Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.06.2022, Az. 29 W (pat) 66/20

29. Senat | REWIS RS 2022, 7379

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Gegenstand

Nichtigkeitsverfahren – „HANDTE (Wortzeichen)“ – Art. 139a Abs 2a UMV – keine Bösgläubigkeit – keine Wiederholungsmarke


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2018 027 638

([X.])

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2022 durch die Vorsitzende [X.]in [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] Posselt

beschlossen:

1. [X.] wird zurückgewiesen.

2. Die Anträge, der jeweiligen Gegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das am 19. November 2018 angemeldete Wortzeichen

2

[X.]

3

ist am 11. Dezember 2018 unter der Nummer 30 2018 027 638 für die Waren und Dienstleistungen der

4

[X.]: [X.]; Luftreinigungsapparate und -maschinen; Filter [Teile von häuslichen oder gewerblichen Anlagen];

5

Klasse 37: Installation, Wartung und Reparatur von [X.], [X.] und Luftreinigungsmaschinen;

6

Klasse 42: Technische Beratung auf dem Gebiet von [X.]; Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet von [X.].

7

in das beim [X.] ([X.]) geführt Markenregister eingetragen worden.

8

Am 7. Februar 2019 hat die Beschwerdeführerin unter Zahlung der Gebühr die Nichtigerklärung und vollständige Löschung der vorgenannten Marke aufgrund Bösgläubigkeit gemäß § 50 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.] beantragt.

9

Dem ihr am 19. Februar 2019 zugestellten [X.] hat die Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdegegnerin mit am 15. April 2019 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz widersprochen.

Mit Beschluss vom 31. August 2020 hat die Markenabteilung 3.4 des [X.] den [X.] der Antragstellerin sowie den [X.] der Antragsgegnerin zurückgewiesen und den Gegenstandswert des Verfahrens auf 50.000 Euro festgesetzt.

Zur Begründung hat die Markenabteilung ausgeführt, es liege schon keine [X.] vor. Zudem könnten weder ein fehlender [X.] noch zusätzliche Unlauterkeitsmerkmale festgestellt werden. Die [X.] 011 676 244 und die streitgegenständliche nationale Marke 30 2018 027 638 wiesen zwar ein identisches Waren- und Dienstleistungsverzeichnis auf, der territoriale Schutzbereich beider Marken sei jedoch ein anderer. Für das nun beanspruchte nationale Territorium habe daher im Rahmen der [X.] explizit noch kein Benutzungszwang vorgelegen. Daher sei in der Neuanmeldung auch keine Umgehung dieser Verpflichtung zu sehen. Flankierende nationale Markenanmeldungen gehörten zu den üblichen Marktstrategien und seien zur effektiven Rechtsdurchsetzung grundsätzlich gerechtfertigt, wenn – wie hier – für das entsprechende Zeichen ein genereller [X.] gegeben sei. So sei für die [X.] 011 676 244 mit Entscheidung des [X.] [X.] (im Folgenden: [X.]) vom 9. Juni 2020 eine Benutzung zumindest einiger Waren und Dienstleistungen der Klassen 11, 37 und 42 erstinstanzlich für nachgewiesen erachtet worden. Mit der Benutzung der älteren [X.] fehle es aber an dem die Bösgläubigkeit begründenden Motiv, die Marke 30 2018 027 638 nur aus dem Zwecke angemeldet zu haben, den Benutzungszwang der älteren Marke zu umgehen. Auch zeugten die von der Markeninhaberin eingereichten Unterlagen von einem [X.]n der streitgegenständlichen Marke für die Waren der [X.] und einem zumindest zukünftigen [X.]n für die Dienstleistungen der Klasse 37 und 42, die in engem Zusammenhang mit den Waren der [X.] stünden. Im vorliegenden Fall habe die Antragstellerin auch nicht hinreichend spezifiziert dargelegt, dass sie im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke über einen schutzwürdigen Besitzstand an der Kennzeichnung „[X.]“ verfügt habe, und es fehle an ausreichenden Anhaltspunkten, dass die Markeninhaberin die angegriffene Marke nicht vorrangig zur Förderung der eigenen [X.]situation, sondern mit dem Ziel der Störung eines solchen Besitzstandes angemeldet habe. Auch die Fallgruppe der Anmeldung einer Marke für einen zweckfremden Einsatz als Mittel des [X.] sei nicht einschlägig. Für eine Kostenauferlegung bestünden keine Anhaltspunkte.

Der Beschluss ist der [X.]stellerin gegen [X.] am 11. September 2020 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich ihre am 1. Oktober 2020 beim [X.] eingegangene Beschwerde.

Sie trägt vor, die Markenabteilung 3.4 habe den Löschungsantrag zu Unrecht als unbegründet zurückgewiesen. Die von ihr zu Grunde gelegten Fallgruppen [X.]er Markenanmeldungen seien nicht abschließend. Es sei zudem nicht auszuschließen, dass einzelne Aspekte verschiedener obengenannter Fallgruppen – insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) – in der Gesamtschau zu einer [X.]en Anmeldung führen könnten. Die angefochtene Markeneintragung sei eine reine Wiederholungsanmeldung zur [X.] 011 676 244, die ausschließlich zu dem Zwecke vorgenommen worden sei, sie in einem rechtshängigen Gerichtsverfahren nachzuschieben, um die negativen Folgen des § 25 [X.] zu umgehen. Zwischen den Verfahrensbeteiligten seien bereits vor dem Anmeldezeitpunkt der angefochtenen Marke ein Patentverletzungsstreit vor dem [X.] sowie ein Patentnichtigkeitsverfahren vor dem [X.] anhängig gewesen. Im Zuge erfolgloser Gespräche im Jahre 2018 habe die Markeninhaberin eine Klage aufgrund angeblicher Markenverletzung gegen die Beschwerdeführerin erhoben. Diese sei zunächst auf drei [X.] Wort-/Bildmarken „[X.] Umwelttechnik“ sowie eine Unionswortmarke „[X.]“ gestützt worden. Nachdem die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2018 auf die [X.] vor dem [X.] erwidert und erneut die rechtserhaltende Benutzung der [X.] bestritten habe, habe die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 4. Januar 2019 die angegriffene und im beschleunigten Verfahren angemeldete und am 11. Dezember 2018 eingetragene Marke ins dortige Gerichtsverfahren eingeführt, um sie sodann erst im Laufe des Verfahrens nachträglich allein zum [X.] zu machen. Die Markeninhaberin habe bereits im Zeitpunkt der Anmeldung gewusst, dass sie in dem erwähnten Gerichtsverfahren nicht in der Lage sein werde, die rechtserhaltende Benutzung der dort zunächst geltend gemachten Marken nachzuweisen. Daher habe sie eine neue, sich in der [X.] befindende, Marke nachschieben müssen, um das Gerichtsverfahren vor dem [X.] nicht zu verlieren. Die übrigen Marken seien seitdem nur noch Gegenstand von Hilfsanträgen gewesen.

