Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.08.2021, Az. VII R 4/20

7. Senat | REWIS RS 2021, 3097

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Gegenstand

(Herstellung von Kalk nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG)


Leitsatz

NV: Bei der Herstellung von PCC (gefälltes Calciumcarbonat) handelt es sich nicht um die Herstellung von Kalk i.S. von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 12.12.2019 - 6 K 2301/17 Z wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Gegenstand des Unternehmens der [X.]lägerin und [X.]isionsklägerin ([X.]lägerin) ist u.a. der Betrieb von [X.]. [X.]ie wirtschaftliche Tätigkeit umfasst die [X.]erstellung von [X.]alk und anverwandten Produkten.

2

Am Produktionsstandort [X.] wird Erdgas zur [X.]erstellung von gefälltem [X.]alciumcarbonat (precipitated calcium carbonate --[X.]--) wie folgt eingesetzt:

3

[X.]er in einem Steinbruch abgebaute ungebrannte [X.]alkstein ([X.]alciumcarbonat) wird in einem [X.] durch Energieeintrag (Erdgas) gebrannt, wodurch eine Trennung des [X.]alksteins in seine Bestandteile Branntkalk und [X.]ohlenstoffdioxid erfolgt. [X.]er entstandene Branntkalk wird sodann durch Zugabe von Wasser gelöscht. [X.]urch diesen Vorgang entsteht [X.]alkmilch, die einem Reaktionsbehälter zugeführt wird. In diesem entsteht durch die Zugabe von [X.]ohlenstoffdioxid aus der [X.]alkmilch [X.].

4

[X.]as Erdgas wird in drei Produktionsschritten eingesetzt:
- zum Brennen des [X.]alksteins ([X.]erstellung von Branntkalk),
- zur Bereitstellung von Wärme zur Erwärmung der [X.]alkmilch und
- zur Trocknung des [X.].

5

[X.]ie [X.]lägerin meldete beim Beklagten und [X.]isionsbeklagten ([X.]auptzollamt --[X.]ZA--) für August 2016 eine Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Energiesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] und des Stromsteuergesetzes vom 01.03.2011 ([X.], 282, 284 f. --[X.]--) für die Verwendung von insgesamt ... MWh Erdgas für die gesamte Produktion von [X.] an, welche vom [X.]ZA gemäß § 168, § 155 Abs. 5 der Abgabenordnung ([X.]) ohne Beanstandung angenommen wurde.

6

In der nachfolgenden Außenprüfung, welche Zeiträume in 2014 und 2015 betraf, gelangte der Prüfer zu dem Schluss, dass die [X.]erstellung von [X.] nicht in vollem Umfang von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] erfasst werde, sondern nur die [X.]erstellung von Branntkalk (1. Stufe des [X.]erstellungsprozesses, s.o.). Bei dem synthetisch durch Fällung hergestellten [X.] handele es sich um ein Produkt, das gemäß der Verordnung ([X.]) Nr. 3037/90 des [X.] betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der [X.] ([X.] 3037/90 --NA[X.]E [X.]. 1.1--) nicht der [X.] 26.52, sondern der [X.] 24.13 ([X.]erstellung von sonstigen anorganischen Grundstoffen und [X.]hemikalien) zuzuordnen und deshalb nicht begünstigt sei. [X.]araufhin forderte das [X.]ZA mit Bescheid vom 01.08.2017 u.a. den für die eigentliche [X.]erstellung von [X.] aus Branntkalk im Zeitraum Januar bis November 2016 gewährten Entlastungsbetrag, insgesamt ... €, zurück.

7

[X.]as Einspruchsverfahren stellten die Beteiligten ruhend, soweit nicht die Rückforderung für den Monat August 2016 in [X.]öhe von ... € betroffen war. [X.]iesbezüglich hatten Einspruch und [X.]lage keinen Erfolg.

