Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2008, Az. XII ZR 101/05

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 5448

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 20. Februar 2008 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 323 Abs. 1 und 2 Die Abänderung eines wegen mutwilliger Aufgabe einer gut bezahlten [X.] auf fiktiver Grundlage ergangenen Unterhaltsurteils ist nicht bereits mit der Behauptung zulässig, der [X.] genüge inzwischen seiner Er-werbsobliegenheit, verdiene aber weniger als zuvor. Erforderlich ist vielmehr, dass der [X.] geltend macht, er hätte die frühere Arbeitsstelle inzwischen aus anderen Gründen verloren. [X.], Urteil vom 20. Februar 2008 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2007 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und Dose für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten zu 2 bis 4 wird das Urteil des 20. Zivilsenats - [X.] - des [X.] vom 13. Mai 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Abänderungsklage gegen die Beklagten zu 2 bis 4 auf die Berufung des [X.] stattgegeben und deren Beru-fung zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Parteien streiten um die Abänderung von Kindesunterhalt. 1 Der Kläger ist der Vater der am 3. November 1988, 23. Juni 1990 und 20. April 1994 geborenen Beklagten. Die Ehe der Eltern wurde 1999 geschie-den. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens schlossen die Ehegatten am 26. Mai 1998 einen gerichtlichen Vergleich, durch den sich der Kläger u.a. [X.] - 3 - pflichtete, Kindesunterhalt in Höhe von monatlich jeweils 447 DM für die Kinder [X.] und [X.] und von monatlich 352 DM für das Kind D. zu zahlen. Das Kindergeld sollte der Mutter ohne Anrechnung auf die [X.] zu-stehen. Grundlage dieser Vereinbarung war ein anrechnungsfähiges Einkom-men des [X.] von 4.436 DM (4.794 DM Erwerbseinkommen ./. 238 DM be-rufsbedingte Aufwendungen ./. 120 DM Darlehensraten [X.]). Zum 31. März 1999 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis. Nachdem er einige [X.] arbeitslos gewesen war und eine selbständige Tätigkeit wieder aufgegeben hatte, erhob er Anfang 2000 Abänderungsklage mit dem Ziel, nur geringeren Kindesunterhalt und keinen Ehegattenunterhalt mehr zahlen zu müssen. [X.] wurde hinsichtlich des Kindesunterhalts durch Urteil vom 13. März 2001 abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe seinen Arbeitsplatz mutwillig in Kenntnis seiner Unterhaltspflicht und angesichts der bekannten schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt auf-gegeben, um sich der Unterhaltspflicht zu entziehen; er müsse sich deshalb so behandeln lassen, als ob er noch das frühere Einkommen erziele. 3 Ab März 2002 war der Kläger erneut erwerbstätig. Sein [X.] monatliches Nettoeinkommen belief sich auf 1.499 •. Im November 2002 hat er erneut Abänderungsklage erhoben. Er hat geltend gemacht, unter Be-rücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen von 103 •, der Darlehensrate an die [X.] und einer monatlichen Rate von 50 • auf Anwaltskosten nicht mehr zur Zahlung von Ehegattenunterhalt und nur noch eingeschränkt zur Leistung von Kindesunterhalt verpflichtet zu sein, nämlich in Höhe von jeweils 154,96 • für die Söhne [X.] und [X.] und in Höhe von 131,34 • für D. Er hat beantragt, das Ur-teil des Amtsgerichts dementsprechend für die [X.] ab 1. August 2002 abzuän-dern. 4 - 4 - [X.] hat den [X.] bezüglich des sie betreffenden [X.]s anerkannt. Die Kinder sind der Klage entgegengetreten und haben Wi-derklage erhoben, mit der sie beantragt haben, den Vergleich vom 26. Mai 1998 für die [X.] ab 1. Dezember 2002 dahin abzuändern, dass der Kläger an sie unter Anrechnung des Kindergeldes nach Maßgabe des § 1612 b Abs. 5 BGB einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 100 % des [X.] nach § 1 der Regelbetragverordnung zu zahlen habe. 5 Das Amtsgericht hat die Vorentscheidung entsprechend dem Anerkennt-nis bezüglich des [X.] abgeändert und im Übrigen Klage und Widerklage