Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.04.2009, Az. IX ZR 196/07

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 4169

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 196/07 Verkündet am: 2. April 2009 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf das am 20. Januar 2009 ge-schlossene schriftliche Verfahren durch [X.] Ganter und [X.] [X.], Prof. Dr. Gehrlein, [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 17. Oktober 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist. Der [X.] wird verurteilt, an den Kläger weitere 575,29 • nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 528,95 • seit dem 11. April 2006 und auf 46,34 • seit dem 13. Mai 2006 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem [X.]n auferlegt. Der Gegenstandswert des Revisionsverfahrens wird auf bis 600,00 • festgesetzt. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 11. März 2005 am 1. Juli 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.]1 - 3 - GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin bot ihren Kunden die [X.] an, am Erfolg oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Sie warb mit jährlich zu erzielenden Renditen zwischen 8,7 v.H. und 14,07 v.H. Der [X.] erklärte am 13. März 2000 seinen Beitritt. Tatsächlich erlitt die Schuldnerin im Zeitraum der Beteiligung des [X.]n Verluste. Um diese zu verschleiern, leitete sie den Anlegern Kontoauszüge zu, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Gelder der Anleger wurden miteinander [X.] und nur zu einem geringen Teil, später überhaupt nicht mehr, in [X.] angelegt. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines "Schneeballsystems" für Aus- und Rückzahlungen an [X.]. Der [X.] leistete im Jahr 2000 eine Einlage von 2.556,96 • und ein Agio von 178,95 • sowie im Jahre 2002 eine weitere Einlage von 5.000 • und ein weiteres Agio von 350 •. Er erhielt am 14. April 2003 eine Auszahlung in Höhe von 9.095,84 •. Mit seiner Klage verlangt der Kläger aus Insolvenzanfechtung den Diffe-renzbetrag zwischen der an den [X.]n geleisteten Auszahlung und seiner Einlage (1.539,38 •) zuzüglich vorgerichtlicher, auf die gerichtliche Verfahrens-gebühr nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten (112,64 •), jeweils zuzüglich Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die teilweise erfolgreiche Berufung des [X.] führte zu einer Verurteilung in Höhe von 1.076,73 •. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem [X.] weiter. 2 - 4 - Entscheidungsgründe: Die Revision des [X.] hat Erfolg und führt zur vollständigen [X.] des [X.]n. 3 [X.] Das Berufungsgericht hat gemeint, dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 [X.] zu. Da die Schuldnerin nur vorgespiegelt habe, aus Termingeschäften Gewinne erzielt zu haben, seien die Gewinne objektiv ohne Gegenleistung des [X.]n ausgezahlt worden. Der [X.] sei jedoch trotz des gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] eingreifenden Aufrechnungsverbots so zu stellen, als könne er mit einem Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der beiden Agio aufrechnen. Dies habe der [X.] unter Geltung der Konkursordnung so entschieden ([X.], 98, 105 f). Diese [X.] sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. 4 I[X.] Dies hält rechtlicher Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht Stand. 5 1. Noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der [X.] könne die Auszahlung von in "Schneeballsystemen" erzielten [X.] durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgelt-liche Leistung nach § 134 Abs. 1 [X.] anfechten. Dies entsprach schon der 6 - 5 - Rechtsprechung unter Geltung der Konkursordnung ([X.], 98, 101 ff; [X.], [X.]. v. 29. November 1990 - [X.] ZR 55/90, [X.], 331, 332 f), die der Senat im Anwendungsbereich der [X.] fortgeführt hat ([X.], [X.]. v. 13. März 2008 - [X.] ZR 117/07, [X.], 975 f Rn. 6 ff; v. 11. Dezember 2008 - [X.] ZR 195/07, [X.], 178, 179 Rn. 6, zur Veröffentlichung in [X.]Z bestimmt). Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die von der Schuldnerin bei den anfangs noch in geringem Umfang getätigten Anlagen erziel-ten Gewinne seien geringfügig gewesen und durch die Verwaltungskosten aufge-zehrt worden, so dass die Auszahlungen an die Anleger vollumfänglich in Form eines "Schneeballsystems" erbracht worden seien, wird von dem [X.]n nicht angegriffen. 