Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.06.2011, Az. 6 AZR 687/09

6. Senat | REWIS RS 2011, 5878

ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT ARBEITSRECHT KÜNDIGUNG

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Gegenstand

Zugang einer Kündigung - Ehegatte als Empfangsbote


Leitsatz

Leben Ehegatten in einer gemeinsamen Wohnung und sind sie deshalb nach der Verkehrsanschauung füreinander als Empfangsboten anzusehen, gelangt eine an einen der Ehegatten gerichtete Willenserklärung grundsätzlich auch dann in dessen Macht- und Zugriffsbereich, wenn sie dem anderen Ehegatten außerhalb der Wohnung übermittelt wird.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 7. September 2009 - 2 [X.]/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch darüber, ob die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 31. Januar 2008 der Klägerin noch an diesem oder erst am nachfolgenden Tag zugegangen ist und die Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats somit am 29. Februar 2008 oder erst am 31. März 2008 abgelaufen ist.

2

Die Beklagte betreibt einen Palettenhandel. Die am 20. Januar 1981 geborene Klägerin war bei ihr seit dem 3. Februar 2003 als Assistentin der [X.]eschäftsleitung beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand § 1 KSch[X.] aufgrund der [X.] in § 23 Abs. 1 KSch[X.] keine Anwendung. Am 31. Januar 2008 verließ die Klägerin nach einem Streit der Parteien ihren Arbeitsplatz. Mit einem Schreiben vom selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 29. Februar 2008 und stellte die Klägerin zugleich mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Das [X.] ließ sie dem Ehemann der Klägerin durch ihren Mitarbeiter [X.] überbringen. Dieser suchte am Nachmittag des 31. Januar 2008 dazu den mit ihm befreundeten Ehemann der Klägerin an seinem Arbeitsplatz in einem Bau- und Heimwerkermarkt auf.

3

Die Klägerin hat behauptet, ihr Ehemann habe [X.] nicht versprochen, das in einen verschlossenen Umschlag eingelegte [X.] an sie weiterzuleiten. Er habe erklärt, dass nicht zwischen ihm und der Beklagten, sondern zwischen seiner Ehefrau und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis bestehe. Formalitäten möge man intern regeln. [X.] habe daraufhin das [X.] am Arbeitsplatz ihres Ehemannes zurückgelassen. Dieser habe es zunächst an seinem Arbeitsplatz liegen lassen. Deshalb sei ihr das [X.] der Beklagten vom 31. Januar 2008 erst mit der Übergabe durch ihren Ehemann am 1. Februar 2008 zugegangen. Ihr Ehemann sei nicht ihr Empfangsbote. Sie habe ihn nicht ermächtigt, für sie Willenserklärungen in Empfang zu nehmen. Die Annahme, Ehegatten seien Empfangsboten kraft Verkehrsanschauung, begegne grundsätzlichen Bedenken. Es unterliege der Entscheidungsfreiheit des potentiellen Empfängers einer Willenserklärung, welche Empfangseinrichtungen er zur Entgegennahme von Willenserklärungen bereit halte. Das Risiko der Übermittlung einer Willenserklärung habe der Absender und nicht der Empfänger einer Willenserklärung zu tragen. Eine „externe Briefkasteneigenschaft“ von Ehegatten würde einen mit Art. 6 Abs. 1 [X.][X.] nicht in Einklang zu bringenden Nachteil bedeuten. Erfolge die Übergabe eines Schriftstücks an den Ehegatten außerhalb der Ehewohnung, sei jedenfalls die Willenserklärung dem anderen Ehegatten erst dann zugegangen, wenn ihm das Schriftstück ausgehändigt werde. Schließlich habe ihr Ehemann an seinem Arbeitsplatz am 31. Januar 2008 gegenüber [X.] hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Beklagte sich wegen des Zugangs des Schreibens direkt an seine Ehefrau wenden solle.