8

[X.]as Finanzgericht (FG) urteilte, die Ablehnung der Steuerentlastung für das im Monat August 2016 für die [X.]erstellung des [X.] eingesetzte Erdgas sei rechtmäßig. [X.]ie [X.]erstellung von [X.] sei nicht unter die "[X.]erstellung von [X.]alk" gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] zu subsumieren. Zur Auslegung seien die NA[X.]E [X.]. 1.1 und die [X.]lassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen des [X.], Ausgabe 2003 ([X.] 2003) heranzuziehen. Nach den dortigen Erläuterungen zur Unterklasse 26.52.0 "[X.]erstellung von [X.]alk" seien die [X.]erstellung von gelöschtem und ungelöschtem sowie hydraulischem [X.]alk und die [X.]erstellung von gebranntem [X.]olomit erfasst. [X.]iese Aufzählung sei abschließend und habe [X.] für alle nicht erfassten Produkte, worunter auch das von der [X.]lägerin hergestellte [X.] falle. [X.]as [X.] sei in den Abschnitt [X.], Unterabschnitt [X.]G, [X.] 24.13 "[X.]erstellung von sonstigen organischen Grundstoffen und [X.]hemikalien" einzuordnen. Ein Anspruch der [X.]lägerin auf eine Steuerentlastung ergebe sich auch nicht aus dem [X.] Beihilferecht.

9

[X.]ie [X.]ision begründet die [X.]lägerin wie folgt:
[X.]ie [X.]erstellung von [X.] sei eine [X.]erstellung von [X.]alk i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.]. [X.]abei handele es sich um ein mineralogisches Verfahren i.S. des Art. 2 Abs. 4 lit. b der Richtlinie 2003/96/[X.] vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen [X.] zur Besteuerung von [X.] und elektrischem Strom ([X.] --ABl[X.]-- Nr. L 283/51 --EnergieStRL--). [X.]ie Erläuterungen zur Unterklasse 26.52 der [X.] 2003 seien nicht als abschließend anzusehen, worauf das [X.] einleitend selbst hinweise ([X.] 2003, S. 35). [X.]anach sei eine vollständige Aufführung aller Tätigkeiten gar nicht möglich. Bei der [X.]erstellung von [X.] handele es sich um ein in der [X.] [X.]alkindustrie unübliches und singuläres Verfahren, welches ausschließlich bei der [X.]lägerin zur Anwendung komme. [X.]eshalb habe das [X.] dieses Verfahren nicht berücksichtigen können.

[X.]as [X.] bestehe stofflich aus [X.]alciumcarbonat ([X.]a[X.]O3) und falle deshalb unter den Begriff "[X.]alk". Allein das besondere [X.]erstellungsverfahren rechtfertige grammatikalisch keine andere Lösung. [X.]ie [X.]lägerin nutze ein mineralogisches Verfahren, das auf der Verwendung des abgebauten [X.]alksteins beruhe. [X.]er Abbau des [X.]alksteins werde von dem Unterabschnitt 14.12 [X.] 2003 erfasst und die Weiterverarbeitung bzw. Weiterverwendung dieses [X.]alksteins von der Untergruppe 26.52 [X.] 2003. Eine Beschränkung auf den ersten Verarbeitungsschritt, also die unmittelbare Verarbeitung des abgebauten [X.]alksteins, sei den Regelungen nicht zu entnehmen. Im Übrigen habe das [X.]ZA jahrelang die Steuerentlastung für das gesamte Verfahren gewährt. Aus der Gesetzesbegründung zum [X.] (BT[X.]rucks 16/1172, S. 44) lasse sich keine alleinige Verknüpfung mit der NA[X.]E [X.]. 1.1 entnehmen, weil danach die erfassten Verfahren und Prozesse nur "im Wesentlichen" den Tätigkeiten der NA[X.]E-Abteilungen [X.]I 26 und [X.]J 27 entsprächen.

[X.]er Entlastungstatbestand sei auch nicht eng auszulegen, weil der Gesetzgeber eine weite Auslegung beabsichtigt habe, um die unionsrechtlich zulässigen Entlastungstatbestände auszuschöpfen. [X.]as klägerische Verständnis sei schließlich auch unionsrechtlich geboten. Aus der Entscheidung der [X.] vom 07.02.2007 ([X.] (2007) 298 endg., [X.]) folge eine weite Auslegung, weil die Bundesrepublik [X.]eutschland ([X.]eutschland) danach beihilferechtlich eine Gleichbehandlung zu wahren und Steuerentlastungen zu gewähren habe, wenn weitere mineralogische Verfahren bekannt würden. [X.]iese Entscheidung binde das [X.]ZA. Schließlich gebiete der unionsrechtliche Grundsatz des Effet utile, nationale Vorschriften so auszulegen und anzuwenden, dass die praktische Wirksamkeit des [X.] Rechts und namentlich der Entscheidung der [X.] vom 07.02.2007 am besten und effektivsten erreicht werde.

