Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2008, Az. 4 StR 114/08

4. Strafsenat | REWIS RS 2008, 3298

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 [X.] vom 19. Juni 2008 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja [X.]St: nein [X.]R: ja [X.]: ja StGB § 66 Abs. 1, 2, 4 Satz 5 StGB Werden Taten im Ausland abgeurteilt und sieht das maßgebliche ausländische Recht bei Tatmehrheit nicht die Bildung einer Gesamtstrafe, sondern die [X.] einer einheitlichen Strafe ohne Festsetzung von Einzelstrafen vor, so ist - wie in den Fällen der Verurteilung zu einer einheitlichen Jugendstrafe - bei der Beurteilung der formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 und 2 StGB darauf abzustellen, ob das ausländische Urteil erkennen lässt, dass der Täter bei einer oder mehreren der abgeurteilten Taten eine Freiheitsstrafe von [X.] einem Jahr verwirkt hätte. [X.], Urteil vom 19. Juni 2008 [X.] 4 [X.] [X.] LG Landau - 2 - wegen schweren Raubes u.a.- 3 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 19. Juni 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] Prof. Dr. [X.], [X.], [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] [X.]

als beisitzende [X.], Staatsanwältin als Vertreterin der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 4 - 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. Oktober 2007 wird verwor-fen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das [X.] Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den Fest-stellungen aufgehoben. 3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in [X.] mit versuchtem schweren Raub und Diebstahl mit Waffen zu einer Frei-heitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich so-wohl der Angeklagte als auch [X.] zu Ungunsten des Angeklagten [X.] die Staatsan-waltschaft mit ihren Revisionen. Der Angeklagte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit der Sachrüge, dass gegen den Angeklagten nicht die Unterbringung in der Sicherungsverwah-rung angeordnet worden ist. Das Rechtsmittel des Angeklagten erweist sich als unbegründet, das der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. 1 - 5 - Revision des Angeklagten: 2 Die zu § 59 StPO erhobene Verfahrensrüge greift aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] nicht. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der nicht ausgeführten Sachrüge hat keinen den Angeklagten be-nachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). 3 Revision der Staatsanwaltschaft: 4 1. Das [X.] hat die materiellen Voraussetzungen der Unterbrin-gung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB geprüft und diese [X.] im [X.] an den gehörten Sachverständigen - rechtsfehlerfrei bejaht. An einer Anordnung der Unterbringung hat es sich [X.] gehindert gesehen, da die formellen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 3 des § 66 StGB nicht erfüllt seien. Zwar sei der Angeklagte durch Urteil des [X.]s [X.] (Tribunal de Grande Instance de Strasbourg) vom 2. Dezember 1998 wegen Einbruchsdiebstahls, Hehlerei u.a. (insgesamt 14 Einzeltaten begangen in dem Zeitraum September bis Dezember 1996) zu [X.] Freiheitsstrafe von sieben Jahren, durch Urteil des [X.]s Mulhouse (Tribunal de Grande Instance de Mulhouse) vom 15. April 1999 wegen Gefan-genenbefreiung und gefährlicher Körperverletzung (Tatzeit: 2. Oktober 1998) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und schließlich durch Urteil des [X.] ([X.]) vom 14. Juli 2005 wegen [X.]n (sechs Einzeltaten begangen in dem Zeit-raum Februar 1995 bis September 1996) zu einer solchen von sechs Jahren Dauer verurteilt worden. Die durch die [X.]e [X.] und [X.] verhängten Freiheitsstrafen von sieben bzw. sechs Jahren könnten aber [X.] so das [X.] - für eine Anordnung der Unterbringung nach § 66 Abs. 1 und 2 5 - 6 - StGB schon deshalb nicht herangezogen werden, da Einzelstrafen nicht festge-setzt worden seien und den jeweiligen Urteilsgründen auch nicht entnommen werden könne, dass der Angeklagte