Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2012, Az. VIII ZB 104/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8261

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB
104/11

vom

13. März 2012

in dem Rechtsstreit

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Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat am
13. März
2012
durch den Vorsitzenden [X.], den [X.] Dr.
Frellesen, die [X.]in Dr.
Milger sowie die
[X.] Dr.
Schneider
und Dr. Bünger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss des [X.] -
31. Zivilkammer
-
vom 31. Oktober 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Streitwert: 5.483,11

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den zunächst auf den 19. Januar 2010 anberaum-ten Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 23. Februar 2010 ver-legt. Am 19. Juli 2010 ist
ein Schriftsatz des
[X.] eingegangen, in
dem er darauf hingewiesen hat, dass die Entscheidung seit fünf Monaten ausstehe, die Geschäftsstelle sich zu einer Mitteilung über den Sachstand außerstande sehe und der [X.] nicht zu erreichen sei.
Als Blatt 134 wird in der -
nicht gehefteten
-
Akte ein vom [X.] [X.] geführt, das als Datum der ohne Hinzuzie-hung eines Protokollführers durchgeführten Verkündung des "nachstehenden Urteils"
den 23. Februar 2010 ausweist. Das in einer gesonderten [X.] 1
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aufbewahrte
und vom [X.] unterschriebene Urteil ist mit den [X.] 135 bis 142 versehen; im [X.] daran befindet sich ein Blatt mit einer hand-schriftlichen Aufzeichnung des Tenors und der Paraphe des [X.]s. Ein Ver-merk, wann das Urteil zur Geschäftsstelle gelangt ist, ist nicht vorhanden. Die Zustellung des Urteils ist
am 9. August 2010 verfügt und bezüglich des [X.] am 12. August 2010 bewirkt
worden. Die richterliche Streitwertfestsetzung war zuvor unter dem 6. August 2010 erfolgt.
Die Berufung des [X.] ist
am 26. August
2010 eingegangen. Der Amtsrichter hat
auf Anfrage des Berufungsgerichts
in einer dienstlichen Äuße-rung
vom 9.
August 2011
mitgeteilt, dass er an den konkreten Vorgang der [X.] keine Erinnerung habe. In der Regel werde,
falls
das vollständige Ur-teil bei Verkündung nicht vorliege, der [X.] am selben Tag schriftlich niedergelegt; aus der "Stelle des handschriftlichen Tenors im Fortgang der Ak-te"
oder der Nummerierung der Akten ließen sich nach seiner Auffassung indes keine Rückschlüsse ziehen.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des [X.] zu-rückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.].

II.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt:
Die Berufung sei nicht fristgerecht eingelegt worden und deshalb unzu-lässig. Da das am 23. Februar 2010 verkündete Urteil nicht innerhalb von fünf Monaten seit Verkündung zugestellt worden sei, habe die Berufungsfrist gemäß 3
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§ 517 ZPO mit Ablauf von fünf Monaten, mithin am 23. Juli 2010 begonnen und sei demnach am 23. August 2010 abgelaufen, so dass die am 26. August 2010 eingegangene Berufung verfristet sei.
Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Berufungsfrist könne dem Kläger nicht gewährt werden, weil die Fristversäumnis auf einem ihm zuzurech-nenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruhe. Dieser hätte [X.] der Zustellung des Urteils am 12. August 2010 erkennen können und müssen,
dass die [X.] des § 517
ZPO durch sein Personal nicht richtig berechnet worden sei. Zu diesem Zeitpunkt hätte er noch fristwahrend Berufung einlegen können.
Entgegen der Ansicht des [X.] habe die Berufungsfrist nicht erst mit der Zustellung des Urteils begonnen. Zwar hätte
nur ein Urteilsentwurf vorgele-gen, wenn das Urteil, wie vom Kläger behauptet, gar nicht verkündet worden wäre. Die Verkündung sei indes durch das Verkündungsprotokoll bewiesen. Den Nachweis einer Protokollfälschung habe der Kläger nicht erbracht.
Aus dem Umstand, dass der Schriftsatz des [X.] vom 13. Juli 2010 die [X.] 132/133 aufweise, während das Verkündungsprotokoll die [X.] trage, ergebe sich nicht zwangsläufig, dass das Verkündungsprotokoll nicht vom 23. Februar 2010 stamme. Die Kammer wisse aus eigener Erfahrung, dass die Paginierung der Akte nicht immer in zeitlicher Reihenfolge vorgenom-men werde. Der Amtsrichter habe in seiner dienstlichen Äußerung nachvoll-ziehbar ausgeführt, dass er sich an die Verkündung nicht erinnere und
dass ein für die Verkündung gegebenenfalls verwendeter handschriftlicher
Tenor von den Mitarbeitern an verschiedenen Stellen
der Akten abgelegt werde. Es könne daher nicht angenommen werden, dass der handschriftliche Tenor bei der [X.] nicht vorgelegen habe. Insgesamt
lägen keine hinreichenden Anhalts-7
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punkte vor, die
die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Verkün-dungsprotokolls widerlegen könnten.

