie führten vielmehr zu einer erheblichen und klar abgrenzbaren Zäsur, auch wenn der Zeitaufwand eher gering gewesen sein sollte (vgl B[X.] Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 3/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 16; B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 50 Rd[X.] 16).

Daran ändert auch nichts, dass die Klägerin nach den Feststellungen des [X.] keinen Richtungswechsel vorgenommen und das Fahrzeug im öffentlichen Straßenraum angehalten hat. Zwar beinhaltet die Frage, ob eine mehr als geringfügige Unterbrechung vorliegt, sowohl eine räumliche wie auch eine zeitliche Komponente. Dabei ist aber immer das konkrete Geschehen und die konkrete Verrichtung zu berücksichtigen. Die Klägerin legte den versicherten Weg zunächst mit ihrem Pkw zurück und dieser Vorgang des "[X.]" wurde durch den beabsichtigten [X.] unterbrochen. Es kann hier dahinstehen, ob das bloße Anhalten des Pkw und das Einwerfen des Briefes durch das geöffnete Seitenfenster in einen vom Pkw aus mit dem Arm erreichbaren Briefkasten eine den Versicherungsschutz beendende Unterbrechung herbeigeführt hätte. Hier jedenfalls stellt das Verlassen des Fahrzeugs eine äußerlich wahrnehmbare deutliche Zäsur des versicherten Vorgangs "Autofahren" dar. Daran ändert auch die kurze Zeitspanne, die der [X.] nach den Vorstellungen der Klägerin in Anspruch genommen hätte, nichts, ebenso wenig wie die kurze Distanz zum Briefkasten. [X.] wäre bei der konkret zu beurteilenden Situation auch, ob die Klägerin den Motor abgestellt hat, wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat. Denn jedenfalls hätte die Klägerin das Fahrzeug vollständig verlassen und um das Auto herum zum Briefkasten gehen müssen. Das Verlassen des Fahrzeugs und das Betreten der Fahrbahn bedeuten zudem eine nicht unerhebliche Risikoerhöhung, die bei rein privatwirtschaftlicher Veranlassung nicht der arbeitgeberfinanzierten Unfallversicherung aufgebürdet werden kann.

Sofern hierin bei einem [X.] auf einem versicherten Weg eine Ungleichbehandlung von Autofahrern gegenüber Fußgängern gesehen werden sollte, liegt diese Ungleichbehandlung gleichsam "in der Natur der Sache". Bei Fußgängern existieren in der Regel - abgesehen von einem Richtungswechsel oder dem Verlassen des [X.] - keine äußeren, objektiv wahrnehmbaren Grenzen, wie sie ein Pkw darstellt (vgl [X.]/Spellbrink, [X.]b 2014, 589, 591; [X.], [X.]B VII, § 8 Rd[X.] 239). Zudem ist in der gesetzlichen Unfallversicherung stets auf die letzte und ganz konkrete Verrichtung vor dem Unfallereignis abzustellen (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] U 14/10 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 39), was aufgrund der typischerweise unterschiedlichen Zeitdauer der Unterbrechung des Weges von Fußgängern einerseits und Kraftfahrern andererseits, ein hinreichender sachlicher Grund für etwaige Ungleichbehandlungen sein dürfte.

c) Die nicht versicherte Unterbrechung des Weges hatte zum Unfallzeitpunkt auch bereits begonnen. Die Unterbrechung und der damit verbundene Wegfall des Versicherungsschutzes trat ein in dem Moment, in dem die Klägerin nach außen hin sichtbar ihre subjektive Handlungstendenz in ein für Dritte beobachtbares "objektives" Handeln umgesetzt hat (B[X.] Urteil vom 31.8.2017 - [X.] U 1/16 R - juris Rd[X.] 19; B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 50 Rd[X.] 13). Ob dies bereits mit dem Abbremsen des Kfz erfolgte, kann im Ergebnis dahinstehen, weil zum Zeitpunkt des Unfalls die Klägerin bereits mit dem Verlassen des Fahrzeugs begonnen und damit in jedem Fall nach außen erkennbar ihre subjektive, auf den privaten [X.] gerichtete Handlungstendenz in ein objektives Handeln umgesetzt hatte.

