Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.01.2020, Az. 10 C 11/19

10. Senat | REWIS RS 2020, 3840

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Gegenstand

Zugang zu Informationen nach dem Verbraucherinformationsgesetz und dem Umweltinformationsgesetz


Leitsatz

1. Nach dem Verbraucherinformationsgesetz besteht kein Anspruch auf Zugang zu Informationen zu Verstößen gegen tierschutzrechtliche Vorschriften.

2. Das Merkmal der Umweltbestandteile in § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG erfasst tierschutzrechtliche Belange nicht.

Tenor

Die Urteile des [X.] vom 27. Februar 2018 und des [X.] vom 11. Januar 2017 werden geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens aus allen drei Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein eingetragener Verein, der sich unter anderem für den Tierschutz bei Tiertransporten einsetzt, begehrt von der beklagten Aufsichtsbehörde Einsicht in deren Akten zu Verstößen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen bei Transporten von Puten zur beigeladenen Geflügelschlachterei. Der Beklagte lehnte den Antrag ab.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zur Akteneinsicht gemäß dem ([X.] verpflichtet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen mit Urteil vom 27. Februar 2018 zurückgewiesen. Die begehrten Informationen seien zwar keine Umweltinformationen im Sinne des Umweltinformationsrechts. Das Merkmal der Umwelt erfasse nur die Artenvielfalt, nicht aber den Tierschutz. Der Schutz sei zudem auf wildwachsende Pflanzen und wildlebende Tiere beschränkt. Es bestehe jedoch ein Anspruch auf Akteneinsicht nach dem [X.]. Umfasst seien hiervon alle Daten über das nationale und unionsrechtliche Lebensmittel- und Futtermittelrecht. Zwar seien Nutztiere keine Lebensmittel. Die Vorschriften des Gesetzes gälten aber für lebende Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienten, soweit das Gesetz dies bestimme. Eine solche Bestimmung sei § 39 Abs. 1 LFGB, der Aufgaben und Maßnahmen der Überwachungsbehörden bei Verstößen auch im Zusammenhang mit Schlachttieren regele. Die [X.] ([X.]) 882/2004 erstrecke die Aufgaben der Überwachungsbehörden auf die Einhaltung der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz.

3

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen.

4

Der Beklagte macht geltend: Die begehrten Informationen über tierschutzrechtliche Verstöße seien keine Informationen über nicht zulässige Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Vorschriften im Sinne des [X.]es. Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch gelte nicht für lebende, der Gewinnung von Lebensmitteln erst dienende Tiere. Zweck des [X.]es sei der Schutz der Verbraucher vor Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Lebensmittel und vor Täuschung beim Verkehr mit Lebensmitteln. Damit stünden die beantragten Informationen über Kontrollen bei Verstößen gegen Transport- und Standzeiten bei lebenden Puten nicht in Zusammenhang.

5

Die Beigeladene macht geltend: Die von dem Kläger begehrten Informationen beträfen keine Erzeugnisse im Sinne des [X.]es. Der dort in Bezug genommene § 2 Abs. 1 LFGB erfasse grundsätzlich keine lebenden Tiere. Es bestehe auch kein Auskunftsanspruch hinsichtlich des Herstellens von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten. Dieser Tatbestand erfasse nur die plan- und rezepturgemäßen [X.], nicht jedoch einzelne angebliche Abweichungen von vorgegebenen Prozessen.

6

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

das Urteil des [X.] vom 27. Februar 2018 und das Urteil des [X.] vom 11. Januar 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das Urteil des [X.] und macht zudem geltend: Es bestehe auch ein Anspruch nach dem [X.]. Das Wohlergehen der Nutz- und Schlachttiere sei als Umweltbestandteil geschützt.

