Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.03.2020, Az. B 3 KR 5/19 BH

3. Senat | REWIS RS 2020, 12194

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs - Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung trotz Abwesenheit eines Beteiligten


Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 28. November 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin begehrt erneut die Ausstattung mit einem sog [X.] (vorhergehender erfolgloser Rechtsstreit ua: Urteil des [X.] vom 18.6.2009 - [X.] 189/08 - und [X.] Beschluss vom 22.12.2009 - B 3 KR 3/09 BH). Ihren Antrag vom 22.5.2018 stützt die Klägerin nun auf ein nervenärztliches Attest vom [X.], wonach sie das begehrte Gerät gegen den eingetretenen Muskelabbau aufgrund ihrer vielfachen chemischen Überempfindlichkeiten, toxischen Schädigungen, chronischem Müdigkeitssyndrom und Fibromyalgien benötige. Widerspruch, Klage (Gerichtsbescheid des [X.] vom [X.]) und Berufung (Urteil des [X.] vom 28.11.2019) sind ohne Erfolg geblieben. Das [X.], welches zur mündlichen Verhandlung ohne Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin geladen hatte, hat im Urteil ausgeführt, die Klägerin habe, abgesehen davon, dass keine vertragsärztliche Verordnung vorliege, keinen Anspruch auf die Versorgung mit dem [X.]. Es handele sich hierbei um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil es nicht vorwiegend für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt worden sei. Der Hinweis auf einen Anspruch aus § 2 Abs 1a [X.] gehe fehl, weil bei der Klägerin keine Erkrankung ersichtlich sei, deren Behandlung sie mithilfe des begehrten Geräts sicherstellen wolle. Zuvor hatte das [X.] einen im Berufungsverfahren nach Ladung erneut gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe ([X.]) mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. [X.] komme auch nicht deshalb in Betracht, weil die Klägerin kurzfristig geltend gemacht habe, ihr sei die Terminwahrnehmung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Dies habe sie nämlich nicht durch aussagekräftige Unterlagen belegt.

2

Zur Durchführung des Verfahrens über die beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 28.11.2019 hat die Klägerin die Bewilligung von [X.] unter Beiordnung von Rechtsanwalt [X.] beantragt. Sie rügt im Wesentlichen, sowohl der (Vorsitzende) [X.] S. beim [X.] als auch die [X.]in am [X.] habe sie wegen Rechtsbeugung anlässlich eines anderen Verfahrens im Jahre 2008 angezeigt, deswegen müsse sie davon ausgehen, dass deren Entscheidungen aufzuheben seien. Ihr Recht auf ein faires Verfahren und Chancengleichheit sei über dies verletzt, weil ihr Anspruch auf [X.] wiederholt abgelehnt worden sei. Sie habe gesundheitsbedingt nicht zur mündlichen Verhandlung anreisen können, aus diesem Grund habe ihr ein Anwalt beigeordnet werden müssen. Aufgrund eines Systemversagens könne sie hinreichende Erfolgsaussichten aus § 2 Abs 1a [X.] herleiten.

3

II. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von [X.] und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem [X.] nur dann [X.] bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ua die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es vorliegend.

4

In dem Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision geht es nicht darum, ob die Entscheidung des [X.] richtig oder falsch ist. Für die Zulassung der Revision muss vielmehr einer der in § 160 Abs 2 [X.] bis 3 SGG abschließend aufgeführten Gründe vorliegen. Nach der im [X.]-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels liegt aber keiner der Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 SGG vor, sodass auch ein zugelassener Bevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) voraussichtlich keinen Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 SGG mit Erfolg rügen könnte.

5

Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2. die Entscheidung des [X.] von einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

6

Bestimmte Verfahrensrügen sind jedoch nur eingeschränkt oder gar nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu begründen (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 SGG).

7

Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision auf § 160 Abs 2 [X.] SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 [X.] SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bislang nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt. Dass im Rechtsstreit der Klägerin eine solche Rechtsfrage von Bedeutung sein könnte, ist nicht ersichtlich. Die Klägerin beruft sich vielmehr auf ihren Gesundheitszustand und ihre krankheitsbedingten Beschwerden und damit lediglich auf Umstände, die ihren Einzelfall betreffen. Rechtsfragen zur Abgrenzung von Hilfsmitteln zu den von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommenen allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens sind hingegen durch die Rechtsprechung des Senats bereits hinreichend geklärt (vgl nur [X.]E 84, 266 = [X.]-2500 § 33 [X.] 33 sowie [X.] [X.]-2500 § 33 [X.] 31 S 184 = juris Rd[X.]4; [X.] [X.]-2500 § 33 [X.] 32 S 189 f = juris Rd[X.]3; [X.]E 116, 120 = [X.]-2500 § 33 [X.] 42, Rd[X.]4 mwN). Eine abstrakt generelle Frage von grundsätzlicher Bedeutung, die auch für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit relevant sein könnte, ist auch unter dem von der Klägerin aufgeworfenen § 2 Abs 1a [X.] nicht erkennbar.