4

Die Klägerin hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 29. Februar 2008 hinaus bis zum 31. März 2008 bestanden hat.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, ihr [X.] vom 31. Januar 2008 sei der Klägerin noch am selben Tag zugegangen und habe das Arbeitsverhältnis zum 29. Februar 2008 beendet. Der Ehemann der Klägerin habe am Nachmittag des 31. Januar 2008 an seinem Arbeitsplatz ihrem Mitarbeiter [X.] zugesagt, das [X.] an seine Ehefrau weiterzuleiten. Nach der Verkehrsanschauung sei der Ehemann der Klägerin ihr Empfangsbote. Unerheblich sei, dass das [X.] dem Ehemann außerhalb der Ehewohnung übergeben worden sei. Nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge sei eine Weiterleitung des [X.]s an die Klägerin noch am 31. Januar 2008 zu erwarten gewesen.

6

Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit für die Revision von Bedeutung, stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31. Januar 2008 erst zum 31. März 2008 beendet worden ist. Das [X.] hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin festgestellt haben wollte, dass das Arbeitsverhältnis über den 29. Februar 2008 hinaus bis zum 31. März 2008 fortbestanden hat. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2008 bezogenen Feststellungsantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das [X.] hat die Klage mit Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der [X.]en ist durch die Kündigung der [X.] zum 29. Februar 2008 und nicht erst mit Ablauf des 31. März 2008 aufgelöst worden.

8

I. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist ihr das [X.] der [X.] vom 31. Januar 2008 noch am selben Tag zugegangen und nicht erst mit der Übergabe des Schreibens durch ihren Ehemann am 1. Februar 2008. Da die Klägerin seit dem 3. Februar 2003 bei der [X.] beschäftigt war und das Arbeitsverhältnis somit von der [X.] gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.][X.][X.] mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende ordentlich gekündigt werden konnte, hat die Kündigung der [X.] vom 31. Januar 2008 das Arbeitsverhältnis zum 29. Februar 2008 beendet.

9

1. Nach § 130 Abs. 1 [X.][X.][X.] wird eine unter Abwesenden abgegebene empfangsbedürftige Willenserklärung in dem [X.]punkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht. [X.]ei einer schriftlichen Willenserklärung ist dies der Fall, sobald diese in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers oder eines empfangsberechtigten Dritten gelangt und für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen ([X.] 11. November 1992 - 2 [X.] - [X.] § 130 Nr. 18 = EzA [X.][X.][X.] § 130 Nr. 24).

2. Das [X.] vom 31. Januar 2008 wurde dem Ehemann der Klägerin am Nachmittag dieses Tages im Auftrag der [X.] durch ihren Mitarbeiter [X.] überbracht. Die Zustellung eines [X.]s statt mit der Post durch eine vom Arbeitgeber eingeschaltete [X.] ist verkehrsüblich, insbesondere dann, wenn nur so ein bestimmter Kündigungstermin gewahrt werden kann oder der kündigende Arbeitgeber den Zugang der Kündigung und den [X.]punkt des Zugangs mit Hilfe eines [X.]oten als Zeugen nachweisen will. Damit ist das [X.] der [X.] vom 31. Januar 2008 an diesem Tag in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Ehemanns der Klägerin gelangt.

3. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, ihr Ehemann sei nicht empfangsberechtigt, insbesondere nicht ihr Empfangsbote gewesen.