9

Der Vertreter des [X.] beim [X.] trägt vor: Der Anwendungsbereich des [X.]es sei nicht eröffnet, weil lebende Tiere grundsätzlich nicht als Lebensmittel anzusehen seien. Die anderweitige Auslegung von § 4 Abs. 1 Nr. 1 LFGB durch das Oberverwaltungsgericht stehe mit Sinn und Zweck und dem Wortlaut der Vorschrift nicht im Einklang. Eine Erweiterung ergebe sich nicht aus § 39 Abs. 1 LFGB. Hierbei handele es sich lediglich um eine Zuständigkeitsanordnung. Es bestehe aber ein Anspruch auf Information nach dem [X.]. Daten über Transporte lebender Nutztiere seien Informationen über [X.] im Sinne dieses Gesetzes.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind zulässig und begründet. Das angegriffene Urteil verletzt [X.] (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es beruht auf dieser Verletzung und stellt sich auch nicht als im Ergebnis richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der [X.] kann selbst entscheiden, weil weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

1. Das Urteil verstößt gegen [X.]undesrecht, soweit das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch auf Informationszugang nach dem Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation ([X.]) i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 17. Oktober 2012 ([X.] I S. 2166, 2725), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 7. August 2013 ([X.] [X.]), - [X.] - bejaht hat.

a) Ein Anspruch auf Zugang zu Informationen zu Verstößen gegen tierschutzrechtliche [X.]estimmungen bei Transporten von Puten zur beigeladenen Geflügelschlachterei besteht nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]uchst. a und c [X.]. Nach dieser Vorschrift hat jeder Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über von den nach [X.]undes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen (a) des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs und des Produktsicherheitsgesetzes und (c) unmittelbar geltender Rechtsakte der [X.] oder der [X.] im Anwendungsbereich der genannten Gesetze sowie über Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit diesen Abweichungen getroffen worden sind, die bei einer Stelle im Sinne des Absatzes 2 vorhanden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Verstöße gegen Regelungen über lebende Tiere - unter Einschluss des [X.] und des Tierschutzschlachtrechts - unterfallen entgegen der Auffassung des [X.] nicht dem Lebensmittel- und Futtermittelrecht.

Nach § 2 Abs. 2 des Lebensmittel-, [X.]edarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFG[X.]) i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 3. Juni 2013 ([X.] I S. 1426), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Juni 2017 ([X.] I S. 2147), sind Lebensmittel solche im Sinne des Art. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 178/2002 vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der [X.] und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit ([X.] L 31 S. 1). Lebende Tiere gehören nach Art. 2 [X.]. 3 [X.]uchst. b dieser Verordnung nicht zu den Lebensmitteln, soweit sie nicht für das Inverkehrbringen zum menschlichen Verzehr hergerichtet worden sind. Das Lebensmittel wird also grundsätzlich vom geschlachteten Tier gewonnen. Nur wenn lebende Tiere - wie etwa Austern - für das Inverkehrbringen zum menschlichen Verzehr hergerichtet werden, werden sie zu Lebensmitteln im Sinne des Gesetzes (vgl. [X.], in: Zipfel/[X.], Lebensmittelrecht, Stand Juli 2019, Art. 2 [X.]-Lebensmittel-[X.]asisverordnung Rn. 3).

Anderes folgt nicht aus § 4 Abs. 1 Nr. 1 LFG[X.]. Danach gelten die Vorschriften dieses Gesetzes für Lebensmittel auch für lebende Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, soweit dieses Gesetz dies bestimmt. Mit dieser Vorschrift wird der Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs in Einzelfällen auch auf lebende Tiere ausgedehnt. Eine derartige Erweiterung um lebende Tiere sieht § 10 Abs. 2 LFG[X.] vor, wonach es verboten ist, lebende Tiere in den Verkehr zu bringen, wenn in oder auf ihnen bestimmte Stoffe mit pharmakologischer Wirkung oder deren Umwandlungsprodukte vorhanden sind. Dies dient der Umsetzung von [X.]estimmungen der [X.][X.] des Rates vom 29. April 1996 über Kontrollmaßnahmen hinsichtlich bestimmter Stoffe und Rückstände in lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen ([X.] [X.] S. 10); aus Gründen der Lebensmittelsicherheit hielt der Gesetzgeber eine Kontrolle von Nutztieren vor der Schlachtung etwa wegen verabreichter verbotener Wachstumshormone für notwendig (vgl. [X.]. 15/3657 S. 60; vgl. auch [X.], in: Zipfel/[X.], Lebensmittelrecht, Stand Juli 2019, § 10 LFG[X.] Rn. 46). Eine umfassende Einbeziehung lebender Tiere in den Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs ist damit jedoch nicht verbunden.