Die [X.] 011 676 244 und die mit dem Löschungsantrag angegriffene nationale Marke wiesen das identische Zeichen und ein identisches Waren- und Dienstleistungsverzeichnis auf. Von einer flankierenden Markenanmeldung könne daher nicht ausgegangen werden. Der Neuanmeldung lägen bereits markenfremde Interessen zugrunde, da diese den von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen konzernstrategischen Erwägungen, nämlich der Konzentration der Markenrechte bei der Konzernmutter, widersprechen würden. Es sei unglaubwürdig, dass eine Neuausrichtung der Markenstrategie erst 2018 – und damit vier Jahre nach Übernahme der Beschwerdegegnerin durch die Konzernmutter – erfolgt sei. Hierzu übergibt die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung eine Presseerklärung der Beschwerdegegnerin vom 23. Februar 2014 zum Erwerb von „[X.]“ durch „Camfil“. Vielmehr sei hier gezielt eine [X.] Marke gewählt worden, um möglichst kostengünstig das für den angesprochenen Rechtsstreit relevante territoriale Gebiet abdecken zu können. Die Anmeldung habe einzig und allein dazu gedient, die Position der Beschwerdegegnerin in einem anhängigen Rechtsstreit zu verbessern und die Beschwerdeführerin an der Ausübung ihrer Rechte zu hindern. Dies widerspreche jedoch dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Zweck einer Marke. Es sei ferner rechtsfehlerhaft, die angefochtene Marke bereits deshalb nicht als [X.] einzustufen, weil der territoriale Schutzbereich beider Marken unterschiedlich sei. Sowohl der Vortrag der Markeninhaberin als auch die von ihr eingereichten Dokumente zeigten, dass die Benutzung der betreffenden [X.] für [X.] beansprucht werde. Da der geschäftliche Schwerpunkt der Markeninhaberin in [X.] gelegen habe und liege, habe sie bereits die reale Chance gehabt, die [X.] in [X.] in Benutzung zu nehmen, wovon sie aber keinen Gebrauch gemacht habe. Es sei in diesem Fall davon auszugehen, dass sich der tatsächliche territoriale Schutzbereich der [X.] mit dem Schutzbereich der nationalen [X.]n Marke überschneide. Es könne nicht der Schluss gezogen werden, dass der Grundsatz, wonach eine zeitlich nach der – nicht rechtserhaltend benutzten – nationalen Marke angemeldete [X.] eine (neue) [X.] erhalte, auch für die umgekehrte Konstellation der Anmeldung einer nationalen Marke zeitlich nach der nicht benutzten [X.] gelte. Eine entsprechende Argumentation sei widersprüchlich; sie würde es ermöglichen, zur [X.] identische – sozusagen geklonte – nationale Marken in allen Mitgliedstaaten anzumelden und von deren neuer [X.] zu profitieren, obwohl die [X.] zuvor in keinem einzigen Mitgliedstaat benutzt worden sei. Zudem habe der Markeninhaberin ein genereller [X.]n gefehlt. Dies impliziere bereits die fehlende Benutzung der [X.]. Die Beschwerdegegnerin habe sich ferner durch die Übertragung der [X.] an die Muttergesellschaft vorsätzlich ihres Markenschutzes begeben und es nicht für erforderlich gehalten, diese [X.] mehr als einen Monat lang zu schließen. Erst als ihr aufgrund der durch die Beschwerdeführerin erhobenen negativen Feststellungsklage aufgefallen sei, dass sie eine Benutzung nicht belegen könne, habe die Beschwerdegegnerin die verfahrensgegenständliche Marke angemeldet. Die Entscheidung des [X.] vom 9. Juni 2020, die sich die Löschungsabteilung zu eigen gemacht habe, sei fehlerhaft. Gegen sie sei zudem Beschwerde eingereicht worden, so dass sie nicht bestandskräftig gewesen sei. Die Entscheidungen des [X.] und nachfolgend der [X.] seien zudem zum Zeitpunkt der Anmeldung der nationalen Marke nicht absehbar gewesen. Die Klageposition der Beschwerdegegnerin habe sich auch tatsächlich verschlechtert, da die [X.] durch die [X.] mangels Benutzung für einen Teil der Dienstleistungen gelöscht worden sei. Zudem hätte die Löschungsabteilung des [X.] sich nicht nur auf diese Entscheidung beziehen dürfen, sondern sich eigenständig mit den eingereichten Benutzungsunterlagen auseinandersetzen müssen. Diese würden nur symbolische Scheinhandlungen belegen. Hierzu werde, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die vorangegangenen Schriftsätze im Verfahren vor dem [X.] verwiesen. Die dort eingereichten Benutzungsunterlagen hätten zudem erhebliche Mängel. Zum Beispiel enthielten viele der Dokumente kein Datum, so dass sie gänzlich außer Betracht bleiben müssten. Ferner ergebe sich aus etlichen Unterlagen nicht einmal, für welche Produkte diese einen Nachweis erbringen sollten. Schließlich sei häufig – insbesondere in den Katalogen – die Marke nicht auf den Produkten abgebildet oder werde mit weiteren Bezeichnungen wie „Camfil“ bzw. „camfil“ verwendet, welche die Gesamtkennzeichnung prägen würden.