[X.]ie [X.]lägerin beantragt, das Urteil des [X.] vom 12.12.2019 - 6 [X.] 2301/17 Z abzuändern und den Steuerbescheid des [X.]ZA vom 01.08.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.11.2017, soweit es die Rückforderung der Entlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] im Zusammenhang mit der [X.]erstellung von [X.] für den Monat August 2016 betrifft, aufzuheben.

[X.]as [X.]ZA beantragt, die [X.]ision als unbegründet zurückzuweisen.

Streitig sei allein, ob eine [X.]erstellung von [X.]alk i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] vorliege. [X.]ieser Entlastungstatbestand diene der Umsetzung von Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich EnergieStRL, wonach die Richtlinie nicht für mineralogische Verfahren gelte, die gemäß der Verordnung ([X.]) Nr. 3037/90 des [X.] betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der [X.] (Amtsblatt der [X.]en --ABlEG-- Nr. L 293/1 --VO Nr. 3037/90--) unter die NA[X.]E-Abteilung [X.]I 26 "Verarbeitung nichtmetallischer Mineralien" fallen. Nach der Gesetzesbegründung zu § 51 [X.] (BT[X.]rucks 16/1172, S. 44) entsprächen die in § 51 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] aufgeführten Prozesse und Verfahren im Wesentlichen den Tätigkeiten, die in den Abteilungen [X.]I 26 und [X.]J 27 der NA[X.]E [X.]. 1.1 aufgeführt seien, weshalb diese zur Auslegung heranzuziehen sei.

Zur Auslegung der NA[X.]E [X.]. 1.1 könne ferner auf die [X.] 2003 nebst deren Erläuterungen zurückgegriffen werden (Senatsurteil vom 09.08.2011 - VII R 74/10, BF[X.]E 235, 81, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --[X.]-- 2011, 331). Zur Unterklasse 26.52.0 "[X.]erstellung von [X.]alk" enthalte die [X.] 2003 die Erläuterung, dass hiervon die [X.]erstellung von gelöschtem und ungelöschtem [X.]alk sowie hydraulischem [X.]alk und die [X.]erstellung von gebranntem [X.]olomit umfasst seien. [X.]ie [X.]erstellung von [X.] falle nicht hierunter. [X.]ies stimme zudem mit der Erläuterung zu NA[X.]E [X.]. 1.1 überein. [X.]ie enumerative Aufzählung sei abschließend, zumal Schlüsselwörter wie z.B. "insbesondere" fehlten. [X.]afür spreche auch, dass die identischen Erläuterungen zu NA[X.]E [X.]. 1.1 in der Neufassung der NA[X.]E [X.]. 2 (dort in 23.52) um die "[X.]erstellung von Gips aus gebranntem Gipsstein oder gebranntem Sulfat" erweitert worden seien. Eine Erweiterung auf weitere [X.]alk-Produktionsprozesse sei nicht erfolgt.

Abgesehen davon seien Steuerentlastungstatbestände als Ausnahmeregelungen eng auszulegen (Senatsurteil vom 11.11.2008 - VII R 33/07, BF[X.]/NV 2009, 610). [X.]aher erfordere § 51 Abs. 1 [X.] eine rein prozessorientierte Betrachtung (vgl. Senatsurteil vom 29.10.2013 - VII R 24/12, BF[X.]E 243, 96, [X.] 2014, 52, Rz 13). Zudem halte es der [X.] (EuG[X.]) für zulässig, dass ein Mitgliedstaat einer in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b EnergieStRL enthaltenen Begrifflichkeit eine engere Bedeutung beimesse (EuG[X.]-Urteil vom 02.10.2014 - [X.] 426/12, [X.]:[X.]:2014:2247, Rz 29 ff., 33, [X.] 2014, 308). [X.]as Unionsrecht stehe einer Ausweitung der mineralogischen Verfahren über die in der [X.]lasse [X.]I 26 NA[X.]E [X.]. 1.1 genannten Verarbeitungsprozesse entgegen (Senatsurteil vom 24.02.2015 - VII R 50/13, BF[X.]E 249, 258, [X.] 2015, 220, Rz 12).

