Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2006, Az. IX ZA 26/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5529

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[X.][X.] vom 19. Januar 2006 in dem Insolvenzverfahren - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.] Ganter, [X.], [X.] und Dr. [X.] am 19. Januar 2006 beschlossen: Dem Antragsteller wird die zur Durchführung der Rechtsbe-schwerde gegen den [X.]uss der Zivilkammer 26 des [X.] vom 4. Oktober 2005 nachgesuchte [X.] versagt. Gründe: [X.] Auf Antrag vom 15. Februar 2000 wurde am 7. März 2000 das Insol-venzverfahren über das Vermögen des Antragstellers (i.F.: Schuldner) eröffnet. Mit schriftlicher Erklärung vom 15. Mai 2000 beantragte dieser die Erteilung der Restschuldbefreiung; zugleich trat er seine pfändbaren Forderungen aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die [X.] von sieben Jahren nach der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens an den vom Insolvenzgericht zu bestimmenden Treuhänder ab. Mit [X.]uss vom 14. Juli 2005 kündigte das Insolvenzgericht dem Schuldner die Rest-schuldbefreiung an. In dem [X.]uss, der dem Schuldner persönlich am 16. Juli 2005 und seinem Verfahrensbevollmächtigten am 20. Juli 2005 [X.] - 3 - stellt wurde, ist ausgeführt, dass die Laufzeit der Abtretung mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens beginne und sieben Jahre betrage. Gegen diesen [X.]uss hat der Schuldner am 5. September 2005 so-fortige Beschwerde eingelegt und zugleich die Wiedereinsetzung in die [X.] Beschwerdefrist beantragt. In der Sache selbst will er erreichen, dass ihm die Restschuldbefreiung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bereits nach sechs, spätestens aber nach sieben Jahren ab Eröffnung des [X.] gewährt wird. Zur Begründung des [X.] hat er vorgetragen, sein Verfahrensbevollmächtigter teile bei der [X.] gerichtlicher Entscheidungen vor Unterzeichnung des [X.] regelmäßig einer zuverlässigen [X.] die [X.] mit. Diese trage die Fristen sowohl in das entsprechende [X.] als auch in die Handakte ein. Dabei würden sowohl der Fristablauf als auch eine vierzehntätige [X.] vermerkt. Nach Ablauf der [X.] und dann noch einmal am Tag des Fristablaufs selbst werde die Handakte dem anwaltlichen Sachbe-arbeiter mit deutlichen Hinweisen in Form farbiger Zettel vorgelegt. Die Fristen würden erst nach Bearbeitung von der [X.] gelöscht. Es handele sich dabei um eine geschulte, erfahrene und sehr zuverlässige Mitarbeiterin, die den [X.] seit mehr als eineinhalb Jahren sorgfältig und fehlerlos ge-führt habe, was sich durch regelmäßige anwaltliche Kontrollen bestätigt habe. Auch in diesem Fall habe der Rechtsanwalt der [X.] die Fristen mündlich mitgeteilt. Diese habe aber leider die Eintragung der Fristen in die Handakte und in die EDV vergessen, weshalb die rechtzeitige Wiedervorlage unterblieben sei. 2 Das [X.] hat die beantragte Wiedereinsetzung versagt, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass den Prozessbevollmächtigten des [X.] - 4 - tragstellers ein Organisationsverschulden an der Versäumung der Rechtsmittel-frist treffe. Die sofortige Beschwerde hat es dementsprechend als unzulässig verworfen. Dagegen möchte sich der Antragsteller mit einer Rechtsbeschwerde wenden, für die er vorab um Prozesskostenhilfe nachsucht. I[X.] Prozesskostenhilfe kann dem Antragsteller nicht gewährt werden, weil das beabsichtigte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO). 4 1. Die Rechtsbeschwerde wäre zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 7 [X.] statthaft. Einer in Rechtsprechung und Schrifttum ver-tretenen gegenteiligen Auffassung ([X.] Z[X.] 2001, 75; [X.] Z[X.] 2001, 811; HK-[X.]/Kirchhof, 4. Aufl. § 7 Rn. 8; FK-[X.]