Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2013, Az. 8 AZR 974/12

8. Senat | REWIS RS 2013, 1851

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Betriebsübergang - Verwirkung des Widerspruchsrechts - Umstandsmoment


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 4. Juli 2012 - 6 [X.]/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Widerspruchs des [X.] gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge Betriebsübergangs, um die Wirksamkeit einer vorsorglichen Kündigung der [X.] und um [X.]ansprüche.

2

Der Kläger hatte im November 1985 ein Arbeitsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin der [X.], der [X.], begonnen. Bei dieser wurde er mit Arbeitsvertrag vom 27. [X.]ril 1992 zum Leiter ihres Teilbetriebs in der Werkskantine der Firma A (A) in [X.] befördert. Der Teilbetrieb ging am 1. [X.]ril 1996 auf die Beklagte über. Diese setzte dort zuletzt acht Arbeitnehmer ein, der Kläger war auch [X.] und verdiente monatlich 3.438,40 Euro brutto.

3

[X.]it Schreiben vom 12. November 2010 informierte die Beklagte den Kläger und die übrigen Arbeitnehmer des [X.], dass dieser Betrieb zum 1. Januar 2011 auf die [X.] ([X.]) übergehen werde. Die Beklagte hatte den [X.] mit der Auftraggeberin zum 31. Dezember 2010 verloren. Die [X.] übernahm am 1. Januar 2011 die [X.] und führte diese mit dem gleichen Konzept fort, wie es zuvor die Beklagte ihren Caterer-Dienstleistungen zugrunde gelegt hatte. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es am 1. Januar 2011 zu einem Betriebsübergang auf die [X.] gekommen ist.

4

Der Kläger bot am 3. Januar 2011 seine Arbeitsleistung bei [X.] an. Diese lehnte ab, weil sie sich nicht als Betriebserwerberin sah. Daraufhin bot der Kläger seine Arbeitskraft am 4. Januar 2011 der [X.] an, diese lehnte ab, weil es aus ihrer Sicht zu einem Betriebsübergang gekommen war. Der Kläger ließ durch Anwaltsschreiben vom selben Tage sein Angebot gegenüber der [X.] wiederholen, forderte eine Bestätigung über den Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien und behielt sich etwaige Rechte bezüglich eines Widerspruchs „gegen den Betriebsübergang“ ausdrücklich vor.

5

Am 26. Januar 2011 erhob der Kläger Klage gegen die [X.] mit dem Antrag, den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und [X.] festzustellen. Der [X.] verkündete er den Streit. Nach einer Kündigung der [X.] erweiterte der Kläger seine Klage um einen Kündigungsschutzantrag.

6

Unter dem 15. [X.]ärz 2011 machte der Kläger gegenüber der [X.] [X.]ansprüche durch Anwaltsschreiben geltend, ausdrücklich behielt er sich unter [X.] dabei die Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB vor. Die Ziff. [X.] dieses Schreibens lautete:

„Im übrigen wird anheim gestellt, innerhalb oben genannter Frist - ggfs. in Abstimmung mit der Firma [X.] - ein einvernehmliches Vergleichsangebot vorzulegen.

Aufgrund der Betriebsratstätigkeit meines [X.]andanten erachten wir das bisherige Angebot (Faktor 0,5) als völlig unzureichend.“

7

Den Rechtsstreit des [X.] mit [X.] vor dem [X.] - 3 [X.]/11 - beendeten die dortigen Parteien auf Vorschlag des Gerichts durch Vergleich, der am 26. [X.]ril 2011 nach § 278 Abs. 6 ZPO mit folgendem Inhalt festgestellt wurde:

„1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass kein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB vorliegt, dass das Arbeitsverhältnis demzufolge nicht auf die Beklagte übergegangen ist und auch sonst kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet wurde und somit nicht besteht.

2. Die Beklagte zahlt an den Kläger einen Betrag in Höhe von [X.] 45.000,00 (in Worten: [X.]). Etwaige hierauf anfallende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sind von dem Kläger zu tragen.