8

Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] 2 SGG) könnte nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, denn das [X.] ist in der angefochtenen Entscheidung nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.

9

Ebenso wenig lässt sich aller Voraussicht nach ein Verfahrensfehler rügen, der gemäß § 160 Abs 2 [X.] 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Dass die Klägerin geltend macht, die Entscheidungen durch bestimmte [X.] seien wegen einer vorangegangenen Strafanzeige in einem anderen Verfahren aufzuheben und soweit sie damit sinngemäß die [X.] wegen Befangenheit ablehnt (§ 42 Abs 2 ZPO iVm § 60 Abs 1 SGG), kann ein solches Ablehnungsgesuch keinen Verfahrensfehler nach § 160 Abs 2 [X.] 3 SGG durch einen Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen [X.] (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) begründen. Es ist bereits fraglich, ob nach Beendigung des Berufungsverfahrens ein Ablehnungsgesuch überhaupt noch gestellt werden kann. Das [X.] hat dies selbst für den Fall verneint, dass der Betroffene den Ablehnungsgrund erst nach Erlass der Entscheidung erfahren hat (vgl [X.] Urteil vom 27.1.1993 - 6 [X.] 2/91 - juris mwN). Unbeschadet dessen kann die Tatsache, dass ein Kläger eine Strafanzeige gegen einen [X.] stellt, für sich allein keine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, diese müsste sich vielmehr aus konkreten Verhaltensweisen des [X.]s herleiten lassen ([X.] Beschluss vom [X.] - 2 BvR 615/11 - juris Rd[X.]7). Derartige Umstände, die insoweit eine Befangenheit begründen könnten, hat die Klägerin allerdings nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Auch der weitere Vortrag der Klägerin, mit dem sie sinngemäß einen Verstoß gegen den Grundsatz der Mündlichkeit (§ 124 Abs 1 SGG) oder des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) und den aus Art 2 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Gebot eines fairen Verfahrens rügt, ist nicht geeignet einen Verfahrensmangel zu begründen. Die genannten Gesichtspunkte gebieten, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in der Verhandlung darzulegen. Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs 1 Satz 1 SGG), der Beteiligte ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird. Eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung trotz Abwesenheit eines Beteiligten ist ohne Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs möglich, wenn dieser in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (vgl § 126 SGG), dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann ([X.] Beschluss vom [X.] KR 67/13 B - juris Rd[X.] 7 mwN). So liegt es hier.

Die Klägerin behauptet nicht, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung die vorgenannten Hinweise nicht enthalten habe. Einen Antrag auf Terminverlegung hat die Klägerin nicht gestellt. Solange aber ein Termin zur mündlichen Verhandlung vom Gericht nicht aufgehoben worden ist, dürfen und müssen die Beteiligten davon ausgehen, dass der Termin auch stattfindet (vgl [X.] Beschluss vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - juris Rd[X.] 8). Etwas anderes gilt nur, wenn erhebliche Gründe für eine Terminverlegung vorliegen und diese beantragt wird. Die Klägerin legt aber nicht dar, weshalb ihre persönliche Anwesenheit im Termin zur mündlichen Verhandlung unerlässlich gewesen sein könnte (vgl dazu allgemein [X.] Beschluss vom 5.3.2004 - B 9 SB 40/03 B), noch zeigt sie einen erheblichen [X.] auf. Zum anderen sind auch gesundheitliche Gründe, die ausnahmsweise eine Beiordnung eines Bevollmächtigten für die Wahrnehmung des Termins nahelegten, aus den eingereichten medizinischen Unterlagen und dem sonstigen Akteninhalt nicht ersichtlich.

Da aus den genannten Gründen kein Anspruch auf Bewilligung von [X.] besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).

Meta

B 3 KR 5/19 BH

04.03.2020

Bundessozialgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Köln, 27. August 2019, Az: S 26 KR 3660/18, Gerichtsbescheid

§ 62 SGG, § 110 Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.03.2020, Az. B 3 KR 5/19 BH (REWIS RS 2020, 12194)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 12194

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 BvR 615/11

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