abgewiesen. Dagegen haben beide Seiten Berufung eingelegt, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt haben. Das Oberlandesge-richt hat dem Abänderungsbegehren des [X.], dessen Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2004 betriebsbedingt gekündigt worden ist, im Wesentlichen stattgege-ben und das Urteil vom 13. März 2001 dahin abgeändert, dass der Kläger ab 18. November 2002 (Rechtshängigkeit der Abänderungsklage) an die beiden älteren Kinder [X.] und [X.] einen monatlichen Unterhalt von jeweils 156 • und an das jüngere Kind D. einen monatlichen Unterhalt von 132 • für die [X.] bis zum 30. Juni 2003 und von monatlich 133 • ab 1. Juli 2003 zu zahlen hat. Im Übri-gen hat es die Abänderungsklage sowie die Widerklage insgesamt abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten zu 2 bis 4, mit der sie ihre zweitinstanzlichen Anträge weiterverfolgen. 6 - 5 - Entscheidungsgründe: 7 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang und insoweit zur Zurückverweisung an das [X.]. 8 1. Das [X.] hat die auf Abänderung des Urteils vom 13. März 2001 gerichtete Klage für zulässig und überwiegend begründet gehal-ten. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Auch wenn es sich hinsichtlich des Kindesunterhalts um ein klageabwei-sendes Urteil handele, habe sich das Abänderungsbegehren hiergegen, und nicht gegen den Vergleich, zu richten. Der die Abänderungsklage abweisende Teil der Entscheidung beruhe auf der richterlichen Prognose, dass die [X.] weiterhin in der durch Vergleich vereinbarten Höhe bestünden. Die Zulässigkeit scheitere auch nicht an § 323 Abs. 1 und 3 ZPO. Das gelte unabhängig davon, ob festgestellt werden könne, dass der Kläger den von ihm - nach dem Urteil vom 13. März 2001 mutwillig - aufgegebenen Arbeitsplatz ohnehin später, etwa wegen Arbeitsunfähigkeit oder sonstiger nachhaltiger Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, verloren hätte, so dass es an der wesentlichen Veränderung der Verhältnisse nach § 323 Abs. 1 ZPO fehlen könne. Es könne auch dahinstehen, ob sich die Prognose des Rich-ters in diesem Urteil als unrichtig erweise. Nach allgemeiner Meinung könne nämlich ein [X.], dessen Leistungsfähigkeit im Ersturteil fingiert worden sei, zur Vermeidung unerträglicher Belastungen nach einer gewissen [X.] die Anpassung der Unterhaltsrente an die tatsächlichen Verhältnisse ver-langen. Zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse wegen unverhältnis-mäßiger Belastung des [X.] sei es gerechtfertigt, die Korrektur des Urteils vom 13. März 2001 für die [X.] ab Erhebung der vorliegenden [X.] - 6 - änderungsklage vorzunehmen, nachdem der Beklagte durch die [X.] einer Erwerbstätigkeit seiner unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheit genügt habe. 10 Die Klage habe auch im Wesentlichen Erfolg. Ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Bezügeabrechnungen sei von dem von ihm behaupteten monatlichen Nettoeinkommen von 1.499 • auszugehen. Hiervon seien berufs-bedingte Aufwendungen von monatlich 103 • in Abzug zu bringen ([X.] bei 20 km und einem Kilometersatz von 0,27 •). Im Hinblick auf den bei dem Kläger ärztlich diagnostizierten und therapierten Gelenkverschleiß sei die Pkw-Nutzung angemessen. Die fortlaufende Zahlung der Darlehensrate an die [X.] habe der Kläger in Höhe von 61 • nachgewiesen. Die von ihm in [X.] mit einer Strafverteidigung zu leistende Monatsrate von 50 • auf [X.] sei ebenfalls absetzbar; ein unterhaltsrechtlich vorwerfbares [X.] bei Eingehung dieser Schuld sei nicht ersichtlich. Danach ergebe sich ein bereinigtes Einkommen von 1.285 • monatlich. [X.] dafür, dass der Kläger in dem hier betroffenen [X.]raum aus einer Ganz-tagstätigkeit ein höheres Einkommen habe erzielen können, lägen nicht vor. Ungeachtet seines tatsächlichen Gesundheitszustandes sei ihm auch nicht [X.], zur Steigerung seiner Einkünfte eine Nebentätigkeit aufzunehmen, da ein solches Verlangen unverhältnismäßig sei. Der Kläger habe eine normale Bürotätigkeit