Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2022, Az. 4 StR 88/22

4. Strafsenat | REWIS RS 2022, 3614

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Gegenstand

Konkurrenzverhältnis: Zusammenfallen von Urkundenfälschung, Fahren ohne Fahrerlaubnis und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. November 2021 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vergewaltigung in drei Fällen, der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung, des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, der Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, des unerlaubten Entfernens vom Unfallort sowie der Körperverletzung schuldig ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen; jedoch hat er die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, unerlaubten Entfernens vom Unfallort und wegen „vorsätzlicher“ Körperverletzung unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu der [X.] von fünf Jahren verurteilt und eine isolierte Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Während die Verfahrensrügen aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] nicht durchgreifen, erzielt das Rechtsmittel mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle [X.] und [X.] der Urteilsgründe als selbständige Taten (§ 53 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

3

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen führte der Angeklagte im Bewusstsein, nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein, seinen Pkw im öffentlichen Straßenraum. Vor Fahrtantritt hatte er an seinem Fahrzeug gestohlene Kennzeichen angebracht, um über die Identität des Fahrzeughalters zu täuschen. Auf der Fahrt verursachte der Angeklagte eine Kollision mit einem Lkw, wodurch dieser beschädigt wurde. Er stieg aus seinem Fahrzeug aus und fuhr anschließend, nachdem er den entstandenen Schaden erkannt hatte, davon, ohne Feststellungen zu seiner Person zu ermöglichen. Auf der fortgesetzten Fahrt verursachte er einen weiteren Verkehrsunfall.

4

b) Das [X.] hat die Fahrt des Angeklagten bis zu der ersten Kollision rechtlich als vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit dem Gebrauchmachen von einer unechten zusammengesetzten Urkunde (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, § 267 Abs. 1 [X.]. 3, § 52 StGB) gewertet (Fall [X.] der Urteilsgründe) und in der Fortsetzung der Fahrt bis zu dem zweiten Unfall eine weitere Tat des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort gesehen (Fall [X.] der Urteilsgründe). Hierbei hat das [X.] indes übersehen, dass auch der mehrfache selbständige Gebrauch einer unechten Urkunde mit dem Herstellen der unechten Urkunde eine tatbestandliche Handlungseinheit und damit eine [X.] Tat bildet, wenn der mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des [X.] entspricht. Dieser Gesamtvorsatz ist naheliegend gegeben, wenn der Täter ‒ wie hier ‒ die für ein anderes Fahrzeug ausgegebenen amtlichen Kennzeichen an einem Fahrzeug anbringt, um dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen (vgl. zum Ganzen [X.], Beschluss vom 17. Oktober 2018 ‒ 4 StR 149/18, [X.], 37 Rn. 4 mwN).

5

Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch tatsächliche Feststellungen getroffen werden können, die in den Fällen [X.] und [X.] der Urteilsgründe eine Verurteilung wegen selbständiger Taten tragen könnten. Er ändert den Schuldspruch daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

6

c) Die Änderung des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt. Die geänderte konkurrenzrechtliche Bewertung der Straftaten berührt deren Unrechts- und Schuldgehalt nicht und ändert nichts an dem vom [X.] festgestellten Erziehungsbedarf (vgl. [X.], Beschluss vom 18. März 2020 ‒ 3 [X.], juris Rn. 15).

7

2. Weitere Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils nicht ergeben.

Quentin     

        

Bartel     

        

Rommel

        

Maatsch     

        

Messing     

        

Meta

4 StR 88/22

28.04.2022

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 12. November 2021, Az: 505 KLs 8/21

§ 52 StGB, § 53 StGB, § 142 Abs 1 StGB, § 267 Abs 1 StGB, § 21 Abs 1 Nr 1 StVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2022, Az. 4 StR 88/22 (REWIS RS 2022, 3614)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3614

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 481/22

Zitiert

4 StR 149/18

3 StR 558/19

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