/ [X.], 4. Aufl. § 7 Rn. 3b), wonach hier nur eine Erstbeschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Verbindung mit § 4 [X.] statthaft sei, folgt der [X.] nicht. Die Entscheidung über die Wiedereinsetzung kann nur zusammen mit der Hauptsacheentscheidung angefochten werden, sofern diese bereits ergangen ist. Soweit sich der Beschwerdeführer nicht nur gegen die Verwerfung der Erst-beschwerde, sondern zugleich gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung wendet, ist der Rechtsbehelf gegeben, der für die Anfechtung der Entscheidung über die nachgeholte Verfahrenshandlung eröffnet wäre (§ 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Im Falle der Verwerfung einer sofortigen Beschwerde ist dies die Rechtsbeschwerde (vgl. [X.], ZPO 22. Aufl. § 238 Rn. 11; [X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. § 238 Rn. 7; Musielak/[X.], ZPO 4. Aufl. § 238 Rn. 6; [X.], ZPO § 238 Rn. 8). 5 - 5 - 2. Die Rechtsbeschwerde wäre indes nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Ent-scheidung des [X.] nicht erfordern. 6 a) Die Frage, welche Sorgfaltspflichten ein Rechtsanwalt zu erfüllen hat, der bei der Eintragung und Überwachung von [X.] Hilfskräfte einsetzt, ist höchstrichterlich geklärt. Grundsätzlich muss ein Rechtsanwalt nicht die Erledigung jeder konkreten [X.] überwachen. Im Allgemeinen darf er darauf vertrauen, dass eine zuverlässige Büroangestellte auch mündli-che Anweisungen richtig befolgt (st. Rspr., vgl. [X.], [X.]. v. 4. November 2003 - [X.], NJW 2004, 688, 689; v. 5. November 2002 - [X.], [X.], 435, 436; v. 20. April 2000 - [X.], [X.], 214; v. 23. November 2000 - [X.] ZB 83/00, NJW 2001, 1578, 1579). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt jedoch, wenn die Anweisung einen so wichtigen Vor-gang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist betrifft und sie nur mündlich er-teilt wird. In diesem Fall müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. Das Fehlen jeder Sicherung bedeutet einen Organisationsmangel (vgl. [X.], [X.]. v. 22. Juni 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 1361; v. 4. November 2003 aaO; v. 5. November 2002 aaO; v. 17. September 2002 - [X.], [X.], 3782 f; v. 10. Oktober 1991 - [X.], [X.], 574; [X.], [X.], 555; 1995, 494). Bei der [X.] gerichtlicher Entscheidungen, die mit fristgebundenen Rechtsmitteln an-fechtbar sind, darf der Rechtsanwalt das [X.] grundsätzlich erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittel-frist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im [X.] notiert wur-7 - 6 - de (vgl. [X.], [X.]. v. 5. November 2002 aaO; v. 17. September 2002 aaO; v. 26. März 1996 - [X.], [X.], 1900, 1901; v. 25. März 1992 - [X.], [X.], 1536). b) Die im [X.] gestellte Frage nach der Verfas-sungsmäßigkeit des Art. 103a [X.] ist nicht entscheidungserheblich; ob sie rechtsgrundsätzlich wäre, kann dahinstehen. Das [X.] hat die [X.] Wiedereinsetzung mit Recht versagt und deshalb zutreffend die sofortige Be-schwerde als unzulässig verworfen. Den Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners trifft hier nach den genannten Maßstäben ein [X.]. Es fehlte an Vorkehrungen dagegen, dass die Ausführung einer mündlich erteilten anwaltlichen Anweisung an die Mitarbeiterin, die [X.] im elektronisch geführten [X.] und in der Handakte zu no-tieren, unterblieb. Eine solche Vorkehrung hätte zweckmäßigerweise darin be-stehen können, dass der Rechtsanwalt das [X.] stets erst nach Vorlage der Handakte, in der die Rechtsmittelfrist und die Erledigung der Fristeintragung zu vermerken gewesen wäre, unterzeichnet. Es widerspricht dem in Fristangelegenheiten anzuwendenden strengen Sorgfaltsmaßstab, 8 - 7 - wenn ein Erledigungsvermerk in den Handakten nicht vorgesehen ist, weil da-durch von vornherein eine Kontrolle, ob die Eintragung tatsächlich erfolgt ist, ohne Einsicht in den [X.] unmöglich gemacht wird (vgl. [X.], [X.]. v. 5. Februar 2003 - [X.], [X.], 1815, 1816). Dr. [X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 14.07.2005 - 67e IN 33/00 - [X.], Entscheidung vom 04.10.2005 - 326 [X.] -

Meta

IX ZA 26/05

19.01.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZA

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2006, Az. IX ZA 26/05 (REWIS RS 2006, 5529)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5529

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