Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2007, Az. 5 StR 270/07

5. Strafsenat | REWIS RS 2007, 1308

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5 [X.]/07 [X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 23. Oktober 2007 in der Strafsache gegen wegen [X.] u. a. - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 23. Okto-ber 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] [X.], [X.]in [X.], [X.] Dr. Raum, [X.] Dr. Brause, [X.] [X.] als beisitzende [X.], Staatsanwalt als Vertreter der [X.], Rechtsanwältin als Verteidigerin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, - 3 - für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 2. Februar 2007 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. [X.] Von Rechts wegen [X.]
G r ü n d e 1 Das [X.] hat die Angeklagte wegen [X.] in 251 Fällen sowie wegen Betruges in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; die Vollstreckung dieser Strafe hat es zur [X.] ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zum Nachteil der Angeklag-ten eingelegte Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt, auf den Strafausspruch beschränkt. Das vom [X.] Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 1. Nach den Feststellungen des [X.]s durchlebte die Ange-klagte eine durch die Alkoholkrankheit der Mutter äußerst belastete Kindheit. Häufig war es ihr aus Geldmangel nicht möglich, sich und ihre Geschwister, für die sie die Mutterrolle übernommen hatte, ausreichend mit Nahrungsmit-teln zu versorgen, so dass die Familie Hunger litt. Daher war die Angeklagte, die sehr bescheiden und sparsam lebte, von einem Bedürfnis nach finanziel-ler Absicherung geprägt. Sie war durchgehend in untergeordneter Stellung berufstätig und seit 1978 bei den [X.] angestellt. Eine 2 - 4 - ihrer Aufgaben dort bestand darin, die Daten zu aufgelaufenen [X.] zu pflegen, indem sie die von den [X.] mitgeteilten Kontoverbindungen im Computerprogramm aktualisierte. Die Rückzahlung wurde anschließend von übergeordneten Mitarbeitern ohne weitere sachliche Prüfung veranlasst. Die Tätigkeit der Angeklagten zählte im [X.] ihres Arbeitgebers zur —untersten Stufefi; sie war weder verfügungsbe-rechtigt, noch konnte sie eigenständig Buchungen veranlassen. Spätestens 1995 entschloss sich die Angeklagte, ihre Tätigkeit zu nut-zen, um sich in erheblichem Umfang zu bereichern. Hierzu wählte sie solche Guthaben aus, für die bisher noch keine Rückzahlungsforderungen geltend gemacht worden waren, und gab in die [X.] unter der Rubrik —Bankverbindung [X.] die Daten ihres Girokontos an. Durch einen Mitarbeiter der Buchhaltung wurde der Betrag in einem Sammelverfah-ren durch Betätigung der [X.] ohne weitere Kontrolle zur Überwei-sung angewiesen. 3 4 Zwischen Mai 2000 und Februar 2005 veranlasste die Angeklagte in 242 Fällen unberechtigte Auszahlungen zwischen 200 Euro und 11.400 Euro auf ihr Konto. Nach der Überweisung entfernte sie ihre Kontodaten aus der Datei; forderten betroffene Kunden in vereinzelten Fällen ihr Guthaben [X.], überwies die Angeklagte den entsprechenden Betrag von ihrem Giro-konto an die Wasserwerke und veranlasste von dort die Auszahlung an die Gläubiger. Von Juni 2003 bis Juli 2004 gab sie in sechs Fällen statt ihres Kontos die Bankverbindung ihres [X.] an und erreichte so Überweisun-gen in Höhe von insgesamt 23.700 Euro auf dessen Konto. Entsprechend verfuhr sie in drei Fällen im Juli und August 2003, bei denen sie die Konto-nummer ihrer Tochter angab, wodurch diese insgesamt 18.000 Euro erhielt. In weiteren 16 Fällen wandelte die Angeklagte ihre Vorgehensweise etwas ab. So spiegelte sie zwischen November 2004 und April 2005 ihrer Kollegin [X.], die zur manuellen Buchung berechtigt war, wahrheitswidrig 5 - 5 - vor, dass Guthaben an Kunden auszuzahlen seien. Frau [X.] überwies im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben der Angeklagten die von der [X.] vorgegebenen Beträge zwischen 2.000 Euro und 10.000 Euro auf das angegebene Konto, wobei es sich um das Girokonto der Angeklagten handelte. Die auf Veranlassung der Angeklagten im Tatzeitraum herbeigeführten rechtsgrundlosen Überweisungen beliefen sich auf insgesamt etwa 630.000 Euro. Den weitaus überwiegenden Teil