a) Allerdings trifft es zu, dass die Klägerin ihren Ehemann weder ausdrücklich noch konkludent zum Empfang von Willenserklärungen ermächtigt und auch bezüglich einer solchen Ermächtigung keinen Rechtsschein gesetzt hat. Auch lässt sich der [X.]egriff des Empfangsboten dem [X.]esetz nicht entnehmen. Dennoch erkennt die Rechtsprechung (vgl. [X.][X.]H 17. März 1994 - [X.] - NJW 1994, 2613; [X.]S[X.] 7. Oktober 2004 - [X.] 3 KR 14/04 R - NJW 2005, 1303; [X.] 16. Januar 1976 - 2 [X.] - [X.] § 130 Nr. 7 = EzA [X.][X.][X.] § 130 Nr. 5; 13. Oktober 1976 - 5 [X.] - [X.] § 130 Nr. 8 = EzA [X.][X.][X.] § 130 Nr. 7; 11. November 1992 - 2 [X.] - [X.] § 130 Nr. 18 = EzA [X.][X.][X.] § 130 Nr. 24; 9. April 2008 - 4 AZR 104/07 - AP TV[X.] § 1 Nr. 43 = EzA ZPO 2002 § 259 Nr. 1; OL[X.] Köln 18. Januar 2006 - 22 [X.] - [X.], 866) und die im Schrifttum ganz herrschende Meinung [X.]/Friedrich 9. Aufl. § 4 KSch[X.] Rn. 106; APS/Ascheid/[X.] 3. Aufl. § 4 KSch[X.] Rn. 64a und Rn. 72; [X.]/[X.]/Zwanziger/[X.] 8. Aufl. §§ 130 - 132 [X.][X.][X.] Rn. 14 und Rn. 18; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] KSch[X.] 2. Aufl. § 4 Rn. 164; [X.]/Fiebig 3. Aufl. Einleitung Rn. 48; Stahlhacke/Preis 10. Aufl. 2010 Rn. 130; Schwarze in Schwarze/Eylert/[X.] KSch[X.] Einleitung Rn. 42; [X.]/Müller-[X.]löge 11. Aufl. § 620 [X.][X.][X.] Rn. 55; [X.]/Löwisch 3. Aufl. § 130 [X.][X.][X.] Rn. 4; MünchKomm[X.][X.][X.]/[X.] 5. Aufl. § 130 Rn. 25; [X.]/[X.] 70. Aufl. § 130 Rn. 9; [X.]/Wolf Allgemeiner Teil des [X.]ürgerlichen Rechts 9. Aufl. § 26 Rn. 41; [X.] Allgemeiner Teil des [X.][X.][X.] 10. Aufl. § 22 Rn. 285 f.; Sandmann AcP 199 [1999] S. 455 ff.; Schwarz NJW 1994, 891; [X.] Jura 2003, 577; [X.] 1994, 391; [X.] [2004] § 130 Rn. 58) neben Empfangsvertretern (§ 164 Abs. 3 [X.][X.][X.]) nicht nur rechtsgeschäftlich bestellte Empfangsboten an, sondern im Wege der Rechtsfortbildung grundsätzlich auch Empfangsboten kraft Verkehrsanschauung. In [X.]ezug auf rechtsgeschäftlich bestellte Empfangsboten lässt sich die Empfangsbotenstellung auf ein argumentum a maiore ad minus zu den §§ 164 ff. [X.][X.][X.] stützen ([X.] Jura 2003, 577, 578; Sandmann AcP 199 [1999] S. 455, 456). Soweit Rechtsprechung und Schrifttum dem Adressaten auf der [X.]rundlage der Verkehrsanschauung Empfangsboten zuordnen, wird die Empfangsbotenstellung aus der gesetzlichen Wertung in § 130 [X.][X.][X.] abgeleitet, aus der sich die [X.]rundsätze für die Risikoverteilung beim Zugang von Willenserklärungen ergeben ([X.] 13. Oktober 1976 - 5 [X.] - [X.] § 130 Nr. 8 = EzA [X.][X.][X.] § 130 Nr. 7; Sandmann AcP 199 [1999] S. 455, 457; Schwarz NJW 1994, 891, 893).