Die [X.]stellerin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

1. den Beschluss der Markenstelle vom 31. August 2020 aufzuheben, auf den [X.] die Nichtigkeit der Marke 30 2018 027 638 festzustellen und deren Löschung anzuordnen,

2. die Kosten des Verfahrens der Markeninhaberin aufzuerlegen.

Die Markeninhaberin, [X.]sgegnerin und Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Entscheidung der Löschungsabteilung des [X.]es sei in allen Punkten zutreffend. Ergänzend werde auf die Schriftsätze vom 29. Mai und 4. Oktober 2019 sowie vom 29. Januar 2020 im Verfahren vor dem [X.] Bezug genommen. Es liege weder eine [X.] noch weitere Unlauterkeitsmerkmale im Hinblick auf eine Bösgläubigkeit vor. Es fehle schon an einem Wiederholungstatbestand. Der territoriale Schutzbereich der [X.] und der nationalen Marke sei unterschiedlich. Es handle sich um autonome Systeme mit verschiedenen gesetzgeberischen Wurzeln. Daher führe die Nichtnutzung einer nationalen Marke in ihrem nationalen Territorium nicht dazu, dass eine später angemeldete [X.] keine neue [X.] erhalte. Gleiches gelte auch im umgekehrten Fall. Die Neuanmeldung einer nationalen Marke werde daher auch von Literatur und Rechtsprechung nicht als eine Umgehung der Umwandlungsregelung des Art. 112 [X.] angesehen. Gegen eine [X.] spreche auch, dass die streitgegenständliche Nachanmeldung nicht innerhalb der älteren [X.] getätigt worden sei und sich die Inhaberinnen der [X.] und der nationalen Marke unterschieden. Die [X.] sei bereits am 26. Oktober 2018 aus konzernvertriebsstrategischen Gründen auf Antrag der [X.] Anwälte der Muttergesellschaft auf diese umgeschrieben worden. Von ihr würden alle internationalen Marken des Konzerns weltweit betreut. Der Geschäftsführer der Beschwerdegegnerin habe bei Erhebung der Unterlassungsklage beim [X.] am 18. Oktober 2018 ebenso wenig von der [X.] gewusst, wie die Muttergesellschaft von der markenrechtlichen Auseinandersetzung in [X.], als sie am 23. Oktober 2018 den Umschreibungsantrag gestellt habe. Zudem habe die Beschwerdegegnerin erst am 6. November 2018 von der durch die Beschwerdeführerin beim [X.] eingereichten Feststellungsklage Kenntnis erlangt. Die Markeninhaberin habe die Beschwerdeführerin auch nicht behindert, sondern nur ihre eigenen Markenrechte rechtmäßig eingesetzt. Es liege zweifelsfrei ein [X.] vor. Es sei nicht notwendig, diesen bei einer nationalen Markenanmeldung gesondert darzulegen oder zu begründen, auch wenn eine im Wesentlichen identische [X.] bestehe. Die Inhaberin der nationalen Marke sei traditionell in [X.] ansässig und habe ein ungleich
größeres Interesse an einer [X.]n Marke und deren Verteidigung und Durchsetzung in [X.] als die [X.] Konzerngesellschaft, die die internationalen Vertriebsmöglichkeiten im Auge habe. Diese unterschiedliche Interessenlage und Vertriebsstrategie von Konzerngesellschaften rechtfertige es, neben einer eingetragenen [X.] auch eine neue nationale Marke anzumelden. Zudem würden in internationalen Konzernen nationale Gesellschaften häufig weiterveräußert, so dass der nationalen Identität und nationalen Marken eine starke Bedeutung beizumessen sei. Hinzu komme, dass die Beschwerdegegnerin, die früher unter „[X.] Umwelttechnik“ firmiert habe, wie auch ihr Geschäftsführer [X.], ein eigenes Interesse an der Weiternutzung des
bekannten Familiennamens [X.] habe. Das [X.] habe zur Frage des [X.] auch auf die Entscheidung des [X.] vom 9. Juni 2020 im dortigen Verfallsverfahren abstellen dürfen. Das [X.] sei die für diese – die [X.] betreffende – Frage zuständige Behörde gewesen. Das [X.] habe daher keine eigenen Feststellungen hierzu treffen müssen. Zudem habe es die von der Markeninhaberin eingereichten Unterlagen (insbesondere das [X.] 22, die Anlagen AG 4/1, 4/12, 4/33, den Schriftsatz vom 4. Oktober 2019, Seite 17 und die Erklärung des Geschäftsführers [X.]) als ausreichend angesehen.
Bösgläubigkeit liege auch ansonsten nicht vor. Die Löschungsabteilung habe überzeugend die von Literatur und Rechtsprechung hierfür herangezogenen Fallgruppen widerlegt. Die Beschwerde enthalte hierzu keine substantiierten Angriffe. Das [X.] habe mit Urteil vom 18. Juni 2020 ([X.]: 2 U 355/19, vgl. [X.] 66 ff. d. A.) im Verletzungsverfahren die Berufung der dortigen Beklagten und hiesigen Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung des [X.] im Übrigen zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin regt an, die Rechtsbeschwerde zum [X.] zuzulassen. Insbesondere sei zu klären, ob der Fall einer rechtsmissbräuchlichen [X.] gegeben sei, wenn der Inhaber einer [X.] auf diese folgend eine nationale Marke in [X.] anmelde, um in den Genuss einer erneuten [X.] zu kommen, wenn feststehe, dass der tatsächliche territoriale Wirkungsbereich der [X.] sich mit dem nationalen Markt überschneide. Ferner sei zu klären, ob sich aus der Chronologie der Abläufe zwischen Übertragung der [X.] und Eintragung einer [X.]n Marke bei gleichzeitiger [X.] zwischen beiden Vorgängen eine Bösgläubigkeit der Beschwerdegegnerin ergebe.

