Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2010, Az. AnwZ (B) 103/09

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2010, 2919

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[X.][X.] ([X.]) 103/09 vom 29. September 2010 in dem Verfahren wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft - 2 - Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch [X.] Ganter, [X.] Schmidt-Räntsch, die Richterin [X.] und die Rechtsanwälte Prof. Dr. Stüer und Prof. Dr. [X.] am 29. September 2010 beschlossen: Auf die sofortige [X.]eschwerde des Antragstellers werden der [X.]e-schluss des 1. Senats des [X.]s des Landes [X.] vom 20. März 2009 und der Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 17. Juli 2008 aufgehoben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet. Der Geschäftswert für das [X.]eschwerdeverfahren wird auf 50.000 • festgesetzt. Gründe:[X.] Der Antragsteller ist seit August 1992 im [X.]ezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Mit [X.]escheid vom 17. Juli 2008 widerrief die An-tragsgegnerin seine Zulassung wegen [X.]. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen [X.]escheid hat der [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen [X.]e-schwerde. 1 - 3 - I[X.] Das nach § 215 Abs. 3 [X.]RAO [X.]. § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 [X.]RAO a.F. zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. 2 1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO ist die Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in [X.], schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. [X.]eweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senat, [X.]eschlüsse vom 25. März 1991 - [X.] ([X.]) 73/90, [X.]RAK-Mitt. 1991, 102; vom 21. November 1994 - [X.] ([X.]) 40/94, [X.]RAK-Mitt. 1995, 126; vom 26. November 2002 - [X.] ([X.]) 18/01, [X.], 577). Wird der Rechtsanwalt in das von dem Vollstreckungsgericht nach § 915 ZPO (oder das nach § 26 [X.] von dem [X.]) zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen, wird der [X.] gesetzlich vermutet. 3 2. Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des [X.] am 17. Juli 2008 nicht vor. 4 a) Ein Vermögensverfall kann bei dem Antragsteller nur aus [X.]eweisan-zeichen abgeleitet werden. Der Antragsteller war zwar im Jahre 2002 wegen der noch zu erörternden Forderung zu Nr. 6 der Forderungsliste der [X.] mit einem Haftbefehl in das Schuldnerverzeichnis des [X.] eingetragen worden. Diese Eintragung war aber im Zeitpunkt des Wi-derrufsbescheids wieder gelöscht. Damit wurde der Vermögensverfall bei dem 5 - 4 - Antragsteller im Zeitpunkt des [X.] nicht gesetzlich vermutet. Er war ihm vielmehr nachzuweisen. b) Ausreichende [X.]eweisanzeichen für einen Vermögensverfall bei dem Antragsteller lagen bei Erlass des [X.] nicht vor. 6 [X.]) Die Antragsgegnerin hat den Vermögensverfall in ihrem Widerrufs-bescheid im Wesentlichen unter Hinweis auf die in ihrer Forderungsliste aufge-führten Pfändungs- und sonstigen Vollstreckungsmaßnahmen begründet. Aus dieser Liste ergab sich, dass der Antragsteller seinerzeit folgende fünf rechts-kräftig festgestellte offene Verbindlichkeiten hatte: 7 Nr. 4. Forderung des Rechtsanwaltsversorgungswerks

in Höhe von 35.739,48 DM Nr. 6. Forderung von [X.]in Höhe von 365.768,16 DM nebst Zinsen und Kosten Nr. 24. Forderung der [X.]in Höhe von 21.706,52 • Nr. 28. Forderung der Gläubigerin [X.]in Höhe von 1.416,39 • Nr. 32. Forderung der Gläubigern G.