Allein die Tatsache, dass [X.]alk und [X.] die gleiche chemische Formel --[X.]a[X.]O3-- hätten, reiche nicht aus. Bei einer Fällung handele es sich um eine chemische Reaktion und nicht um ein mineralogisches Verfahren. Es werde ein natürlicher Rohstoff in ein synthetisches Produkt umgewandelt. [X.]agegen sei die [X.]erstellung von Branntkalk durch Brennen des natürlich abgebauten [X.]alksteins ein mineralogisches Verfahren. [X.]ie Argumentation der [X.]lägerin führe dazu, dass die [X.]erstellung aller Folgeprodukte aus [X.]alk, z.B. auch Zement (26.51 NA[X.]E [X.]. 1.1) und Frischbeton (26.63 NA[X.]E [X.]. 1.1), unter die Nr. 26.52 NA[X.]E [X.]. 1.1 fallen müsste. [X.]ie [X.]erstellung von [X.] sei jedoch in die Unterklasse 24.13 NA[X.]E [X.].1.1 "[X.]erstellung von sonstigen anorganischen Grundstoffen und [X.]hemikalien" einzuordnen, welche eine nicht abschließende Aufzählung enthalte, wie sich aus der Verwendung des Wortes "sonstigen" ergebe.

Weil es sich nicht um ein mineralogisches Verfahren handele, greife der Verweis der [X.]lägerin auf die Entscheidung der [X.] vom 07.02.2007 nicht. Zudem stelle die [X.]ommission fest, dass die EnergieStRL auf die [X.] [X.]I 26 verweise. [X.]emzufolge sollten nicht alle denkbaren mineralogischen Verfahren einer Steuerentlastung unterworfen werden. [X.]iese Entscheidung sei nicht unmittelbar bindend, sondern müsse durch den Mitgliedstaat in einem Gesetz umgesetzt werden.

Entscheidungsgründe

II.

Die [X.]ision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das Urteil des [X.] entspricht dem Bundesrecht.

1. Das [X.] hat den bereits ausgezahlten Entlastungsbetrag für August 2016 zu Recht gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 [X.] zurückgefordert, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Entlastung von der Energiesteuer gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] für das im Monat August 2016 zur Herstellung von [X.] aus Branntkalk verwendete Erdgas hat, denn es handelt sich dabei nicht um die Herstellung von Kalk.

a) Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] wird eine Steuerentlastung auf Antrag für versteuerte Energieerzeugnisse gewährt, die von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfliesen und -platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebranntem Gips, Erzeugnissen aus Beton, Zement und Gips, keramisch gebundenen Schleifkörpern, mineralischen Isoliermaterialien, Asphalt, Waren aus Graphit oder anderen Kohlenstoffen, Erzeugnissen aus Porenbetonerzeugnissen und mineralischen Düngemitteln zum Trocknen, Brennen, Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte verwendet worden sind. Eine Definition des Begriffs Kalk enthalten weder das [X.] noch die Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes.

Mit der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] getroffenen Regelung hat der [X.] Gesetzgeber den ihm in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich EnergieStRL eingeräumten Spielraum genutzt. Danach gilt die Richtlinie nicht für Verfahren, die unter die [X.] 26 "Verarbeitung nicht-metallischer Mineralien" fallen (sog. mineralogische Verfahren).

Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/1172, S. 44) entsprechen die in § 51 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] aufgeführten Prozesse und Verfahren im Wesentlichen den Tätigkeiten, die in den Abteilungen [X.] und DJ 27 der [X.]. 1.1 aufgeführt sind. Die [X.]. 1.1 und die dazugehörigen Erläuterungen sind deshalb zur Auslegung der Vorschrift heranzuziehen (vgl. auch [X.]surteile vom 26.10.2010 - VII R 50/09, [X.], 443, [X.], 23; vom 07.08.2012 - VII R 35/11, [X.], 382, und in [X.], 258, [X.], 220, Rz 7).

b) Der [X.] [X.] "Herstellung von Glas und Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden" umfasst in der Gruppe [X.].5 die "Herstellung von Zement, Kalk und gebranntem Gips" und in der Klasse [X.].52 die "Herstellung von Kalk". Der Begriff Kalk wird nicht definiert. Die dazugehörigen [X.] (veröffentlicht in [X.], [X.] - Reference And Management Of Nomenclatures, unter Klassifikationen) enthalten die folgenden Formulierungen: "Diese Klasse umfasst: Herstellung von gelöschtem und ungelöschtem sowie hydraulischem Kalk. Diese Klasse umfasst ferner: Herstellung von gebranntem Dolomit".

