Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.01.2023, Az. VI ZB 81/20

6. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 1018

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Gegenstand

Rechtsweg beim Rückgriff des Unfallversicherungsträgers gegen einen für ihn tätigen Durchgangsarzt


Leitsatz

Zum Rechtsweg beim Rückgriff des Unfallversicherungsträgers gegen den für ihn tätigen Durchgangsarzt bezüglich einer fehlerhaften Behandlung im Rahmen eines Arbeitsunfalls.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des [X.] vom 26. Juni 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des [X.] vom 28. Januar 2020 bezüglich der Abtrennung und Verweisung des Rechtsstreits an das [X.] hinsichtlich der mit der Klage erhobenen Ansprüche auf Erstattung von Mehraufwendungen in Höhe von 649,59 € zurückgewiesen wurde. Der Beschluss des [X.] wird insoweit aufgehoben. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist auch hinsichtlich der mit der Klage erhobenen Ansprüche auf Erstattung von Mehraufwendungen in Höhe von 649,59 € zulässig. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Die in den Beschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten tragen die Klägerin zur Hälfte und die Beklagten je zu einem Viertel. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Parteien jeweils selbst.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten.

2

Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, die Beklagten sind für sie tätige Durchgangsärzte. Zwischen der Klägerin und den Beklagten gilt der Vertrag gemäß § 34 Abs. 3 [X.] zwischen der [X.] und dem Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung einerseits und der [X.] andererseits über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen ([X.]/Unfallversicherungsträger).

3

Am 29. November 2015 erlitt der Versicherte [X.] der Klägerin einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Schnittverletzung der linken Hand mit Durchtrennung der [X.] des zweiten Fingers zuzog. Der Versicherte wurde noch am Unfalltag beim Beklagten zu 1 sowie am 30. November, 4. Dezember und 11. Dezember 2015 beim Beklagten zu 2, jeweils in ihrer Funktion als Durchgangsärzte, vorstellig.

4

Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten [X.] die [X.]ndurchtrennung nicht diagnostiziert und den Versicherten insoweit unversorgt in der allgemeinen ambulanten Heilbehandlung belassen. Dies habe zu einer Verzögerung der Heilbehandlung sowie zu dauerhaften Funktionseinbußen und Schmerzen geführt. Sie - die Klägerin - habe dem Versicherten zur Abgeltung sämtlicher ihm wegen der fehlerhaften Behandlung zustehenden Ansprüche im Vergleichswege eine Entschädigung in Höhe von 4.500 € gezahlt und vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.213,68 € erstattet. Außerdem seien ihr aufgrund der Behandlungsfehler der Beklagten Heilbehandlungsmehrkosten (Arzt- und Physiotherapiekosten) in Höhe von insgesamt 649,59 € entstanden. Es bestehe das Risiko, dass sie zukünftig weitere Behandlungsmehrkosten tragen müsse. Die Klägerin meint, die Beklagten seien wegen Schlechterfüllung des [X.] zur Erstattung der genannten Beträge verpflichtet, zudem begehrt sie die Feststellung der weiteren Ersatzpflicht der Beklagten. Sie vertritt die Auffassung, hinsichtlich ihres gesamten Klagebegehrens sei gemäß Art. 34 Satz 3 [X.] der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben, weil sie nach ihrer Inanspruchnahme durch ihren Versicherten mit der vorliegenden Klage allein Ansprüche gegen die Beklagten im Wege des [X.] geltend mache. Sowohl die geltend gemachten Behandlungskosten als auch die [X.] an den Versicherten und die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten resultierten aus dessen Schadensersatzansprüchen im Sinne der §§ 249 ff. [X.].

