Bundessozialgericht, Urteil vom 15.11.2012, Az. B 8 SO 3/11 R

8. Senat | REWIS RS 2012, 1387

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Gegenstand

Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung - Entstehen des Bedarfs im Zeitpunkt der Fälligkeit - Übernahme von Säumniszuschlägen und Mahngebühren - Unabwendbarkeit durch den Hilfebedürftigen - Leistungsausschluss bei Leistungsberechtigung nach dem SGB 2 - Erwerbsfähigkeit - notwendige Beiladung des Grundsicherungsträgers - Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen - Abstellen auf den Beitragsmonat


Leitsatz

1. Der durch existenzsichernde Leistungen zu deckende Bedarf entsteht, soweit es die Übernahme von Beiträgen zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung und daraus resultierenden Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung betrifft, erst mit der Fälligkeit der Beiträge.

2. Säumniszuschläge und Mahngebühren für entsprechende Beiträge gehören zu den übernahmefähigen Kosten der Sozialhilfe, wenn dem Bedürftigen die Leistungen vom Sozialhilfeträger rechtswidrig nicht gewährt wurden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] ist die Übernahme der Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung und die [X.] Pflegeversicherung der Klägerin für den Monat Juni 2009 sowie der darauf entfallenden Säumniszuschläge und der Mahngebühr durch die Beklagte.

2

Die 1966 geborene Klägerin bezog bis Mai 2006 [X.]eistungen nach dem [X.] ([X.]) von der [X.] ([X.]) F Nachdem vom ärztlichen Dienst der [X.] festgestellt worden war, dass sie ab [X.] voraussichtlich länger als sechs Monate vermindert oder nicht erwerbsfähig sei, bewilligte die Beklagte vom [X.] an [X.]eistungen der Hilfe zum [X.]ebensunterhalt ([X.]) nach dem [X.] - ([X.]), zuletzt für den Zeitraum vom [X.] bis [X.], verlängert bis 30.6.2009 (Bescheide vom [X.] und vom 15.5.2009). Vom Beginn des Bezugs von [X.] an war die Klägerin bei der [X.] ([X.]) freiwillig versichertes Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und pflichtversichert in der [X.]n Pflegeversicherung; die im jeweiligen Monat fälligen Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigte die Beklagte bei der Bewilligung von [X.] in voller Höhe.

3

Ab 1.7.2009 bezog die Klägerin wieder [X.]eistungen zur Sicherung des [X.]ebensunterhalts nach dem [X.] (Bescheid vom 28.5.2009). Von diesem Zeitpunkt an war sie wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld [X.]) II pflichtversichertes Mitglied in der [X.] und der [X.]n Pflegeversicherung. Die [X.] forderte sie mit bestandskräftigem Mahnbescheid vom 28.7.2009 auf, die am [X.] fällig gewordenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für Juni 2009 in Höhe von insgesamt 155,99 Euro zuzüglich Säumniszuschläge von insgesamt 1,50 Euro und einer Mahngebühr von 2 Euro (insgesamt 159,49 Euro) zu zahlen. Die Klägerin beantragte daraufhin am [X.] bei der Beklagten die Übernahme dieser Beträge; dies lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 8.10.2009).

4

Ein danach bei der [X.] F gestellter Antrag auf Übernahme der Beiträge für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung für Juni 2009 blieb ebenfalls erfolglos (Bescheid vom 1.2.2010; Widerspruchsbescheid vom [X.]; Urteil des Sozialgerichts <[X.]> Freiburg vom [X.]). Das Berufungsverfahren beim [X.] ([X.]) [X.] ([X.] 7 AS 4297/10) ist noch anhängig und ruht.