unter Einschluss von [X.] und der Erledigung von Korrespondenz in der [X.] von 7.15 Uhr bis 16.00 Uhr zu erbringen. Auch wenn sich diese Arbeiten nicht als besonders schwierig oder anstrengend [X.] sollten, erforderten sie einen Grad an psychischer und intellektueller Leistung, der schwerlich erbracht werden könne, wenn der Kläger wegen einer zusätzlichen Arbeit nicht über die erforderlichen Ruhepausen verfüge und sich daraus Einschränkungen seiner vollen Leistungsfähigkeit ergäben. Bei Berück-sichtigung des ihm zu belassenden notwendigen Selbstbehalts von 840 • erge-- 7 - be eine Mangelfallberechnung unter Einsatz der [X.] keine höheren an die Beklagten zu zahlenden [X.] als jeweils 156 • für die Beklagten zu 2 und 3 und 132 • bzw. 133 • für den Beklagten zu 4. Daraus folge zugleich, dass die Widerklage un-begründet sei. 11 Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. [X.] 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass das Abänderungsbegehren des [X.] gegen das Urteil des Amtsge-richts vom 13. März 2001 zu richten ist. Nach der Rechtsprechung des [X.]s kann § 323 ZPO auch bei klageabweisenden Urteilen zur Anwendung kommen, wenn diese - im Rahmen der Überprüfung der ursprünglichen Prognose - die künftige Entwicklung der Verhältnisse vorausschauend berücksichtigen. Eine spätere Abänderungsklage stellt dann abermals die Geltendmachung einer von der (letzten) Prognose abweichenden Entwicklung der Verhältnisse dar, für die das [X.] vorsieht, um die (erneute) Anpassung an die veränderten [X.] zu ermöglichen (vgl. [X.]surteil vom 28. März 2007 - [X.] ZR 163/04 - FamRZ 2007, 983, 984). 12 Das Urteil des Amtsgerichts vom 13. März 2001 geht davon aus, der Klä-ger sei weiterhin im Umfang des vereinbarten Kindesunterhalts unterhaltspflich-tig, weil er sich sein früheres Einkommen nunmehr fiktiv zurechnen lassen müsse. Es beruht damit auf einer Prognose der künftigen Entwicklung und stellt den Rechtszustand auch für die Zukunft fest. Da der Kläger die Korrektur dieser 13 - 8 - Prognose begehrt, steht die Abänderung der Entscheidung vom 13. März 2001 in Frage. 14 2. Nach § 323 Abs. 1 ZPO kommt es hierfür auf die Änderung derjenigen Verhältnisse an, die für die Verurteilung zur Entrichtung der Leistung sowie für ihre Höhe und Dauer maßgebend waren. Nach § 323 Abs. 2 ZPO ist die Klage nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf die sie gestützt wird, erst nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in dem vorausgegangenen [X.] entstanden sind. Für die Zulässigkeit der Abänderungsklage ist es erforderlich, dass der Kläger Tatsachen behauptet, die eine derartige Änderung ergeben. 15 a) Der Kläger hat nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststel-lungen geltend gemacht, seit März 2002 wieder einer Erwerbstätigkeit nachzu-gehen, jedoch nur ein monatliches Nettoeinkommen von 1.499 • zu erzielen. Eine besser bezahlte Arbeitsstelle habe er trotz seiner Bemühungen, die er auch nach dem Beginn der Beschäftigung fortgesetzt habe, nicht zu finden ver-mocht. Es stellt sich deshalb die Frage, ob ihm die Abänderungsklage mit die-sem Vorbringen eröffnet ist. 16 b) In Rechtsprechung und Schrifttum wird die Behandlung der Fälle, in denen fiktive Verhältnisse Grundlage der Abänderung sind, nicht einheitlich be-antwortet. Insbesondere bereitet der Fall der fortdauernden Arbeitslosigkeit des-jenigen [X.] Probleme, dessen Leistungsfähigkeit fingiert [X.], indem ihm tatsächlich nicht erzielte Einkünfte wegen Verletzung seiner Er-werbsobliegenheit zugerechnet wurden. Hat er sich anschließend hinreichend, aber erfolglos um eine neue Beschäftigung bemüht, so steht ihm nach [X.] Meinung die Abänderungsklage offen ([X.], 931, 932; KG FamRZ 1984, 1245 f.; [X.] FamRZ 1995, 1217; [X.], 17 - 9 - [X.] im Unterhaltsrecht [X.]. 83; [X.]/[X.] Das [X.] in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 8 [X.]. 158 c; Göppin-ger/[X.] Unterhaltsrecht 8. Aufl. [X.]. 2404; [X.]/[X.]/[X.] Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 10. Aufl. [X.]