5

Das [X.] hat die auf die behaupteten Mehraufwendungen in Höhe von 649,59 € bezogenen Ansprüche der Klägerin gemäß § 145 Abs. 1 ZPO abgetrennt, insoweit den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 [X.] für unzulässig erklärt und den abgetrennten Teil des Rechtsstreits an das [X.] verwiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat das [X.] als Beschwerdegericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Rechtsstreit auch hinsichtlich des Feststellungsantrags an das Sozialgericht verwiesen ist. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin den Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 [X.] statthaft und auch im Übrigen zulässig, da sich die Klägerin gegen die Entscheidung der [X.] wendet, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten hinsichtlich der abgetrennten Ansprüche bzw. Anträge der Klägerin für unzulässig zu erklären und den Rechtsstreit insoweit an das Sozialgericht zu verweisen. Im Rahmen dieses [X.] kann die Klägerin auch die Unzulässigkeit der - nicht selbständig anfechtbaren - Prozesstrennung geltend machen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Mai 2015 - [X.], NJW-RR 2015, 957 Rn. 15; [X.] in [X.], ZPO, 34. Aufl., § 145 Rn. 6a).

7

Die Rechtsbeschwerde ist auch teilweise begründet. Die Verweisung des Rechtsstreits ist zu Unrecht erfolgt, soweit sie die mit der Klage erhobenen Ansprüche auf Erstattung von Mehraufwendungen in Höhe von 649,59 € betrifft. Daher war auch die - allein zur Ermöglichung dieser Verweisung erfolgte - Prozesstrennung unzulässig. Die Rechtsbeschwerde ist dagegen unbegründet, soweit sie sich gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht hinsichtlich des Feststellungsantrags richtet. Auch die Prozesstrennung ist in diesem Punkt nicht zu beanstanden.

8

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, hinsichtlich der Behandlungsmehrkosten, die auch den alleinigen Gegenstand des Feststellungsantrags bildeten, liege eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 3 [X.] vor, über die die Sozialgerichte zu entscheiden hätten. Die Klägerin stütze ihre Ansprüche insoweit auf den [X.]/Unfallversicherungsträger und nicht auf gemäß § 116 [X.] übergegangenes Recht ihres Versicherten. Übergangsfähige Ansprüche kämen mangels persönlicher Haftung der Beklagten gegenüber dem Versicherten auch nicht in Betracht. Die Beziehungen der Unfallversicherungsträger zu den an der besonderen unfallmedizinischen Heilbehandlung teilnehmenden Ärzten und Krankenhäusern seien öffentlich-rechtlicher Natur. Der [X.]/Unfallversicherungsträger sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag. Für alle Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen sei grundsätzlich der Rechtsweg zu dem jeweils zuständigen Zweig der Verwaltungsgerichtsbarkeit - im Streitfall zur Sozialgerichtsbarkeit - gegeben. Das gelte auch im Falle eines Sachzusammenhangs mit einem vor den Zivilgerichten geltend zu machenden Amtshaftungsanspruch. Art. 34 Satz 3 [X.] sei für die abgetrennten und an die Sozialgerichtsbarkeit verwiesenen Ansprüche, mit denen die Klägerin einen unmittelbaren Eigenschaden geltend mache, nicht einschlägig. Der Rechtsauffassung der Klägerin, dass auch die von ihr geltend gemachten Mehrbehandlungskosten Teil des Schadens ihres Versicherten und damit auch Teil des von ihr verfolgten [X.] seien, könne nicht gefolgt werden. Die Mehrbehandlungskosten seien zu keiner [X.] bei ihrem Versicherten als Schaden angef[X.], weil die Klägerin aufgrund sozialrechtlicher Bestimmungen im Verhältnis zu ihrem Versicherten zur Übernahme der Behandlungskosten verpflichtet gewesen sei. Entsprechend seien die Mehrbehandlungskosten auch nicht von dem ihrem Versicherten gegen sie zustehenden Amtshaftungsanspruch aus § 839 [X.] i.V.m. Art. 34 [X.] umfasst gewesen. § 17 Abs. 2 [X.] stehe der Aufspaltung des Rechtswegs nicht entgegen, da die Klägerin eine Mehrheit prozessualer Ansprüche verfolge. Das [X.] habe zu Recht eine Prozesstrennung beschlossen und den abgetrennten Teil an die Sozialgerichtsbarkeit verwiesen.