5

Die gegen die Entscheidung der Beklagten beim [X.] erhobene Klage auf Zahlung der Beiträge für Juni 2009 und der darauf entfallenden Säumniszuschläge und der Mahngebühr hatte keinen Erfolg (Urteil des [X.]). Die Berufung hat das [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 22.12.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Bedarf der Klägerin gemäß § 32 Abs 2 und 3 [X.] iVm § 19 Abs 1 [X.] sei im Hinblick auf die Übernahme der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und [X.]n Pflegeversicherung für den Monat Juni 2009 erst mit Fälligkeit dieser Beiträge am [X.] und damit zu einem Zeitpunkt entstanden, als diese wegen des Alg-II-Anspruchs nicht mehr nach § 19 Abs 1 [X.] leistungsberechtigt gewesen sei (§ 5 Abs 2 [X.]). Der [X.] [X.] für Juni 2009 sei zwar gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - ([X.]) im Juni entstanden; gemäß § 10 Abs 1 Satz 2 der einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) vom 27.10.2008 (Die Beiträge 2009, 183 ff) seien diese Beiträge allerdings erst bis zum 15. des dem Beitragsmonat folgenden Monats (Fälligkeitstag) zu zahlen.

6

Die Klägerin rügt eine fehlerhafte Anwendung der §§ 19, 32 [X.]. Die Beiträge zur Sozialversicherung würden grundsätzlich mit ihrer Entstehung fällig, sodass bereits im Juni 2009 auch der Anspruch auf Erstattung der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung entstanden sei. Zwar schulde der Versicherte die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erst zum 15. des Folgemonats. Dieses Entgegenkommen der Krankenkasse den Versicherten gegenüber betreffe allerdings lediglich die Innenbeziehung zwischen Krankenkasse und Versichertem. Die Angemessenheit der betreffenden Beiträge sei unbestritten. Da sie (die Klägerin) abwechselnd im [X.] und [X.]B-XII-[X.]eistungsbezug und weder Einkommen noch Vermögen in Aussicht gewesen sei, entstehe eine unbillige Härte, wenn sie allein durch den Wechsel zwischen den [X.]eistungssystemen auf den Versicherungsbeiträgen für Juni 2009 "sitzen bleibe". Diese Beträge seien weder aus dem Regelsatz noch durch Ansparleistungen aufzubringen. Für sie (die Klägerin) sei durch keinen Hinweis der Beklagten möglich gewesen, die Einstellung der [X.]eistungen bezüglich der Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge rechtzeitig zu erkennen. Deshalb habe sie auch zusätzlich ein Anspruch auf Übernahme fälliger Mahngebühren und Säumniszuschläge.

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des [X.] und des [X.] sowie den Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.10.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 159,49 Euro zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 [X.] 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] lässt sich nicht abschließend entscheiden, ob die [X.]lägerin einen Anspruch auf Übernahme der Beiträge für Juni 2009 (einschließlich der Zuschläge) gegen die Beklagte hat.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.10.2009 (§ 95 [X.]G), mit dem die Übernahme für die im Juni 2009 entstandenen [X.]ranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (einschließlich der Mahngebühr und der Säumniszuschläge) abgelehnt worden ist; eine beratende Beteiligung sozial erfahrener Dritter vor Erlass eines Widerspruchsbescheids gegen die Ablehnung der Sozialhilfe oder die Festsetzung ihrer Art und Höhe erfolgt in [X.] dabei abweichend von § 116 [X.] 2 [X.] nicht (vgl § 9 Gesetz zur Ausführung des [X.] vom 1.7.2004 - Gesetzblatt [X.] 469 - ). Gegen diesen Bescheid wendet sich die [X.]lägerin mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 [X.] 1 und 4, § 56 [X.]G). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zur Abtrennbarkeit von Leistungsansprüchen im Sinne eines eigenen Streitgegenstands (vgl nur [X.], 181 ff Rd[X.]3 mwN = [X.]-3500 § 42 [X.]) haben Beklagte, [X.] und [X.] vorliegend zu Recht lediglich darüber und nicht insgesamt über die der [X.]lägerin zu gewährenden Sozialhilfeleistungen entschieden. § 28 [X.] unterscheidet ausdrücklich zwischen dem Regelsatz, den Leistungen für Unterkunft und Heizung und den [X.] nach den §§ 30 bis 34 [X.] (in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung; vgl ab 1.1.2011 § 27a [X.] 2 [X.]). Damit ist eine streitgegenständliche Beschränkung auf die Übernahme der Beiträge zur [X.]ranken- und Pflegeversicherung und dafür angefallene Säumniszuschläge und Mahngebühren möglich (so bereits B[X.]E 109, 281 ff Rd[X.]2 mwN = [X.]-3500 § 32 [X.]) und vorliegend durch die [X.]lägerin auch eindeutig erklärt.