c) Bei der Auslegung der [X.]. 1.1 sind die [X.] 2003 und die hierzu veröffentlichten Erläuterungen zu berücksichtigen (vgl. [X.]surteile in [X.], 81, [X.], 331, Rz 16, und in [X.], 382, Rz 10). Denn nach den Vorbemerkungen der vom [X.] herausgegebenen [X.] 2003 sind diese ausgehend von der [X.]. 1.1 geschaffen bzw. aus ihr entwickelt worden. Die [X.] 2003 enthält zahlreiche Erläuterungen, die in der [X.]. 1.1 nicht enthalten sind. Zwar wurden diese Erläuterungen an die nationalen Bedürfnisse angepasst, doch weist das [X.] ausdrücklich darauf hin, dass durch diese redaktionellen Abweichungen keine inhaltlichen Unterschiede gegenüber der [X.]. 1.1 bestünden. Durch die [X.] 2003 werde sichergestellt, dass die statistische Erfassung der in [X.] tätigen Unternehmen nach den in der [X.] 3037/90 festgelegten unionsrechtlichen Vorgaben erfolgt. Im Übrigen müssen gemäß Art. 3 Abs. 3 [X.]. 1.1 nationale Klassifikationen der [X.] zur Billigung vorgelegt werden.

Da das geltende Unionsrecht den Mitgliedstaaten keinen Raum für nationale Abweichungen bei der Festlegung nationaler Klassifikationen der Wirtschaftszweige belässt, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die [X.] 2003 inhaltlich mit der [X.]. 1.1 übereinstimmt, deren Klasse [X.] von der EnergieStRL und auch von der Gesetzesbegründung zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ausdrücklich in Bezug genommen wird.

Die Unterklasse [X.].52.0 "Herstellung von Kalk" der [X.] 2003 umfasst die Herstellung von gelöschtem und ungelöschtem sowie hydraulischem Kalk und die Herstellung von gebranntem Dolomit und stimmt damit exakt mit den Regelungen in der [X.]. 1.1 überein. Der Unterabschnitt [X.] "Glasgewerbe, Herstellung von Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden" enthält darüber hinaus u.a. die folgenden Erläuterungen: "In diesem Unterabschnitt sind unterschiedliche Tätigkeiten zusammengefasst, die jeweils dasselbe mineralische Ausgangsmaterial haben. ..." Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Verarbeitungen desselben Ausgangsmaterials auch erfasst werden oder dass automatisch sämtliche ([X.] unter diesen Abschnitt fallen, sofern in der Produktionskette jemals ein bestimmtes Ausgangsmaterial verwendet wurde.

d) Für die Auslegung können neben der [X.]. 1.1 und [X.] 2003 noch weitere Klassifikationen, wie das Harmonisierte System ([X.]) und die Kombinierte Nomenklatur (KN), herangezogen werden (vgl. auch [X.]surteil in [X.], 258, [X.], 220, Rz 11; [X.]sbeschluss vom 26.02.2020 - VII R 25/18, [X.], 887, [X.], 349, Rz 17; Vorbemerkungen 2.3 zur [X.] 2003, S. 16). Im [X.] werden "[X.], auch gelöscht, und hydraulischer Kalk, ausgenommen reines Calciumoxid und Calciumhydroxid der Position 2825", unter das Kapitel 25 ("Salz; Schwefel; Steine und Erden; Gips, Kalk und Zement") und dort unter Position 2522 eingereiht. Nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System (Erl[X.]) 01.0 zu Position 2522 wird [X.] (ungelöscht oder wasserfrei) durch Brennen von Kalksteinen, die sehr wenig oder keinen Ton enthalten, hergestellt. Dagegen fallen Carbonate unter das Kapitel 28 ("Anorganische Chemische Erzeugnisse; ..."), dort unter Position 2836 [X.]. In der [X.] 2836 50 00 KN werden Calciumcarbonate ausdrücklich genannt. Aus den Erl[X.] 16.0 und 17.1 zu Position 2836 [X.] ergibt sich zudem ausdrücklich die Unterscheidung zwischen gefälltem Calciumcarbonat, das beim Einleiten von Kohlendioxid in [X.] entsteht, und natürlichen Kalksteinen, welche nach Erl[X.] 17.1 in Kapital 25 einzureihen sind.