b) Danach wird eine angemessene Verteilung des Übermittlungsrisikos erreicht, wenn der Zugang einer empfangsbedürftigen Willenserklärung angenommen wird, sobald diese so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen unter [X.]erücksichtigung der Verkehrsauffassung von dem Inhalt der Erklärung Kenntnis nehmen kann. Diese Formel ist auch [X.]rundlage, wenn die Erklärung einem nach der Verkehrsanschauung als ermächtigt geltenden Empfangsboten übermittelt wird. Ebenso wie der Adressat dafür Sorge zu tragen habe, dass er von Erklärungen, die in seinen Machtbereich gelangt sind, Kenntnis erhält, könne er sich nicht auf seine Unkenntnis berufen, wenn solche Erklärungen an Personen übergeben werden, die regelmäßig Kontakt zu seinem Machtbereich haben und auch aufgrund ihrer Reife und Fähigkeiten geeignet erscheinen, Erklärungen an ihn weiterzuleiten (MünchKomm[X.][X.][X.]/[X.] 5. Aufl. § 130 Rn. 25; Sandmann AcP 199 [1999] S. 455, 457).

c) Allerdings ist der [X.]egriff des Machtbereichs des Empfängers nicht eindeutig. Dies gilt auch dann, wenn unter Machtbereich der gewöhnliche räumlich-gegenständliche [X.] oder Lebensbereich des Empfängers verstanden wird. Denn die Eigenschaft, Empfangsbote sein zu können, hängt nicht nur von einer auf eine gewisse Dauer angelegten räumlichen [X.]eziehung zum Adressaten ab, sondern darüber hinaus auch von einer persönlichen oder vertraglichen [X.]eziehung zum Adressaten ([X.] 1994, 391, 392; [X.] Jura 2003, 577, 578). Ob diese [X.]eziehungen eng genug sind, damit eine Person nach der Verkehrsanschauung als Empfangsbote gilt, mag im Einzelfall zweifelhaft sein, zumal die Verkehrsanschauung einem ständigen Wandel unterliegt.

d) Wenn auch über die Kriterien und Details, die nach der Verkehrsanschauung die Empfangsbotenstellung begründen oder ausschließen, keine völlige Einigkeit besteht, decken sich doch Rechtsprechung und der ganz überwiegende Teil des Schrifttums in einem gewissen Kernbereich. Danach werden in einer gemeinsamen Wohnung lebende Ehegatten füreinander grundsätzlich als Empfangsboten angesehen ([X.][X.]H 17. März 1994 - [X.] - NJW 1994, 2613; [X.] Jura 2003, 577, 578; Sandmann AcP 199 [1999] S. 455, 457; MünchKomm[X.][X.][X.]/[X.] 5. Aufl. § 130 Rn. 25; [X.] 1994, 391, 392). Diese Verkehrsanschauung beruht auf der Lebenserfahrung, dass in aller Regel ohne weiteres davon auszugehen ist, dass die für einen Ehepartner bestimmte Erklärung durch Aushändigung an den anderen so in dessen Macht- und [X.] gelangt, dass er von der Erklärung Kenntnis nehmen kann ([X.][X.]H 17. März 1994 - [X.] - aaO).

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Annahme, dass in einer gemeinsamen Wohnung lebende Ehegatten grundsätzlich Empfangsboten sind, nicht gegen Art. 6 Abs. 1 [X.][X.]. Ehegatten werden dadurch gegenüber Lebenspartnern oder unverheiratet zusammen lebenden Partnern nicht benachteiligt. Das Argument der Klägerin trägt schon deshalb nicht, weil nach der Verkehrsanschauung auch die in der Wohnung des Empfängers lebenden erwachsenen Haushaltsmitglieder (MünchKomm[X.][X.][X.]/[X.] 5. Aufl. § 130 Rn. 25; [X.] 1994, 391, 392), insbesondere Lebenspartner und Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, als Empfangsboten gelten ([X.] Jura 2003, 577, 578).

5. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, das [X.] der [X.] vom 31. Januar 2008 sei ihrem Ehemann an seinem Arbeitsplatz in einem [X.]au- und Heimwerkermarkt und damit außerhalb der gemeinsamen Wohnung übergeben worden, so dass ihr die Kündigungserklärung erst am 1. Februar 2008 zugegangen sei, als sie das [X.] von ihrem Ehemann erhalten habe. Eine Willenserklärung ist grundsätzlich auch dann in den Machtbereich des Adressaten gelangt, wenn sie einem Empfangsboten außerhalb der Wohnung übermittelt wird. Für die auf der Lebenserfahrung beruhende Verkehrsanschauung, wonach in aller Regel davon ausgegangen werden kann, dass ein Ehegatte eine für den anderen Ehegatten bestimmte mündliche Erklärung diesem alsbald übermittelt oder ein für den anderen Ehegatten angenommenes Schriftstück diesem alsbald aushändigt, ist nicht erforderlich, dass sich der Empfangsbote bei der Entgegennahme der Willenserklärung in der Wohnung der Ehegatten aufhält (vgl. für nicht in derselben Wohnung lebende Empfangsboten [X.] 11. November 1992 - 2 [X.] - [X.] § 130 Nr. 18 = EzA [X.][X.][X.] § 130 Nr. 24; OL[X.] Köln 18. Januar 2006 - 22 [X.] - [X.], 866). An welchem Ort eine Willenserklärung gegenüber einem Empfangsboten abgegeben wird, kann allerdings für den [X.]punkt des Zugangs der Willenserklärung beim Adressaten von [X.]edeutung sein.

a) Ob eine Willenserklärung dem Adressaten bereits mit der Übermittlung an den Empfangsboten zugeht oder erst dann, wenn mit der Weitergabe der Erklärung durch den Empfangsboten an den Adressaten zu rechnen ist, ist zwar umstritten (vgl. zum Meinungsstreit [X.] Jura 2003, 577, 579 f.; [X.] 1994, 391, 392). Den Vorzug verdient jedoch die letztgenannte Ansicht (so auch [X.][X.]H 17. März 1994 - [X.] - NJW 1994, 2613). Wird eine Erklärung gegenüber einem Empfangsboten abgegeben, kommt es anders als bei einer Empfangsvollmacht allein auf die Person des Adressaten an. Erst wenn dieser unter Zugrundelegung gewöhnlicher Übermittlungsverhältnisse die (theoretische) Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, ist die an seinen Empfangsboten abgegebene Erklärung zugegangen. Denn der Empfangsbote hat lediglich die Funktion einer personifizierten Empfangseinrichtung des Adressaten ([X.][X.]H 17. März 1994 - [X.] - aaO). Als dessen Übermittlungswerkzeug soll er die Willenserklärung entgegennehmen und an ihn weiterleiten, also noch eine Tätigkeit entfalten, um dem Adressaten die Möglichkeit der Kenntnisnahme zu verschaffen. Vom Adressaten, auf den es für den Zugang allein ankommt, kann daher erst nach Ablauf der [X.], die der Empfangsbote für die [X.] unter den obwaltenden Umständen normalerweise benötigt, erwartet werden, dass er von der Erklärung Kenntnis nehmen kann. Nur diese Auffassung wird der gängigen Zugangsdefinition gerecht, derzufolge vom Zugang auszugehen ist, wenn die Willenserklärung so in den [X.]ereich des Erklärungsempfängers gelangt ist, dass er Kenntnis nehmen kann oder unter normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist ([X.] 1994, 391, 392; [X.] aaO; Schwarz NJW 1994, 891).