Die Beklagte (ein Stadtkreis) ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe der für die Erbringung der Hilfe zum Lebensunterhalt sachlich und örtlich zuständige Träger (§§ 3, 97 [X.] 1, § 98 [X.] 1 [X.] iVm §§ 1, 2 AG[X.]) und mangels Anordnung des Behördenprinzips (§ 70 [X.] 3 [X.]G) die richtige Beklagte (§ 70 [X.] [X.]G).

Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Das [X.] (als Rechtsnachfolger der im Juli 2009 für die Leistungserbringung nach dem [X.]B II zuständig gewesenen [X.]) war nicht nach § 75 [X.] 2 1. Alt [X.]G beizuladen (sog echte notwendige Beiladung). Dies wäre nur der Fall, wenn Dritte an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann; diese Voraussetzungen sind im Verhältnis zum [X.] nicht erfüllt. Über eine Beiladung des [X.] auf Grundlage des § 75 [X.] 2 2. Alt [X.]G (sog unechte notwendige Beiladung) war mangels Rüge im Revisionsverfahren (s zu dieser Voraussetzung nur [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 75 Rd[X.]3b mwN) nicht zu befinden. Das [X.] wird ggf eine Beiladung auf dieser Grundlage vorzunehmen haben, weil bei Bedürftigkeit alternative Ansprüche der [X.]lägerin nach dem [X.]B II wegen der Beitragsforderung für Juni 2009, die im Juli 2009 fällig geworden ist, gegenüber dem [X.] bestehen können (zum Fall der notwendigen unechten Beiladung des Trägers der Sozialhilfe, soweit Ansprüche gegen den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht bestehen, vgl bereits B[X.]E 97, 242 ff Rd[X.]1 ff mwN = [X.]-4200 § 20 [X.]). Einer Beiladung stünde nicht entgegen, wenn die Ansprüche zwischen der [X.]lägerin und dem [X.] noch anderweitig rechtshängig wären, weil mit der Beiladung eine umfassende und zeitnahe [X.]lärung der Ansprüche der [X.]lägerin herbeigeführt und die Gefahr widersprechender Entscheidungen vermieden werden könnte (vgl B[X.] [X.] 2200 § 1239 RVO [X.] S 9).

Ein Anspruch gegen die Beklagte kommt nur in Betracht, wenn die [X.]lägerin (entgegen der vom [X.] nicht überprüften Annahme der Beklagten und des [X.]) im Juli 2009 zwar hilfebedürftig, nicht aber wieder erwerbsfähig war. Wenn die weiteren, zur [X.]lärung eines Anspruchs auf [X.] für Juli 2009 notwendigen Ermittlungen des [X.] ergeben, dass eine [X.] nach § 19 [X.] 1 [X.] iVm §§ 27 [X.] 1 ff [X.] im Monat Juli 2009 bestand, würde sich der von der [X.]lägerin geltend gemachte Anspruch an § 32 [X.] messen. In diesem Fall wäre die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Übernahme der Beiträge ([X.]rankenversicherung; Pflegeversicherung) nicht (bzw nicht zeitgerecht) nachgekommen; hierdurch wären die Säumniszuschläge (vgl § 26 [X.] 1 [X.]B IV) und die Mahngebühr (vgl § 19 [X.] 2 Satz 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz iVm Art 87 [X.] 2 Satz 1 Grundgesetz) angefallen, sodass die Beklagte auch diese [X.]osten zu übernehmen hätte (näher dazu später). War die [X.]lägerin dagegen im Juli 2009 (wieder) Leistungsberechtigte nach § 7 [X.] 1 Satz 1 [X.]B II und dabei insbesondere erwerbsfähig iS des § 8 [X.] 1 [X.]B II, ergäbe sich ein Anspruch auf Übernahme der Beiträge nur gegenüber dem [X.], nicht aber gegenüber der Beklagten (§ 21 [X.] iVm § 5 [X.] 2 [X.]B II).