. 729 ff.; [X.] in Handbuch des Fachanwalts für Familienrecht 6. Aufl. [X.]. [X.]. 651; diffe-renzierend [X.]/[X.]/[X.] Eherecht 4. Aufl. § 323 ZPO [X.]. 71; [X.] FamRZ 2002, 6, 10 f.; [X.]/[X.]/[X.] Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. [X.] I [X.]. 1031; [X.] ZPO 3. Aufl. § 323 [X.]. 81). Insoweit wird ausgeführt, bei einer fingierten Leistungs-fähigkeit, die darauf beruhe, dass der Unterhaltspflichtige einer Erwerbsoblie-genheit nicht nachkomme oder seine Arbeitsstelle mutwillig aufgebe und da-durch arbeitslos werde, könne seine zeitlich unbegrenzte Leistungsfähigkeit nicht unterstellt werden. Er könne nicht wegen eines einmal begangenen Feh-lers für alle [X.] als leistungsfähig gelten. Denn es müsse immer mit gewissen Veränderungen im Arbeitsleben gerechnet werden, die dazu führen könnten, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliere, oder Gründe einträten, die ihn im Verhältnis zu dem [X.] zur Aufgabe der Arbeitsstelle be-rechtigten. Einem Unterhaltspflichtigen müsse daher nach einer gewissen Ü-bergangszeit die Möglichkeit eingeräumt werden, darzutun und zu beweisen, dass er sich nach Kräften um eine angemessene Arbeitsstelle bemüht, seinen Fehler also wieder gutzumachen versucht habe, seine Bemühungen aber trotz aller Anstrengungen erfolglos geblieben seien. Hinsichtlich der dogmatischen Behandlung dieser Fälle werden unter-schiedliche Auffassungen vertreten. Teilweise wird nur eine Annexkorrektur im Rahmen einer aus anderen Gründen eröffneten Abänderungsklage für zulässig gehalten, teilweise wird § 323 Abs. 2 ZPO einschränkend angewandt, um die Prognose entsprechend den aktuellen Verhältnissen zu korrigieren (vgl. hierzu 18 - 10 - im Einzelnen [X.]/[X.]/[X.] Eherecht 4. Aufl. § 323 ZPO [X.]. 71; [X.], FamRZ 2002, 6, 11). 19 c) Der [X.] ist der Auffassung, dass die unterschiedlichen Fallgestal-tungen der fingierten Leistungsfähigkeit eines [X.] aufgrund einer Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit einer differenzierten Beurteilung bedürfen. Denn es besteht ein entscheidender Unterschied zwischen dem Fall, in dem der Unterhaltspflichtige zunächst schuldlos seine Arbeitsstelle verliert und sich danach nicht in ausreichendem Maß um eine neue Arbeit bemüht, so dass ihm nunmehr fiktiv ein erzielbares Einkommen - gegebenenfalls entspre-chend jetzt schlechterer Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt - zugerechnet wird, und jenem Fall, in dem er - wie hier - mutwillig einen gut bezahlten sicheren Arbeitsplatz aufgibt und deshalb fiktiv so behandelt wird, als ob er noch die frü-here Arbeitsstelle mit dem dabei erzielten Einkommen habe. In dem letzteren Fall ist eine Abänderung des auf fiktiver Grundlage ergangenen Urteils nur dann zulässig, wenn er geltend macht, dass er die frühere Arbeitsstelle in der [X.] ohnehin verloren hätte, etwa weil er den Anforderungen aus gesund-heitlichen Gründen nicht mehr gewachsen gewesen oder Personal abgebaut worden und er hiervon betroffen gewesen wäre (vgl. auch [X.] FamRZ 2002, 6, 10). Es reicht dagegen nicht aus, wenn er vorträgt, inzwischen wieder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, mit ihr aber das frühere Einkommen nicht erzie-len zu können. Denn er muss darlegen, dass die der Verurteilung zugrunde lie-gende Prognose aufgrund einer Veränderung der Verhältnisse nicht mehr ge-rechtfertigt ist. Die Prognose geht in Fällen der mutwilligen Aufgabe des [X.] aber regelmäßig dahin, dass der Unterhaltsschuldner ohne das ihm vorzuwerfende Verhalten weiterhin über seinen früheren Arbeitsplatz und das frühere Einkommen verfügen würde. Eine zeitliche Komponente derart, dass eine solche Prognose nur für einen bestimmten [X.]raum Geltung beansprucht, wie es das [X.] meint, ist einer Verurteilung auf fiktiver Grundlage - 11 - nicht immanent, es sei denn, das Gericht hätte eine ausdrückliche Einschrän-kung dieser Art gemacht. 20 d) An dieser Betrachtungsweise sieht sich der [X.] nicht aus verfas-sungsrechtlichen Gründen gehindert. 