Entgegen der Auffassung des [X.] bewirkt auch § 39 Abs. 1 LFG[X.] keine Erweiterung des Anwendungsbereichs des Gesetzes auf lebende Tiere. Nach dieser Vorschrift ist die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der [X.] oder der [X.] im Anwendungsbereich dieses Gesetzes über Erzeugnisse und lebende Tiere im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 LFG[X.] Aufgabe der zuständigen [X.]ehörden. Die Vorschrift enthält keine materiellen Regelungen, sondern regelt nur die Zuständigkeit der Lebensmittelüberwachungsbehörden für deren Vollzug. Das gilt auch in Ansehung der [X.]estimmungen zu lebenden Tieren, für die § 4 Abs. 1 Nr. 1 LFG[X.] wie gezeigt nur in bestimmten - hier nicht gegebenen - Fällen eine Geltung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs vorsieht.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Überwachungsbehörden neben der Einhaltung der Vorschriften des Lebensmittelrechts nach der sog. Kontroll-Verordnung ([X.]) Nr. 882/2004 des [X.] und des Rates vom 29. April 2004 ([X.] [X.]) ebenso wie nach der [X.] ([X.]) 2017/625 des [X.] und des Rates vom 15. März 2017 ([X.] [X.]) auch die Einhaltung von [X.]estimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz zu überprüfen haben. Richtig ist, dass diese Verordnungen Kontrollen im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs vorsehen. Ihr Anwendungsbereich geht aber darüber hinaus, indem sie - schon ausweislich ihrer Überschriften, aber auch ihrer Erwägungsgründe - zusätzlich der Überwachung nach dem Tierschutzrecht dienen. Dadurch werden die in [X.]ezug genommenen tierschutzrechtlichen Vorschriften nicht zu lebensmittelrechtlichen. Die Gewährleistung tierschutzrechtlicher [X.]estimmungen liegt außerhalb des Anwendungsbereichs des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs und damit auch außerhalb des Anwendungsbereichs des [X.]es.

Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des [X.]es auf tierschutzrechtliche [X.]elange widerspräche auch seinem Gesetzeszweck. Nach § 1 [X.] bezweckt das Gesetz den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor gesundheitsschädlichen oder sonst unsicheren Erzeugnissen und die Verbesserung vor Täuschung beim Verkehr mit Erzeugnissen im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs. Es dient mithin dem Gesundheitsschutz sowie der Lauterkeit des Verkehrs mit [X.]. Insoweit soll die Fähigkeit des Verbrauchers zur eigenverantwortlichen Kaufentscheidung gestärkt werden (vgl. [X.], NVwZ 2012, 1497 <1498>). Die Auffassung, auch die Produktionsbedingungen von tierischen Lebensmitteln seien unabhängig davon, ob das Tier bereits geschlachtet worden sei oder noch lebe, einzubeziehen (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], [X.] Informations- und Medienrecht, § 1 [X.] Rn. 7), weist keinen [X.]ezug zu gesundheitsschädlichen Erzeugnissen oder zu einer Täuschung beim Verkehr mit ihnen auf und überschreitet deshalb die Zielsetzung des Gesetzes.

b) Der behauptete Informationsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.]. Nach dieser Vorschrift hat jeder Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über die Kennzeichnung, die Herkunft, die Verwendung, das Herstellen und das [X.]ehandeln von Erzeugnissen und [X.], die bei einer Stelle im Sinne des Absatzes 2 vorhanden sind. Die Auffassung des [X.]erufungsgerichts, Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften über den Tiertransport zum Schlachthof unterfielen jedenfalls dem "Herstellen" von Lebensmitteln, geht fehl.

