Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.09.2018, Az. VII R 32/17

7. Senat | REWIS RS 2018, 3722

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Gegenstand

Zolltarif: Einreihung eines Speichermoduls


Leitsatz

NV: Bei der Prüfung, ob sich ein Teil als Ware einer Position des Kapitels 84 oder 85 KN darstellt (Anm. 2 Buchst. a zu Abschn. XVI KN), weil es bereits deren wesentliche Beschaffenheitsmerkmale aufweist (AV 2 Buchst. a), ist nicht auf die Ware abzustellen, für die das Teil später bestimmt ist, sondern auf eine Ware im Sinne einer Position des Kapitels 84 oder 85 KN .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 22. November 2016 4 K 1319/14 Z aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete zwischen April und Oktober 2010 Speichermodule aus [X.] unter der Unterpos. 8521 90 00 der Kombinierten Nomenklatur ([X.]) zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Die Zollstelle nahm die Zollanmeldungen an und fertigte die Waren antragsgemäß ab.

2

Die Speichermodule bestanden aus einer Platine mit den Außenmaßen 32 x 68 mm mit [X.], [X.], A/D-Wandler und Videokompressionstechnik mit darauf angebrachten Steckern sowie einem SD-Kartenschacht mit daran angebrachten Kabeln mit Steckverbindung und besonderen, eigens für die Klägerin angebrachten Anschlüssen. Ein Gehäuse und Bedienelemente waren nicht vorhanden. Das Modul diente zur Bild- und Tonaufzeichnung von Audio-, Video- und Bilddateien in den Formaten [X.] und [X.] und zur Umwandlung und Wiedergabe dieser Dateien in sichtbarer und hörbarer Form zur Verwendung in der Videoinspektionstechnik.

3

Am 10. April 2013 beantragte die Klägerin eine teilweise Erstattung des Zolls, weil die Speichermodule nach ihrer Auffassung in die [X.]. 8522 [X.] einzureihen seien. Dies lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --[X.]--) mit Bescheid vom 31. Oktober 2013 ab.

4

Das Finanzgericht ([X.]) bejahte den Erstattungsanspruch, weil die Module als Teile, erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Geräte der [X.]. 8521 [X.] bestimmt, in die [X.]. 8522 [X.] einzureihen seien. Sie seien auch, da sie für die Funktion eines Videogeräts zur Bild- und Tonaufzeichnung oder -wiedergabe der [X.]. 8521 [X.] unerlässlich seien, Teil eines solchen Geräts. Nach [X.]. 2 Buchst. b zu Abschn. XVI [X.] scheide eine Einreihung in die [X.]. 8521 [X.] aus. Die Module verfügten auch nicht bereits über die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware. Dabei sei die unvollständige oder unfertige Ware mit der Ware zu vergleichen, die mit ihrer Verwendung entstehen solle, also dem Videoinspektionskamerasystem.

5

Zur Begründung seiner Revision weist das [X.] darauf hin, das [X.] habe die [X.]. 2 Buchst. a zu Abschn. XVI [X.] nicht vorrangig vor der [X.]. 2 Buchst. b zu Abschn. XVI [X.] berücksichtigt und die Module zu Unrecht in die [X.]. 8522 [X.] und nicht in die [X.]. 8521 [X.] eingereiht. Der richtige Bezugspunkt für einen Vergleich der Ware mit einer vollständigen Ware sei die im [X.]itionswortlaut der [X.]. 8521 [X.] beschriebene Ware, also ein Videogerät und nicht das Videoinspektionskamerasystem. Das Modul weise alle für eine Videoaufzeichnung bzw. -wiedergabe erforderlichen Komponenten und damit die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale eines vollständigen Videogeräts der [X.]. 8521 [X.] auf.

6

Nach Auffassung der Klägerin ist die Einordnung der Module als unvollständige Ware durch das [X.] revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Abgesehen davon handele es sich bei den Modulen wegen des Fehlens eines vergleichbaren äußerlichen Erscheinungsbildes und der Funktionen eines vollständigen Videogeräts nicht um eine unvollständige Ware der [X.]. 8521 [X.], sondern um ein Teil eines Geräts der [X.]. 8521 [X.], das in die [X.]. 8522 [X.] einzureihen sei.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Einreihung der streitgegenständlichen Module in die [X.]. 8522 [X.] als Teile, erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Geräte der [X.]. 8521 [X.] bestimmt, hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