Welche Anspruchsnorm des [X.] einschlägig wäre, steht nach den Feststellungen des [X.] nicht fest. Als Anspruchsgrundlage für die Übernahme der Beiträge zur freiwilligen [X.]rankenversicherung durch den Sozialhilfeträger kommt einerseits § 19 [X.] 1 [X.]B XII (idF, die die Norm durch das [X.] vom 20.4.2007 - [X.] 554 - erhalten hat) iVm § 32 [X.] 1 [X.] (idF, die die Norm durch das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens vom 20.7.2007 - [X.] 1595 - erhalten hat) in Betracht, der die Übernahme der Beiträge im Falle einer Versicherungsberechtigung im Sinne einer sog freiwilligen Weiterversicherung (§ 9 [X.] 1 [X.] Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche [X.]rankenversicherung - <[X.]B V>) regelt. Andererseits kann sich ein solcher Anspruch auch aus § 32 [X.] 2 [X.] ergeben, wenn eine Versicherungsberechtigung in der [X.] aus § 9 [X.] 1 [X.] bis 8 [X.]B V folgt. Das [X.] hat § 32 [X.] 2 [X.] als einzig denkbare Anspruchsgrundlage herangezogen. Nach dem mitgeteilten Sachverhalt liegt es aber nahe, dass die [X.]lägerin während des dem Bezug von Leistungen der [X.] vorangegangenen Bezugs von [X.] mindestens zwölf Monate pflichtversichertes Mitglied der [X.] war (vgl § 5 [X.] 1 [X.]a [X.]B V idF, die die Norm durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 - [X.] 2954 - erhalten hat) und sich ihr Recht zur freiwilligen Versicherung ab dem [X.] aus § 9 [X.] 1 [X.] [X.]B V ergab.

Nach beiden denkbaren Anspruchsgrundlagen besteht ein Anspruch für freiwillig Versicherte in der [X.] auf Übernahme der Beiträge gegen den Sozialhilfeträger nur, soweit die Personen die Voraussetzungen des § 19 [X.] 1 [X.] erfüllen (vgl § 32 [X.] 1 Satz 1 2. Halbsatz [X.] wie § 32 [X.] 2 Satz 1 2. Halbsatz [X.]). Liegen diese Voraussetzungen vor, ergäbe sich jedenfalls vorliegend für den Fall, dass § 32 [X.] 2 [X.] einschlägig ist, kein Raum für eine Ermessensentscheidung des Trägers, wie sie dem Wortlaut von § 32 [X.] 2 [X.] abweichend von [X.] 1 entspräche (vgl zur Problematik der in § 32 [X.] 2 [X.] vorgesehenen Ermessenentscheidung allgemein Holzhey in juris Praxis[X.]ommentar [X.], § 32 [X.] Rd[X.] 31, und Falterbaum in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 32 Rd[X.]0, Stand Dezember 2011, die von einer Ermessensreduzierung auf Null als Regelfall ausgehen; enger noch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl 2012, § 32 [X.] Rd[X.]1; einen Anwendungsbereich für eine regelmäßige Ermessensausübung sehen dagegen [X.] in Lehr- und Praxiskommentar [X.], 9. Aufl 2012, § 32 [X.] Rd[X.]9 f; [X.] in [X.]/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 32 [X.] Rd[X.]5, Stand September 2011; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 18. Aufl 2010, § 32 [X.] Rd[X.] 38 und [X.] in [X.], [X.]B II/[X.], § 32 [X.] Rd[X.] 36, Stand November 2008). Nachdem die Beklagte während der gesamten Bezugszeit der [X.] die Beiträge zur gesetzlichen [X.]rankenversicherung übernommen hat, kann sie schon aus Gründen des Vertrauensschutzes - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nicht mehr abweichend entscheiden. Ob im Rahmen des § 32 [X.] 2 [X.] die Angemessenheit der Beiträge seit der Änderung des [X.] zu prüfen ist (vgl § 32 [X.] 2 [X.] aF und BT-Drucks 16/3100, [X.] zu Art 10), kann gegenwärtig offenbleiben, zumal sich keine Anhaltspunkte für eine Unangemessenheit ergeben und auch die Beklagte solche zu keinem Zeitpunkt gesehen hat.