9

2. Das hält der rechtlichen Prüfung nicht in vollem Umfang stand. Entgegen der Ansicht des [X.] sind die ordentlichen Gerichte aufgrund der Sonderzuweisung des Art. 34 Satz 3 [X.] auch für die Entscheidung des Rechtsstreits hinsichtlich der geltend gemachten - bereits angef[X.]en - Heilbehandlungsmehrkosten zuständig. Hinsichtlich des wegen befürchteter künftiger Mehrbehandlungskosten gestellten Feststellungsantrags erfolgte die Verweisung an das Sozialgericht dagegen zu Recht.

a) Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt des [X.]. Es handelt sich vorliegend nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit gemäß § 13 [X.], sondern um eine - vorbehaltlich einer abdrängenden Sonderzuweisung - den Sozialgerichten zugewiesene öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 [X.].

aa) Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Art ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dieser Frage fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der [X.] hergeleitet wird (st. Rspr.; etwa Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.], Beschluss vom 10. April 1986 - GmS-OG[X.]/85, [X.]Z 97, 312, 313 f., juris Rn. 10; Senatsbeschluss vom 14. April 2015 - [X.]/14, [X.]Z 204, 378 Rn. 12; [X.], Beschluss vom 9. Februar 2021 - [X.]/20, NVwZ 2021, 660 Rn. 17; jeweils mwN). Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 [X.] als auch von § 51 Abs. 1 [X.] (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.], Beschluss vom 10. April 1986 - GmS-OG[X.]/85, [X.]Z 97, 312, 314, juris Rn. 10; BSG, Beschluss vom 6. September 2007 - B 3 SF 1/07 R, juris Rn. 9). Es kommt nicht auf die Bewertung durch die klagende Partei, sondern darauf an, ob sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der von Rechtssätzen des Zivil- oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (Senatsbeschluss vom 14. April 2015 - [X.]/14, [X.]Z 204, 378 Rn. 12; [X.], Beschluss vom 9. Februar 2021 - [X.]/20, NVwZ 2021, 660 Rn. 17; jeweils mwN).

bb) Die Klägerin macht, wie sie in der Rechtsbeschwerdebegründung klargestellt hat, keine gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 [X.] vermeintlich auf sie übergegangenen privatrechtlichen Ansprüche ihres Versicherten gegen die Beklagten geltend. Vielmehr leitet sie die hier fraglichen Ansprüche aus dem zwischen ihr als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Beklagten als Durchgangsarzt bestehenden, durch den gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.] geschlossenen [X.]/Unfallversicherungsträger geregelten Rechtsverhältnis her. Dieses Rechtsverhältnis ist öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 1994 - [X.], [X.]Z 126, 297, 299, juris Rn. 9; [X.], 47 Rn. 22; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 51 Rn. 8; [X.] in BeckOGK-[X.], Stand: 1.8.2022, § 51 Rn. 57; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 51 Rn. 72). Dementsprechend handelt es sich bei dem [X.]/Unfallversicherungsträger um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.] (sog. Normsetzungsvertrag, [X.], 47 Rn. 25; [X.], Beschluss vom 22. Juli 2019 - 4 W 497/19, juris Rn. 9; [X.] in [X.] Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: 1.3.2018, § 34 [X.] Rn. 23; [X.], [X.], 4. Aufl., § 34 Rn. 11; allgemein zur Abgrenzung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verträgen etwa [X.], Beschluss vom 9. Februar 2021 - [X.]/20, NVwZ 2021, 660 Rn. 41 mwN).

cc) Es handelt sich um eine Angelegenheit der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 [X.] (vgl. Wagner, [X.] 2020, 410, 415; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 51 Rn. 28a; [X.] in [X.], [X.], 6. Aufl., § 51 Rn. 9 a.E.). Das Durchgangsarztverfahren gehört gemäß § 34 [X.] zu den Maßnahmen, mit denen die Unfallversicherungsträger die ihnen übertragenen Aufgaben auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung erfüllen (vgl. [X.], 267, 268, juris Rn. 17). Streitigkeiten im Verhältnis des [X.] zum Durchgangsarzt f[X.] daher grundsätzlich unter die umfassende ([X.] in [X.], Sozialrecht, 7. Aufl., § 51 [X.] Rn. 9) Zuständigkeitsregel des § 51 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ([X.] in BeckOGK-[X.], Stand: 1.8.2022, § 51 Rn. 57 mwN).

