Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2005, Az. VIII ZR 1/05

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 2964

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 22. Juni 2005 [X.] ß n e r, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 2

Beim Kauf eines Tieres können besondere Umstände, die nach § 437 Nr. 3 i.V.m. § 281 Abs. 2 [X.] die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruches statt der Leistung rechtfertigen, dann vorliegen, wenn der Zustand des Tieres eine unverzügliche tierärztliche Behandlung als Notmaßnahme erforderlich erscheinen läßt, die vom Verkäufer nicht rechtzeitig veranlaßt werden könnte.

[X.], Urteil vom 22. Juni 2005 - [X.] - LG Bielefeld

AG [X.]
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2005 durch die Vorsitzende [X.]in [X.] und die [X.] Dr. [X.], [X.], [X.] sowie die [X.]in [X.] für Recht erkannt: Die Revision der [X.] gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des [X.] vom 14. Dezember 2004 wird [X.]. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Parteien streiten um Erstattung der Kosten für die tierärztliche Be-handlung eines Hundes, den der Kläger vom Ehemann der [X.] gekauft hatte. Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 7. September 2002 erwarb der Kläger von dem inzwischen verstorbenen Ehemann der [X.] einen [X.] zum Preis von 390 •. [X.] nach der Übergabe erkrankte das Tier an blutigem Durchfall, der durch verschiedene Bakterien verursacht worden war. Der Kläger brachte den Welpen am 11. September 2002 zu einer Tierarzt-praxis an seinem Wohnort. Für diesen Arztbesuch und für die weiteren tierärzt-lichen Behandlungen, die sich bis zum 7. Oktober 2002 hinzogen, entstanden dem Kläger Kosten von insgesamt 379,39 •. - 3 - Zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs hat der Kläger [X.], die festgestellte Erkrankung sei ausschließlich auf unzulängliche und unhygienische Haltung und Behandlung des Welpen vor der Übergabe an ihn, den Kläger, zurückzuführen. Er habe mit dem etwa 30 km entfernt wohnenden Ehemann der [X.] telefonisch Verbindung aufnehmen wollen; dabei habe er die Beklagte von der Erkrankung des Welpen in Kenntnis gesetzt und diese habe ihm zum Abwarten geraten. Im übrigen sei eine Fristsetzung zur "Nach-besserung" entbehrlich gewesen, weil Gefahr im Verzug bestanden habe. Das Amtsgericht hat der zuletzt auf 576,39 • gerichteten Klage stattge-geben und die Berufung zugelassen. Nachdem der Kläger die Klage in Höhe eines Betrages von 179 • zurückgenommen hatte, hat das [X.] die Be-rufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelas-senen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage [X.]. Entscheidungsgründe:
[X.]

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Dem Kläger stehe gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin ihres ver-storbenen Ehemannes (§ 1922 [X.]) ein Anspruch auf Ersatz der für die [X.] angefallenen und noch geltend gemachten Tierarztkos-ten in Höhe von 379,39 • zu. Ein solcher Anspruch des [X.] ergebe sich allerdings nicht, wie das Amtsgericht angenommen habe, aus §§ 437, 440, 281 [X.], da der Kläger den Ehemann der [X.] nicht zur Nacherfüllung aufge-fordert habe. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts sei es für den Kläger nicht unzumutbar gewesen, sich mit dem erkrankten Welpen zunächst zu dem [X.] der [X.] zu begeben, um dort eine Heilbehandlung des Tieres zu - 4 - verlangen, so daß ein Nacherfüllungsverlangen mit entsprechender Fristset-zung entbehrlich gewesen wäre. Soweit es aus Gründen des Tierschutzes aus Sicht des [X.] geboten gewesen sein könne, keine weitere [X.] verstreichen zu lassen und unverzüglich tierärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, könne dies allenfalls für die erste Notfallbehandlung gelten. Die nicht mehr notfallmä-ßigen - wenn auch objektiv erforderlichen - Anschlußbehandlungen hätten ohne weiteres von dem Ehemann der [X.] veranlaßt werden können, auch wenn dieser seinerseits einen Tierarzt hätte einschalten müssen, wie die Sach-verständige bei der mündlichen Erläuterung ihres Gutachtens im Termin vor dem Amtsgericht ausgeführt habe. Jedenfalls hinsichtlich der [X.] könne eine Aufforderung zur Nachbesserung mit Fristsetzung nicht als entbehrlich angesehen werden.