Der mit § 32 [X.] abgedeckte, sozialhilferechtlich relevante Bedarf (Übernahme der Beiträge) wird allerdings nicht (schon) durch das Bestehen einer [X.]rankenversicherung ausgelöst, sondern erst mit der aktuellen Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge, also mit ihrer Fälligkeit. Zwar entstehen die [X.] in der [X.], auf die § 32 [X.] 1 und 2 [X.] als Bedarf Bezug nimmt, sobald ihre im Gesetz bestimmten Voraussetzungen vorliegen (vgl § 22 [X.] 1 [X.]B IV); der wirksame, form- und fristgerechte Beitritt nach § 188 [X.]B V begründet dabei die freiwillige Versicherung nach § 9 [X.]B V und damit für jeden [X.]alendertag der Mitgliedschaft die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen (§ 223 [X.] 1 [X.]B V). Erst der Eintritt der Fälligkeit der [X.], die in § 23 [X.]B IV (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Stärkung des [X.] in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung vom 26.3.2007 - [X.] 378 - erhalten hat) abweichend von § 271 [X.] geregelt ist (dazu bereits B[X.]E 52, 152, 157 = [X.] 2100 § 25 [X.] 3 S 3), bedeutet aber, dass der Versicherungsträger als Anspruchsinhaber berechtigt ist, sofortige Zahlung zu verlangen und der Zahlungspflichtige verpflichtet ist, die Zahlung sofort zu bewirken. Erst mit Fälligkeit der Beiträge ist der Hilfebedürftige also einer Beitragsschuld ausgesetzt; an diese aktuelle Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge ist von dem Zweck des § 32 [X.] als Teil der Hilfe zum Lebensunterhalt anzuknüpfen (zur Fälligkeit einer Forderung als maßgeblichem Zeitpunkt für den Bedarfsanfall bereits B[X.]E 104, 219 ff Rd[X.]7 = [X.]-3500 § 74 [X.] und B[X.] [X.]-3500 § 44 [X.] Rd[X.]7).

Die durch die freiwillige Mitgliedschaft im Juni 2009 entstandenen Beiträge sind erst am [X.] fällig geworden. Dies regeln § 23 [X.] 1 Satz 1 [X.]B IV iVm § 23 [X.] 1 der Satzung der [X.] (Stand 1.1.2009), die insoweit - ohne dass dies im Grundsatz zu beanstanden wäre (vgl [X.] Wiesbaden, Urteil vom 6.7.2011 - [X.] [X.] 52/10 -, mittlerweile bestätigt von B[X.], Urteil vom 19.12.2012 - [X.] [X.] 20/11 R) - auf § 10 [X.] 1 Satz 2 der [X.] Selbstzahler Bezug nehmen. Erst im Monat Juli gehören die Beiträge also zum Bedarf.