3. [X.]it Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle etwaigen wechselseitigen finanziellen Ansprüche zwischen den Parteien, gleich welcher Art und gleich, ob bei Abschluss dieses Vergleiches bekannt oder unbekannt, erledigt und ausgeglichen. Dem Kläger bleibt die Geltendmachung des Widerspruchsrechts gemäß § 613a Abs. 5 und 6 BGB gegenüber der Firma [X.] vorbehalten.

…“

8

Der Kläger erklärte gegenüber der [X.] am 5. [X.]ai 2011 den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge Betriebsübergangs, wobei er darauf hinweisen ließ, die Unterrichtung über einen etwaigen Betriebsübergang sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Sodann erhob er gegen die Beklagte am 30. [X.]ai 2011 Klage mit dem Ziel der Feststellung eines Arbeitsverhältnisses, der Weiterbeschäftigung und der Zahlung von [X.]. Eine vorsorgliche Kündigung der [X.] griff er durch Klageerweiterung an.

9

Dazu hat der Kläger die Auffassung vertreten, sein Widerspruch vom 5. [X.]ai 2011 sei wirksam, da die Frist infolge eines fehlerhaften Unterrichtungsschreibens nach § 613a Abs. 6 BGB noch nicht zu laufen begonnen habe. Das Recht zum Widerspruch habe er nicht verwirkt. Zum einen seien zwischen der fehlerhaften Unterrichtung und seinem Widerspruch weniger als sechs [X.]onate vergangen, zum anderen fehle es jedenfalls am Umstandsmoment. Er habe sich stets sowohl gegenüber der [X.] als auch gegenüber [X.] sein Widerspruchsrecht vorbehalten. Eine Disposition über sein Arbeitsverhältnis habe er nicht getroffen, auch nicht durch den Vergleich vom 26. [X.]ril 2011 mit [X.]. Denn die dortigen Parteien seien gerade davon ausgegangen, dass es einen Betriebsübergang nicht gegeben habe. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen dürfen, dass er von der Option des Widerspruchs keinen Gebrauch mehr machen werde; nach Abschluss des Vergleiches habe er ihn alsbald erklärt.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 27. [X.]ril 1992 als Betriebsleiter zu beschäftigen;

3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der [X.] vom 31. [X.]ai 2011 nicht beendet worden ist

sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm [X.] für die Zeit von Januar bis Oktober 2011 zu zahlen.

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte mit der Auffassung begründet, der Kläger habe seinen Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses verwirkt. Er verhalte sich zudem widersprüchlich, wenn er sich mit [X.] darauf verständigt habe, dass ein Betriebsübergang nicht stattgefunden habe, unmittelbar im [X.] daran jedoch dies gegenüber der [X.] wieder geltend mache.

Das Arbeitsgericht hat den [X.] sowie dem Weiterbeschäftigungsantrag des [X.] ganz, den Zahlungsanträgen teilweise stattgegeben. Während die Berufung des [X.], soweit das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, erfolglos blieb, hatte die Berufung der [X.] vor dem [X.] vollumfänglich Erfolg. [X.]it der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] hat keinen Erfolg. Das [X.] hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass der Kläger sein Recht zum Widerspruch gegen den Übergang seines [X.]rbeitsverhältnisses auf die [X.] verwirkt hat.

[X.]. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Es sei festzustellen, dass nach den vom Kläger im Prozess gegen [X.] vorgetragenen Umständen und nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten die [X.] mit Wirkung zum 1. Januar 2011 die Bewirtschaftung der Betriebskantine der [X.] übernommen habe und dabei ein Übergang des [X.] [X.] von der Beklagten auf [X.] stattgefunden habe. Damit sei das [X.]rbeitsverhältnis des [X.] am 1. Januar 2011 auf die [X.] übergegangen.