Von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] sind allein Informationen über den regelgerechten Herstellungsprozess eines Lebensmittels umfasst. Das ergibt sich sowohl aus Sinn und Zweck der Vorschrift, dem Verbraucher Kenntnis über Herkunft und Herstellung von Lebensmitteln zu verschaffen, als auch aus der Systematik des § 2 Abs. 1 [X.]. Das [X.] unterscheidet zwischen nicht zulässigen Abweichungen von Herstellungsvorschriften, über die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.], und zugelassenen Abweichungen, über die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] zu informieren ist. Soweit der regelgerechte Herstellungsprozess in Rede steht, sind daher die beiden genannten Normen nicht einschlägig, sondern § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.]. Das wird durch § 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]uchst. e [X.] bestätigt. Hiernach ist der Anspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] wegen entgegenstehender öffentlicher [X.]elange in der Regel ausgeschlossen, wenn die Informationen vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden sind. Diese zeitliche [X.]eschränkung besteht für nicht zulässige Abweichungen vom Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, nicht aber für Informationen über den Herstellungsprozess im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 [X.]. Informationsansprüche über Verletzungen lebensmittelrechtlicher Vorschriften zeitlich zu beschränken, ist zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit geboten, da der objektive Informationswert umso geringer ist, je weiter sie zurückliegen; von einem Verstoß in der Vergangenheit lässt sich mit zunehmendem zeitlichen Abstand immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen (zu § 40 LFG[X.] vgl. [X.], [X.]eschluss vom 21. März 2018 - 1 [X.] - [X.]E 148, 40 Rn. 58). Das würde unterlaufen, wenn Informationen über Abweichungen vom regelgerechten Herstellungsprozess nicht nur § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] unterfielen, sondern zugleich § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.].

2. Das [X.]erufungsurteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Ohne [X.] hat das [X.]erufungsgericht einen Anspruch des [X.] auf Akteneinsicht nach dem [X.] vom 7. Dezember 2006 (Nds. GV[X.]l. [X.]), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juni 2016 (Nds. GV[X.]l. [X.]), - [X.] - verneint.

Das [X.] ist Landesrecht, das als solches nicht der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. Es nimmt aber in § 2 Abs. 5 und § 3 Satz 2 [X.] auf Vorschriften des [X.]es i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 27. Oktober 2014 ([X.] I S. 1643), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 17 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 ([X.] I S. 2808) - [X.] - [X.]ezug, das seinerseits der Umsetzung der Richtlinie 2003/4/[X.] des [X.] und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (Umweltinformationsrichtlinie - [X.] -, [X.] L 41 S. 26) dient. Ob die vom Oberverwaltungsgericht gefundene Auslegung des [X.]es mit dem [X.] und der Umweltinformationsrichtlinie in Einklang steht, ist eine Frage des revisiblen [X.]undesrechts (stRspr, vgl. zum Unionsrecht [X.]VerwG, Urteil vom 21. Februar 2008 - 4 [X.] 13.07 - [X.]VerwGE 130, 223 Rn. 9).