21 Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Recht des [X.] ist § 1603 Abs. 1 BGB, nach dem nicht unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewäh-ren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 BGB ihren minderjährigen und privilegierten volljährigen unverheirateten Kindern ge-genüber aber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder [X.] gleichmäßig zu verwenden. Hieraus sowie aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt auch die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Daher ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nicht nur die [X.], sondern auch die fiktiv erzielbaren Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte. Grundvorausset-zung eines jeden Unterhaltsanspruchs bleibt allerdings die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Überschreitet der ausgeurteilte Unterhalt die Grenze des Zumutbaren, ist die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des [X.] im finanziellen Bereich als Folge der Unterhaltsansprüche des Be-dürftigen nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen (vgl. [X.] FamRZ 2007, 273, 274). Ob dies uneingeschränkt auch für den Fall mutwilliger Arbeits-platzaufgabe gilt, kann hier dahinstehen. - 12 - In einem Fall wie dem vorliegenden wird jedenfalls die Grenze des [X.] schon deswegen nicht überschritten, weil ein Abänderungsbegehren nur nach den vorstehend aufgezeigten Maßgaben für zulässig erachtet wird. Das dem Unterhaltsschuldner fiktiv zugerechnete Einkommen war für ihn [X.] und hätte - unveränderte Umstände unterstellt - ohne sein vorwerfbares Verhalten auch weiterhin erzielt werden können. Bei dieser Fallgestaltung ge-bietet es der Schutz der Unterhaltsberechtigten, den Unterhaltsschuldner an den fortwirkenden Folgen seines mutwilligen Verhaltens festzuhalten. Im Übri-gen bleibt der Schutz des Unterhaltspflichtigen auch bei Berücksichtigung fikti-ver Einkünfte durch seinen notwendigen Selbstbehalt gewährleistet der den eigenen [X.] nicht unterschreiten darf ([X.]surteile [X.] 166, 351, 356 = [X.], 683, 684 und vom 9. Januar 2008 - [X.] ZR 170/05 - zur [X.] bestimmt). Einen weiteren Schutz gegenüber überzogenen Unterhaltsforderungen genießt der Unterhaltsschuldner auch durch die Pfän-dungsfreigrenzen des § 850 d ZPO. Der Beschränkung seiner Dispositionsfrei-heit im finanziellen Bereich kann er schließlich durch die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens bezüglich der [X.], wozu ihn nach der Rechtsprechung des [X.]s wegen seiner ge-steigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen und privilegierten volljäh-rigen Kindern sogar eine Obliegenheit treffen kann (vgl. hierzu [X.]surteile [X.] 162, 234 ff. = [X.], 605 ff., vom 31. Oktober 2007 - [X.] ZR 112/05 - [X.], 137 und vom 12. Dezember 2007 - [X.] ZR 23/06 - zur [X.] vorgesehen). 22 3. Der Vortrag, den das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, genügt danach nicht, um dem Kläger die Abänderungsklage zu er-öffnen. Das Urteil des Amtsgerichts vom 13. März 2001 ist ausdrücklich darauf gestützt worden, dass er seinen Arbeitsplatz aufgegeben habe, um sich der Unterhaltspflicht zu entziehen; wenn er in Kenntnis seiner Unterhaltspflicht und 23 - 13 - angesichts der bekannt schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt mutwillig seine Arbeitsstelle aufgebe, müsse er im bisherigen Umfang als leistungsfähig angesehen werden. Dieser Fiktion liegt die Prognose zugrunde, dass der [X.]spflichtige ohne die unterhaltsrechtlich vorwerfbare Aufgabe seiner [X.] weiter zu gleichen Bedingungen beschäftigt wäre. Mit Rücksicht auf diese Prognose ist eine Abänderungsklage nur dann zulässig, wenn der Kläger geltend macht, dass er die frühere Arbeitsstelle ohnehin verloren hätte, oder sein Einkommen daraus aus anderen Gründen (z.B. Kurzarbeit) zurückgegan-gen wäre, er mithin einen von dieser Prognose abweichenden Verlauf behaup-tet (vgl. [X.]surteil vom 18. März 1992 - [X.] ZR 24/91 - NJW-RR 1992, 1091, 1092). 