Da der Kläger sein Recht zum Widerspruch verwirkt habe, stehe dem sein am 5. Mai 2011 erklärter Widerspruch nicht entgegen. Das Unterrichtungsschreiben der Beklagten zum Übergang des [X.] sei zwar fehlerhaft gewesen, die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Widerspruchsrechts durch den Kläger lägen aber vor. Neben dem Zeitmoment habe der Kläger unbeschadet seiner Widerrufsvorbehalte auch das Umstandsmoment verwirklicht. Der Vergleich mit [X.], bestätigt durch das [X.]rbeitsgericht am 26. [X.]ril 2011, stelle eine Disposition über das [X.]rbeitsverhältnis des [X.] dar. Gegenstand des durch diesen Vergleich beendeten Prozesses seien die Feststellungsklage und die Kündigungsschutzklage des [X.] gegen [X.] gewesen. Der materiellen Rechtslage entsprechend habe der Kläger [X.] als Betriebsübernehmerin in [X.]nspruch genommen. Mit dem Vergleich habe er - unbeschadet des [X.] - über sein [X.]rbeitsverhältnis disponiert, da er bei tatsächlich und rechtlich stattgefundenem Betriebsübergang eine Einigung mit [X.] erzielt habe, dass ein [X.]rbeitsverhältnis nicht zustande gekommen und der Streit um die Kündigung erledigt sei. Dies genüge als Disposition, auch wenn die vereinbarte Zahlung nicht als [X.]bfindungszahlung für die Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses deklariert worden sei.

B. Diese Begründung hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Der Teilbetrieb [X.] ist zum 1. Januar 2011 von der Beklagten auf die [X.] nach § 613a BGB übergegangen.

1. Das [X.] hat festgestellt, dass die [X.] mit Wirkung zum 1. Januar 2011 die Bewirtschaftung der Betriebskantine von [X.] in M übernommen hat. Dabei führte [X.] das Betriebsrestaurant bei dem Kunden [X.] unverändert in denselben Räumen unter Nutzung der bisherigen Betriebsmittel fort. Das Betriebskonzept wurde nicht geändert. Es wurde weiterhin eine Frischeküche von [X.] genutzt und dort wurden wie zuvor Speisen zubereitet. Die Verköstigung erfolgte unverändert im möblierten Speisesaal. [X.] hat sämtliches Küchenequipment wie Geschirr, Theken, Küchengeräte und Kassensystem übernommen und ab dem 1. Januar 2011 identisch weitergenutzt. Die [X.] wurde unverändert fortgeführt, wobei auch die Mitarbeiterstruktur im Hinblick auf den Grad der Beschäftigung von Voll- und Teilzeitmitarbeitern erhalten blieb. [X.], Dienstpläne und Öffnungszeiten sind ebenfalls nahezu unverändert geblieben.

2. Diese Feststellungen tragen die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts, ein Betriebsübergang auf [X.] habe stattgefunden. Diese Feststellung ist vom Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und für den [X.] bindend (§ 559 [X.]bs. 2 ZPO). Das [X.]rbeitsverhältnis des [X.] ist daher am 1. Januar 2011 nach § 613a [X.]bs. 1 Satz 1 BGB auf die [X.] übergegangen.

II. Das Informationsschreiben der Beklagten vom 12. November 2010 stellt keine ordnungsgemäße Unterrichtung über den Betriebsübergang nach § 613a [X.]bs. 5 BGB dar, da es Fehler enthält.

So wurde unter Ziff. 4 der Kläger darüber informiert, sein [X.]rbeitsverhältnis gehe in dem zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Zustand auf „[X.]r“ über. [X.]uch nach Ziff. 7 Satz 5 wurde der Kläger darüber informiert, dass er seinen Widerspruch gegenüber der Beklagten oder „[X.]r“ erklären könne. Ein Informationsschreiben mit derartigen sinnentstellenden Fehlern, mögen sie auch auf einer fehlerhaften redaktionellen Bearbeitung beruhen, ist untauglich iSd. § 613a [X.]bs. 5 BGB.

III. Infolge der nicht den [X.]nforderungen des § 613a [X.]bs. 5 BGB entsprechenden Unterrichtung des [X.] zum Betriebsübergang wurde die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a [X.]bs. 6 BGB nicht in Lauf gesetzt (st. Rspr., vgl. B[X.]G 18. März 2010 - 8 [X.]ZR 840/08 - [X.]P BGB § 613a Unterrichtung Nr. 14; zuletzt 15. März 2012 - 8 [X.]ZR 700/10 - Rn. 27, [X.]P BGB § 613a Widerspruch Nr. 29 = Ez[X.] BGB 2002 § 613a Nr. 133). Zum Zeitpunkt seiner [X.]usübung am 5. Mai 2011 war das Widerspruchsrecht daher nicht nach § 613a [X.]bs. 6 BGB verfristet.

