Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2009, Az. IX ZR 229/07

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 5791

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/07 Verkündet am: 8. Januar 2009 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 667 Der Rechtsanwalt, der selbst oder über einen [X.] für seinen in Untersu-chungshaft sitzenden Mandanten Gelder einwirbt zu dem Zweck, eine Kaution zu stellen, darf die ihm zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Mittel nicht anderweitig verwenden. Weitergehende Pflichten, etwa zur Sicherung der Rückführung dieser Mittel nach bestimmungsgemäßer Verwendung oder zur längerfristigen Verwaltung, treffen den Rechtsanwalt in der Regel nicht ([X.] zu den [X.] vom 22. Juli 2004 - [X.], NJW 2004, 3630 und 12. Oktober 2006 - [X.], NJW-RR 2007, 267). [X.], [X.]eil vom 8. Januar 2009 - [X.]/07 - [X.] Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2009 durch [X.] Ganter, [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] Pape für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil des [X.] in [X.] des [X.] vom 20. Juli 2007 aufgehoben. Die Berufung des [X.]n gegen das [X.]eil der 1. Zivilkammer des [X.]s [X.] vom 1. Dezember 2006 wird [X.]. Der [X.] hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der beklagte Anwalt vertrat den Zeugen [X.]in einem gegen den Zeugen geführten Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der [X.]. In diesem Verfahren befand sich der Zeuge seit August 2002 in [X.]. Im Oktober 2002 rief der [X.] bei dem Steuerberater des [X.] an - der auch Steuerberater des Zeugen [X.]war - und regte an, der Steuerberater solle sich bei Freunden und Bekannten des Beschuldigten um die Aufbringung einer Kaution von insgesamt 50.000 • bemühen. 1 - 3 - Der Kläger erklärte sich gegenüber dem Steuerberater bereit, einen Be-trag von 25.000 • zu übernehmen. Diesen Betrag überwies er alsbald auf ein Fremdgeldkonto des [X.]n. Auf dem Überweisungsträger vermerkte er ent-sprechend einem Vorschlag des Steuerberaters die Worte "Darlehen an

