Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.10.2020, Az. B 13 R 83/20 B

13. Senat | REWIS RS 2020, 2562

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - fehlerhafte Anhörung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG)


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 17. März 2020 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines noch zu benennenden Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Beschluss vom 17.3.2020 festgestellt, dass der Rechtsstreit über die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom [X.] durch Rücknahme der Berufung am 15.1.2020 erledigt ist. An diesem Tage habe der Kläger in nichtöffentlicher Sitzung nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erklärt: "Ich nehme die Berufung zurück". Eine erneute Berufungseinlegung sei verfristet. Durch das mit der Berufung angefochtene Urteil hatte das [X.] die auf eine günstigere Berücksichtigung von in [X.] zurückgelegten rentenrechtlich relevanten Zeiten, eine günstigere Berechnung der Wartezeit für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte und die Berücksichtigung von Neuregelungen des Rentenrechts zum 1.7.2014 gerichtete Klage abgewiesen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihm am 20.3.2020 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Telefax vom 14.4.2020 Beschwerde beim [X.] eingelegt. Er beruft sich unter anderem darauf, dass er die Berufungsrücknahme mit Telefax vom 16.1.2020 und nachfolgenden Schreiben revidiert bzw zurückgezogen habe. Die Berufung habe er am [X.] eingelegt. Darüber hinaus führt er - ergänzt durch umfangreiche Anlagen - aus, warum die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aus seiner Sicht begründet sind. Mit weiterem Telefax vom 18.4.2020 hat er zudem eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe nebst Anlagen übersandt.

3

II. 1. Der Senat wertet die Übersendung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch den Kläger als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines noch zu benennenden Prozessbevollmächtigten. Das vom Kläger unterzeichnete Formular der Erklärung ist beim [X.] vor Ablauf der am 20.4.2020 endenden Beschwerdefrist eingegangen. Insofern ist unerheblich, dass die per Telefax übersandte privatschriftliche Beschwerdeschrift des [X.] am 14.4.2020 beim [X.] nur unvollständig und ohne Unterschrift des [X.] eingegangen ist.

4

Der PKH-Antrag des [X.] ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem [X.] nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

5

Die Rechtsverfolgung des [X.] bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 [X.]) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] erfolgreich zu begründen.

6

Im Verfahren der als Rechtsmittel gegen die [X.] allein statthaften Nichtzulassungsbeschwerde (§§ 160, 160a [X.]) geht es nicht darum, ob die Entscheidung des [X.] richtig oder falsch ist. Vielmehr darf gemäß § 160 Abs 2 [X.] die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]), die Entscheidung des [X.] von einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht ([X.]) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann ([X.]).

7

Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs unter Berücksichtigung des Vorbringens des [X.] sowie des Inhalts der Gerichts- und Verwaltungsakten nicht gegeben.

8

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]), denn sie wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen auf, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig sind. Soweit überhaupt eine Rechtsgrundlage für die unterschiedlichen Anliegen des [X.] bestehen könnte, handelt es sich im Wesentlichen um Wertungen im Einzelfall.

9

Anhaltspunkte dafür, dass eine [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen nicht. Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn das [X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat (vgl [X.] Beschluss vom 29.11.1989 - 7 [X.]/88 - [X.] 1500 § 160a [X.]). Derartige Rechtssätze sind nicht auszumachen.

Die summarische Prüfung des Senats hat ebenso wenig einen Anhalt für das Vorliegen eines [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) ergeben, auf dem die Entscheidung des [X.] beruhen kann.

Zwar kann ein Verfahrensmangel darin gesehen werden, dass das [X.] in seiner Anhörungsmitteilung vom 31.1.2020 über das weitere Vorgehen nach § 153 Abs 4 [X.] - Beschluss ohne mündliche Verhandlung - nicht ausdrücklich auf die beabsichtigte Entscheidung hingewiesen hat (zu diesem Erfordernis jedenfalls bei [X.] vgl [X.] Urteil vom [X.] - B 9 SB 19/97 R - [X.] 3-1500 § 153 [X.] - juris Rd[X.]6; [X.] Urteil vom 7.9.1998 - B 2 U 10/98 R - [X.] 3-1500 § 193 [X.]0 - juris RdNr 9; [X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.] 2017, § 153 Rd[X.]05, Stand 7.9.2020). Darauf kann die Entscheidung des [X.] unter Berücksichtigung der Aktenlage und des [X.] jedoch nicht beruhen.

Die nicht in jeder Hinsicht ordnungsgemäß durchgeführte Anhörung nach § 153 Abs 4 Satz 2 [X.] stellt eine Gehörsverletzung dar, deren Kausalität für die angegriffene Entscheidung allerdings nicht zu unterstellen ist (vgl [X.] Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 61/12 B - juris RdNr 8; [X.] Beschluss vom 18.7.2019 - B 13 R 259/17 B - juris Rd[X.]4). Denn die unvollkommen formulierte Anhörungsmitteilung lässt die in § 153 Abs 4 Satz 1 [X.] festgelegten Voraussetzungen für die Befugnis des [X.], ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, nicht zwangsläufig entfallen. Davon könnte nur dann die Rede sein, wenn der Fehler den Betroffenen an Vorbringen gehindert hat, welches das [X.] hätte veranlassen müssen, von einem Beschluss nach § 153 Abs 4 [X.] Abstand zu nehmen (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 386/07 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]9; [X.] Beschluss vom 18.7.2019 - B 13 R 259/17 B - juris Rd[X.]4).

Dies ist jedoch nicht ersichtlich. Die Entscheidung des [X.] ist erst über einen Monat nach Zustellung der Anhörungsmitteilung ergangen. Der Kläger war bereits durch Schreiben der Vorsitzenden des [X.]-Senats vom 20.1.2020 darauf hingewiesen worden, dass diese das Berufungsverfahren als durch die Rücknahmeerklärung erledigt ansah. Sowohl hierauf als auch auf die Anhörungsmitteilung vom 31.1.2020 hat der Kläger seinen Vortrag ergänzt und deutlich gemacht, dass er an der Berufung festhalte. Eine weitere Stellungnahme war daher nach Lage der Dinge nicht zu erwarten (vgl [X.] Beschluss vom [X.] KR 28/16 B - juris RdNr 8; [X.] Beschluss vom 18.7.2019 - B 13 R 259/17 B - juris Rd[X.]5). Auch die vom Kläger beim [X.] eingereichten weiteren, nicht schon in den Akten des [X.] bzw [X.] enthaltenen Unterlagen hätten zu keiner Änderung im Verfahrensgang beim [X.] führen können, da sie in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der streitigen Erklärung über die Berufungsrücknahme stehen.

Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

2. Die vom Kläger persönlich eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Unabhängig von der Würdigung des Fehlens der Unterschrift des [X.] und der unvollständigen Übermittlung des [X.] der Beschwerdeschrift vom 14.4.2020 leidet die Beschwerde an einem Formmangel. Sie ist - anders als § 73 Abs 4 [X.] es vorschreibt - nicht durch einen vor dem [X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 13 R 83/20 B

15.10.2020

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Köln, 14. Januar 2019, Az: S 36 R 1801/15, Urteil

§ 62 SGG, § 73 Abs 4 SGG, § 73a Abs 1 SGG, § 153 Abs 4 S 1 SGG, § 153 Abs 4 S 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.10.2020, Az. B 13 R 83/20 B (REWIS RS 2020, 2562)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2562

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