Dem Kläger stehe aber ein Anspruch auf Ersatz der aufgewendeten [X.] zu, weil diese den Kosten entsprächen, die der Ehemann der [X.] selbst zur ordnungsgemäßen Nacherfüllung hätte aufwenden [X.]. Ein derartiger Anspruch auf Ersatz der Kosten, die der Käufer für eine sonst erforderliche eigene Mängelbeseitigung erspart habe, sei zwar nicht in direkter oder zumindest analoger Anwendung des § 326 Abs. 2 Satz 2 [X.] begründet. Der Anspruch sei jedoch über § 684 [X.] aus dem Bereicherungs-recht herzuleiten. Der Käufer handle bei einer selbst vorgenommenen Nacher-füllung in der Regel mit Fremdgeschäftsführungswillen. Diese Fremdgeschäfts-führung, die allerdings nicht nach § 683 Satz 1 [X.] berechtigt sei, da sie weder dem (mutmaßlichen) Willen des Käufers entspreche noch in seinem objektiven Interesse liege, verpflichte den Käufer zur Herausgabe der Bereicherung. [X.] könne der Käufer nur die Aufwendungen ersetzt verlangen, die der [X.] selbst erspart habe und die auch von ihm nach § 439 Abs. 2 [X.] zu tragen gewesen wären. Da nach den Erläuterungen der Sachverständigen die durchgeführten Behandlungen zur Genesung des Tieres erforderlich gewesen seien und zwingend von einem Tierarzt hätten erbracht werden müssen, nicht - 5 - also beispielsweise vom Ehemann der [X.] selbst hätten erbracht werden können, seien die von diesem ersparten Aufwendungen (ausnahmsweise) iden-tisch mit den beim Kläger für die tierärztliche Behandlung entstandenen Kosten. I[X.] Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis, nicht aber in der Begründung stand. Der Kläger kann von der [X.] unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes statt der Leistung Ersatz seiner Aufwendungen für die tierärztliche Behandlung des Welpen verlangen; eine vorherige (erfolglose) Nachfristsetzung war unter den besonderen Umständen des Falles ausnahmsweise entbehrlich (§§ 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 2. Halbs., 280, 437 ff. [X.]). 1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Klä-ger bei Nichtbeachtung der Voraussetzungen der §§ 437 f. [X.] für einen kauf-rechtlichen Schadensersatzanspruch auch nicht in direkter oder analoger An-wendung des § 326 Abs. 4, Abs. 2 Satz 2 [X.] Erstattung der von dem [X.] der [X.] ersparten Behandlungskosten verlangen könnte. Wie der Senat in seiner nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen Entscheidung vom 23. Februar 2005 ([X.] ZR 100/04, NJW 2005, 1348 = [X.], 945, zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt) ausgesprochen hat, setzt der Anspruch des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 437 Nr. 3, 280, 281 [X.] voraus, daß der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat, soweit nicht einer der gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestände eingreift. Beseitigt der Käufer den Mangel selbst, ohne dem Verkäufer zuvor eine erforderliche Frist zur Nacherfül-lung gesetzt zu haben, kann er auch nicht gemäß § 326 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 [X.] (analog) die Anrechnung der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen für - 6 - eine Mangelbeseitigung auf den Kaufpreis verlangen oder den bereits gezahl-ten Kaufpreis in dieser Höhe zurückfordern. Zur Begründung hat der Senat dar-auf hingewiesen, daß die §§ 437 ff. [X.] insoweit abschließende Regelungen enthalten, die auch einen Anspruch auf Herausgabe ersparter Aufwendungen in unmittelbarer bzw. analoger Anwendung des § 326 Abs. 2 Satz 2 [X.] aus-schließen; anderenfalls würde dem Käufer im Ergebnis ein Selbstvornahme-recht auf Kosten des Verkäufers zugebilligt, auf das der Gesetzgeber bewußt verzichtet hat. Zudem würde der Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs [X.], der den §§ 437 ff. [X.] zugrundeliegt. An diesem Ergebnis ist trotz der im Schrifttum geäußerten Kritik ([X.], [X.], 922; [X.], NJW 2005, 1321; [X.], [X.] 2005, 129; [X.], [X.] 2005, 184; zustimmend dagegen: [X.], [X.] 2005, 169; Sutschet, [X.], 574; [X.], [X.]Report, 2005, 751) festzuhalten. Nicht gefolgt werden kann jedoch der Auffassung des [X.], dem Käufer sei bei einer den kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften nicht entsprechenden eigenmächtigen Nachbesserung ein Anspruch nach §§ 684 Satz 1, 812 [X.] auf Ersatz der von dem Verkäufer ersparten [X.] zuzubilligen. Der abschließende Charakter der in den §§ 437 ff. [X.] normierten Rechte des Käufers bei Mängeln (Senatsurteil aaO unter II, 2 b) verbietet nicht nur eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 326 Abs. 2 Satz 2 [X.], sondern ebenso den vom Berufungsgericht gewählten Weg eines Aufwendungsersatzes nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auf-trag in Verbindung mit dem Bereicherungsrecht (Senatsurteil aaO unter II, 2 c). 