Der [X.] hat mit Hinweis vom 22. April 2022 [X.] an die Verfahrensbeteiligten übermittelt und seine vorläufige Rechtsauffassung dargelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

[X.]

Die Beschwerde ist gem. § 66 Abs. 1 [X.] zulässig, aber nicht begründet.

A. Da der [X.] am 7. Februar 2019 gestellt wurde, ist das [X.] – mit Ausnahme der erst am 1. Mai 2020 in [X.] getretenen Änderung des § 54 [X.] - in seiner aktuellen Fassung anzuwenden.

B. Der [X.] ist zulässig.

Er wurde ordnungsgemäß gestellt, insbesondere wurde das geltend gemachte konkrete Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.] im [X.] ausdrücklich benannt. Die Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdegegnerin hat dem ihr am 19. Februar 2019 zugestellten [X.] mit am 15. April 2019 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz und damit rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist der vor dem 1. Mai 2020 und damit zum damaligen Zeitpunkt gültigen Regelung in § 54 Abs. 2 S. 2 [X.] a. F. widersprochen, so dass gem. § 54 Abs. 2 S. 3 [X.] a. F. das [X.] durchzuführen war.

[X.] Der [X.] ist nicht begründet. Nach Überzeugung des [X.]s lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass die Anmeldung der Marke [X.] im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.] erfolgt ist.

Eine Marke wird nach § 50 Abs. 1 [X.] auf Antrag für nichtig erklärt und gelöscht, wenn sie entgegen §§ 3, 7, 8 [X.] eingetragen worden ist, wobei für die im Eintragungsverfahren (§§ 37 Abs. 1, 41 S. 1 [X.]) und im [X.] (§ 50 Abs. 1 [X.]) vorzunehmende Prüfung der Schutzhindernisse auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens und das zu diesem Zeitpunkt bestehende Verkehrsverständnis abzustellen ist (vgl. [X.], 301 Rn. 9 – [X.]; [X.], 378 Rn. 14 – [X.]; [X.], 1012 Rn. 8 – [X.]; GRUR 2014, 565 Rn. 10 – smartbook; [X.], 1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten). Soweit der Löschungsgrund der Bösgläubigkeit geltend gemacht wird, ist ausschließlich auf den Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen und nicht daneben auch auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (vgl. [X.] [X.], 763 Rn. 35 – [X.]/[X.]; [X.] [X.], 380 Rn. 12f. – [X.]). Dies schließt jedoch eine Berücksichtigung des Verhaltens des Anmelders vor und nach der Markenanmeldung nicht aus. So wird sich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Markeninhabers häufig erst aus einer späteren Rechtsausübung ergeben, die zwar als solche den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.] nicht erfüllt, aber im Einzelfall erst den erforderlichen Schluss auf eine bereits zum Anmeldezeitpunkt vorliegende Behinderungsabsicht mit der gebotenen Sicherheit erlaubt (vgl. [X.] Rn. 14 – Glückspilz; [X.], Beschluss vom 15.11.2017, 29 W (pat) 16/14 – [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 8 Rn. 1043). Ist die Feststellung des Schutzhindernisses auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben ([X.], 138 Rn. 48 – [X.]; [X.], Beschluss vom 15.11.2017, 29 W (pat) 16/14 – [X.]; [X.], 155 – [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 53 Rn. 61).

Von der Böswilligkeit des Anmelders i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.] ist auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt, d. h. wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der [X.] in Kenntnis eines schutzwürdigen [X.] des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des [X.] des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen oder aber die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des [X.] einsetzt ([X.] [X.], 380 Rn. 17 – [X.]; [X.], 378 Rn. 17 – [X.]; [X.], 780 Rn. 13 – [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 1101 ff.). Neben diesen beiden Fallgruppen der Störung des schutzwürdigen Besitzstandes und des beabsichtigten zweckfremden Einsatzes der Marke als Mittel des [X.] ist in der nationalen Rechtsprechung als dritte Fallgruppe der [X.]en Markenanmeldungen diejenige der Anmeldung sogenannter „Spekulationsmarken“ herausgearbeitet worden, d. h. von Marken, welche der Anmelder lediglich mit dem Ziel schützen lassen möchte, gutgläubige Dritte unter Druck zu setzen, ohne dass ein eigener ernsthafter [X.] des [X.] vorliegt (vgl. [X.], 242 – [X.]; [X.], Beschluss vom 15.11.2017, 29 W (pat) 16/14 – [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 1064 ff). Diese drei in der [X.]n Spruchpraxis entwickelten Fallgruppen weisen Überschneidungen auf und sind – worauf die Beschwerdeführerin hinweist – nicht abschließend. Die Feststellung, ob der Anmelder die Eintragung der Marke [X.] beantragt hat, erfordert eine Beurteilung unter Berücksichtigung aller sich aus den relevanten Umständen des Einzelfalls ergebenden Anhaltspunkte ([X.] a. a. [X.] Rn. 37, 53 – [X.]/[X.]; [X.] [X.], 780 Rn. 18 – [X.]). Dabei kann aus den relevanten objektiven Umständen auf die für die Beurteilung der Bösgläubigkeit der Anmeldung relevante subjektive Einstellung des Anmelders im Sinne einer Behinderungsabsicht oder eines sonstigen unlauteren Motivs geschlossen werden (vgl. [X.] GRUR Int 2013, 792 Rn. 36 – [X.]; [X.] a. a. [X.] Rn. 42 – [X.]/[X.]; [X.] [X.], 780 Rn. 18 – [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 1034). Als relevanter Umstand kommt die Tatsache in Betracht, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter ein gleiches oder ähnliches Zeichen für gleiche oder ähnliche Waren und/oder Dienstleistungen verwendet sowie die Absicht des Anmelders, diesen [X.] an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern; schließlich auch der Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des [X.] und das angemeldete Zeichen genießen (vgl. [X.] a. a. [X.] Rn. 53 – [X.]/[X.]). Ein Verhalten überschreitet die Schwelle der Bösgläubigkeit erst dann, wenn seine Wirkungen über eine als bloße Folge des [X.] hinausgehen und es bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen [X.] gerichtet ist (vgl. [X.] [X.], 380 Rn. 28 – [X.]; [X.], 917 Rn. 23 – [X.]; [X.], 621 Rn. 32 – [X.]).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vermögen die von der Beschwerdeführerin genannten Aspekte und die Feststellungen des Gerichts die Annahme eines böswilligen Verhaltens der Beschwerdegegnerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der mit dem [X.] angegriffenen Marke nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu begründen. Weder ist eine [X.]e Markenanmeldung unter dem Gesichtspunkt der Störung eines schutzwürdigen [X.] der Beschwerdeführerin gegeben, noch kann eine Böswilligkeit der Anmeldung unter dem Gesichtspunkt eines beabsichtigten zweckfremden Einsatzes der Sperrwirkung der Marke als Mittel des [X.] oder der Anmeldung einer Spekulationsmarke angenommen werden. Auch andere Umstände des Einzelfalls, die in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen [X.] gerichtet sind, liegen nicht vor.