in Höhe von 50.000 • nebst Zinsen und Kosten. Diese Forderungen boten keine ausreichenden [X.]eweisanzeichen für ei-nen Vermögensverfall bei dem Antragsteller. Die Forderung zu Nr. 4 hatte der Antragsteller zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeglichen. Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin hatte er aber im Dezember 1998 eine Ra-tenzahlungsvereinbarung abgeschlossen, die er einhielt. Die Forderung zu Nr. 6 war bei Erlass des [X.] bereits erledigt. Die in der Forderungs-liste der Antragsgegnerin noch vermerkte Revision des Antragstellers gegen seine Verurteilung durch das [X.]. ist durch [X.]eschluss des [X.]undesgerichtshofs vom 3. Februar 2005 ( [X.]) nicht angenommen, die Verurteilung damit rechtskräftig geworden. Das ergibt sich auch aus dem Urteil 8 - 5 - des Landgerichts [X.]. in dem wegen der Forderung zu Nr. 24 geführten Rechtsstreit. Der Antragsteller hat im Verfahren vor dem Senat vorgetragen, er habe die Forderung daraufhin erfüllt und dazu die Darlehensverträge [X.], die er auch im Verfahren vor dem [X.] als [X.] aufgeführt und belegt hatte. Diese Darstellung überzeugt den Senat. Die angeführten drei Darlehensverträge haben ein Gesamtvolumen von 219.630,11 • (= 436.082,17 DM), was in etwa der aus dem Rechtsstreit ent-standenen [X.]elastung des Antragstellers entspricht (Hauptverurteilung in Höhe von 365.768,16 DM [X.] Kosten in Höhe von etwa 70.000 DM). Für die Rich-tigkeit des Vortrags des Antragstellers zu dieser Forderung spricht, dass [X.] schon seinerzeit nicht mehr betrieben wurden und der Antragsteller schon zuvor eine Prozessbürgschaft gestellt hatte. Die Forderung zu Nr. 24 war bei Erlass des [X.] offen und vorübergehend nicht geregelt. Der Antragsteller hatte zwar mit der [X.]vor Erlass des [X.] eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen, diese aber in dem Zeitraum, in dem die Antragsgegnerin den [X.] erließ, nicht erfüllt. [X.] Vermögensverhältnisse lassen sich hieraus aber nicht ableiten. Der Antragsteller hat nämlich vorgetragen, dass ihm die Ratenzahlungsverpflichtung aus dem [X.]lick geraten sei. Das erscheint hier plausibel, weil er schon im November 2008 eine neue Ratenzahlungsvereinba-rung geschlossen hat, die er seitdem auch einhält. Die verhältnismäßig gering-fügige Forderung zu Nr. 28 ergab kein ausreichendes [X.]eweisanzeichen dafür, dass der Antragsteller, der immerhin sehr umfangreiche Verbindlichkeiten hat erfüllen oder anderweit regeln können, in ungeordnete Vermögensverhältnisse geraten war, die er nicht mehr beherrschen konnte. 9 - 6 - Das Gegenteil ergab sich schließlich auch nicht aus der Forderung zu Nr. 32. Gegen den Antragsteller ist in dem Rechtsstreit, den seine Schwester wegen dieser Forderung gegen ihn führt, zwar ein Versäumnisurteil ergangen, durch das er verurteilt worden ist, 50.000 • nebst Zinsen zu zahlen und 1.641,96 • vorgerichtliche Kosten zu erstatten. Die Vollstreckung aus diesem Urteil war aber bei Erlass des [X.] bereits eingestellt, weil der Antragsteller die Kostenforderung seiner Schwester bezahlt und seine Schwes-ter die in der Sache unberechtigte Pfändung seiner Geschäftskonten hatte [X.] lassen. Im Übrigen vermochte diese Verurteilung die Vermögensverhält-nisse des Antragstellers auch deshalb nicht in Unordnung zu bringen, weil dem Antragsteller ausdrücklich eine [X.]eschränkung seiner Haftung auf den Nachlass vorbehalten war. Im ungünstigsten Falle konnte der Antragsteller deshalb nur das von seiner Mutter ererbte Hausgrundstück verlieren, aber keine zusätzli-chen Vermögensnachteile erleiden. 