Das [X.]erufungsgericht hat die begehrten Informationen zu tierschutzrechtlichen Verstößen bei Transport und Aufenthalt der Puten im Verantwortungsbereich der [X.]eigeladenen nicht als Umweltinformationen im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 5 [X.] i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 1 [X.] gewertet. Dies begegnet keinen [X.]edenken. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 [X.] und Art. 2 Nr. 1 [X.]uchst. a [X.] sind Umweltinformationen unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, [X.]oden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre [X.]estandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen [X.]estandteilen. [X.] Informationen gehören nicht dazu. Sie beziehen sich insbesondere nicht auf das Schutzgut der Artenvielfalt und ihrer [X.]estandteile, selbst wenn diese [X.]egriffe - wie es geboten ist - weit ausgelegt werden (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 21. Februar 2008 - 4 [X.] 13.07 - [X.]VerwGE 130, 223 <227>; [X.], Urteile vom 17. Juni 1998 - [X.]-321/96 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:1998:300], [X.]/[X.] - Rn. 19 und vom 12. Juni 2003 - [X.]-316/01 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2003:343], [X.] - Rn. 24).

Anderes lässt sich entgegen der Auffassung des [X.] nicht aus der Entstehungsgeschichte der Umweltinformationsrichtlinie herleiten. Die Richtlinie hat die Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt ([X.] L 158 S. 56) - [X.] a.F. - ersetzt, ohne dass damit eine Einschränkung ihres Anwendungsbereichs einhergehen sollte. Daraus mag zu folgern sein, dass jedenfalls gesicherte Schutzaspekte der alten Fassung die Auslegung der neuen Fassung bestimmen. Die Umweltinformationsrichtlinie a.F. enthielt in Art. 2 [X.]uchst. a zu "Informationen über die Umwelt" statt des [X.]egriffs "Artenvielfalt" das Merkmal "Tier- und Pflanzenwelt". Dies sollte nach verbreiteter Ansicht die gesamte Tier- und Pflanzenwelt einschließlich der Nutz- und Haustiere umfassen [X.], Umweltinformation im Völker- und Europarecht, 2011, [X.]) und wäre damit weiter als der [X.]egriff der Artenvielfalt, sofern dieser nur auf den Schutz wildlebender Pflanzen und wildlebender Tiere bezogen wird (etwa [X.]/[X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, Stand September 2019, § 2 [X.] Rn. 34). Hierzu muss nicht abschließend Stellung genommen werden. [X.] ist jedenfalls nur die Art als solche. [X.]eim Artenschutz geht es um den Erhalt der [X.]iodiversität, mithin insbesondere um den Schutz bedrohter Arten. Das hatte auch schon die alte Fassung der Umweltinformationsrichtlinie im [X.]lick. In Gefangenschaft gehaltene Tiere sind daher nur erfasst, wenn es sich hierbei um bedrohte Arten handelt (vgl. [X.], Urteil vom 24. Mai 2011 - 22 [X.] 10.1875 - DV[X.]l 2011, 1045). Dies gilt auch dann, wenn die Tierart nicht mehr in natürlichen Lebensräumen vorkommt, sondern beispielsweise nur noch in einem Zoo oder in Gefangenschaft als Nutztier existiert. Um solch einen Artenschutz geht es bei den hier in Rede stehenden Puten nicht.

Aus dem Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25. Juni 1998 - [X.] ([X.]) - lässt sich nichts anderes ableiten. Die Umweltinformationsrichtlinie hatte die [X.]/313 ersetzt, um den Anforderungen der [X.] zu genügen. Die Umweltinformationsrichtlinie dient daher der Umsetzung von Art. 4 [X.], der den Zugang zu Informationen über die Umwelt regelt (vgl. [X.], Umweltrecht der [X.], 4. Aufl. 2019, [X.]. Rn. 39). Das Ziel der [X.] ist der Schutz des Rechts jeder Person gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer ihrer Gesundheit und Wohlbefinden zuträglichen Umwelt (Art. 1). Die in Art. 4 Abs. 1 [X.] genannten "Informationen über die Umwelt" werden in Art. 2 Nr. 3 [X.]uchst. a [X.] definiert. Art. 2 Nr. 1 [X.]uchst. a der Umweltinformationsrichtlinie entspricht dieser [X.]egriffsbestimmung.