Zum einen handelt es sich bei der angegriffenen Marke bereits nicht um eine [X.]. Zum anderen fehlt der Markeninhaberin nicht der [X.], in dessen Rahmen die Bösgläubigkeit einer [X.] diskutiert wird. Aber auch ein fehlender [X.] begründet noch nicht ohne weiteres die Annahme einer Bösgläubigkeit. Vielmehr sind die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.] erst dann erfüllt, wenn im Zeitpunkt der Anmeldung zusätzliche Unlauterkeitsmerkmale vorliegen, welche die konkrete Anmeldung [X.] erscheinen lassen. Davon kann vorliegend nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszugegangen werden.

1. Eine [X.] liegt aus folgenden Erwägungen bereits nicht vor:

a) [X.] 3.4 hat zu Recht darauf abgestellt, dass die [X.] 011 676 244 und die streitgegenständliche nationale Marke 30 2018 027 638 zwar identische Zeichen und ein identisches Waren- und Dienstleistungsverzeichnis aufweisen, der territoriale Schutzbereich beider Marken jedoch ein anderer ist und mithin nicht von einer [X.] ausgegangen werden könne (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 26 Rn. 336; [X.] [X.]/[X.] [X.] § 26 Rn. 27; [X.]/[X.], [X.], § 25 Rn. 38). Die Beschwerdeführerin hat allerdings insoweit zutreffend darauf hingewiesen, es werde diskutiert, ob der Rechtsgedanke des Art. 139 Abs. 2 a UMV, dass eine wegen Nichtbenutzung für verfallen erklärte [X.] grundsätzlich nicht in eine nationale Marke umgewandelt werden könne, auch Bedenken gegen eine nationale „Nachanmeldung“ rechtfertige. Im umgekehrten Fall der Wiederholungsanmeldung einer nationalen Marke als [X.] liege unstreitig eine [X.] schon wegen des erweiterten territorialen Schutzbereichs der [X.] nicht vor. Im erstgenannten Fall sei dies dagegen anders zu beurteilen, sofern der territoriale Schwerpunkt der Benutzung der [X.] sich mit dem der nationalen Marke überschneide. Dem dürfte jedoch mit Recht entgegengehalten werden, dass eine [X.] nicht nur in [X.], sondern auch in anderen Ländern benutzt werden kann ([X.] [X.]/[X.] a. a. [X.] § 26 Rn. 32; [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 26 Rn. 339). Hinzu kommt zum einen, dass eine in eine nationale Marke umgewandelte [X.] nicht ohne weiteres einer nationalen Markeneintragung gleichzusetzen ist, da die nationale Markenanmeldung auf absolute und relative Schutzhindernisse geprüft wird, wohingegen die umgewandelte Marke gem. § 125d Abs. 3 S. 1 [X.] (i. d. F. bis 30.04.2022; jetzt § 121 Abs. 3 S. 1 [X.] n. F.) eine solche Prüfung nicht durchlaufen hat ([X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.]). Zum anderen erhält die umgewandelte nationale Marke den Zeitrang der Gemeinschaftsmarke, wohingegen bei der Neuanmeldung ein Prioritätserhalt ohnehin nicht in Betracht kommt. Der Normzweck des Art. 139 Abs. 2 a UMV lässt sich auf [X.] somit nicht übertragen. Faktisch kann damit die [X.] der Gemeinschaftsmarke auf [X.] verlängert werden, was jedoch als Folge des Prinzips der Koexistenz der [X.] hinzunehmen ist (vgl. [X.], Die [X.], 2012, [X.]). Ferner gehen Wortlaut und Rechtsgedanke des Art. 139 Abs. 2 a UMV von einer wegen Nichtbenutzung verfallenen [X.] aus. Diese Voraussetzung ist hier aber gerade nicht erfüllt (siehe unten [X.] 3. a)).

b) Eine [X.] zur Umgehung der [X.] liegt auch deshalb nicht vor, da die Nachanmeldung erst vier Monate nach Ablauf der [X.] der [X.] vorgenommen wurde. Unabhängig davon, ob und in welchem (angemessenen) Umfang man nach Ablauf der [X.] eine „Sperrfrist“ für erforderlich hält, ist jedenfalls bei einem sich über mehrere Monate erstreckenden Zeitraum nicht mehr davon auszugehen, dass Dritte keine [X.] erwerben konnten (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 26 Rn. 349; [X.]/[X.], a. a. [X.], § 25 Rn. 42, die allerdings einen Zeitraum von nicht unter sechs Monaten bis zu einem Jahr für angemessen halten).