IV. Ohne Rechtsfehler hat das [X.] angenommen, der Kläger habe sein Recht zum Widerspruch gegen den Übergang seines [X.]rbeitsverhältnisses auf [X.] verwirkt, weil er bei Erklärung des Widerspruchs sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment verwirklicht hatte.

1.a) Das Widerspruchsrecht kann wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine [X.]nwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (st. Rspr., vgl. B[X.]G 22. Juni 2011 - 8 [X.]ZR 752/09 - Rn. 28; 12. November 2009 - 8 [X.]ZR 751/07 - Rn. 22 f., [X.]P BGB § 613a Widerspruch Nr. 12). Die Richtlinie 2001/23/[X.] vom 12. März 2001 steht dem nicht entgegen. Das Widerspruchsrecht des [X.]rbeitnehmers ist in der Richtlinie nicht vorgesehen, jedoch vom [X.] als sich nach nationalem Recht bestimmend anerkannt (vgl. [X.] 24. Januar 2002 - [X.]/00 - [[X.]] Rn. 36 mwN, Slg. 2002, [X.]). Zur Sanktionierung des Verstoßes gegen die Unterrichtungspflichten der Richtlinie 2001/23/[X.] ist ein Widerspruchsrecht ad infinitum aber nicht erforderlich (vgl. [X.] ZIP 2011, 1641, 1647). So erkennt der [X.] bspw. bei [X.]usschlussfristen das Interesse an Rechtssicherheit an, da mit solchen Fristen die [X.]usübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert wird (vgl. [X.] 8. Juli 2010 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 36, Slg. 2010, [X.]). Das Widerspruchsrecht muss den [X.]rbeitnehmern nicht unbegrenzt, sondern nur so lange erhalten bleiben, wie es für eine effektive und verhältnismäßige Sanktionierung des Unterrichtungsfehlers geboten ist (vgl. [X.] aaO, 1648).

b) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes (§ 242 BGB) und dient dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Mit der Verwirkung soll das [X.]useinanderfallen zwischen rechtlicher und [X.] Wirklichkeit beseitigt werden; die Rechtslage wird der [X.] Wirklichkeit angeglichen (vgl. B[X.]G 12. Dezember 2006 - 9 [X.]ZR 747/06 - Rn. 17 mwN, Ez[X.] BGB 2002 § 242 Verwirkung Nr. 1). Die Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in [X.]nspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des [X.]nspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

c) [X.]ngesichts der gesetzlichen Regelung ist hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine bestimmte Frist abzustellen. Entscheidend sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalles. [X.]uch ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Zeitmoment und Umstandsmoment beeinflussen sich wechselseitig, dh. beide Elemente sind bildhaft im Sinne „kommunizierender Röhren“ miteinander verbunden (vgl. B[X.]G 22. Juni 2011 - 8 [X.]ZR 752/09 - Rn. 30). Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den [X.]nspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein [X.]nspruch verwirken (B[X.]G 24. Juli 2008 - 8 [X.]ZR 175/07 - Rn. 27, [X.]P BGB § 613a Nr. 347). Umgekehrt gilt, je mehr Zeit seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs verstrichen ist und je länger der [X.]rbeitnehmer bereits für den Erwerber gearbeitet hat, desto geringer sind die [X.]nforderungen an das Umstandsmoment (B[X.]G 22. Juni 2011 - 8 [X.]ZR 752/09 - aaO). Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (vgl. B[X.]G 22. [X.]ril 2010 - 8 [X.]ZR 871/07 - Rn. 29; 24. Juli 2008 - 8 [X.]ZR 175/07 - aaO).

d) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt grundsätzlich den [X.]en, die den ihnen zur Begründung des [X.] vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. [X.]llerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das [X.] die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet sowie alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und ob die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (vgl. B[X.]G 11. November 2010 - 8 [X.]ZR 185/09 - Rn. 25; 20. Mai 2010 - 8 [X.]ZR 734/08 - Rn. 24, [X.]P BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = Ez[X.] BGB 2002 § 613a Nr. 119; abweichend zur Prozessverwirkung: 20. Mai 1988 - 2 [X.]ZR 711/87 - [X.]P BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 5 = Ez[X.] BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 1).