Auch die Statistische Güterklassifikation in Verbindung mit den Wirtschaftszweigen in der [X.] (Verordnung ([X.]) Nr. 3696/93 des Rates vom [X.] i.d.F. nach der Verordnung ([X.]) Nr. 204/2002 der Kommission vom 19.12.2001 --ABl[X.] Nr. L 36/1--) --[X.] 2002-- unterscheidet zwischen ungelöschtem und gelöschtem [X.] bzw. hydraulischem Kalk, die in 26.52.10 eingeordnet werden, und Calciumcarbonat, welches in 24.13.33 (2836 50 00 KN) eingeordnet wird. Auch wenn die [X.] 2002 nicht auf bestimmte [X.] abstellt, bestätigt auch dies die Unterscheidung zwischen gefälltem Calciumcarbonat und [X.].

Calciumcarbonate bzw. deren Herstellung werden somit in [X.], KN und [X.] 2002 dem gelöschten bzw. ungelöschtem oder hydraulischem Kalk nicht gleichgestellt.

2. Ausgehend von diesen Grundlagen kann die Herstellung von gefälltem Calciumcarbonat nicht der steuerlich begünstigten [X.] 26.52 "Herstellung von Kalk" zugeordnet werden.

a) Die Beteiligten stimmen darin überein, dass es sich bei dem von der Klägerin hergestellten [X.] weder um gelöschten oder ungelöschten sowie hydraulischen Kalk noch um gebranntes Dolomit handelt (vgl. Erläuterungen zur [X.] 26.52). Der [X.] sieht diesbezüglich daher von weiteren Ausführungen ab.

Die [X.] 26.52 kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie gefälltes Calciumcarbonat erfasst. Dies ergibt sich zum einen aus der oben dargelegten unterschiedlichen Behandlung der Herstellung von Kalk und von Carbonaten. Zum anderen sind auch die Erläuterungen zur [X.] 26.52 als abschließend anzusehen, weil dort die Herstellung bestimmter Waren genannt und keine Formulierung wie z.B. "insbesondere" enthalten ist, die auf eine lediglich beispielhafte Aufzählung hindeutet.

b) Auch die Erläuterungen zur [X.] 2003 erlauben keine erweiternde Auslegung zugunsten der Klägerin. Diese Erläuterungen sind zwar grundsätzlich nicht als vollständig anzusehen, da eine abschließende Aufführung aller zu einer Unterteilung zuzuordnenden Tätigkeiten den Rahmen sprengen würde und aufgrund der ökonomischen und technischen Entwicklung nicht möglich ist (vgl. Hinweise für die Benutzung der [X.] 2003, S. 35). Aufgeführt sind vielmehr typische Tätigkeiten. Für eine in diesem konkreten Fall abschließende Aufzählung spricht allerdings der Wortlaut der Erläuterungen zur Unterklasse [X.].52.0, der --anders als an anderen Stellen der [X.] 2003-- keine Formulierung wie "insbesondere", "und andere" oder "usw." enthält.

c) Auch das Unionsrecht steht einer Ausweitung der mineralogischen Verfahren über die in der Klasse [X.] [X.]. 1.1 genannten Verarbeitungsprozesse entgegen. Denn nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich EnergieStRL sind nur solche Verfahren aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgewiesen, die unter die [X.] 26 fallen ([X.]sbeschluss in [X.], 887, [X.], 349, Rz 22; BTDrucks 18/11493, S. 54).

Deshalb kann die Formulierung "im Wesentlichen" in der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/1172, S. 44) nicht dahingehend verstanden werden, dass über die in der [X.] 26 genannten Verfahren hinaus weitere Verfahren begünstigt werden sollen. Im Gegenteil kann der Umstand, dass die Mitgliedstaaten von der durch das gemeinschaftliche Energiesteuerrecht eröffneten Möglichkeit zur steuerlichen Begünstigung mineralogischer Verfahren nur unter Beachtung der beihilferechtlichen Vorgaben Gebrauch machen können, nicht dazu führen, dass Wirtschaftsbeteiligten aufgrund einer nur punktuellen Umsetzung des Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich EnergieStRL ein unmittelbarer Anspruch auf eine in den nationalen Vorschriften ausdrücklich nicht angelegte Steuerbefreiung gewährt werden müsste (vgl. [X.]surteil in [X.], 382, Rz 14).

