Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.06.2009, Az. IX ZR 157/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 2850

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 157/08 Verkündet am: 25. Juni 2009 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf das am 29. Mai 2009 ge-schlossene schriftliche Verfahren durch [X.] Ganter und [X.] [X.], Prof. Dr. Gehrlein, [X.] und Grupp für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] werden die [X.]eile des [X.] in [X.] des [X.] vom 4. Juli 2008 und der 1. Zivilkammer des Landgerichts [X.] vom 28. Februar 2007 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 47.894,03 • nebst Zin-sen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins hieraus seit dem 11. April 2006 sowie weitere 759,95 • nebst Zin-sen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins hieraus seit dem 4. November 2006 zu zahlen. Wegen des weitergehenden [X.] bleibt die Klage [X.]. Die Kosten des Rechtsstreits werden der [X.] auferlegt. Der Gegenstandswert des Revisionsverfahrens wird auf 47.894,03 • festgesetzt. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 11. März 2005 am 1. Juli 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P.

GmbH Gesellschaft für die Durchführung und Vermittlung von Vermö-gensanlagen (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin bot ihren Kunden die [X.] an, am Erfolg oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Sie warb mit jährlich zu erzielenden Renditen zwischen 8,7 vom Hundert und 14,07 vom Hundert. Die Beklagte erklärte am 24. Januar 2000 ihren Beitritt. [X.] erlitt die Schuldnerin im Zeitraum der Beteiligung der [X.] Verluste. Um diese zu verschleiern, leitete sie den Anlegern Kontoauszüge zu, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Gelder der Anleger wurden nur zu einem geringen Teil und später überhaupt nicht mehr in [X.] angelegt. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines "Schneeballsystems" für Aus- und Rückzahlungen an Altkunden. Die Beklagte leistete im Jahr 2000 eine Einlage von insgesamt 423.094,03 • und ein Agio von 14.060,53 • (= 437.154,56 •). Sie erhielt zwischen Dezember 2000 und August 2001 Auszahlungen in Höhe von insgesamt 470.988,06 •, wovon 453.604,13 • auf den Zeitraum nach dem 11. März 2001 entfielen ([X.] gemäß § 134 Abs. 1 [X.]). 1 Mit seiner am 3. November 2006 zugestellten Klage verlangt der Kläger aus Insolvenzanfechtung den Differenzbetrag zwischen den an die Beklagte geleisteten Auszahlungen und ihrer um das Agio reduzierten Einlage (47.894,03 •) sowie Ersatz seiner vorgerichtlichen, auf die gerichtliche Verfah-rensgebühr nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten (759,95 •), jeweils zu-züglich Zinsen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom 2 - 4 - Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter. Entscheidungsgründe: Die Revision des [X.] hat Erfolg und führt zur Verurteilung der [X.]. 3 [X.] Das Berufungsgericht hat gemeint, der anfechtungsrechtliche Rückge-währanspruch des [X.] sei durch Aufrechnung erloschen (§ 94 [X.]; §§ 389, 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB). Die Gegenforderung der [X.] auf Schadensersatz entfalle auch nicht gemäß § 814 BGB. Der Rechtsgedanke, der dieser Vorschrift zugrunde liege, die Unzulässigkeit widersprüchlichen [X.] zu sanktionieren, habe auch für das Insolvenzrecht Gültigkeit. Dies ha-be der [X.] unter der Geltung der Konkursordnung so entschie-den ([X.], 98, 105 f). Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der [X.] übersteige die Klageforderung und bringe sie somit zum Erlöschen. 4 I[X.] Dies hält rechtlicher Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. 5 - 5 - 1. Noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der [X.] könne die Auszahlung von in "Schneeballsystemen" erzielten [X.] durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgelt-liche Leistung nach § 134 Abs. 1 [X.] anfechten. Dies entsprach schon der Rechtsprechung unter Geltung der Konkursordnung ([X.], 98, 101 ff; [X.], [X.]. v. 29. November 1990 - [X.] ZR 55/90, [X.], 331, 332 f), die der Senat im Anwendungsbereich der [X.] fortgeführt hat ([X.], [X.]. v. 13. März 2008 - [X.] ZR 117/07, [X.], 975 f Rn. 6 ff; v. 11. Dezember 2008 - [X.] ZR 195/07, [X.], 178, 179 f; zur Veröffentlichung in [X.]Z be-stimmt). Die Revisionserwiderung bezweifelt weder die Anfechtbarkeit ausge-zahlter Scheingewinne nach § 134 [X.] noch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass die Schuldnerin die Auszahlungen an die Anleger voll umfänglich in Form eines "Schneeballsystems" erbracht habe. 6 2. Hingegen bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei jedenfalls so zu stellen, als könnte sie mit ihrem gegen die Schuldnerin begründeten Schadensersatzanspruch gegen den aus der Anfechtung gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 [X.] folgenden Rückge-währanspruch aufrechnen. Die Vorinstanz hat sich hierbei auf eine noch unter Geltung der Konkursordnung ergangene Rechtsprechung des Senats gestützt ([X.], 98, 105 f), die im Anwendungsbereich der [X.] [X.] nicht fortzuführen ist (vgl. [X.], [X.]