Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.01.2013, Az. X B 71/12

10. Senat | REWIS RS 2013, 9167

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Gegenstand

Verfahrensrüge bei Übergehen von Zeugenbeweisanträgen ohne ladungsfähige Anschrift


Leitsatz

NV: Die Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht und den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt, indem es schriftsätzlich benannte Zeugen nicht vernommen hat, ist nicht schlüssig erhoben, wenn die Beschwerdebegründung keine Angaben dazu enthält, welche Möglichkeiten dem FG zur Ermittlung der Anschrift der --ohne ladungsfähige Anschrift benannten-- Zeugen zur Verfügung gestanden hätten.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erzielte in den Streitjahren 1996 bis 2000 aus einem Sauna- und Sexclub Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im [X.] an eine Außen- und Fahndungsprüfung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) geänderte Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre. Darin nahm er in den Bereichen "[X.]", "Zuschüsse zu Inseratskosten" und "Eintrittsgelder" [X.] zu den von der Klägerin erklärten Erlösen vor.

2

Im Klageverfahren benannte die Klägerin mehrere der in ihrem Betrieb tätigen Prostituierten als Zeuginnen zu verschiedenen Beweisfragen. Das Finanzgericht ([X.]) lud diejenigen Zeuginnen zur mündlichen Verhandlung, für die die Klägerin ladungsfähige Anschriften angegeben hatte. Nach Vernehmung der Zeuginnen stützte das [X.] sein klageabweisendes Urteil jedoch nicht auf die --von ihm als "unklar" bezeichneten-- Aussagen der Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung, sondern auf die Protokolle der Vernehmungen der Zeuginnen im Rahmen der am 15. Mai 2002 durchgeführten Durchsuchung des Betriebs der Klägerin, weil diese Aussagen zeitnäher zu den Streitjahren getätigt worden und inhaltlich konkreter ausgefallen seien.

3

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen mangelnder Sachaufklärung und Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes.

4

Das [X.] hält die Beschwerde für unbegründet.

Entscheidungsgründe

5

II. [X.]ie Beschwerde ist unzulässig.

6

[X.]ie Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O) entsprechenden Weise dargelegt.

7

1. [X.]ie Klägerin rügt zunächst, das [X.] habe gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) verstoßen, indem es nicht alle der von ihr im Schriftsatz vom 27. Oktober 2009 benannten Zeuginnen geladen und vernommen habe. [X.]iese Rüge ist schon deshalb unzulässig, weil die Klägerin den prozessualen Sachverhalt in den entscheidenden Punkten unvollständig --und damit unrichtig-- wiedergibt.

8

In dem genannten Schriftsatz hatte die Klägerin nur die [X.] und [X.] unter Angabe einer [X.] Anschrift benannt. [X.]iese Zeuginnen hat das [X.] geladen und vernommen, ferner die im Schriftsatz vom 8. November 2010 mit [X.] Anschrift benannte Zeugin A.

9

Soweit die Klägerin rügt, das [X.] habe die darüber hinaus benannten [X.], [X.], [X.] und [X.] nicht geladen und vernommen, hätte sie sich zur [X.]rhebung einer schlüssigen Verfahrensrüge damit auseinandersetzen müssen, dass sie zu diesen Zeuginnen keine ladungsfähige Anschrift angegeben, sondern erklärt hatte: "ladungsfähige Anschrift wird nachgereicht", ohne dieser Ankündigung indes im weiteren Verlauf des Prozesses nachzukommen. [X.]ie Klägerin hätte insbesondere angeben müssen, welche Möglichkeiten dem [X.] zur [X.]rmittlung einer [X.] Anschrift dieser nur mit ihrem Vor- und Nachnamen --teilweise zusätzlich mit dem [X.]eburtsdatum-- bezeichneten Zeuginnen zur Verfügung gestanden hätten. Hierzu hätte umso mehr Anlass bestanden, als es sich bei den Zeuginnen um [X.]eschäftspartnerinnen (so die Klägerin) bzw. Arbeitnehmerinnen (so das [X.]) der Klägerin handelte, und es für die Klägerin daher leichter als für das [X.] gewesen sein dürfte, die [X.] Anschriften zu ermitteln.

Ferner setzt sich die Klägerin nicht damit auseinander, dass sie die Zeuginnen [X.] und [X.] nur zu solchen Beweisthemen benannt hat, auf die das angefochtene Urteil nicht eingeht (Weisungsfreiheit der Prostituierten).

2. Aus denselben [X.]ründen ist auch die Rüge unschlüssig, das [X.] hätte weitere Sachaufklärung von Amts wegen betreiben müssen. Soweit die Klägerin damit die unterbliebene Ladung und Vernehmung der ohne ladungsfähige Anschrift benannten Zeuginnen meint, fehlt es ebenfalls an Ausführungen dazu, auf welche Weise das [X.] die unbekannten Anschriften hätte ermitteln sollen. Sollte die --insoweit unklare-- Beschwerdebegründung dahingehend zu verstehen sein, dass die Klägerin das Fehlen sonstiger Sachaufklärungsmaßnahmen beanstanden will, fehlt es an der Angabe, welche konkreten Beweise das [X.] von Amts wegen hätte erheben sollen (vgl. zum [X.]rfordernis derartiger [X.]arlegungen Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 [X.]124/10, [X.] 2011, 1838, unter II.2.d).

3. Auch ein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 81 Abs. 1 [X.]O) ist nicht schlüssig dargelegt. [X.]ie Klägerin selbst räumt in ihrer Beschwerdebegründung ein, dass ein entfernteres Beweismittel --hier: die vorliegenden Protokolle früherer [X.] verwertet werden darf, wenn die [X.]rhebung des unmittelbaren Beweises (Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung) unmöglich ist (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 8. November 2005 [X.]105/05, [X.] 2006, 347). [X.]s fehlt aber jegliche Auseinandersetzung mit der sich aufdrängenden Frage, weshalb die Vernehmung von Personen, deren [X.] Anschriften die Klägerin trotz entsprechender Ankündigung nicht hat angeben können, für das [X.] möglich gewesen sein sollte.

4. Von einer weiteren [X.]arstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O ab.

Meta

X B 71/12

09.01.2013

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 6. März 2012, Az: 13 K 2687/09, Urteil

§ 76 Abs 1 S 1 FGO, § 81 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.01.2013, Az. X B 71/12 (REWIS RS 2013, 9167)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9167

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