[X.]w/Kaution"; der Buchstabe "w" stand für das Wort "wegen". 2 Zu einer Anordnung über die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls gegen Sicherheitsleistung kam es nicht. Der [X.] verwendete den vom Klä-ger überwiesenen Betrag für offene Honorarforderungen gegen den Zeugen [X.]. 3 Der Kläger verlangt vom [X.]n die Rückzahlung des überwiesenen Betrages. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des [X.]n hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch in vollem Umfang weiter. 4 Entscheidungsgründe: Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wieder-herstellung des landgerichtlichen [X.]eils. 5 - 4 - [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gegen den [X.]n, weil zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis nicht zustande gekommen sei. Der Anwalt, der Fremdgeld in Empfang nehme, wel-ches von einem [X.] zugunsten eines Mandanten eingezahlt werde, handele in der Regel allein als Vertreter des Mandanten. Das stehe der Annahme eines Auftragsverhältnisses, also der Begründung eigener Pflichten des Anwalts ge-genüber dem [X.], entgegen. Zwar könne sich unter besonderen Umständen etwas anderes ergeben, nämlich wenn diese Umstände den Schluss darauf begründeten, der Anwalt habe eigenständige ([X.]hand-)Verpflichtungen ge-genüber dem Einzahler übernommen. Solche Umstände seien hier aber nicht zu erkennen. 6 I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. 7 1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] habe hinsichtlich der Verwendung des vom Kläger auf das Fremdgeldkonto überwiesenen Betra-ges keinerlei Bindungen unterlegen, ist unzutreffend. Zwischen dem Kläger und dem [X.]n ist ein Auftrag zustande gekommen, allerdings beschränkt allein darauf, für die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes Sorge zu tragen. Da diese Verwendung des Geldes nicht möglich war, hat der [X.] das [X.] gemäß § 667 BGB an den Kläger herauszugeben. 8 - 5 - Die Auslegung von Willenserklärungen der Parteien und von [X.] obliegt zwar grundsätzlich dem Tatrichter. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt wurde, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkge-setze oder Erfahrungssätze verletzt wurden oder ob die Auslegung auf einem von der Revision gerügten Verfahrensfehler beruht (vgl. z.B. [X.], [X.]. v. 26. März 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 952; 953 v. 13. Mai 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 1356, 1357; v. 16. Oktober 2008 - [X.] ZR 183/06 Rn. 18 z.[X.].). 9 Diese Überprüfung ergibt jedoch vorliegend, dass das Berufungsgericht Auslegungsregeln und Erfahrungssätze verletzt und insbesondere die Recht-sprechung des [X.] zum Zustandekommen von Auftragsver-hältnissen in derartigen Konstellationen missverstanden und zu eng ausgelegt hat. 10 a) Das Berufungsgericht hat auf zwei [X.]eile des Senats Bezug genom-men, die einen ähnlichen Sachverhalt zum Gegenstand hatten ([X.], [X.]. v. 22. Juli 2004 - [X.], NJW 2004, 3630, 3631; v. 12. Oktober 2006 - [X.], NJW-RR 2007, 267). Dort ging es jedoch jeweils um die Sicher-stellung der Rückführung des als Kaution oder Zahlung auf Steuern tatsächlich bereits bestimmungsgemäß verwendeten Geldes. Hinsichtlich solcher zusätzli-cher, über die bestimmungsgemäße Verwendung hinausgehender Pflichten hat der Senat den konkludenten Abschluss eines [X.]es abgelehnt. Wer als Verteidiger zum Zwecke der Hinterlegung einer Kaution bei Gericht [X.] von dritter Seite für einen Mandanten entgegennimmt, begrün-det dadurch keine zusätzlichen vertraglichen Pflichten gegenüber dem [X.], sofern sich nicht aus den getroffenen Absprachen oder den besonderen 11 - 6 - Umständen des Falles ausnahmsweise etwas anderes ergibt. Der [X.], der auf einem Anderkonto Geld erhält, welches von einem [X.] in Erfül-lung einer mit dem Mandanten getroffenen Vereinbarung geleistet wird, handelt in der Regel allein als Vertreter seines Auftraggebers. Das folgt im Ansatz schon aus dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4, § 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. [X.]), weil die Interessen des [X.] in der Regel nicht mit denjenigen der vom Anwalt vertretenen Partei identisch sind ([X.], [X.]. v. 22. Juli 2004 aaO [X.], v. 12. Oktober 2006 aaO [X.] Rn. 8). b) Vorliegend geht es - anders als in den genannten Fällen - nicht darum, ob den [X.]n anwaltliche Beratungs- oder Sicherungspflichten trafen, um die Rückführung des bestimmungsgemäß verwendeten Geldes sicherzustellen, oder dieses Geld längerfristig zu verwalten. 