Bestand im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge ein Anspruch auf deren Übernahme, zählen auch die angefallenen Säumniszuschläge und die Mahngebühr zu den nach § 32 [X.] übernahmefähigen [X.]osten. Das freiwillig versicherte Mitglied trägt und zahlt die Beiträge allein (§ 250 [X.] 2, § 252 [X.] 1 Satz 1 [X.]B V), auch wenn die Beiträge nach § 32 [X.] übernommen werden (vgl auch § 32 [X.] 1 Satz 3 [X.] und § 32 [X.] 5 Satz 5 [X.] in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung). Damit treffen zwar grundsätzlich den Empfänger von Sozialhilfeleistungen selbst bei verspäteter Weiterleitung von erhaltenen Beiträgen an die [X.]rankenkasse die Folgen des Zahlungsverzuges. Ist er dagegen mittellos, weil entsprechende Ansprüche vom Träger der Sozialhilfe rechtswidrig nicht (oder nicht rechtzeitig) gewährt worden sind, gehören auch die [X.] und Mahnkosten zu den übernahmefähigen [X.]osten, weil sie für den Hilfeempfänger unabwendbar waren (ähnlich zu Folgekosten bei verspäteter Gewährung eines Darlehens zur Abwendung von Mietschulden B[X.]E 106, 190 ff Rd[X.] 35 = [X.]-4200 § 22 [X.] 41).

So könnte die Sache hier liegen. Die Beklagte hatte [X.]enntnis von der Bedarfslage der [X.]lägerin im Juli 2009; einerseits war ihr das Bestehen der freiwilligen Versicherung (auch) im Juni 2009 bekannt, andererseits waren schon während der gesamten Bezugszeit von [X.] die [X.]rankenversicherungsbeiträge erst mit ihrer Fälligkeit im Folgemonat gezahlt worden. Die [X.]lärung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen - vor allem also der Erwerbsfähigkeit - fiel in den Verantwortungsbereich der Beklagten. War die entsprechende Sachverhaltsaufklärung objektiv fehlerhaft, stellen sich die Folgen eines solchen Verwaltungshandelns für die [X.]lägerin als unabwendbar dar. Ob die Erhebung von Säumniszuschlägen und einer Mahngebühr rechtmäßig war, ist schon deshalb unerheblich, weil der Bescheid der [X.] bestandskräftig geworden ist (vgl zum Verwaltungsaktcharakter der Mahngebühr B[X.]E 108, 229 ff Rd[X.]4 mwN = [X.]-4200 § 44b [X.] 3).

Bestand dagegen ein Anspruch im Juli 2009 nicht, weil die [X.]lägerin (wieder) erwerbsfähig und damit dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem [X.]B II war, wird das [X.] Ansprüche der [X.]lägerin gegen den (dann [X.]) Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 26 [X.] 2 Satz 1 [X.] [X.]B II (idF, die die Norm rückwirkend zum 1.1.2009 durch Art 14b des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 - [X.] 1990 - erhalten hat) zu prüfen haben.