2. Letztlich kommt es darauf aber nicht an, da die bloße Eintragung einer Wiederholungsanmeldung im [X.]n Recht – ohne das Vorliegen zusätzlicher Unlauterkeitsmerkmale – für sich allein keinen [X.] unter dem Gesichtspunkt der [X.]en Anmeldung im Sinne von § 50 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.] darstellt. Die harmonisierten gesetzlichen Eintragungshindernisse weisen einen entsprechenden speziellen [X.] nicht auf. Auch aus rechtssystematischen Gründen spricht gegen eine Annahme von § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.], dass der [X.] bei Anmeldung der Marke vorliegen muss und nicht geheilt werden kann. Als Sanktion bei einer gegen den Benutzungszwang verstoßenden [X.] kommt er nicht in Betracht, weil Verstöße gegen den Benutzungszwang grundsätzlich durch eine nachträgliche Aufnahme der Benutzung geheilt werden können (vgl. § 49 Abs. 1 S. 2 [X.]; Ströbele in Ströbele/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 26 Rn. 346; [X.]/[X.], a. a. [X.], § 25 Rn. 38), wohingegen der „Makel“ der Nichtigkeit auf Dauer anhaften muss.

3. Hinzu kommt, dass von der Vermutung eines generellen [X.] des Anmelders einer nationalen Marke auszugehen ist. Diese Vermutung ist allerdings durch das Gesamtverhalten des Anmelders in Ausnahmefällen widerleglich, in denen eine ernsthafte Planung für eine Eigen- oder Fremdbenutzung der Marke von vornherein auszuschließen ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 1052, 1053). Diese Annahme muss sich nach allgemeiner Lebenserfahrung aufdrängen, was hinreichende tatsächliche Feststellungen voraussetzt.

a) Gegen das Fehlen eines generellen [X.]n der nationalen Marke spricht vorliegend, dass auch die [X.] „[X.]“ bereits vor Anmeldung der nationalen Marke insbesondere in [X.] rechtserhaltend benutzt worden ist. Hierzu wird auf die Feststellungen der für den Verfallsantrag gegen die [X.] zuständigen Löschungsabteilung des [X.] verwiesen, die die 5. [X.] des [X.] weitgehend – jedenfalls für die hier relevanten Waren der [X.], die allein von der [X.] der Beschwerdegegnerin umfasst waren – bestätigt hat (vgl. Entscheidung der Fünften [X.] vom 28.06.2021, R 1231/2020-5).

b) Hinzu kommt, dass – unabhängig von ggf. vorliegenden Mängeln der einzelnen Unterlagen – die Gesamtschau der im hiesigen Verfahren eingereichten Dokumente einen [X.]n der Beschwerdegegnerin und Inhaberin der angegriffenen Marke belegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen der Abteilung 3.4 des [X.] im Amtsverfahren verwiesen. Mit der Benutzung der älteren [X.] fehlt es aber an dem die Bösgläubigkeit begründenden Motiv, die nachfolgende hier verfahrensgegenständliche Marke 30 2018 027 638 sei nur zu dem Zwecke angemeldet worden, den Benutzungszwang der älteren Marke zu umgehen. Auf die Umstände der Übertragung der [X.] innerhalb des Konzerns, dem die Markeninhaberin angehört, muss daher nicht näher eingegangen werden.

4. Eine Bösgläubigkeit der Beschwerdegegnerin lässt sich – anders als die Beschwerdeführerin meint – auch nicht daraus herleiten, dass bei Anmeldung der hier gegenständlichen Marke verschwiegen worden sei, dass es sich um eine [X.] handele. Wie die Markenabteilung 3.4 zutreffend festgestellt hat, besteht für eine Offenbarungspflicht bereits keine Grundlage (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 1052, 1062).

5. Eine böswillige Markenanmeldung unter dem Gesichtspunkt der Störung eines schutzwürdigen Besitzstandes der Beschwerdeführerin liegt nicht vor. Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.]s und des Vortrags der Beschwerdeführerin, die insoweit eine Mitwirkungspflicht und letztendlich die Feststellungslast trifft (vgl. [X.], 138 Rn. 48 – [X.]), können weder ein schutzwürdiger Besitzstand der Beschwerdeführerin noch die besonderen Umstände, die das Verhalten der Beschwerdegegnerin als sittenwidrig erscheinen lassen, mit der zur Löschung der angegriffenen Marke erforderlichen Sicherheit angenommen werden. Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin bereits nicht hinreichend spezifiziert dargelegt, dass sie im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke über einen in tatsächlicher Hinsicht ausreichend wirtschaftlich wertvollen und in rechtlicher Hinsicht schutzwürdigen Besitzstand an der Kennzeichnung „[X.]“ verfügt hat. Wie sich bereits aus der Entscheidung des [X.] ergibt, besteht der einzige wirtschaftlich relevante Bezug der [X.] Beschwerdeführerin in der weltweiten Versendung von Produkten, u. a. nach [X.], die mit der Kennzeichnung „[X.]“ versehen sind. Das Angebot der dortigen Beklagten und hiesigen Beschwerdeführerin habe „seinen Schwerpunkt in [X.], in [X.] jedoch einen spürbaren wirtschaftlichen Effekt“ (2 U 355/19 S. 18) gehabt, so das [X.]. Dieser Effekt ist nicht mit einem „Besitzstand“ gleichzusetzen. Unabhängig von der Frage eines Besitzstandes liegt seitens der Beschwerdegegnerin jedenfalls keine Störung desselben vor, da davon auszugehen ist, dass die Beschwerdegegnerin die verfahrensgegenständliche Kennzeichnung schon aufgrund der anderen für sie eingetragenen Marken benutzt hatte. Unstreitig (vgl. Antragsbegründung der Beschwerdeführerin vom [X.] im Amtsverfahren nebst Anlagen 4-6) war die Beschwerdegegnerin neben der [X.] 011 676 244 bereits seit 2002 Inhaberin der [X.]n [X.] 302 590 51 und 302 219 26 „[X.] Umwelttechnik“ und seit 2005 ebenfalls der Wort-/Bildmarke [X.] 574, für deren Nutzung sie im Amtsverfahren Unterlagen vorgelegt hat.