b) Die ordentlichen Gerichte sind jedoch [X.] des Art. 34 Satz 3 [X.] aufgrund des von der Klägerin geltend gemachten Amtshaftungsrückgriffs für die Entscheidung über das Klagebegehren nicht nur hinsichtlich der von der Klägerin verlangten Erstattung der Abfindungszahlung an den Versicherten zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten, sondern auch bezüglich der im Regresswege verlangten bereits angef[X.]en Mehrbehandlungskosten zuständig.

aa) Gemäß Art. 34 Satz 3 [X.] darf der ordentliche Rechtsweg für den Anspruch auf Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung und für den Rückgriff nicht ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff im Sinne von Art. 34 Satz 3 [X.] ist dabei nur dann anzunehmen, wenn der klagende öffentlich-rechtliche Dienstherr die von ihm geltend gemachten Regressansprüche darauf stützt, dass er aufgrund eines aus § 839 [X.] hergeleiteten Schadensersatzanspruchs Leistungen an einen [X.] erbracht und dadurch einen - mittelbaren - Schaden (Haftungsschaden) erlitten hat (vgl. [X.], NJW 1963, 69, 70; Papier/Shirvani in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 97. EL, Art. 34 Rn. 301; [X.] in [X.] BeamtenR Bund, Stand: 1.8.2022, § 75 [X.] Rn. 26; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.]: Juli 2022, § 75 Rn. 123 f.). Nicht erfasst werden Ansprüche des Dienstherrn gegen den Amtsträger wegen anderer Schäden, mögen diese auch auf eine Amtspflichtverletzung zurückzuführen sein.

bb) Im Streitfall macht die Klägerin nicht nur hinsichtlich der an ihren Versicherten geleisteten Abfindungszahlung zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten, sondern auch bezüglich der im Regresswege von den Beklagten verlangten Heilbehandlungskosten einen aus einem Amtshaftungsanspruch ihres Versicherten hergeleiteten Haftungsschaden geltend. Dies ergibt sich aus ihrem Vorbringen, sowohl die geltend gemachten Behandlungsmehrkosten als auch die [X.] an den Versicherten und die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten würden aus dessen Schadensersatzansprüchen im Sinne der §§ 249 ff. [X.] resultieren. Entgegen der Ansicht des [X.]s handele es sich bei der Übernahme der Behandlungsmehrkosten nicht um Leistungen aufgrund des Vertrages nach § 34 [X.], sondern ebenfalls um einen Teil des Schadens des Geschädigten und der ihm zustehenden originären Schadensersatzansprüche.

Ob die Klage insoweit tatsächlich unter dem Gesichtspunkt des Amtshaftungsrückgriffs begründet ist, ist für die Eröffnung des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten nach Art. 34 Satz 3 [X.] nicht entscheidend. Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs hängt grundsätzlich nicht vom Ergebnis einer materiell-rechtlichen Prüfung der Begründetheit des Klagebegehrens ab (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juli 1990 - [X.], NVwZ 1990, 1103, 1104, juris Rn. 18; BSG, Beschluss vom 25. März 2021 - [X.] SF 1/20R, juris Rn. 10 mwN; [X.], Beschluss vom 4. März 2015 - 6 [X.]/14, NVwZ 2015, 991 Rn. 19). Der vom Kläger beschrittene Rechtsweg ist schon dann zulässig, wenn sich nicht offensichtlich, d.h. nach jeder rechtlichen Betrachtungsweise, ausschließen lässt, dass das Klagebegehren auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, für die dieser Rechtsweg eröffnet ist (vgl. [X.], Urteile vom 5. Juli 1990 - [X.], NVwZ 1990, 1103, 1104, juris Rn. 18; vom 25. Februar 1993 - [X.], [X.]Z 121, 367, 375, juris Rn. 34; Beschluss vom 15. Dezember 1994 - [X.], [X.]Z 128, 204, 209, juris Rn. 12 mwN; BSG, Beschluss vom 25. März 2021 - [X.] SF 1/20R, juris Rn. 10 mwN; [X.], Beschluss vom 4. März 2015 - 6 [X.]/14, NVwZ 2015, 991 Rn. 11 und 18; Lückemann in [X.], ZPO, 34. Aufl., § 13 [X.] Rn. 54).