12 Vielmehr geht es um die Frage, ob der Anwalt die Zweckbestimmung für das Geld beachten muss oder dieses von vorneherein anderweitig verwenden und als freies Vermögen seines Mandanten behandeln darf, etwa nach dessen anderweitigen Weisungen darüber verfügen oder mit seinen eigenen Ansprü-chen gegen den Mandanten aufrechnen und sich so befriedigen darf. 13 Insoweit steht nicht der Abschluss eines [X.]es in Frage. Nach § 3 Abs. 1 [X.] ist der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Darum geht es insoweit nicht. Der [X.] sollte gegenüber dem Kläger zu keiner Rechtsberatung verpflich-tet sein. 14 - 7 - 2. Ein allgemeiner, nicht mit Rechtsberatung verbundener Auftrag kann auch mit einem Anwalt zustande kommen. Er kann konkludent geschlossen werden, wenn das Verhalten des einen Teils bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach [X.] und Glauben gemäß §§ 133, 157 BGB als eine auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrages gerichtete [X.] aufzufassen war und das Verhalten des anderen Teils als Annahme des Auftrags gedeutet werden durfte (vgl. für den [X.]: [X.], [X.]. v. 22. Juli 2004 aaO [X.]). 15 Der [X.] hat hier über den Steuerberater des [X.] von den Freunden und Bekannten des Beschuldigten Geldbeträge zu dem [X.], eine Kaution für den Beschuldigten stellen zu können. Die Überwei-sung des hierzu bereiten [X.] sah als Zweckbestimmung ausdrücklich vor, dass das Geld diesem Zweck der Kautionsstellung dienen sollte. Daran änderte nichts der Umstand, dass die Zahlung als Darlehen an den [X.] wurde. Damit wurde lediglich zum Ausdruck gebracht, in welcher Form der Kläger Geld zur Verfügung stellen wollte, nämlich als Darlehen, das nach Verwendung als Kaution rückzahlbar sein sollte, nicht dagegen etwa als Schen-kung. Nach [X.] und Glauben sowie der Verkehrssitte durfte der Kläger und musste der [X.] annehmen, dass aufgrund dieser Umstände eine Verwen-dung des Geldbetrages durch den allein über das Konto [X.] [X.]n auch im Verhältnis zum Kläger nur zu dem vorgesehenen Zweck erfolgen durfte, insoweit also vom Kläger eine Bindung in Form eines Auftrags erwartet wurde, die der [X.] auch akzeptiert hat. 16 Demgemäß durfte der [X.] nur zu diesem Zweck über den erlangten Geldbetrag verfügen. Eine Verfügung zu anderen Zwecken hätte der Zustim-mung des [X.] bedurft. Weitergehende Pflichten, etwa zur Beratung des 17 - 8 - [X.] oder zur Sicherung seiner Rückforderungsansprüche, hatte er dagegen nicht. Ein [X.] ist mangels entsprechender Einigung nicht zustande gekommen. 3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Geset-zes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem zur [X.] ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Eine andere Auslegung des Willens der Parteien ist nach den festgestellten Tatsachen ausgeschlossen. 18 Der [X.] hat den in Rede stehenden Betrag im Sinne von § 667 BGB zur Ausführung des Auftrags erhalten. Von der Verpflichtung, das einge-zahlte Geld wieder zurückzuzahlen, wäre der [X.] nur frei geworden, wenn er das Geld auftragsgemäß weitergeleitet hätte ([X.], [X.]. v. 30. Oktober 2003 - [X.], [X.], 171, 172). Da dies nicht geschehen ist, hat er den Betrag an den Kläger zurückzuzahlen. 19 Ob der Beschuldigte [X.]nach seiner Haftentlassung den [X.]n angewiesen hat, den Betrag anderweitig zu verwenden, ist unerheblich. Die [X.] der Mittelverwendung zwischen den Parteien konnte der Mandant des [X.]n nicht aufheben oder ändern. Der Beschuldigte sollte, ebenso wie der [X.], nicht befugt sein, das Geld anderweitig, etwa für seine Lebensführung oder für Anschaffungen oder zur Schuldentilgung zu verwenden. Derjenige, der [X.] Geld für eine Kaution zur Verfügung stellt, will lediglich dazu beitragen, dass der Beschuldigte wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Er erwar-tet, dass er nach Wegfall dieses Zwecks das Geld wieder zurück erhält. 20 - 9 - Die angeblichen Forderungen des Zeugen [X.]konnten jedenfalls mangels Gegenseitigkeit mit der Klageforderung nicht aufgerechnet werden. 21 Ganter [X.] [X.]

[X.] Pape
Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 01.12.2006 - 1 O 279/06 - [X.] in [X.], Entscheidung vom 20.07.2007 - 24 U 21/07 -

Meta

IX ZR 229/07

08.01.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2009, Az. IX ZR 229/07 (REWIS RS 2009, 5791)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 5791

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