dieses Geldes legte die An-geklagte, die in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte, langfristig an. Umge-hend nach Entdeckung der Taten im Frühjahr 2005 bemühte sie sich um eine Schadensregulierung, erkannte im Rahmen einer Vereinbarung ihre Scha-densersatzpflicht an und unterwarf sich insoweit der Zwangsvollstreckung. Die anerkannte Summe erfasste auch den durch Taten aus rechtsverjährter Zeit entstandenen Schaden. Ihre Ansprüche aus den Geldanlagen übertrug sie an die Wasserwerke, der [X.] wegen der langjährigen Anlageform [X.] relativ geringe Rückkaufwert betrug rund 475.000 Euro. 6 Das [X.] ist von einer gewerbsmäßigen Begehungsweise der Angeklagten ausgegangen und hat die Strafen für jede Tat dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB entnommen. Innerhalb dessen hat es zu ihren Guns-ten vor allem das frühe und von ernsthafter Reue getragene Geständnis, ihre Bemühungen um die Schadensregulierung, die Belastung durch die ausführ-liche Presseberichterstattung, die im privaten Bereich für die Angeklagte ein-getretenen Erschwernisse [X.] gesundheitliche Beeinträchtigungen und die Abwendung der Familie [X.] sowie ihre Unbestraftheit gewertet. Als strafer-schwerende Gesichtspunkte haben insbesondere die sich aus der Vielzahl der Taten ergebenden negativen Schlüsse auf ihre Einstellung gegenüber den verletzten Rechtsgütern, die eine hohe kriminelle Energie offenbarende umsichtige Planung, die Gefährdung der beruflichen Entwicklung ihrer dama-ligen Kollegin [X.] und der Gesamtschaden der Wasserwerke [X.] gefunden. 7 - 6 - Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat die [X.] nach der jeweiligen Schadenshöhe differenziert und in den 16 Fällen des Betruges jeweils eine Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten, im Übrigen in drei Fällen jeweils eine solche von sieben Monaten und in den übrigen Fällen jeweils die Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe verhängt. Ausgehend von einem —engen funktionellen Zusammenhangfi der Taten hat sie trotz Berück-sichtigung des langen Zeitraums der Delinquenz einen straffen Zusammen-zug der Strafen für angemessen erachtet. Weiterhin hat sie der Angeklagten eine günstige Kriminalprognose gestellt und im Hinblick auf ihre Reue, die Bemühungen zur Schadenswiedergutmachung und die außergerichtlich erlit-tenen Nachteile besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB ange-nommen. 8 9 2. Die vom [X.] vorgenommene Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe sowie die Entscheidung zur Aussetzung der Vollstre-ckung sind nach Maßgabe der insoweit eingeschränkten [X.] (vgl. [X.]St 34, 345, 349; [X.], Urteil vom 12. Mai 2005 [X.] 5 StR 86/05) nicht zu beanstanden. Das [X.] hat die nach § 267 Abs. 3 Sätze 1 und 4 StPO bestimmenden Erwägungen bezeich-net und rechtsfehlerfrei gegeneinander abgewogen. a) Es ist auszuschließen, dass es einseitig nur mildernde Faktoren bedacht hätte, da es ausdrücklich auch die strafschärfenden Gesichtspunkte in den Blick genommen hat. Die Berücksichtigung der mildernden [X.] lässt keinen Rechtsfehler erkennen. 10 Die Beanstandung der mildernden Berücksichtigung des [X.] der Angeklagten geht fehl. Nach dem festgestellten Nachtatgeschehen trägt die Annahme eines nicht allein prozesstaktischen Erwägungen ge-schuldeten Geständnisses, welches ungemindert zu Gunsten der Angeklag-ten berücksichtigt werden durfte, ohne weiteres. Auch die strafmildernde Be-wertung der Bemühungen um Schadenswiedergutmachung ist [X.] - 7 - frei, insbesondere zeigen die zugrundeliegenden Erwägungen keine Lücken auf. Vielmehr erläutert das [X.] die Differenz zwischen dem [X.] der Geldanlagen und der Schadenssumme vor allem als Folge der langfristigen Bindung der Geldanlagen. Dabei ist auch in den Blick genom-men worden, dass nur der Teil des Schadens überwiegend ausgeglichen werden konnte, der durch die ausgeurteilten Taten entstanden ist, und dieser Ausgleich nicht durch persönlichen Verzicht, sondern durch die angelegte [X.] erfolgte. Schließlich lässt auch die mildernde Berücksichtigung einer besonderen Belastung der Angeklagten durch ein hohes Interesse der Medien an dem Verfahren keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Wertung 5). Es