. v. 11. Dezember 2008, aaO [X.] Rn. 7). Das jüngst ergangene Senatsurteil betrifft ein Parallelverfahren zu dem vorliegenden Rechtsstreit; auf die dort niedergelegten Gründe wird verwiesen. Insbesondere wird - anders als noch im Anwendungsbereich der Konkursord-nung - durch § 814 BGB ein Normwiderspruch nicht mehr hervorgerufen. Auch wenn es diese Vorschrift nicht gäbe und sich bereits vor Insolvenzeröffnung ein Bereicherungsanspruch der Schuldnerin und der Schadensersatzanspruch der 7 - 6 - [X.] gegenübergestanden hätten, wäre eine wirksame Aufrechnung we-gen § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nicht in Betracht gekommen (vgl. [X.], [X.]. v. 11. Dezember 2008, aaO [X.] Rn. 8 ff). Der Normzweck des § 814 BGB fordert auch aus anderen Gründen als dem durch die [X.] beseitigten Wertungswiderspruch keine Ein-schränkung des aus § 143 Abs. 1 [X.] folgenden [X.]s. Auf die Ausführungen in der [X.] wird auch insoweit Bezug genommen ([X.], [X.]. v. 11. Dezember 2008, aaO [X.] Rn. 14 ff). 8 3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen - teilweise - als richtig (§ 561 ZPO). 9 a) Die Beklagte will von den zurückgeforderten Auszahlungen die [X.] derjenigen Zahlungen absetzen, die sie vor Eintritt in den [X.] erhalten hat (17.383,93 •). Ein solcher Abzug ist nicht gerechtfertigt. Die fraglichen Zahlungen sind nicht Gegenstand der Klage. Bei Eintritt in den [X.] ergab sich für die Beklagte bei Anwendung der Saldotheorie ein Guthaben von 405.710,10 •, auf welches die Schuldnerin in der Folgezeit Zahlungen von insgesamt 453.604,13 • erhalten hat. Die Klageforderung ist somit von den im [X.] rechtsgrundlos erbrachten Leistungen gedeckt. 10 b) Die Beklagte vertritt ferner die Ansicht, das Agio von (2.556,46 • + 11.504,07 • =) 14.060,53 • sei - entsprechend seinem Leistungszweck - bei der Schuldnerin verblieben. Die Abbuchungen von dem bei der Schuldnerin ge-führten Konto der [X.] könnten deshalb keinen Anspruch des [X.] auslösen. 11 - 7 - Auch dieser Einwand greift nicht durch. Wie in den Parallelfällen (verglei-che insbesondere [X.], [X.]. v. 11. Dezember 2008, aaO S. 181 Rn. 19) sind die Auszahlungen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen auf die angeblich erzielten Gewinne sowie die Einlage erfolgt. Damit hat die Schuldne-rin die Zahlungen einem bestimmten (fiktiven) Schuldverhältnis zugeordnet. Der klagende Insolvenzverwalter begehrt die teilweise Rückgewähr dieser Leistun-gen. Der Umstand, dass die Schuldnerin das Agio auf dem Verrechnungskonto zuvor ins Soll gestellt hatte, was das Guthaben auf diesem Konto minderte, stellt angesichts der Höhe der im [X.] von der Schuldnerin erbrachten Leistungen die Klageforderung nicht in Frage. Es liegt insoweit auch kein Fall der Entreicherung (vgl. § 143 Abs. 2 Satz 1 [X.]) vor. 12 c) Treu und Glauben (§ 242 BGB) stehen dem [X.] nicht entgegen. Es gibt keinen Grund, die Beklagte gegenüber anderen ge-täuschten Anlegern besser zu stellen (vgl. auch hierzu [X.], [X.]. v. 11. Dezem-ber 2008, aaO Rn. 21). 13 II[X.] 1. Das angefochtene [X.]eil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen einer [X.] auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endent-scheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). 14 - 8 - 2. Der Zinsanspruch auf die Hauptforderung ist in der begehrten Höhe ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt (§ 143 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB, § 291 ZPO; [X.]Z 171, 38, 43 Rn. 13 ff). Da die Zinsen erst ab einem Zeitpunkt nach der Eröffnung begehrt werden, ist für den Zinsbeginn jener maßgeblich (§ 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Nebenforde-rung auf Ersatz der außergerichtlich angefallenen Anwaltsgebühren ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet. Hierauf kann der Kläger lediglich Pro-zesszinsen verlangen (§ 291 BGB). 15 Ganter Kayser Gehrlein Fischer Grupp Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom [X.] - 1 O 429/06 - [X.] in [X.], Entscheidung vom 04.07.2008 - 24 U 59/07 -

Meta

IX ZR 157/08

25.06.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.06.2009, Az. IX ZR 157/08 (REWIS RS 2009, 2850)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2850

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