Dass es sich bei der Herstellung von gefälltem Calciumcarbonat nach Aussage der Klägerin um einen energieintensiven Prozess handeln soll, kann deshalb dahingestellt bleiben. Schließlich sind nach ständiger Rechtsprechung des [X.] Bestimmungen des Unionsrechts, die einen steuerlichen Vorteil gewähren, eng auszulegen (vgl. [X.]surteil in [X.], 610, unter [X.]). Zudem können die Mitgliedstaaten einem in Art. 2 Abs. 4 Buchst. [X.] enthaltenen Begriff eine engere Bedeutung beimessen ([X.]-Urteil [X.]:C:2014:2247, Rz 33, [X.], 308; vgl. [X.]surteil vom 13.01.2015 - VII R 35/12, [X.], 287, Rz 21). Mineralogische Verfahren sind vom Anwendungsbereich der EnergieStRL ausgenommen. Dieser Ausschluss darf nicht ausgeweitet werden, um die einheitliche Besteuerung von [X.] für Kraft und Wärme sicherzustellen.

d) Soweit die [X.] im Rahmen der beihilferechtlichen Prüfung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] [X.] aufgegeben hat, dieselbe steuerliche Behandlung anzuwenden, falls noch weitere mineralogische Verfahren bekannt werden, kann daraus nicht geschlossen werden, dass sämtliche Verfahren begünstigt werden müssen, die in irgendeiner Form auf mineralischen Ausgangsstoffen beruhen (so bereits [X.]sbeschluss in [X.], 887, [X.], 349, Rz 35). Die EnergieStRL nimmt nur mineralogische Verfahren der [X.] 26 von ihrem Geltungsbereich aus. Darauf bezieht sich auch die Stellungnahme der [X.] (vgl. Staatliche Beihilfe Nr. N 820/2006 - [X.] K (2007) 298 endg.).

3. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin fällt die streitgegenständliche Herstellung von [X.] unter die Klasse [X.] 24.13 "Herstellung von sonstigen anorganischen Grundstoffen und Chemikalien" der [X.]. 1.1. Dies ergibt sich sowohl aus den Erläuterungen zur [X.]. 1.1 als auch aus der [X.] 2003 und den hierzu veröffentlichten Erläuterungen.

4. Schließlich kann die Klägerin einen Entlastungsanspruch auch nicht aus dem Umstand ableiten, dass ihr das [X.] in der Vergangenheit die Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] gewährt hat. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes kann nach ständiger Rechtsprechung des [X.], der sich der erkennende [X.] angeschlossen hat, nicht gegen eine klare unionsrechtliche Bestimmung angeführt werden und das unionsrechtswidrige Verhalten einer für die Anwendung des Unionsrechts zuständigen nationalen Behörde kann kein berechtigtes Vertrauen eines Wirtschaftsteilnehmers darauf begründen, in den Genuss einer unionsrechtswidrigen Behandlung zu kommen (vgl. [X.]sbeschluss vom 13.05.2015 - VII R 63/13, [X.], 1452, [X.], 239, Rz 17, m.w.N.).

5. Der erkennende [X.] hält die von ihm vorgenommene Auslegung der Klasse [X.].52 der [X.]. 1.1 für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des [X.] besteht demnach nicht (vgl. [X.]-Urteil [X.] vom 06.10.1982 - C-283/81, [X.]:C:1982:335, Slg. 1982, 3415).

6. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 4/20

24.08.2021

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 12. Dezember 2019, Az: 6 K 2301/17 Z, Urteil

§ 51 Abs 1 Nr 1 Buchst a EnergieStG, § 37 Abs 2 AO, § 155 Abs 5 AO, § 168 AO, Art 2 Abs 4 Buchst b Ss 5 EGRL 96/2003, EWGV 3097/90, Art 267 AEUV, V-82-01

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.08.2021, Az. VII R 4/20 (REWIS RS 2021, 3097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3097


Verfahrensgang

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Az. VII R 4/20

Bundesfinanzhof, VII R 4/20, 24.08.2021.


Az. VII K 1/22

Bundesfinanzhof, VII K 1/22, 20.06.2023.


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