versteht sich von selbst, dass dieser vom [X.] festgestellte Umstand eine Angeklagte belastend einschüchtert und beeindruckt, die aus einfachsten Verhältnissen stammt, die infolge der [X.] der von ihr nicht für besonderen Luxus missbrauchten Taten in viel-fältiger Weise [X.] gesundheitlich, familiär, wirtschaftlich [X.] empfindliche Störun-gen ihres bislang als geordnet empfundenen Lebens erfahren hat und die auch deshalb in besonderem Maße Reue und Scham über ihr Tatverhalten empfindet. Ob der Einwand der Revisionsführerin zur angeblichen Nichtberück-sichtigung verjährter Taten überhaupt prinzipiell berechtigt ist, kann dahin-stehen. Denn das [X.] hat entgegen diesem Einwand erkennbar Ta-ten aus rechtsverjährter Zeit in die Bewertung des Gesamtverhaltens der [X.] einbezogen, soweit diese Schlüsse auf die [X.] zulassen, und hat die zu verhängende Strafe dem so ermittelten Unrechtsgehalt ange-passt (vgl. hierzu [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 11, 19, 20). Es hat der Angeklagten auch den [X.] im Rahmen der Urteilsfeststellungen ([X.], 30, 44) berücksichtigten, wenngleich nicht bezifferten [X.] Schaden aus rechtsver-jährter Zeit angelastet. Dies wird belegt durch den Verweis auf den —erwirkten Gesamtschadenfi ([X.]), während die Urteilsgründe in anderem Zusam-menhang ausdrücklich erkennen lassen, wenn allein der durch die —verfah-rensgegenständlichenfi Taten ([X.], 51) verursachte Vermögensnachteil 12 - 8 - in Bezug genommen werden soll. Die [X.] hat die verjährten Taten auch unter ausdrücklicher Würdigung der hierdurch erzielten —nicht unerheb-lichenfi ([X.]) Bereicherung für den Schluss herangezogen, die ausgeur-teilten Taten seien nicht mehr maßgeblich durch ein Nachsicht verdienendes Absicherungsbedürfnis motiviert gewesen. Eine noch stärkere Gewichtung der verjährten Taten war von Rechts wegen nicht geboten, wäre vielmehr sogar bedenklich gewesen, zumal das durch die Verjährung belegte, durch Zeitablauf geschwundene [X.] bei der Strafzumessung ganz maß-geblich zu beachten ist (vgl. [X.] NJW 1985, 1719, 1720; [X.], Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. [X.]. 372). b) Auch die Gesamtstrafenbildung ist nicht zu beanstanden. Das [X.] hat innerhalb des durch § 54 StGB vorgegebenen Rahmens bei der erforderlichen Gesamtschau ([X.]R StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 7, 10, 11) die bestimmenden Gesichtspunkte rechtsfehlerfrei erkennbar gemacht ([X.]R StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 5). Soweit die Revisionsführerin in diesem Zusammenhang beanstandet, die [X.] habe die [X.] nicht beachtet, zeigt dies keinen Rechtsfehler auf. Die Einbeziehung der Kollegin [X.]
ist bei der Einzelstrafbildung straf-schärfend berücksichtigt worden; dass die [X.] diesen Umstand bei der Bildung der Gesamtstrafe nicht mehr ausdrücklich benannt hat, gibt kei-nen Anlass zur Besorgnis, sie habe ihn überhaupt nicht mehr gewertet (vgl. [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 17). Der [X.] verkennt nicht, dass die erkannte Gesamtstrafe bei dem Gesamtgewicht der Taten [X.] maßvoll ist. Sie ist aber noch nicht unvertretbar milde und daher nicht allein ihrer Bemessung wegen vom Revisionsgericht zu beanstanden. 13 c) Schließlich ist die Strafaussetzung zur Bewährung rechtsfehlerfrei, insbesondere auch die Auffassung der [X.], die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete die Vollstreckung der Strafe nicht. Mit Rücksicht auf die angeführten Milderungsgründe und den Umstand, dass es sich bei der Angeklagten um eine —ganz unten stehende Angestellte ohne eigene Befug-14 - 9 - nissefi gehandelt habe, durfte das [X.] davon ausgehen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts durch die Strafaussetzung nicht erschüttert werden würde (vgl. hierzu [X.]R StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 19). 3. Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten (§ 301 StPO) sind nicht ersichtlich. 15 [X.] Gerhardt

Raum Brause [X.]

Meta

5 StR 270/07

23.10.2007

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2007, Az. 5 StR 270/07 (REWIS RS 2007, 1308)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 1308

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