Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.03.2014, Az. V ZB 17/14

5. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7331

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Gegenstand

Beschwerdeverfahren gegen eine Abschiebungshaftanordnung: Beschlussergänzung hinsichtlich der Rechtswidrigkeitsfeststellung


Leitsatz

Hebt das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung der Abschiebungshaft auf, ohne über den zugleich gestellten Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung zu entscheiden, und geht aus den Gründen hervor, dass die Entscheidung bewusst unterblieben ist, scheidet eine Beschlussergänzung gemäß § 43 FamFG aus (Abgrenzung zu dem Senatsbeschluss vom 6. März 2014, V ZB 205/13).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des [X.] - 7. Zivilkammer - vom 18. Dezember 2013 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Betroffenen erkannt ist, und festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 19. November 2013 ihn in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste ohne gültige Einreisedokumente in die [X.] ein. Eine Abfrage in der [X.] ergab, dass er in der [X.] einen Asylantrag gestellt hatte. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 19. November 2013 Abschiebungshaft bis zum 31. Dezember 2013 angeordnet. Der Betroffene hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt verbunden mit dem Antrag auf Feststellung, durch die Inhaftierung in seinen Rechten verletzt zu sein. Das [X.] hat die Haftanordnung wegen Unzulässigkeit des [X.]es aufgehoben. Über den Feststellungsantrag hat es hingegen nicht entschieden; dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2

Nach Auffassung des [X.] bedurfte es infolge der Aufhebung des [X.] nicht der von dem Betroffenen weiter beantragten Feststellung, dass die angefochtene Entscheidung ihn in seinen Rechten verletzt hat.

III.

3

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

4

Ein auf Beschlussergänzung gemäß § 43 FamFG gerichtetes Verfahren kommt hier nicht in Betracht. Denn das Beschwerdegericht hat den Antrag des Betroffenen auf Feststellung, dass der Haftanordnungsbeschluss ihn in seinen Rechten verletzt hat, nicht versehentlich übergangen (dazu Senat, Beschluss vom 6. März 2014 - [X.]) . Vielmehr ist eine Entscheidung aus der (unzutreffenden) rechtlichen Erwägung unterblieben, infolge der Aufhebung des [X.] bedürfe es einer solchen Feststellung nicht. Dies stellt kein Übergehen im Sinne von § 43 Abs. 1 FamFG dar. Ein Antrag ist nur „übergangen“, wenn er versehentlich nicht beachtet worden ist, nicht dagegen, wenn - wie hier - aus den Gründen hervorgeht, dass die Entscheidung bewusst unterblieben ist (vgl. zur gleichartigen Bestimmung zur Urteilsergänzung in § 321 ZPO: Senat, Urteil vom 16. Dezember 2005 - [X.], [X.], 1351 Rn. 9; vgl. auch Senat, Beschluss vom 12. Juli 2013 - [X.], [X.], 1572). In einem derartigen Fall scheidet eine Beschlussergänzung aus; die Beschwerdeentscheidung muss vielmehr - wie vorliegend mit der Rechtsbeschwerde auch geschehen - mit dem jeweils statthaften Rechtsmittel angefochten werden (vgl. [X.], Urteil vom 20. September 2009 - [X.], [X.]Z 182, 158 Rn. 70; Urteil vom 20. September 2007 - I ZR 171/04, NJW-RR 2008, 851 Rn. 28).

5

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

6

a) Hat ein in Abschiebungshaft befindlicher Ausländer die Beschwerde gegen die Haftanordnung zulässigerweise mit dem Antrag analog § 62 FamFG verbunden, festzustellen dass er durch die angefochtene Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden ist, muss das Beschwerdegericht über beide Anträge entscheiden. Die Anträge verfolgen nicht dasselbe Rechtsschutzziel. Ziel einer Beschwerde gegen die Haftanordnung ist die Beseitigung der Freiheitsentziehung. Ziel des [X.] ist die Rehabilitierung des Betroffenen in Bezug auf den mit der Haftanordnung verbundenen Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens. Den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz bei Freiheitsentziehungen (Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) wird bei unrechtmäßigen Inhaftierungen nur entsprochen, wenn dem [X.] umfassend Rechnung getragen wird. Vor diesem Hintergrund ist auf einen Antrag des Betroffenen die Verletzung seiner Rechte durch die Inhaftierung auch dann auszusprechen, wenn das Beschwerdegericht mit der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Haftanordnung die Freiheitsentziehung beendet (Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2012 - [X.] 238/11, [X.] 2013, 39 Rn. 6, 7; Beschluss vom 14. Oktober 2010 - [X.] 78/10, [X.] 2011, 39 Rn. 12).

7

b) Der Feststellungsantrag ist begründet, da die Abschiebungshaft nicht hätte angeordnet werden dürfen. Der [X.] ist - wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt - unzulässig, da er keine ausreichenden Angaben zur Durchführbarkeit der Abschiebung enthält. Der Mangel wurde auch nicht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geheilt.

IV.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 [X.]. Soweit über die Kosten bereits in dem nicht angefochtenen Beschluss des [X.] entschieden worden ist, hat der [X.] lediglich klarstellende Bedeutung.

9

Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann                       Czub                     [X.]

                    Weinland                  Kazele

Meta

V ZB 17/14

06.03.2014

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Regensburg, 18. Dezember 2013, Az: 7 T 489/13

§ 43 FamFG, § 62 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.03.2014, Az. V ZB 17/14 (REWIS RS 2014, 7331)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7331

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