Unerheblich ist hierbei, ob die Klägerin im weiteren Verlauf den Brief noch eingeworfen hat, wozu das [X.] keine Feststellungen getroffen hat, und ob sie den öffentlichen [X.] verlassen hat. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin (hier Wohnhaus der Klägerin) dient, ist ausschließlich die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten (stRspr seit B[X.] Urteil vom 9.12.2003 - [X.] U 23/03 R - B[X.]E 91, 293 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 3; vgl auch B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 50 Rd[X.] 12 mwN; B[X.] Urteile vom 30.10.2007 - [X.] U 29/06 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.], vom 2.12.2008 - [X.] U 17/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] und - [X.] U 26/06 R - B[X.]E 102, 111 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 29, Rd[X.] 22 f; sowie vom 17.2.2009 - [X.] U 26/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]; s zuletzt B[X.] Urteil vom 31.8.2017 - [X.] U 1/16 R - juris Rd[X.] 19; kritisch hierzu von [X.], [X.] 2014, 881). Bei Benutzung eines Pkw wird die Handlungstendenz, sich nicht weiter auf einem versicherten Weg fortbewegen zu wollen, dabei nicht erst mit dem Verlassen des öffentlichen [X.] ersichtlich, sondern ggf bereits durch ein vollständiges Abbremsen des Fahrzeugs nach außen dokumentiert (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] U 3/13 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 50 Rd[X.] 13 ff mwN; vgl auch [X.]/Spellbrink, [X.]b 2014, 589).

d) Die Unterbrechung war zum Unfallzeitpunkt noch nicht beendet und der Versicherungsschutz der Klägerin nicht erneut entstanden. Erst mit der Fortführung des ursprünglichen Weges liegt wieder eine versicherte Tätigkeit vor (B[X.] Urteil vom 31.8.2017 - [X.] U 1/16 R - juris Rd[X.] 20; B[X.] Urteil vom 2.12.2008 - [X.] U 26/06 R - B[X.]E 102, 111 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 29, Rd[X.] 35), es sei denn, dass aus der Dauer und der Art der Unterbrechung auf eine endgültige Lösung des Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit geschlossen werden muss (B[X.] Urteil vom 10.10.2006 - [X.] U 20/05 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 19 Rd[X.] 16 mwN). Bei abgrenzbaren Unterbrechungen bedarf es als objektives Kriterium zur Wiederbegründung des Versicherungsschutzes einer das Ende der Unterbrechung nach natürlicher Betrachtungsweise markierenden Handlung. Denn die objektive Bewegung in die "richtige" Richtung und die damit einhergehende subjektive Handlungstendenz allein reichen zur Wiederbegründung des Versicherungsschutzes nicht aus, wenn sich der Versicherte auf einem Abweg befindet bzw den Weg unterbrochen hat (vgl B[X.] Urteil vom 31.8.2017 - [X.] U 11/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]; vgl für den irrtümlichen Abweg B[X.] Urteil vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 17; vgl auch B[X.] Urteil vom 5.7.2016 - [X.] U 16/14 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] mwN).

Wird der Weg zu oder von der Arbeitsstätte durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig unterbrochen, setzt der Versicherungsschutz mithin erst dann wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit erkennbar beendet ist und der ursprüngliche Weg wieder aufgenommen wird (vgl B[X.] Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 3/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]; B[X.] Urteil vom 31.8.2017 - [X.] U 11/16 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] mwN). Dies war vorliegend nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 2 U 31/17 R

07.05.2019

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Chemnitz, 10. Juni 2015, Az: S 4 U 362/14, Gerichtsbescheid

§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 07.05.2019, Az. B 2 U 31/17 R (REWIS RS 2019, 7587)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7587

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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L 3 U 54/20 (LSG München)

Wegeunfall - Unterbrechung des versicherten Weges - Richtungswechel in entgegengesetzte Richtung - Fußgänger


B 2 U 9/18 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - Vorbereitungshandlung - Abgrenzung zur älteren BSG-Rechtsprechung zu § 550 RVO …


B 2 U 3/16 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - sachlicher Zusammenhang - Überprüfung des Straßenbelags - Eisglätte - keine …


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2 U 16/15

2 U 3/16

2 U 34/00

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