wenigstens bei einer der diesen [X.]en zu Grunde liegenden Straftaten jeweils eine Freiheitsstrafe von [X.] einem Jahr verwirkt hätte. Auch die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB seien nicht gegeben. Zwar habe das Urteil des [X.] (auch) die Verurteilung wegen einer [X.] (gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB) zum Gegenstand. Es könne jedoch nicht [X.] werden, dass die verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren allein wegen der [X.] ausgesprochen worden wäre. Hilfsweise, d.h. für den Fall, dass die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 oder 3 StGB vorliegen sollten, hat das [X.] von der Anord-nung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aus [X.] abgesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die den drei Vorverurtei-lungen zu Grunde liegenden Taten sämtlich gesamtstrafenfähig gewesen seien. Sie hätten daher gemeinsam abgeurteilt werden können. Dies hätte dann für den Angeklagten nur einen einmaligen Warneffekt zur Folge gehabt. 6 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 7 a) Allerdings hat das [X.] im Ergebnis zu Recht die Vorausset-zungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB verneint. Diese Bestimmung setzt voraus, dass die zur zweiten Vorverurteilung führende Tat nach Rechtskraft der ersten Vorverurteilung begangen worden ist ([X.]St 35, 6; 38, 258). Der Täter muss die Warnfunktion eines jeweils rechtskräftigen Strafurteils zweimal missachtet haben. Der Angeklagte hat jedoch sämtliche Straftaten, die zu den drei Vorver-urteilungen geführt haben, vor der ersten Aburteilung durch das [X.] 8 - 7 - [X.] vom 2. Dezember 1998 begangen. Eine Anordnung der Maßregel nach § 66 Abs. 1 StGB scheidet daher aus. b) Die Verneinung der formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB weist jedoch durchgreifende Rechtsfehler auf. 9 aa) Nach dieser Vorschrift ist erforderlich, dass der Täter drei rechtlich selbständige vorsätzliche Taten begangen hat, durch die er jeweils Freiheits-strafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat. Bei einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtstrafe ist die Höhe der Einzelstrafen maßgeblich ([X.][X.]/[X.] StGB 27. Aufl. § 66 Rdn. 53). Weiterhin muss der Täter we-gen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden sein. Hierbei steht eine Tat, die außerhalb des räumli-chen Geltungsbereichs des StGB abgeurteilt worden ist, einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach [X.] Strafrecht eine vorsätzliche Tat wäre (§ 66 Abs. 4 Satz 5 StGB). 10 bb) Der Angeklagte ist in dem angefochtenen Urteil zu einer Freiheits-strafe von sieben Jahren, d.h. zu einer solchen, die die geforderte Mindesthöhe von drei Jahren übersteigt, verurteilt worden. Ferner ist er wegen einer weiteren rechtlich selbständigen Tat, die auf der Grundlage der getroffenen Feststellun-gen nach [X.] Strafrecht als Vorsatztat, nämlich als gefährliche Körper-verletzung in Tateinheit mit Gefangenenmeuterei (§§ 224 Abs. 1 Nr. 4, 121 Abs. 1 Nr. 1, 52 StGB) zu qualifizieren wäre, durch das [X.] Mulhouse zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Damit sind die [X.] Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB bis auf das Erfordernis einer dritten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr erfüllt. 11 - 8 - cc) Die Auffassung des [X.]s, dass weder das Urteil des Landge-richts [X.] noch das des [X.]s [X.] als dritte Verurteilung im Sinne des § 66 Abs. 2 StGB in Betracht kommen, ist nicht tragfähig begrün-det. 12 (1) Werden Taten im Ausland abgeurteilt und sieht das maßgebliche aus-ländische Recht bei Tatmehrheit nicht - wie das [X.] Strafrecht - die Bil-dung einer Gesamtstrafe, sondern die Verhängung einer einheitlichen Strafe ohne Festsetzung von Einzelstrafen vor, so ist - wie in den Fällen der [X.] zu einer einheitlichen Jugendstrafe (vgl. hierzu [X.] 55. Aufl. § 66 Rdn. 7 m.w.N.) [X.] bei der Beurteilung der formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 