Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2011, Az. XII ZB 553/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7898

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[X.]BESCHLUSS [X.] vom 6. April 2011 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 522 Abs. 1; FamFG §§ 58 ff.; [X.] Art. 111 Abs. 1 Entscheidet das Familiengericht statt nach dem - noch [X.] - alten [X.] nicht durch Urteil, sondern fehlerhaft nach neuem Verfahrensrecht durch Beschluss, wird auch durch die Einlegung einer Beschwerde beim [X.] die Rechtsmittelfrist gewahrt (Grundsatz der "[X.]", im [X.] an Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2008 - [X.]/06 - [X.], 1000). [X.], Beschluss vom 6. April 2011 - [X.] - [X.]OPf. - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 6. April 2011 durch die [X.], Weber-Monecke, [X.], Schilling und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 7. Zivilsenats und [X.] des [X.] vom 1. Oktober 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert: 12.356 •. Gründe: [X.] Die Kläger haben beantragt, den Beklagten im vereinfachten Unterhalts-verfahren zur Zahlung von Kindesunterhalt zu verpflichten. Nachdem die Anträ-ge dem Beklagten im Juni 2009 zugestellt worden waren und dieser Einwen-dungen hiergegen erhoben hatte, haben die Kläger im Dezember 2009 [X.], das streitige Verfahren durchzuführen. Mit "[X.]" vom 16. Juni 2010 ist der Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflich-tet worden. In der Rechtsbehelfsbelehrung heißt es, dass gegen den Beschluss das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft und dieses binnen einer Frist von einem Monat beim Amtsgericht einzulegen sei. 1 - 3 - Gegen diesen Beschluss, der dem Bevollmächtigten des Beklagten am 24. Juni 2010 zugestellt worden war, hat dieser mit Schriftsatz vom 20. Juli 2010 Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt, die dort bereits am selben Tag per Telefax eingegangen ist. Nach Weiterleitung des Originals an das [X.] ist die Beschwerde dort am 28. Juli 2010 eingegangen. 2 3 Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die "[X.]" des Beklagten als unzulässig verworfen. Nach dem hier anzuwendenden alten Recht habe der Beklagte beim Berufungsgericht Berufung einlegen müs-sen. Die Frist hierzu sei am 26. Juli 2010 abgelaufen, weshalb das Rechtsmittel des Beklagten verspätet sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei dem Beklagten nicht zu gewähren. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde. 4 I[X.] Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. 5 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings darauf hingewiesen, dass auf das Verfahren gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.] das bis zum 31. August 2009 geltende - alte - Verfahrensrecht anzuwenden ist, weil das Verfahren vor Inkrafttreten des FamFG zum 1. September 2009 eingeleitet [X.] ist (vgl. § 651 Abs. 3 ZPO aF bzw. § 255 Abs. 3 FamFG, wonach der Rechtsstreit als mit der Zustellung des [X.] rechtshängig ge-worden gilt). 6 2. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. 7 - 4 - Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. 8 9 Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 iVm Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung erfordert eine Entscheidung des [X.]. Das Be-schwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf Gewährung wirkungsvol[X.] Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschwe-ren (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - [X.] ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338 Rn. 8 mwN). 3. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. 10 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es auf die - von ihm verneinte - Frage nicht an, ob dem Beklagten Wiedereinsetzung in den [X.] Stand zu gewähren ist. Denn vorliegend hätte das Berufungsgericht nach dem Grundsatz der [X.] das Rechtsmittel des Beklagten als zu-lässig erachten müssen. 11 a) Nach allgemeiner Auffassung dürfen die Prozessparteien dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zu-lässig wäre (Grundsatz der "[X.]", st. Rspr. vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2008 - [X.]/06 - [X.], 1000 Rn. 17 mwN). Der Schutzgedanke der [X.] soll die beschwerte Partei vor [X.] - 5 - [X.] schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen. Der [X.] führt allerdings nicht dazu, dass das Rechtsmittel auf dem vom erstinstanzlichen Gericht eingeschlagenen falschen Weg weiter-gehen müsste; vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren so weiter zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die [X.] und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wäre (Senatsbe-schluss vom 17. Dezember 2008 - [X.]/06 - [X.], 1000 Rn. 28). Der Grundsatz der [X.] findet ebenso Anwendung, wenn - wie hier - das Gericht nach dem von ihm angewandten Verfahrensrecht die Entscheidungsart zwar zutreffend gewählt hat, der Fehler jedoch auf der An-wendung falschen Verfahrensrechts beruht. Denn auch in diesen Fäl[X.] ist das Vertrauen der Beteiligten auf die Richtigkeit der gewählten Entscheidungs- bzw. Verfahrensform schutzwürdig (ebenso [X.] Beschluss vom 21. Oktober 2010 - 6 UF 77/10 - juris Rn. 2 für den umgekehrten Fall, dass das Familiengericht noch nach altem Recht durch Urteil statt nach dem FamFG durch Beschluss entschieden hat). 13 b) Gemessen an diesen Anforderungen hätte das Berufungsgericht das Rechtsmittel des Beklagten nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Nach dem vom Amtsgericht gewählten Verfahren und der damit einhergehenden Ent-scheidungsform des Beschlusses (§ 38 FamFG) ist gemäß § 58 ff. FamFG die Beschwerde statthaft, die gemäß §§ 63 f. FamFG binnen einer Frist von einem Monat bei dem Gericht einzulegen ist, dessen Beschluss angefochten wird. Die-sen Anforderungen wird die vom Beklagten eingelegte Beschwerde gerecht. Nach Zustellung des "[X.]es" am 24. Juni 2010 ist die Beschwerde am 20. Juli 2010 per Telefax beim Amtsgericht eingegangen. Damit war die [X.] gewahrt. Anstatt das Rechtsmittel als unzuläs-sig zu verwerfen, hätte das Berufungsgericht es in das Berufungsverfahren 14 - 6 - überleiten und - nach mündlicher Verhandlung - über die Beschwerde durch Urteil befinden müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2008 - [X.]/06 - [X.], 1000 Rn. 28). 15 4. Gemäß § 577 Abs. 4 ZPO ist die angefochtene Entscheidung aufzu-heben und die Sache zur Verhandlung und erneuten Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen. [X.]

Schilling Nedden-Boeger Vorinstanzen: [X.] OPf., Entscheidung vom 16.06.2010 - 3 [X.]/09 - [X.], Entscheidung vom 01.10.2010 - 7 UF 1005/10 -

Meta

XII ZB 553/10

06.04.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2011, Az. XII ZB 553/10 (REWIS RS 2011, 7898)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7898

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