2. Zu Recht hat das [X.] angenommen, vorliegend sei das Zeitmoment der Verwirkung erfüllt. Die nach der Rechtsprechung des [X.]s erforderliche Gesamtbetrachtung (B[X.]G 24. Februar 2011 - 8 [X.]ZR 413/09 - Rn. 29) hat das Landearbeitsgericht angestellt. Eine Frist von knapp sechs Monaten zwischen der Belehrung vom 12. November 2010 und der Erklärung des Widerspruchs oder von knapp fünf Monaten seit dem Ende der hypothetischen Widerspruchsfrist kann für die Erfüllung des Zeitmoments ausreichend sein, zumal das [X.] zu Recht in die Gesamtbetrachtung einbezogen hat, dass am 26. Januar 2011 der Kläger in der Lage war, die [X.] wegen des Übergangs seines [X.]rbeitsverhältnisses aufgrund eines Betriebsübergangs zu verklagen. Er hat der Beklagten dabei den Streit verkündet, sie folglich davon ausdrücklich in Kenntnis gesetzt, dass er gegen die [X.] wegen eines Betriebsübergangs vorgehe. Dass er sich sowohl davor als auch bei der Geltendmachung von [X.]nnahmeverzugslohnansprüchen Mitte März 2011 die Erklärung eines Widerspruchs „vorbehalten hat“, ist für die Verwirklichung des Zeit- wie des [X.] ohne Bedeutung. Der [X.] hat entschieden, dass derartige „Vorbehalte“ weder für sich genommen verwirkungshemmend sind noch dass sie einen Umstand im Sinne der Verwirkung darstellen (vgl. B[X.]G 2. [X.]ril 2009 - 8 [X.]ZR 178/07 - Rn. 26, [X.]P BGB § 613a Widerspruch Nr. 9). Vorliegend hat der Kläger den Vorbehalt nicht so oft - folgenlos - erklärt, dass insoweit an die Verwirklichung auch des [X.] gedacht werden müsste.

3. Rechtsfehlerfrei ist das [X.] weiter davon ausgegangen, der Kläger habe auch das Umstandsmoment verwirklicht.

a) [X.]ls ein Umstand, der das Vertrauen des bisherigen [X.]rbeitgebers in die Nichtausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a [X.]bs. 6 BGB rechtfertigen kann, muss gelten, wenn der [X.]rbeitnehmer über die Beendigung seines [X.]rbeitsverhältnisses dadurch disponiert hat, dass er einen [X.]ufhebungsvertrag mit dem [X.] geschlossen oder eine von diesem nach dem Betriebsübergang erklärte Kündigung hingenommen hat (vgl. B[X.]G 22. [X.]ril 2010 - 8 [X.]ZR 805/07 - Rn. 37; 21. Januar 2010 - 8 [X.]ZR 870/07 - Rn. 33 f.; 20. März 2008 - 8 [X.]ZR 1016/06 - Rn. 41; 27. November 2008 - 8 [X.]ZR 225/07 - Rn. 37).