Das ist hinsichtlich der von der Klägerin bereits erbrachten und als Haftungsschaden geltend gemachten Mehrbehandlungskosten der Fall. Nach der Senatsrechtsprechung handelt der Durchgangsarzt unter anderem bei der durchgangsärztlichen Eingangsuntersuchung und der Erstversorgung in Ausübung eines öffentlichen Amtes mit der Folge, dass die Unfallversicherungsträger für etwaige Fehler in diesem Bereich grundsätzlich gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 [X.], Art. 34 Satz 1 [X.] haften (vgl. Senat, Urteile vom 29. November 2016 - [X.], [X.]Z 213, 120 Rn. 7 ff.; vom 20. Dezember 2016 - [X.], [X.], 495 Rn. 11 f.). Erfüllt der Versicherungsträger auf Behandlungsfehlern der Durchgangsärzte beruhende Amtshaftungsansprüche des Versicherten, kommt daher ein Rückgriff im Sinne des Art. 34 Satz 3 [X.] in Betracht. Entgegen der Ansicht des [X.] ist es hinsichtlich der geltend gemachten - nach dem Vortrag der Klägerin durch Behandlungsfehler der beklagten Durchgangsärzte verursachten - Heilbehandlungsmehrkosten nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass mit der Übernahme dieser Kosten seitens der Klägerin Amtshaftungsansprüche des Versicherten erfüllt wurden (vgl. zur Erbringung von Heil- und Unfallfürsorgeleistungen [X.], Urteile vom 5. Juli 1990 - [X.], NVwZ 1990, 1103, 1104, juris Rn. 14; vom 11. Juli 1963 - [X.], NJW 1963, 2168, 2169 f.), auch wenn - wie das Berufungsgericht annimmt - diese Kosten beim Versicherten selbst zu keinem [X.]punkt angef[X.] sind. Denn der durch den - unterstellten - Behandlungsfehler verursachte haftungsrelevante primäre Schaden des Versicherten besteht nicht in einem Vermögens-, sondern in einem Gesundheitsschaden. Der an seiner Gesundheit Geschädigte kann gemäß § 249 Abs. 2 [X.] Naturalrestitution durch Übernahme der für die Heilbehandlung erforderlichen Kosten grundsätzlich unabhängig davon verlangen, ob er selbst mit einer entsprechenden Verbindlichkeit belastet wurde.

c) Hinsichtlich des Feststellungsantrages ergibt sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte dagegen nicht aus Art. 34 Satz 3 [X.]. Insoweit macht die Klägerin keinen - künftigen - Haftungsschaden wegen der Erfüllung möglicher Amtshaftungsansprüche des Versicherten geltend. Denn nach ihrem eigenen Vortrag hat sie mit dem Versicherten einen umfassenden Abfindungsvergleich hinsichtlich aller Schadensersatzansprüche aufgrund der durchgangsärztlichen Behandlung abgeschlossen, so dass weitere Schadensersatzleistungen ausgeschlossen sind. Die von der Klägerin befürchteten weiteren Heilbehandlungskosten wären danach allein aufgrund ihrer sozialrechtlichen Verpflichtungen gemäß §§ 26 ff. [X.] zu erbringen. Inwieweit die Klägerin insoweit bei den Beklagten Rückgriff nehmen kann, ist - wie oben ausgeführt - von den Sozialgerichten zu entscheiden.