6. Ebenso wenig liegt ein beabsichtigter zweckfremder Einsatz der Sperrwirkung der Marke durch die Beschwerdegegnerin als Mittel des [X.] vor.

Ein Verhalten ist nur dann als böswillig i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.] anzusehen, wenn seine Wirkungen über eine als bloße Folge des [X.] hinausgehen und es bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen [X.] gerichtet ist (vgl. [X.] [X.], 380 Rn. 28 – [X.] m. w. N.). Dieser Tatbestand erfordert unter einer umfassenden Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls neben einer objektiven Eignung des Zeichens, eine Sperrwirkung zu entfalten und als Mittel des [X.] eingesetzt zu werden, eine entsprechende Absicht zum Zeitpunkt der Anmeldung (vgl. [X.], 580, 581 – [X.]). Diese Absicht muss nicht der einzige Beweggrund der Markenanmeldung sein; vielmehr reicht es aus, wenn die Absicht ein wesentliches Motiv ist (vgl. [X.] [X.], 917 [X.] – [X.]; [X.], 621 Rn. 32 – [X.]). Der Nachweis eines eigenen [X.] durch den Markeninhaber schließt die Böswilligkeit seines Verhaltens zwar nicht zwangsläufig aus, gleichwohl spricht eine eigene Benutzungsabsicht grundsätzlich gegen eine Bösgläubigkeit, weil die Markenanmeldung dann – zumindest auch – der eigenen geschäftlichen Betätigung dient.

Die Beschwerdeführerin irrt, wenn sie meint, die Behinderungsabsicht ergebe sich hier bereits aus der fehlenden eigenen Benutzungsabsicht der Beschwerdegegnerin. Wie oben dargestellt (siehe [X.] [X.] 3.), hat die Beschwerdegegnerin das Zeichen schon vor Anmeldung der hier gegenständlichen Marke und auch danach genutzt.

a) Eine Behinderungsabsicht kann angesichts der bereits erörterten Aspekte nicht daraus abgeleitet werden, dass die Beschwerdegegnerin die verfahrensgegenständliche Marke nach deren Eintragung als neuen Hauptanspruch in ein bereits laufendes Markenverletzungsverfahren eingeführt hat. Insbesondere da sie die Marke „[X.]“ bereits vorher genutzt hat, überschreitet das eben geschilderte Vorgehen noch nicht die Grenzen zur Böswilligkeit. In einem solchen Fall statt der ursprünglich zu Grunde gelegten Marken primär ein neu eingetragenes Zeichen zu verwenden, das sich noch in der [X.] befindet, zielt nicht – zumindest nicht in erster Linie – auf die Behinderung Dritter, sondern auf die Förderung der eigenen [X.]situation ab (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 1101, 1105 ff.). So kann es nicht zuletzt dazu dienen, das Verfahren zu beschleunigen, da keine Benutzungsunterlagen eingereicht und geprüft werden müssen.

b) Gleiches gilt für die Entscheidung, statt einer [X.] eine kostengünstigere nationale Marke, die das im Verfahren benötigte Gebiet abdeckt, neu anzumelden. Hierdurch wird lediglich eine Möglichkeit genutzt, die die nebeneinander existierenden [X.] bewusst zur Verfügung stellen (s. o. unter [X.] C 1. a)).

c) Soweit die Beschwerdeführerin anführt, dass es wettbewerbswidrig und [X.] sei, sich zunächst seiner Markenrechte durch eine – zudem zeitlich weit nach der Firmenübernahme liegende – Übertragung an den Mutterkonzern zu begeben, mangels Lizenz oder sonstiger vertraglicher Regelung eine [X.] von einem Monat entstehen zu lassen und erst dann, aufgeschreckt durch die Feststellungsklage der Beschwerdeführerin, eine neue nationale Marke anzumelden, überzeugt dies nicht. Selbst wenn keine Lizenzvereinbarungen oder vertraglichen Regelungen vorgelegt wurden, ist davon auszugehen, dass die Konzernmutter die Benutzung des Zeichens durch ihr Tochterunternehmen gestattet hat (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 26 Rn. 161). Durch die Übertragung der [X.] an die Konzernmutter ist für das Tochterunternehmen auch keine [X.] entstanden. Denn es liegt im unmittelbaren Interesse der Konzernmutter, die neu erworbenen Markenrechte gegenüber [X.] im gesamten [X.] durchzusetzen. Eine [X.] bestünde nur, wenn es zu einer Löschung der [X.] infolge Nichtbenutzung gekommen wäre. Dies ist aber hier nicht der Fall. Hinzu kommt, dass die Beschwerdegegnerin glaubhaft vorgetragen hat, sie habe von der Übertragung, die von ihrer Muttergesellschaft eingeleitet worden sei, zum Übertragungszeitpunkt nichts gewusst. Der Umschreibungsantrag beim [X.] ist nur von den Anwälten der Muttergesellschaft unterzeichnet worden (vgl. Anlage 8 zum Löschungsantrag der Beschwerdeführerin), was eine mangelnde Kenntnis bei der Beschwerdegegnerin nachvollziehbar macht.