b) Unter normalen Umständen war mit einer Aushändigung des [X.]s der [X.] vom 31. Januar 2008 an die Klägerin noch an diesem Tag zu rechnen. Das [X.] hat zwar keine Feststellungen dazu getroffen, wie lange der Ehemann der Klägerin am 31. Januar 2008 im [X.]au- und Heimwerkermarkt gearbeitet hat und zu welchem [X.]punkt am 31. Januar 2008 unter gewöhnlichen Umständen mit seiner Rückkehr in die Ehewohnung und damit mit der Weiterleitung des [X.]s an die Klägerin zu rechnen war. Allerdings hat das [X.] nicht nur angenommen, dass der Klägerin das [X.] am 31. Januar 2008 zugegangen ist, sondern auch, dass bei einer Übergabe eines Schreibens an einen Empfangsboten für den [X.]punkt des Zugangs noch derjenige [X.]raum hinzuzurechnen ist, den der Empfangsbote benötigt, um das Schreiben bei regelmäßigem Verlauf der Dinge dem Adressaten auszuhändigen. Das [X.] ist damit davon ausgegangen, dass der Klägerin das [X.] unter gewöhnlichen Umständen noch am 31. Januar 2008 von ihrem Ehemann hätte übergeben werden können. Es hat ferner ausgeführt, dass die [X.]eklagte mit einer Aushändigung des [X.]s an die Klägerin noch am 31. Januar 2008 nach der Rückkehr ihres Ehemanns in die Wohnung rechnen konnte. Diese Feststellungen hat die Klägerin nicht mit Rügen angegriffen.

6. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass der Ehemann der Klägerin es am 31. Januar 2008 nicht abgelehnt hat, das [X.] an die Klägerin weiterzuleiten.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.]undesarbeitsgerichts (11. November 1992 - 2 [X.] - [X.] § 130 Nr. 18 = EzA [X.][X.][X.] § 130 Nr. 24) muss ein Arbeitnehmer die Kündigung grundsätzlich nicht als zugegangen gegen sich gelten lassen, wenn ein als Empfangsbote anzusehender Familienangehöriger des abwesenden Arbeitnehmers die Annahme eines [X.]s des Arbeitgebers ablehnt. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Annahmeverweigerung, etwa durch vorherige Absprache mit dem Angehörigen, Einfluss genommen hat. Ob an dieser Rechtsprechung, die auf Zustimmung (Sandmann AcP 199 [1999] S. 455, 474 f.), aber auch auf Kritik ([X.] 1994, 391, 393 ff.; Schwarz NJW 1994, 891) gestoßen ist, festzuhalten ist, bedarf keiner Entscheidung. Zugunsten der Klägerin kann davon ausgegangen werden, dass ihr das [X.] der [X.] vom 31. Januar 2008 nicht an diesem Tag zugegangen wäre, wenn es ihr Ehemann abgelehnt hätte, das [X.] an sie weiterzuleiten. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat sich ihr Ehemann am 31. Januar 2008 nicht gegenüber dem Mitarbeiter der [X.] [X.] geweigert, ihr das [X.] auszuhändigen.

b) Der Inhalt von Willenserklärungen ist nach § 133 [X.][X.][X.] objektiv unter [X.]erücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach der Sicht des Empfängers zu bestimmen. Das [X.]ericht muss die von den [X.]en für und gegen die Auslegung geltend gemachten Umstände abwägen. Im Urteil ist nachvollziehbar darzulegen, aus welchen [X.]ründen das [X.]ericht zu seinem Ergebnis gelangt ist. Der in der auszulegenden Erklärung bzw. in dem auszulegenden Verhalten verkörperte rechtlich maßgebliche Wille ist zu ermitteln. Kann eine solche Feststellung nicht getroffen werden, so sind die jeweiligen Erklärungen bzw. das Verhalten einer [X.] jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers bzw. der anderen [X.] so auszulegen, wie sie nach [X.] und [X.]lauben unter [X.]erücksichtigung der Verkehrssitte verstanden werden durften (vgl. Senat 24. Juni 2010 - 6 [X.]/09 - [X.] 2010, 646). Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen unterliegt dabei nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle. Vom Revisionsgericht ist sie nur dahin zu überprüfen, ob die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 [X.][X.][X.] verletzt worden sind, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder Umstände, die für die Auslegung von [X.]edeutung sein können, außer [X.]etracht gelassen worden sind (st. Rspr., vgl. Senat 24. Juni 2010 - 6 [X.]/09 - aaO; 17. Dezember 2009 - 6 [X.] - Rn. 19 mwN, [X.] 120 TVöD-K § 8.1 Nr. 3).

c) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Auslegung des [X.]s stand.

aa) Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass es der Ehemann der Klägerin gegenüber dem Mitarbeiter der [X.] [X.] nicht ausdrücklich abgelehnt hat, das [X.] der [X.] vom 31. Januar 2008 an die Klägerin weiterzuleiten. Wenn das [X.] die Erklärung des Ehemanns der Klägerin, die Angelegenheit müsse zwischen der [X.] und seiner Ehefrau geregelt werden, nicht als Ablehnung gewertet hat, das [X.] mit nach Hause zu nehmen und es der Klägerin zu übergeben, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

bb) Soweit das [X.] angenommen hat, der Ehemann der Klägerin habe das [X.] am 31. Januar 2008 vergessen, und daraus eine grundsätzliche [X.]ereitschaft des Ehemanns der Klägerin abgeleitet hat, das [X.] an die Klägerin weiterzuleiten, hat das [X.] nicht näher begründet, worauf seine Annahme beruht, dass der Ehemann der Klägerin am 31. Januar 2008 vergessen hat, das [X.] mit nach Hause zu nehmen. Die Klägerin hat dies nicht behauptet, sondern nur vorgetragen, ihr Ehemann habe das [X.] am 31. Januar 2008 zunächst an seinem Arbeitsplatz liegen lassen und ihr erst am 1. Februar 2008 übergeben. Die [X.]eklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 6. Oktober 2008 auf dieses Vorbringen [X.]ezug genommen und die Ansicht vertreten, es sei unerheblich, ob der Ehemann der Klägerin das [X.] vergessen habe oder es mit Absicht an seinem Arbeitsplatz habe liegen lassen. In der [X.]erufungsbegründung vom 26. April 2009 hat die [X.]eklagte allerdings vorgetragen, der Ehemann der Klägerin habe angegeben, die Mitnahme des [X.]s vergessen zu haben. Selbst wenn das [X.] diesen Vortrag zu Unrecht als unstreitig angesehen und der Ehemann der Klägerin am 31. Januar 2008 die Mitnahme des [X.]s nicht vergessen hätte, wäre maßgebend, dass das [X.] zutreffend angenommen hat, der Ehemann der Klägerin hätte eine Weigerung, das [X.] an seine Ehefrau weiterzuleiten, deutlich zum Ausdruck bringen müssen. Daran fehlt es. Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s hat ihr Ehemann den Mitarbeiter der [X.] [X.] weder aufgefordert, das [X.] wieder mitzunehmen, noch erklärt, dass er dieses Schreiben an die Klägerin nicht weiterleiten werde. Ohne eine solche Erklärung des Ehemanns der Klägerin durfte die [X.]eklagte von einer Weiterleitung des [X.]s an die Klägerin noch am 31. Januar 2008 ausgehen.

II. [X.]emäß § 97 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    [X.]rühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Spiekermann    

        

    [X.]    

                 

Meta

6 AZR 687/09

09.06.2011

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 15. Oktober 2008, Az: 3 Ca 1573/08, Urteil

§ 130 Abs 1 BGB, Art 6 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.06.2011, Az. 6 AZR 687/09 (REWIS RS 2011, 5878)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5878


Verfahrensgang

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Az. 6 AZR 687/09

Bundesarbeitsgericht, 6 AZR 687/09, 09.06.2011.


Az. 3 Ca 1573/08

Arbeitsgericht Köln, 3 Ca 1573/08, 15.10.2008.


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