d) Hinsichtlich des [X.] ist weder die - im Rahmen der Zulässigkeit der Verweisung zu überprüfende (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Mai 2015 - [X.], NJW-RR 2015, 957 Rn. 15) - Prozesstrennung gemäß § 145 Abs. 1 ZPO fehlerhaft noch verstößt die Teilverweisung des Rechtsstreits gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.].

aa) Eine Prozesstrennung gemäß § 145 Abs. 1 ZPO setzt eine Mehrheit von Streitgegenständen ("Ansprüchen") voraus ([X.] in Musielak/[X.], ZPO, 19. Aufl., § 145 Rn. 2; [X.] in [X.], ZPO, 34. Aufl., § 145 ZPO Rn. 2). Der Streitgegenstand wird bestimmt durch das [X.] (Antrag), in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (Senatsurteil vom 14. März 2017 - [X.], [X.], 822 Rn. 17; [X.], Urteile vom 3. August 2021 - [X.], [X.], 1806 Rn. 11; vom 5. November 2020 - I ZR 234/19, [X.], 497 Rn. 38; jeweils mwN). Bei dem Feststellungsantrag handelt es sich gegenüber der auf Zahlung gerichteten Klage um ein eigenständiges [X.] und schon deshalb um einen unterschiedlichen Streitgegenstand.

bb) Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter [X.] in Betracht kommen Gesichtspunkten. Ihm fällt damit eine rechtswegüberschreitende Sach- und Entscheidungskompetenz zu. Diese setzt allerdings voraus, dass Gegenstand des Verfahrens ein einheitlicher Streitgegenstand im Sinne eines einheitlichen prozessualen Anspruchs ist. Liegt hingegen eine Mehrheit prozessualer Ansprüche vor, ist für jeden dieser Ansprüche die [X.] gesondert zu prüfen ([X.], Urteil vom 12. März 2020 - [X.], [X.]Z 225, 59 Rn. 23; Beschluss vom 27. November 2013 - [X.]/13, [X.]Z 199, 159 Rn. 13 f. mwN; Urteil vom 28. Februar 1991 - [X.], [X.]Z 114, 1, 2, juris Rn. 6). Ist der beschrittene Rechtsweg - wie im Streitfall hinsichtlich des Feststellungsantrags - für einen Teil der prozessualen Ansprüche nicht eröffnet, hat eine Prozesstrennung gemäß § 145 Abs. 1 ZPO mit anschließender Teilverweisung gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 [X.] zu erfolgen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Oktober 2009 - [X.] 19/08, [X.]Z 183, 35 Rn. 17; Lückemann in [X.], ZPO, 34. Aufl., § 17 [X.] Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl., § 17 [X.] Rn. 39; [X.] in [X.], ZPO, 23. Aufl., § 17 [X.] Rn. 16).

cc) Dass die Prozesstrennung und Teilverweisung zu einer Rechtswegspaltung führt und die Gefahr begründet, dass die ärztliche Behandlung des Versicherten durch die Beklagten von den zuständigen Gerichten unterschiedlich beurteilt wird, ist als Konsequenz der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung hinzunehmen. Die Möglichkeit, dass ein und derselbe Sachverhalt auseinandergerissen und in den sich aus ihm ergebenden Ansprüchen auf verschiedene Rechtswege verteilt wird, ist durch Art. 34 Satz 3 [X.] verfassungsrechtlich vorgegeben (vgl. [X.]E 37, 231, 237, juris Rn. 22; Papier/Shirvani in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 97. EL, Art. 34 Rn. 307 ff.).

[X.]     

      

Offenloch     

      

[X.]

      

Müller     

      

Böhm     

      

Meta

VI ZB 81/20

09.01.2023

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 26. Juni 2020, Az: I-11 W 23/20

§ 280 Abs 1 BGB, § 839 BGB, Art 34 S 3 GG, § 13 GVG, § 51 Abs 1 Nr 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.01.2023, Az. VI ZB 81/20 (REWIS RS 2023, 1018)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1018

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11 W 29/20 (Oberlandesgericht Hamm)


9 O 216/20 (Landgericht Bonn)


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