8

1. Das [X.] hat zunächst zutreffend erkannt, dass die Module nicht als vollständige Waren im Sinne der [X.] angesehen werden können, die bereits als solche vom Wortlaut einer [X.]ition erfasst werden (vgl. [X.]). Vielmehr sind die eingeführten Waren Teile von [X.]. Unabhängig davon, ob diese --wie die Klägerin meint-- in die [X.]. 8521 [X.] oder --wofür die Durchführungsverordnung ([X.]) 2016/1761 der [X.] vom 28. September 2016 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur ([X.] --ABl[X.]-- 2016, Nr. L 269/9) spricht-- als Videokameraaufnahmegerät in die [X.]. 8525 [X.] einzureihen sind, handelt es sich bei einem Videoinspektionskamerasystem um eine Maschine des Abschnitts XVI [X.], der u.a. Maschinen, Apparate, mechanische Geräte und elektrotechnische Waren sowie Fernseh-, Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte erfasst. Zu diesem Abschnitt gehören u.a. alle elektrischen Maschinen, Apparate, Geräte und Vorrichtungen sowie Teile davon (Erläuterung zum Harmonisierten System --[X.]-- 01.0 zu Abschnitt XVI).

9

Der Begriff "Teil" setzt voraus, dass es ein Ganzes gibt, für dessen Funktionieren das Teil unabdingbar ist. Das mechanische oder elektrische Funktionieren der Maschine muss von diesem Teil abhängen (Urteile des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- [X.] vom 20. November 2014 [X.]/13, [X.]:[X.], [X.] 2015, 94, Rz 45 f.; [X.] vom 15. Mai 2014 [X.]/13, [X.]:[X.], Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2014, 194, Rz 35, und [X.] vom 25. Februar 2016 [X.], [X.]:[X.], ABl[X.] 2016, Nr. [X.] 145, 12, Rz 60 ff.).

Im Streitfall hängt das Funktionieren des Videoinspektionskamerasystems von den Modulen ab, weil diese zur Bild- und Tonaufzeichnung in Dateiform sowie zur Umwandlung und zur Wiedergabe dieser Dateien in sichtbarer und hörbarer Form zur Verwendung in der Videoinspektionstechnik dienen.

2. Die Einreihung von Teilen von Waren des Abschnitts XVI [X.] richtet sich nach der [X.]erkung 2 zu diesem Abschnitt.

a) Nach der vorrangig anzuwendenden [X.]. 2 Buchst. a zu Abschn. XVI [X.] sind Teile, die sich als Waren einer [X.]ition des Kapitels 84 oder 85 [X.] (ausgenommen u.a. [X.]. 8522 [X.]) darstellen, dieser [X.]ition zuzuweisen, ohne Rücksicht darauf, für welche Maschinen sie bestimmt sind. Maschinenteile, die als eigenständige Waren von diesen [X.]itionen erfasst werden, können somit nicht in die [X.]itionen eingereiht werden, die in dem Klammerzusatz in [X.]. 2 Buchst. a zu Abschn. XVI [X.] genannt sind, hier in die [X.]. 8522 [X.] (vgl. EuGH-Urteil [X.], [X.]:[X.], [X.], 194, Rz 44 und 45, zu [X.]. 8473 [X.]). Die [X.]. 8522 [X.] ist also als Auffangposition anzusehen und daher im Verhältnis zu den [X.]itionen, die eine Einreihung eines Maschinenteils als eigenständige Ware ermöglichen, subsidiär (vgl. EuGH-Urteil [X.], [X.]:[X.], [X.], 194, Rz 49, zu [X.]. 8473 [X.]). Stellt sich somit ein Teil als Ware einer [X.]ition des Abschnitts XVI [X.] dar, ist es nach eigener Beschaffenheit einzureihen, auch wenn es eigens zur Verwendung als Teil einer bestimmten Maschine hergestellt worden ist (vgl. [X.] zu Abschnitt XVI).

b) Verfügt eine Ware noch nicht über alle Beschaffenheitsmerkmale der in Kapitel 84 oder 85 [X.] genannten Waren, ist die [X.] 2 Buchst. a anzuwenden. Danach gilt jede Anführung einer Ware in einer [X.]ition auch für die unvollständige oder unfertige Ware, wenn sie im vorliegenden Zustand die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware hat. Auf die Funktionsfähigkeit der Ware kommt es dabei nicht an (vgl. Senatsbeschluss vom 23. September 2009 VII B 37/09, [X.], 84).