Eine am Vertrag über die Arbeitsweise der [X.] - A[X.]V - orientierte Auslegung der Umweltinformationsrichtlinie bestätigt, dass Informationen zu tierschutzrechtlichen Verstößen keine Umweltinformationen sind. Art. 191 Abs. 1 A[X.]V schützt Tiere als Teil der natürlichen Umwelt unter dem Aspekt der [X.]iodiversität. Diesem unionsrechtlichen Umweltbegriff unterfällt ebenfalls der Artenschutz (vgl. [X.], Umweltrecht der [X.], 4. Aufl. 2019, [X.]. Rn. 5 ff.). Der darüber hinausgehende Schutz des Wohlergehens des einzelnen Tieres als fühlendes Wesen tritt erst mit der tierschutzrechtlichen Querschnittsklausel des Art. 13 A[X.]V hinzu (vgl. [X.]alliess, in: [X.]/[X.]alliess, 5. Aufl. 2016, A[X.]V, Art. 13 Rn. 2, Art. 191 Rn. 9; [X.], in: [X.]/Hilf/[X.], Das Recht der [X.], Stand Oktober 2019, Art. 13 A[X.]V Rn. 7). Diese Trennung zwischen Artenschutz und Tierschutz setzt die frühere Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] fort, der vor Inkrafttreten von Art. 13 A[X.]V im Zusammenhang mit möglichen Leiden von Nutztieren betont hatte, dass das Unionsrecht keinen allgemeinen Grundsatz des Wohlergehens der Tiere kenne, allerdings ein Interesse festzustellen sei, das die [X.] und dem Schutz der Tiere entgegenbringe (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2001 - [X.]-189/01 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2001:420], [X.] u.a. - Rn. 71 ff.).

Nach nationalem Recht verhält es sich nicht anders. So ist die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG, die sich zunächst nur auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen bezog, um den Tierschutz erweitert worden ([X.] I 2002, [X.]). Diese Ergänzung zeigt, dass der Tierschutz nicht zum Umweltschutz zu rechnen ist (vgl. [X.], Umweltrecht, 4. Aufl. 2016, § 1 Rn. 136 f.; [X.], in: Schmidt-[X.]leibtreu/[X.]/Henneke, Grundgesetz, 13. Aufl. 2014, Art. 20a Rn. 2 und 23 ff.).

Einer Vorlage an den Gerichtshof der [X.] zur Klärung der Frage, ob dem [X.]egriff der Umweltbestandteile in Art. 2 Abs. 1 [X.]uchst. a [X.] auch der Tierschutz von Nutz- und Schlachttieren unterfällt, bedarf es angesichts des eindeutigen Auslegungsergebnisses nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Meta

10 C 11/19

30.01.2020

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend OVG Lüneburg, 27. Februar 2018, Az: 2 LC 58/17, Urteil

Art 13 AEUV, Art 191 Abs 1 AEUV, Art 2 EGV 178/2002, Art 2 Nr 10 EGV 882/2004, Art 2 Nr 1 Buchst a EWGRL 313/90, Art 20a GG, § 2 Abs 3 Nr 1 UIG 2005, § 2 Abs 2 LFGB, § 4 Abs 1 Nr 1 LFGB, § 10 Abs 2 LFGB, § 39 Abs 1 LFGB, § 1 VIG, § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 VIG, § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 VIG, § 2 Abs 1 S 1 Nr 5 VIG, § 3 S 1 Nr 1 Buchst e VIG, § 2 Abs 5 UIG ND, § 3 Abs 2 UIG ND

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.01.2020, Az. 10 C 11/19 (REWIS RS 2020, 3840)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3840


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 LC 58/17

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, 2 LC 58/17, 27.02.2018.


Az. 10 C 11/19

Bundesverwaltungsgericht, 10 C 11/19, 30.01.2020.


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