b) Vorliegend hat der Kläger zwar gemäß dem Wortlaut des Vergleiches mit [X.] nicht über den Bestand seines [X.]rbeitsverhältnisses „disponiert“ und keine [X.]bfindung für die Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses vereinbart, sondern nur eine nicht näher deklarierte Zahlung. Das [X.] hat jedoch zu Recht im Vergleichsabschluss eine Disposition des [X.] über sein [X.]rbeitsverhältnis gesehen. Denn der Kläger hatte [X.] auf der Grundlage des Übergangs seines [X.]rbeitsverhältnisses infolge eines Betriebsübergangs als neue [X.]rbeitgeberin verklagt. Ebenso hatte er eine von [X.] als [X.]rbeitgeberin ausgesprochene Kündigung mit einem Kündigungsschutzantrag beantwortet. Beides war ebenso rechtlich zutreffend wie geboten, um den Bestand seines tatsächlich auf [X.] übergegangenen [X.]rbeitsverhältnisses zu sichern. Mit diesem Prozess erklärte der Kläger daher nichts weniger, als dass er - tatsächlich und rechtlich zutreffend - [X.] als seinen neuen, durch Gesetz nach § 613a [X.]bs. 1 Satz 1 BGB in sein [X.]rbeitsverhältnis eingeführten [X.]rbeitgeber verstand. Zu Recht hat daher das [X.] aus dem Prozessverhalten des [X.] geschlossen, er habe mit [X.] um sein [X.]rbeitsverhältnis gestritten. Diesen Streit hat der Kläger durch den Vergleich, wie am 26. [X.]ril 2011 gerichtlich festgestellt, beendet und damit über sein allein mit [X.] bestehendes [X.]rbeitsverhältnis disponiert. Zutreffend hat daher das [X.] auch die vereinbarte Zahlung von 45.000,00 Euro im Zusammenhang mit gerade diesem Streitgegenstand gesehen, auch wenn sie nicht als „[X.]bfindung“ bezeichnet wurde. Die Verpflichtung, eine erhebliche Geldsumme zu zahlen, kann plausibel und ohne Verstoß gegen Denkgesetze nur damit erklärt werden, dass das vom Kläger angestrengte Prozessrisiko, also der Bestand eines [X.]rbeitsverhältnisses zwischen ihm und [X.], abgewendet werden sollte.

Dem kann der Kläger nicht Ziff. 1 des Vergleiches, wie am 26. [X.]ril 2011 festgestellt, entgegenhalten. Diese Klausel steht schon im Widerspruch zu Ziff. 3 Satz 1 des Vergleiches, wonach mit Erfüllung dieser Vereinbarung alle etwaigen wechselseitigen finanziellen [X.]nsprüche zwischen den Parteien, gleich welcher [X.]rt und gleich ob bei [X.]bschluss des Vergleiches bekannt oder unbekannt, erledigt und ausgeglichen sein sollten. Eine solche Klausel macht zwischen Prozessgegnern, die keinerlei Rechtsverhältnis zwischen sich sehen, keinen Sinn. Insbesondere aber steht Ziff. 1 des Vergleiches in Widerspruch zu Ziff. 3 Satz 2 der Vereinbarung mit [X.], durch die sich der Kläger die Geltendmachung des Widerspruchsrechts nach § 613a [X.]bs. 5 und [X.]bs. 6 BGB gegenüber der Beklagten vorbehalten hat. Der Vorbehalt eines Widerspruchsrechts nach § 613a BGB erklärt sich allein aus der [X.]nnahme eines Betriebsübergangs. Damit stellt sich Ziff. 1 des Vergleiches als unernsthafte Vereinbarung dar, die zum Schein getroffen wurde. Die Klausel sollte nur dem Zweck dienen, ein Umstandsmoment der Verwirkung zu vereiteln und den Kläger in die Lage zu versetzen, den Bestand seines [X.]rbeitsverhältnisses [X.] - diesmal gegen die Beklagte - geltend zu machen, wobei der Kläger entsprechende Vorstellungen schon mit Ziff. III. seines Geltendmachungsschreibens vom 15. März 2011 angedeutet hatte. Das [X.] hat diese Klausel ohne Rechtsfehler als unerheblich unbeachtet gelassen.

C. Der Kläger hat nach § 97 [X.]bs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    v. Schuckmann    

        

    F. [X.]venarius    

                 

Meta

8 AZR 974/12

17.10.2013

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt, 20. Dezember 2011, Az: 4 Ca 3613/11, Urteil

§ 613a Abs 1 S 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 BGB, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2013, Az. 8 AZR 974/12 (REWIS RS 2013, 1851)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1851

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

8 AZR 700/10 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsübergang - Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses - Verwirkung


8 AZR 872/08 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsübergang - fehlerhafte Unterrichtung - Widerspruch - Verwirkung


8 AZR 740/08 (Bundesarbeitsgericht)


8 AZR 204/10 (Bundesarbeitsgericht)


8 AZR 977/08 (Bundesarbeitsgericht)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.