10 bb) [X.] Vermögensverhältnisse ergaben sich auch nicht aus folgenden sieben weiteren in der damaligen Forderungsliste der Antragsgegne-rin aufgeführten ungeklärten Forderungen: 11 15. Forderung der [X.] in Höhe von 3.218,07 • 16. Forderung der [X.] in Höhe von 1.022,58 • 18. Forderung der S. GmbH in Höhe von [X.] • 20. Forderung der [X.] in Höhe von 1.012,80 • 26. Forderung der [X.]. Telefonbuchverlag GmbH in Höhe von 275,62 • 27. Forderung der [X.]. Telefonbuch GmbH in unbekannter Höhe 30. Forderung von [X.]. in Höhe von 1.881,67 •. Verurteilungen lagen insoweit nur wegen der Forderungen zu Nr. 15 und zu Nr. 26 vor. Die übrigen Forderungen waren jedenfalls bei Erlass des [X.] nur gerichtlich geltend gemacht, ohne dass der Ausgang des 12 - 7 - Verfahrens absehbar war. Es konnte auch keineswegs davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller wegen sämtlicher dieser Forderungen würde verurteilt werden. Denn die Forderungsliste der Antragsgegnerin wies zu [X.] Zeitpunkt auch Forderungen aus, die gegen den Antragsteller erhoben worden waren, aber gerade nicht gerichtlich durchgesetzt werden konnten. cc) Ausreichende [X.]eweisanzeichen dafür, dass sich der Antragsteller bei Erlass des [X.] in Vermögensverfall befand, ergeben sich schließlich auch nicht, wenn man neben den vorerwähnten noch die übrigen Forderungen berücksichtigt, die sich aus der dem [X.]escheid beigefügten Forde-rungsliste ergaben. 13 Im Zeitpunkt des Widerrufs umfasste die Forderungsliste der [X.] zwar 33 Forderungen. Diese waren nicht sämtlich kurz vor dem Wider-rufsbescheid entstanden oder geltend gemacht worden, sondern in einem Zeit-raum von zwölf Jahren. Von den dort aufgelisteten Forderungen waren etwa 20% unbegründet. Den weit überwiegenden Teil, und gerade auch namhafte Forderungen, hatte der Antragsteller erfüllt oder durch eingehaltene [X.] geregelt. Die Forderungsliste wies ausdrücklich auch aus, dass der [X.] nach Mitteilung des Finanzamtes keinerlei Steuerrückstände hatte. Deshalb kann die Liste auch in ihrer Gesamtheit nicht als ein [X.]eleg dafür ange-sehen werden, dass der Antragsteller zur Erfüllung der bekannt gewordenen Forderungen "ein Loch unter Aufreißung eines anderen stopfte" und nur verde-cken wollte, dass er seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte. Er war vielmehr in der Lage, auch namhafte Forderungen, wie z.[X.]. die Forderung zu Nr. 6, zu erfüllen oder in einer Weise zu regeln, die ihm nach wie vor ein [X.] Wirtschaften erlaubte. 14 - 8 - c) Lagen die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung wegen [X.] bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor, kommt es nicht darauf an, ob sich ein Vermögensverfall aus den nach dem Widerruf eingeleite-ten weiteren vier Vollstreckungsverfahren ableiten lässt. Solche Zwangsvoll-streckungsaufträge könnten für sich genommen nur die Grundlage eines neuen Widerrufs bilden und den erlassenen Widerrufsbescheid nicht im Nachhinein rechtfertigen (Senat, [X.]eschluss vom 20. April 2009 - [X.] ([X.]) 20/08, juris). 15 3. Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die [X.]e-teiligten hierauf verzichtet haben. 16 II[X.] [X.] beruht auf § 215 Abs. 3 [X.]RAO [X.]. § 201 Abs. 2, § 62 Abs. 6 Satz 2 [X.]RAO a.F. [X.]. § 13a [X.] a.F. Von der Anord-nung, der Antragsgegnerin die Erstattung von Auslagen aufzugeben, sieht der Senat ab. 17 Ganter [X.][X.]
Stüer [X.] Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 20.03.2009 - 1 AGH 88/08 -

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AnwZ (B) 103/09

29.09.2010

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2010, Az. AnwZ (B) 103/09 (REWIS RS 2010, 2919)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2919

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