und 2 StGB darauf abzustellen, ob das ausländische Urteil erkennen lässt, dass der Täter bei einer oder mehreren der abgeurteilten Taten eine Frei-heitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hätte. Hierbei wird [X.] darauf abzustellen sein, welche Strafnormen das ausländische Gericht der Verurteilung zu Grunde gelegt hat und welcher Strafrahmen damit bei der [X.] der Strafe eröffnet war. Hierzu verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Der [X.] vermag daher nicht zu überprüfen, ob nicht etwa bereits die nach dem ausländischen Strafrecht bei Aburteilung als Einzeltat verwirkte Min-deststrafe das nach § 66 Abs. 2 StGB erforderliche Mindestmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe überstiegen hat. Dies liegt jedenfalls im Fall der [X.] durch das [X.] [X.] durchaus nahe, da die [X.]. 461, 467 des luxemburgischen Strafgesetzbuches für [X.] unter den hier nach den getroffenen Feststellungen in Betracht kommenden erschwerenden Umständen eine Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsehen. 13 (2) Der Erörterung hätte zudem bedurft, dass das [X.] Luxem-burg für sechs Taten des Einbruchsdiebstahls, von denen vier (Fälle 2, 3, 4 und 14 - 9 - 6) jeweils Einbrüche in Tankstellen betrafen, eine Freiheitsstrafe von sechs Jah-ren verhängt hat. In Anbetracht dessen erscheint es eher fern liegend, dass das [X.] [X.] bei keiner der Taten für sich gesehen auf eine Frei-heitsstrafe von mindestens einem Jahr Dauer erkannt hätte. Dies gilt [X.] vor dem Hintergrund, dass bei den Einbrüchen in den Fällen 2, 4 und 6 je-weils ein Geldsafe entwendet wurde, in welchem sich Geldbeträge in Höhe von (umgerechnet) ca. 10.000 • (jeweils in den [X.]) und ca. 36.000 • (Fall 4) befanden. c) Die Verneinung der formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB ist ebenfalls nicht frei von [X.]. Steht - wie hier im Urteil des [X.]s Mulhouse - die Verurteilung wegen einer [X.] (§ 224 StGB) in Tateinheit mit einer [X.] (§ 121 StGB), ist es nicht erforderlich, dass der Tatrichter zur Überzeugung gelangt, die Einzelstrafe von zwei Jahren wäre auch ohne Hinzutreten der [X.] verhängt worden (vgl. [X.] NJW 1999, 3723). Allerdings sind in einem solchen Fall die materiellen Voraus-setzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 besonders sorgfältig zu prüfen. 15 d) Schließlich begegnen auch die Ausführungen des [X.]s, mit denen es in Ausübung des ihm nach § 66 Abs. 2 und 3 StGB eröffneten Ermes-sens von der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ab-gesehen hat, rechtlichen Bedenken. Zwar liegt diese Entscheidung im pflicht-gemäßen Ermessen des Tatrichters und ist deshalb weitgehend der revisions-rechtlichen Kontrolle entzogen. Das [X.] hat sich jedoch bei seiner Er-messensausübung ersichtlich von einem fehlerhaften rechtlichen Ansatz leiten lassen. Die Vorschriften des § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB stellen nicht auf die Warnfunktion früherer Verurteilungen ab, sondern auf die mehrfache Begehung schwerwiegender Straftaten (vgl. [X.]/[X.]/[X.] aaO § 66 Rdn. 48 u. 16 - 10 - 53); es reicht daher auch eine Verurteilung in dem Verfahren aus, in dem über die Frage der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist [X.] 66 Rdn. 12 u. 18). Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung muss daher neu ent-schieden werden. 17 3. Der [X.] hebt zugleich den Strafausspruch auf. Zwar weist die Straf-zumessung für sich gesehen keinen Rechtsfehler auf. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafe niedriger ausgefallen wäre, wenn der Tatrichter die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet hätte (vgl. [X.] NStZ-RR 2005, 39, 40 u. 337, 338). 18 Tepperwien [X.] [X.] [X.] Ernemann

Meta

4 StR 114/08

19.06.2008

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2008, Az. 4 StR 114/08 (REWIS RS 2008, 3298)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 3298

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