2. Hingegen bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] sei jedenfalls so zu stellen, als könne er mit seinem gegen die Schuldnerin begründeten Schadensersatzanspruch ge-gen den aus der Anfechtung gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 [X.] folgenden [X.]. Die Vorinstanz hat sich hierbei auf eine noch un-ter Geltung der Konkursordnung ergangene Rechtsprechung des Senats ge-stützt ([X.], 98, 105 f), die im Anwendungsbereich der [X.] jedoch nicht fortzuführen ist (vgl. [X.], [X.]. v. 11. Dezember 2008, aaO [X.] Rn. 7). Das jüngst ergangene Senatsurteil betrifft ein Parallelverfahren zu dem vorliegenden Rechtsstreit; auf die dort niedergelegten Gründe wird verwiesen. Insbesondere wird - anders als noch im Anwendungsbereich der Konkursord-nung - durch § 814 BGB ein Normwiderspruch nicht mehr hervorgerufen. Auch wenn es diese Vorschrift nicht gäbe und sich bereits vor Insolvenzeröffnung ein Bereicherungsanspruch der Schuldnerin und der Schadensersatzanspruch des [X.]n gegenübergestanden hätten, wäre eine wirksame Aufrechnung we-7 - 6 - gen § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nicht in Betracht gekommen (vgl. [X.], [X.]. v. 11. Dezember 2008, aaO [X.] Rn. 8 ff). Der Normzweck des § 814 BGB fordert auch aus anderen Gründen als dem durch die [X.] beseitigten Wertungswiderspruch keine Ein-schränkung des aus § 143 Abs. 1 [X.] folgenden [X.]s. Auf die Ausführungen in der [X.] wird auch insoweit Bezug genommen ([X.], [X.]. v. 11. Dezember 2008, aaO [X.] Rn. 14 ff). 8 3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). 9 a) Der Anspruch scheitert nicht an einem Wegfall der Bereicherung (§ 143 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Das Berufungsgericht hat die tatsächlichen Voraussetzun-gen einer Entreicherung verneint; die Revisionserwiderung zeigt nicht auf, dass dabei Tatsachenvortrag des [X.]n übergangen worden sei. 10 Zu Unrecht meint der [X.], er sei nicht bereichert, weil ihm in Höhe der Klageforderung ein Schadensersatzanspruch gegen die Schuldnerin [X.] habe. Die Auszahlung ist nicht auf einen Schadensersatzanspruch des [X.]n, sondern nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen auf die angeblich erzielten Gewinne sowie die Einlage erfolgt. Damit hat die Schuld-nerin die Zahlung einem bestimmten (fiktiven) Schuldverhältnis zugeordnet. Eine andere Sicht verbietet sich insbesondere im Hinblick auf den mit der Zahlung ver-folgten Zweck, der dahin ging, die Machenschaften der Schuldnerin zu verdecken (vgl. [X.], [X.]. v. 11. Dezember 2008, aaO S. 181 Rn. 19). 11 - 7 - Soweit der [X.] meint, er dürfe die Einlage als Aufwand für den Er-werb des Anspruchs auf Zinsen abziehen, übersieht er, dass die Einlage bereits bei der Berechnung der Klageforderung berücksichtigt worden ist und nicht doppelt in Abzug gebracht werden darf. 12 b) Treu und Glauben (§ 242 BGB) stehen dem [X.] nicht entgegen. Es gibt keinen Grund, den [X.]n gegenüber anderen ge-täuschten Anlegern besser zu stellen (vgl. auch hierzu [X.], [X.]. v. 11. Dezem-ber 2008, aaO Rn. 21). 13 II[X.] 1. Das angefochtene [X.]eil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen einer [X.] auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endent-scheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). 14 2. Der Zinsanspruch auf die Hauptforderung ist in der begehrten Höhe ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt (§ 143 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB, § 291 ZPO; [X.]Z 171, 38, 43 Rn. 13 ff). Da die Zinsen erst ab einem Zeitpunkt nach der Eröffnung begehrt werden, ist für 15 - 8 - den Zinsbeginn jener maßgeblich (§ 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Nebenforde-rung auf Ersatz der außergerichtlich angefallenen Anwaltsgebühren ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet. [X.] Gehrlein

Fischer [X.]
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - [X.] 12/07 - [X.] i.d. OPf., Entscheidung vom 17.10.2007 - 2 S 61/07 -

Meta

IX ZR 196/07

02.04.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.04.2009, Az. IX ZR 196/07 (REWIS RS 2009, 4169)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 4169

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