Auch unter Berücksichtigung der „Chronologie der Abläufe“ – wie die Beschwerdeführerin es bezeichnet – ist nicht von einem [X.]en Handeln der Beschwerdegegnerin auszugehen. Hätte bei dieser die Befürchtung bestanden, dass die [X.] wegen Nichtbenutzung gelöscht werden könnte, hätte sie bereits vor Übertragung des Schutzrechts an den Mutterkonzern und deutlich vor Ablauf der [X.] der [X.] eine neue nationale Marke anmelden müssen. Nur so hätte sie bereits im Vorfeld sicherstellen können, dass eine Entstehung von [X.]n ausgeschlossen ist.

d) Der Vortrag der Beschwerdeführerin, dass die Beschwerdegegnerin die [X.] auf ihre Muttergesellschaft übertragen habe, „kurz“ nachdem sie durch die am 3. September 2018 erhobene Feststellungsklage der Beschwerdeführerin auf deren Einwand der Nichtbenutzung hin auf die mangelnde Benutzung aufmerksam geworden sei, ist so nicht zutreffend. Hierzu hat die Beschwerdegegnerin nämlich unbestritten vorgetragen, dass ihr die Feststellungsklage erst am 6. November 2018 zugestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Antragsbegründung vom 07. Februar 2019 auf [X.] selbst vorgetragen und urkundlich belegt (Anlage 11 zur Antragsbegründung), dass dies korrekt ist. Da die [X.] bereits am 23. Oktober 2018 auf die Muttergesellschaft übertragen worden ist, kann die spätere Zustellung der Feststellungsklage nicht Motivation für die Übertragung gewesen sein.

e) Die verfahrensgegenständliche nationale Marke wurde hingegen lediglich 13 Tage nach der eben erwähnten Zustellung, nämlich am 19. November 2018 angemeldet. Selbst wenn die Zustellung der Feststellungsklage maßgeblich zur Anmeldung der nationalen Marke geführt haben mag, liegt allein darin noch keine Bösgläubigkeit. Die Beschwerdegegnerin hat in dem Wissen um ihre eigene langjährige Marktpräsenz durch die Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Marke – letztlich erfolgreich – lediglich ihre eigene Rechtsposition verbessert. Von einem „zweckfremden“ Einsatz als Sperrmittel im [X.]kampf ist dabei nicht auszugehen. Wie im vom [X.] entschiedenen Fall „Flasche mit Grashalm“ ([X.], 431, 434) bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte für die Annahme, tragendes Motiv der verfahrensgegenständlichen Markenanmeldung sei die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsfreiheit der Beschwerdeführerin, zu der im Übrigen zu keinem Zeitpunkt eine Geschäftsbeziehung mit der Beschwerdegegnerin bestanden hatte, gewesen. Wenn ein Anmelder selbst die verfahrensgegenständliche Kennzeichnung benutzt und im Hinblick darauf deren markenrechtliche Absicherung [X.] gegenüber für erforderlich hält, hat er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Markenanmeldung (vgl. auch [X.], [X.], 763 Rn. 48, 49 – [X.]; [X.] GRUR 1998, 412, 414 – Analgin; [X.], Beschluss vom 13. 3. 2008, 26 W (pat) 153/04 – Tagesstempel).

7. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Spekulationsmarke sind ebenfalls nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die Anmelderin bereits durch ihre Muttergesellschaft europaweit Schutz für das Zeichen durch die gleichlautende [X.] besitzt, lässt die Absicht der markenmäßigen Nutzung der [X.]n Marke nicht entfallen. Denn zusätzliche flankierende Markenanmeldungen gehören zu den üblichen Markenstrategien und sind zur effektiven Rechtsdurchsetzung grundsätzlich gerechtfertigt, wenn wie hier für das entsprechende Zeichen ein genereller [X.] gegeben ist (vgl. auch [X.], Beschluss vom 15. Mai 2013,29 W (pat) 75/12 – Mark Twain).

8. Sämtliche sonstigen von der Beschwerdeführerin vorstehend genannten Aspekte vermögen auch in ihrer Gesamtschau ein [X.]es Verhalten der Beschwerdegegnerin im Zeitpunkt der Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Marke nicht zu belegen. Ist die Feststellung eines Schutzhindernisses, auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen nicht zweifelsfrei möglich, muss es jedoch bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben ([X.], [X.], 138, Rn. 48 – [X.]; [X.], [X.], 155 – [X.]).

D. Zu einer vom gesetzlichen Regelfall abweichenden Kostenentscheidung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 [X.] besteht kein Anlass. Die [X.] waren daher zurückzuweisen. Grundsätzlich tragen die Verfahrensbeteiligten gem. § 71 Abs. 1 S. 1 [X.] ihre Kosten jeweils selbst. Von diesem Grundsatz kann abgewichen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die insbesondere dann gegeben sind, wenn ein Verhalten vorliegt, dass mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 71 Rn. 12 ff. m. w. N.; [X.] GRUR 1972, 600, 601 – [X.]). Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsmaßstäben aussichtslosen Situation sein Interesse am Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (vgl. [X.]E 8, 60, 62; 12, 238, 240). Das bloße Unterliegen genügt hierfür nicht. Entsprechende besondere Umstände sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Da der [X.] nicht von einer [X.]en Markenanmeldung ausgeht, kommt auch die damit regelmäßig verbundene Kostenauferlegung (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 71 Rn. 19 ff.) hier nicht in Betracht.

E. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 83 Abs. 1, Abs. 2 [X.] erfolgt nicht. Der [X.] hat weder über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gem. § 83 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entschieden, noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 83 Abs. 2 Nr. 2 [X.] erforderlich. Vielmehr hat der [X.] unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des [X.] lediglich eine Einzelfallbeurteilung der Frage, ob der Beschwerdegegner [X.] gehandelt hat, vorgenommen. Die Rechtsbeschwerde zu Fragen zuzulassen, die die [X.] betreffen, scheidet aus, weil es auf deren Vorliegen nicht entscheidungserheblich ankommt.

Meta

29 W (pat) 66/20

29.06.2022

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 14 MarkenG, § 50 Abs 1 MarkenG, § 54 Abs 2 MarkenG vom 13.12.2001

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.06.2022, Az. 29 W (pat) 66/20 (REWIS RS 2022, 7379)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7379

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