Einem Anspruch nach § 26 [X.] 2 Satz 1 [X.] [X.]B II steht nicht schon entgegen, dass beim Wechsel vom Leistungssystem des [X.] in das des [X.]B II aus dem Bezug von [X.] regelmäßig eine Pflichtmitgliedschaft in der [X.] folgt und damit die freiwillige Mitgliedschaft in der [X.] mit dem ersten Tag des Bezugs von [X.] endet (vgl § 191 [X.] [X.]B V). § 26 [X.] 2 Satz 1 [X.] [X.]B II setzt nach dem ersten Halbsatz für einen Anspruch auf Beitragszuschuss zwar voraus, dass der Bezieher von [X.] (oder von Sozialgeld) in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung nicht versicherungspflichtig (oder familienversichert) ist. Der Wortlaut bringt jedoch nur zum Ausdruck, dass überhaupt die Notwendigkeit zu einer (anderweitigen) [X.]icherung im [X.]rankheitsfall bestehen muss. Unter Beachtung des in § 2 [X.] 2 Sozialgesetzbuch [X.] - ([X.]B I) enthaltenen Optimierungsgebots (dazu B[X.] [X.]-3500 § 30 [X.] 4 Rd[X.]3 und § 44 [X.] Rd[X.]3, jeweils mwN) ist bei der Auslegung des § 26 [X.] 2 Satz 1 [X.] 1. Halbsatz [X.]B II auf den Monat abzustellen, für den die Beiträge zu entrichten sind; für diesen Monat (im Fall der [X.]lägerin also für Juni 2009) besteht deshalb trotz einer später eingetretenen Pflichtversicherung die Notwendigkeit für die [X.]icherung durch eine freiwillige Mitgliedschaft in der [X.]. Im Übrigen entsteht auch nach den Maßstäben des [X.]B II der Bedarf wegen der Beitragspflicht in der freiwilligen [X.]rankenversicherung erst mit Fälligkeit des Beitrags für den vorangehenden Monat im laufenden Monat des Bezugs von [X.] (oder Sozialgeld). Es handelt sich bei dem Beitrag für den [X.] also auch dann um einen tatsächlich im Bezugsmonat eingetretenen Bedarf nach dem [X.]B II, wenn die entsprechende [X.]icherung vor Beginn der [X.] nach dem [X.]B II vorgenommen worden ist (entsprechend für den Bedarf für [X.]osten der Unterkunft und Heizung: B[X.]E 106, 190 ff Rd[X.]7 = [X.]-4200 § 22 [X.] 41; B[X.] [X.]-4200 § 22 [X.] 38 Rd[X.]7, [X.] 50 Rd[X.]4 und [X.] 58 Rd[X.]5). Diese Auslegung des § 26 [X.] 2 Satz 1 [X.] [X.]B II ist zur Abwendung einer sonst eintretenden Deckungslücke geboten; denn es kann dem Hilfebedürftigen nach dem [X.]B II weder abverlangt werden, einen Betrag in dieser Höhe aus der Regelleistung zu bestreiten, noch sich wegen eines zur Existenzsicherung notwendigen [X.]rankenversicherungsschutzes zu verschulden (vgl B[X.]E 107, 217 ff Rd[X.] 33 = [X.]-4200 § 26 [X.]).

Für den von der [X.]lägerin für Juni 2009 geschuldeten Beitrag (vgl § 59 [X.] 4, § 60 [X.] 1 [X.] - <[X.]B XI>) zur [X.] Pflegeversicherung gilt im Ergebnis nichts anderes. Wegen der Beiträge zur [X.] Pflegeversicherung, die aufgrund der freiwilligen Mitgliedschaft in der [X.] als Pflichtbeiträge laufend für jeden [X.]alendertag entstehen (vgl § 20 [X.] 3, § 49 [X.] 1 und § 54 [X.] 2 Satz 2 [X.]B XI), verweisen § 23 [X.] 1 Satz 1 [X.]B IV iVm § 20 [X.] 1 der Satzung der [X.] - Pflegekasse - (Stand 1.1.2009) für die Fälligkeit ebenfalls auf die [X.] Selbstzahler. Damit entsteht auch insoweit der zu deckende existenzsichernde Bedarf sowohl nach den Maßstäben des [X.] als auch des [X.]B II erst mit Fälligkeit des laufenden Beitrags im Juli 2009. Ergeben die weiteren Ermittlungen des [X.], dass die [X.]lägerin im Juli 2009 einen Anspruch auf Übernahme des Beitrags zur [X.] nach § 32 [X.] 1 oder [X.] 2 [X.] hat, besteht auch ein Anspruch auf die Übernahme des damit zusammenhängenden Beitrags zur Pflegeversicherung (vgl § 32 [X.] 3 [X.]), der in der vorliegenden [X.]onstellation aus den dargelegten Gründen auch den auf diesen Beitrag entfallenden Säumniszuschlag und die Mahngebühr umfasst.