4. Nach dem im Berufungsurteil in Bezug genommenen Klagevorbringen hat der Kläger allerdings auch behauptet, aufgrund der seit der vorausgegan-genen Entscheidung fortschreitenden Verschlechterung seines Gesundheitszu-stands zu der früheren, in drei Schichten zu verrichtenden Tätigkeit nicht mehr in der Lage zu sein. Die bereits früher diagnostizierte [X.], an der er unter anderem leide, habe sich wesentlich verschlimmert, weshalb ihm ein Grad der Behinderung von 50 % zuerkannt worden sei. 24 Damit stützt der Kläger sich auf eine nach Schluss der mündlichen [X.] in dem vorausgegangenen Rechtsstreit eingetretene Änderung der Verhältnisse, die - ihre Richtigkeit unterstellt - zu einer Korrektur der damaligen Prognose veranlassen und zu einer Anpassung des Unterhalts an die [X.] Verhältnisse führen würde. Mit dieser Begründung ist dem Kläger die [X.] deshalb eröffnet. 25 - 14 - I[X.] 26 Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben, da das Be-rufungsgericht zu der Begründetheit der mit dem vorstehenden Vorbringen zulässigen Abänderungsklage keine Feststellungen getroffen hat. Die Sache ist deshalb zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen und zur erneuten Entscheidung über die Abänderungsklage und die Widerklage der Beklagten an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. [X.] Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin: 27 Das Berufungsgericht hat es abgelehnt, dem Kläger zusätzlich fiktive Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung zuzurechnen. Dagegen bestehen, falls es hierauf erneut ankommen sollte, keine rechtlichen Bedenken. 28 Eine über die tatsächliche Erwerbstätigkeit hinausgehende Obliegenheit des Unterhaltspflichtigen zur Erzielung von Einkommen, das diesem insoweit bei der Unterhaltsberechnung fiktiv zugerechnet wird, kann nur angenommen werden, wenn und soweit die Aufnahme einer weiteren oder anderen [X.] dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist und ihn nicht unverhältnismäßig belastet ([X.] FamRZ 2003, 661 f. und [X.], 143). 29 Eine solche unzumutbare Belastung hat das Berufungsgericht nach den getroffenen Feststellungen zu Recht bejaht. Es hat maßgeblich darauf abge-stellt, dass der Kläger, der in der [X.] von 7.15 bis 16.00 Uhr Bürotätigkeiten zu 30 - 15 - verrichten hat, psychisch und intellektuell Leistungen erbringen muss, zu denen er schwerlich in der Lage ist, wenn er wegen einer zusätzlichen Arbeit nicht über die erforderlichen Ruhepausen verfügt. Dabei ist noch unberücksichtigt geblieben, dass der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist und sich mehrfach krankengymnastischer Behandlung unterzogen hat, die einigen [X.]-aufwand erfordert. Darüber hinaus war er auf seinem Arbeitsplatz ohne ein-schlägige Vorkenntnisse eingesetzt worden und musste auch deshalb bemüht sein, den an ihn gestellten Anforderungen zu entsprechen. Abgesehen davon bestimmt das [X.]arbeitsgesetz vom 6. April 1994 ([X.] 1170) in § 3, dass die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten darf. Dabei sind gemäß § 2 [X.] die Arbeitszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern zusammenzurechnen. Längere Arbeitszeiten sind nur ausnahmsweise zulässig, wenn innerhalb [X.] Fristen ein Freizeitausgleich gewährt wird. Bei dem Überangebot an Arbeitssuchenden, das für geringfügige Beschäftigungen zur Verfügung steht, spricht im Übrigen auch die allgemeine Lebenserfahrung nicht dafür, dass 31 - 16 - solche Stellen an Arbeitnehmer, die ihre Arbeitskraft schon für acht Stunden eingesetzt haben, vergeben werden (vgl. [X.], 1208, 1210). Hahne [X.] [X.] Wagenitz Dose
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 12.08.2003 - [X.]/02 - [X.], Entscheidung vom 13.05.2005 - 20 UF 114/03 -

Meta

XII ZR 101/05

20.02.2008

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2008, Az. XII ZR 101/05 (REWIS RS 2008, 5448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 5448

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