2. Das Urteil erweist sich jedoch aus einem anderen Grund als richtig (§ 561 ZPO). Der Kläger kann unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Scha-densersatzes statt der Leistung die Erstattung seiner Aufwendungen für die tierärztliche Behandlung verlangen. Nach §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 2 [X.] ist die nach § 281 Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderliche Fristsetzung zur Nacherfüllung - 7 - unter anderem dann entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die un-ter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen. Ein solcher Ausnahmefall ist hier ge-geben. a) Das Berufungsgericht selbst schließt es nicht aus, daß die unverzügli-che Inanspruchnahme tierärztlicher Hilfe schon aus Gründen des Tierschutzes geboten war. Nach den getroffenen Feststellungen ist mit dem Amtsgericht so-gar davon auszugehen, daß es sich bei der ersten tierärztlichen Behandlung am 11. September 2002 um eine Notfallmaßnahme handelte, die aus damaliger Sicht keinen Aufschub duldete und auch einen Transport des erkrankten [X.] zum Wohnort des Ehemannes der [X.] nicht zuließ. Wie die Sach-verständige nach den Feststellungen des Amtsgerichts, auf die das Berufungs-gericht Bezug genommen hat, in ihrem schriftlichen Gutachten und bei ihrer mündlichen Anhörung erläutert hat, war die sofortige tierärztliche Behandlung bei dem Welpen geboten und erforderlich, auch wenn sich bei der Erstuntersu-chung herausstellte, daß eine lebensbedrohliche Erkrankung nicht vorlag. Unter diesen Umständen war der Kläger nicht gehalten, und es war ihm auch nicht zumutbar, mit dem kleinen Tier im Auto eine Strecke von 30 km zu-rückzulegen, um den Welpen zu dem Ehemann der [X.] zurückzubringen, damit dieser nunmehr die nötigen tierärztlichen Untersuchungen selbst einleiten konnte. Nach der in § 281 Abs. 2 [X.] vorgeschriebenen Interessenabwägung ist diese etwa dann zugunsten des Käufers vorzunehmen, wenn bei einem mit der Nachfristsetzung notwendigerweise verbundenen [X.]verlust ein wesentlich größerer Schaden droht als bei einer vom Gläubiger sofort vorgenommenen Mängelbeseitigung (vgl. BT-Drucks. 14/6040, [X.]; ebenso [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 281 Rn. 15). Dieser Gedanke ist auch für den vorliegenden Fall heranzuziehen, in dem bei einem [X.]verlust die Gefahr eines größeren - 8 - Schadens drohte und überdies Gesichtspunkte des Tierschutzes ein sofortiges Handeln erforderlich machten. b) Durfte der Kläger danach die tierärztliche Behandlung des erkrankten Welpen am 11. September 2002 veranlassen, ohne vorher den Verkäufer zur Durchführung einer solchen Maßnahme innerhalb einer bestimmten Frist aufge-fordert zu haben, so gilt dies in gleicher Weise auch für die weiteren notwendi-gen tierärztlichen Behandlungstermine. Eine Aufforderung des Verkäufers zur weiteren Nachbesserung mit der Möglichkeit, den behandelnden Tierarzt zu wechseln, war unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach § 281 Abs. 2 [X.] entbehrlich. Ob bei einer in mehreren Schritten vorzunehmenden Beseiti-gung eines Mangels einer anderen Sache - etwa bei einer umfangreicheren Autoreparatur - der Käufer nach einer von einem Dritten durchgeführten Not-maßnahme nunmehr wieder den Verkäufer einschalten muß, kann offen [X.]. Bei der medizinischen Behandlung eines akut erkrankten Tieres, insbe-sondere eines Hundewelpen, die sich über einen [X.]raum von 4 Wochen hin-zieht, erscheint bei der gebotenen Interessenabwägung ein derartiger Wechsel für den Käufer unzumutbar und unzweckmäßig. Das gilt umso mehr, als sich die Kosten der Behandlung - absehbar - in Grenzen hielten und nach den Fest-stellungen des [X.] in gleicher Höhe auch angefallen wären, wenn der Ehemann der [X.] nach entsprechender Aufforderung des [X.] die medizinisch gebotene weitere Behandlung des Welpen veranlaßt hätte. Bei einem Wechsel des Tierarztes wären möglicherweise sogar Mehrkosten entstanden, weil dieser nicht an eine eigene Erstuntersuchung hätte anknüpfen können. - 9 - II[X.] Nach alledem stellt sich das Berufungsurteil im Ergebnis als richtig dar. Die Revision ist deshalb zurückzuweisen. [X.] Dr. [X.] [X.]

[X.] für den [X.] für die wegen Urlaubs an wegen Urlaubs an der Unterzeichnung der Unterzeichnung verhinderten [X.] verhinderte [X.]in am [X.] am [X.] [X.] 1.8.2005 [X.] 1.8.2005

Meta

VIII ZR 1/05

22.06.2005

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2005, Az. VIII ZR 1/05 (REWIS RS 2005, 2964)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2964

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