War die [X.]lägerin dagegen im Juli 2009 Leistungsberechtigte nach dem [X.]B II, gehört der in diesem Monat fällig gewordene Beitrag zur Pflegeversicherung zum existenzsichernden Bedarf nach dem [X.]B II. Allerdings ist ein § 26 [X.] 2 Satz 1 [X.] [X.]B II entsprechender Anspruch wegen der Beiträge zur [X.] Pflegeversicherung im [X.]B II nicht geregelt. Lediglich für den Fall, dass bei Versicherungspflicht in der [X.] Pflegeversicherung allein durch den [X.] Hilfebedürftigkeit entsteht, ist in § 26 [X.] 3 Satz 3 [X.]B II die Übernahme dieser Beiträge durch den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende vorgesehen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber nur die Fälle einer [X.]icherung durch eine private Pflegeversicherung als regelungsbedürftig angesehen, obwohl insoweit keine Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der Beiträge zur [X.] Pflegeversicherung erkennbar sind. Die Regelung des § 26 [X.]B II ist für den Monat des Wechsels aus dem Leistungsbezug des [X.] in das [X.]B II mithin lückenhaft. Auch insoweit darf nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers allerdings keine Deckungslücke zulasten des durchgehend Hilfebedürftigen hinsichtlich seiner existenzsichernden Bedarfe verbleiben. Die damit planwidrige Regelungslücke könnte durch eine analoge Anwendung des § 32 [X.] 3 [X.] mit dem Ergebnis geschlossen werden, dass bei [X.] nach dem [X.]B II auch die mit den Beiträgen für die [X.]rankenversicherung zusammenhängenden Beiträge zur Pflegeversicherung (einschließlich der entstandenen Nebenkosten) vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu übernehmen sind.

Das [X.] wird auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 3/11 R

15.11.2012

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 5. Mai 2010, Az: S 4 SO 5546/09, Urteil

§ 19 Abs 1 SGB 12, § 32 Abs 1 S 1 SGB 12, § 32 Abs 2 S 1 SGB 12, § 32 Abs 3 SGB 12, § 9 Abs 1 Nr 1 SGB 5, § 5 Abs 1 Nr 2a SGB 5, § 223 Abs 1 SGB 5, § 20 Abs 3 SGB 11, § 54 Abs 2 S 2 SGB 11, § 22 Abs 1 S 1 SGB 4, § 23 Abs 1 S 1 SGB 4, § 21 S 1 SGB 12, § 5 Abs 2 SGB 2, § 7 Abs 1 S 1 SGB 2, § 8 Abs 1 SGB 2, § 26 Abs 2 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB 2 vom 17.07.2009, § 26 Abs 3 S 3 SGB 2 vom 17.07.2009, § 75 Abs 2 Alt 1 SGG, § 75 Abs 2 Alt 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 15.11.2012, Az. B 8 SO 3/11 R (REWIS RS 2012, 1387)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1387

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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B 4 AS 108/10 R (Bundessozialgericht)

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B 8 SO 7/09 R (Bundessozialgericht)

(Sozialhilfe - Belastungsgrenze - keine Kostenübernahme von Zuzahlungen zu Arzneimitteln und Praxisgebühren - kein "besonderer …


B 12 KR 3/11 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - freiwillig Versicherter - Verfassungsmäßigkeit von erhöhten Säumniszuschlägen auf Beitragsrückstände - Zahlung ab zweiten …


B 12 KR 13/12 R (Bundessozialgericht)

Bundesagentur für Arbeit - Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung durch Rentenversicherungsträger bei rückwirkender Aufhebung …


B 14 AS 8/14 R (Bundessozialgericht)

Arbeitslosengeld II - Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen der privaten Krankenversicherung - Krankenbehandlungskosten aufgrund vereinbarter Selbstbeteiligung - …


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