III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Gesetzes statthaft (§
522 Abs.
1 Satz
4, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und im Übrigen auch form-
und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§
575 ZPO). Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer [X.] Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfor-dert. Der angefochtene Beschluss verletzt das Verfahrensgrundrecht des
Klä-gers
auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in [X.] mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. dazu [X.] 77, 275, 284; 74, 228, 234; [X.], [X.], 814, 815; Senatsbeschluss
vom 27. September 2005 -
VIII
ZB 105/04, [X.], 3775 unter II 1
mwN). Hiergegen hat das Berufungsgericht verstoßen, indem es ohne ausreichende Prüfung angenommen hat, die Berufungsfrist sei am 23.
August 2010
abgelaufen.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die vom Kläger am 26.
August 2010 eingelegte Berufung ist fristgemäß eingegangen, weil die Be-rufungsfrist erst mit der Zustellung des Urteils am 12. August 2010 begonnen hat.
Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob das Berufungsgericht aufgrund der dienstlichen Äußerung
des Amtsrichters ohne weitere Sachaufklärung da-von ausgehen durfte, dass die Beweiskraft des Sitzungsprotokolls, demzufolge das Urteil am
23. Februar 2010 verkündet worden ist, nicht erschüttert sei. 10
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Denn der Zeitablauf von fünf Monaten seit Verkündung eines Urteils löst die Rechtsmittelfrist nur dann aus, wenn die Urteilsverkündung innerhalb des Fünfmonatszeitraums aus den Akten feststellbar ist. Hieran fehlt es.
a) Nach der Rechtsprechung des
[X.] ist es unverzicht-bar, dass innerhalb der [X.] des § 517 ZPO ein beweiskräftiges Pro-tokoll über die Verkündung eines Urteils auf der Grundlage einer schriftlich [X.] Urteilsformel erstellt wird. Allein durch das Protokoll kann bewiesen werden, dass und mit welchem Inhalt ein Urteil verkündet worden ist. Vom Zeit-punkt der Verkündung hängt wiederum der [X.] der Berufungsfrist ab, wenn das Urteil -
wie hier
-
erst nach dem Ablauf der [X.] zugestellt [X.] ist. Hierüber muss vor Ablauf der [X.] aus den Akten Klarheit zu gewinnen sein. Ebenso muss feststellbar sein, ob das Urteil in Rechtskraft er-wachsen ist, weil nicht innerhalb der spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung beginnenden Rechtsmittelfrist Berufung eingelegt worden ist
([X.], Urteil vom 13. April 2011 -
XII
ZR 131/09,
NJW 2011, 1741
Rn.
20; vgl. auch Urteil vom 31. Mai 2007 -
X
ZR 172/04, [X.]Z 172, 298
Rn.13).
b) Vorliegend kann der Nachweis, dass innerhalb der bis zum 23. Juli 2010 laufenden [X.] aus den Akten Klarheit über eine am 23. [X.] 2010 erfolgte Urteilsverkündung zu gewinnen war, nicht geführt werden.
Ein Vermerk der Geschäftsstelle, wann das Urteil zu den Akten gelangt ist, fehlt. Auch die
Paginierung der Akte erlaubt keine
Rückschlüsse darauf, dass das Urteil innerhalb der [X.] zu den Akten gelangt ist.
Die am 9.
August
2010 getroffene Verfügung der Geschäftsstelle über die Zustellung des Urteils
sowie der am 6. August 2010 abgesetzte Streitwertbeschluss spre-chen vielmehr dafür, dass das
vollständige Protokoll erst nach dem 23. Juli 2010
zu den Akten gereicht worden ist -
nämlich nachdem am 19. Juli 2010 ei-ne erneute, nunmehr schriftlich gestellte
Anfrage des [X.] nach der ausste-12
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henden Entscheidung eingegangen war. Wie ausgeführt, muss innerhalb von fünf Monaten seit der Verkündung aus den Akten Sicherheit zu gewinnen sein, dass und mit welchem Inhalt ein Urteil verkündet worden ist ([X.], Urteil vom 13. April 2011 -
XII
ZR 131/09,
aaO). Da dies hier nicht gewährleistet war, ist
die Rechtsmittelfrist erst mit der
Zustellung des Urteils am 12. August 2010
in [X.] gesetzt worden, so dass mit der am 26. August 2010 eingegangenen
Be-rufungsschrift die Rechtsmittelfrist gewahrt worden ist.
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger

Dr. Schneider
Dr. Bünger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.02.2010 -
453 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 31.10.2011 -
31 [X.]/10 -

Meta

VIII ZB 104/11

13.03.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2012, Az. VIII ZB 104/11 (REWIS RS 2012, 8261)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8261

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