Bei der fertigen Ware, mit der das Teil verglichen werden muss, handelt es sich dabei nicht um die Ware, für die das Teil bestimmt ist (hier das Videoinspektionskamerasystem), weil es nach der [X.]. 2 Buchst. a zu Abschn. XVI [X.] ausdrücklich nicht darauf ankommt, für welche Maschine das Teil bestimmt ist. Erst bei der --allerdings erst nachrangig anzuwendenden-- [X.]. 2 Buchst. b zu Abschn. XVI [X.] ist die Bestimmung des Teils maßgeblich. Im Rahmen der [X.]. 2 Buchst. a zu Abschn. XVI [X.] ist vielmehr auf eine Ware im Sinne einer [X.]ition des Kapitels 84 oder 85 [X.] abzustellen mit ihren objektiven Merkmalen, wie sie in der [X.] beschrieben wird (vgl. auch [X.] 54.1 zu Abschnitt XVI, die auf die jeweilige Stelle des Abschnitts XVI Bezug nimmt).

Die [X.] 2 Buchst. a regelt die Tarifierung einer unvollständigen Ware und die Frage, wann sie trotz ihrer Unvollständigkeit wie eine vollständige Ware angesehen werden kann. Darüber hinaus stellt die [X.] 2 Buchst. a nicht auf die vorgesehene Nutzung einer Ware, sondern auf deren objektive Beschaffenheit und Eigenschaften ab (vgl. Senatsbeschluss in [X.], 84).

Die Beantwortung der Frage, ob eine unvollständige Ware bereits die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen Ware i.S. der [X.] 2 Buchst. a Satz 1 hat, ist im Einzelfall aufgrund der objektiven Beschaffenheit und Eigenschaften der Ware unter Heranziehung vornehmlich der tariflichen, ggf. aber auch von außertariflichen Erkenntnisquellen zu bestimmen, und erfordert auf dieser Grundlage eine tatrichterliche Würdigung und einen wertenden Vergleich der festgestellten Beschaffenheitsmerkmale und Eigenschaften der unvollständigen Ware mit denjenigen der vollständigen Ware, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden kann, ob sie gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteil vom 19. Dezember 2006 VII R 8/06, [X.] 2007, 1368).

3. Die Module sind keine vollständigen Waren einer [X.]ition des Kapitels 84 oder 85 [X.], weil ihnen noch Bestandteile wie z.B. die SD-Karte als für die Speicherung notwendiger Teil (vgl. [X.]. 8521 [X.]) fehlen.

Ob die Module jedoch bereits die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale eines Videogeräts der [X.]. 8521 [X.] aufweisen und somit unter Anwendung der [X.]. 2 Buchst. a zu Abschn. XVI [X.] i.V.m. [X.] 2 Buchst. a dennoch nach eigener Beschaffenheit eingereiht werden können, hat das [X.] fehlerhaft geprüft, denn es hat bei der Prüfung der [X.] 2 Buchst. a das Videoinspektionskamerasystem als Vergleichsware herangezogen und nicht ein Videogerät i.S. der [X.]. 8521 [X.].

Darüber hinaus hat das [X.] nicht die Ware in dem Zustand betrachtet, wie sie von der Klägerin eingeführt wurde. Vielmehr hat es die Module in zusammengesetzten elektronischen Schaltungen und damit in Kombination mit einer weiteren Platine, die über Anschlüsse für Bedien- und Steuerelemente verfügt, untersucht. Zu tarifieren ist im Streitfall jedoch allein das von der Klägerin eingeführte Speichermodul.

4. Das [X.] hat im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die von der Klägerin eingeführten Module bereits über die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale eines Videogeräts zur Bild- und Tonaufzeichnung oder -wiedergabe i.S. der [X.]. 8521 [X.] verfügen. Ob diese --wie der [X.] später tatsächlich verwendet werden, ist dabei nicht entscheidend. Es kommt in diesem Zusammenhang allein darauf an, welche Beschaffenheitsmerkmale bei der Ware vorhanden sind. Das Fehlen der SD-Karte führt nicht zwingend dazu, dass die Einreihung als vollständige Ware verneint werden muss (vgl. Senatsbeschluss in [X.], 84, zum Fehlen einer lediglich in den dafür vorgesehenen Schacht einzuführenden Festplatte). Erst wenn eine Einreihung nach der [X.]. 2 Buchst. a zu Abschn. XVI [X.] nicht möglich ist, darf das [X.] auf die [X.]. 2 Buchst. b zu Abschn. XVI [X.] zurückgreifen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 32/17

18.09.2018

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 22. November 2016, Az: 4 K 1319/14 Z, Urteil

Abschn 16 Anm 2 Buchst a KN, AllgVorschr 2 Buchst a KN, Kap 84 KN, Kap 85 KN, Pos 8522 KN

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.09.2018, Az. VII R 32/17 (REWIS RS 2018, 3722)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3722

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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