Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2011, Az. VII ZR 111/11

7. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 676

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Gegenstand

Allgemeine Geschäftsbedingungen einer Mastküken-Brüterei: Wirksamkeit einer Vertragslaufzeit von zehn Jahren sowie der Verpflichtung zum Erwerb des benötigen Futters über Unternehmen desselben Nahrungsmittelkonzerns


Leitsatz

Formularmäßige Vereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Mastküken-Brüterei, durch die sich der Vertragspartner für eine Vertragslaufzeit von zehn Jahren und kündigungsabhängiger Verlängerung um jeweils ein Jahr verpflichtet, nach Erstellung eines entsprechenden Stalles den Bezug und den Verkauf der nach dem Vertrag zur Mast vorgesehenen Tiere sowie den Erwerb des für die Aufzucht benötigten Futters ausschließlich über solche Unternehmen abzuwickeln, die zum gleichen Nahrungsmittelkonzern wie die Brüterei gehören, sind nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 15. April 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden den Klägern auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin zu 2 zwei Kükenmastrahmenverträge wirksam gekündigt hat.

2

Der Kläger zu 1 ist Landwirt und Komplementär der Klägerin zu 2. Er schloss mit der [X.], einem Unternehmen des W.-Konzerns (Marke "W.") am 7. Mai 1997 einen [X.] über die Mästung von 30.000 Hähnchen "je Durchgang" (erster Mastvertrag). Der [X.] enthält folgende Regelung:

"Herr S. [Kläger zu 1] will eine Hähnchenmast mit ca. 30.000 Hähnchen betreiben. Die 1. Einstallung von ca. 30.000 Tieren soll ab Fertigstellung des neuen Stalles beginnen. Dieser [X.] wird ab dem 1. Einstallungsdatum für 10 Jahre fest abgeschlossen und verlängert sich jeweils um ein weiteres, wenn nicht 10 Monate vor Ablauf des Jahres schriftlich von einer Seite gekündigt wird."

3

Der [X.] verpflichtet den Kläger zu 1, alle Küken für die Junggeflügelaufzucht von der [X.] "zu den üblichen Bedingungen - wie sie auch allgemein den [X.] eingeräumt werden -" zu beziehen und seinerseits alle von ihm gemästeten Hähnchen an zwei im [X.] näher bezeichnete, zum Konzern der [X.] gehörende [X.] zu liefern, ebenfalls "zu den üblichen Bedingungen - wie sie auch allgemein den [X.] der B. (Beklagte) eingeräumt werden". Die Beklagte verpflichtete sich ihrerseits, die vom Kläger zu 1 aufgezogenen Tiere termingerecht in den genannten [X.] unterzubringen. Ebenfalls am 7. Mai 1997 schlossen der Kläger zu 1 und die Beklagte einen Zusatzvertrag, wonach der Kläger zu 1 für [X.] der [X.] "für den Stallbau einen Zinszuschuss von 2.000,00 DM pro Jahr" erhalten sollte.

4

Am 5. Dezember 2001 schloss der Kläger zu 1 mit der [X.] einen weiteren Mastvertrag über 40.000 Hähnchen "je Durchgang" (zweiter Mastvertrag). Die mit gleichlautender Regelung ebenfalls auf [X.] ab der ersten Einstallung am 6. März 2002 befristete Laufzeit des [X.]es sollte sich um jeweils ein Jahr verlängern, wenn nicht drei Monate vor Ablauf des Jahres schriftlich von einer Seite gekündigt werde. Die übrigen vertraglichen Regelungen entsprechen inhaltlich denen des [X.]. Zusätzlich verpflichtete sich der Kläger zu 1, das Futter für die Mästung der Tiere von einer Schwesterfirma der [X.] "zu handelsüblichen Konditionen" zu beziehen. Auch im Zusammenhang mit diesem [X.] wurde am selben Tag in einem "Zusatzvertrag" ein jährlicher Zinszuschuss von 2.000 DM pro Jahr für [X.] vereinbart. Am 18. April 2002 übernahm ein Schwesterunternehmen der [X.] für Verbindlichkeiten des Klägers zu 1 eine Bürgschaft über 102.256,38 €, am 13. Juli 2006 eine weitere über 10.000 €.

5

Nachdem der Kläger zu 1 der [X.] unter dem 8. Januar 2009 mitgeteilt hatte, seinen Mastbetrieb nunmehr in der Rechtsform der Klägerin zu 2 zu betreiben, wurden die Verträge in der Folgezeit zwischen dieser und der [X.] fortgeführt. Die jährlichen Zinszuschüsse wurden auch nach Ablauf der [X.] weiter gezahlt. Mit Schreiben vom 15. Mai 2010 kündigte die Klägerin zu 2 die Verträge mit der [X.] zum 25. Juni 2010 und hielt daran nach einem Gespräch mit der [X.] in einem Schreiben vom 30. Mai 2010 ausdrücklich fest.

6

Die Kläger haben auf Feststellung angetragen, dass der [X.] wegen der Beendigung der [X.] zum 25. Juni 2010 keine Schadensersatzansprüche zustehen. Sie meinen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgestalteten Laufzeitregelungen in den [X.]n seien unwirksam. Sie hielten wegen der unangemessen langen [X.]sbindung der Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 307 ff. [X.] nicht stand und seien im Übrigen gemäß § 138 [X.] sittenwidrig. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen sie ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

7

[X.]ie Revision ist unbegründet.

I.

8

[X.]as Berufungsgericht hat die [X.] in den beiden [X.]n für wirksam und die Kündigung der Verträge folgerichtig für unwirksam gehalten. Weder seien die Verträge wegen der dort vereinbarten Vertragsbindung von zehn Jahren nach § 138 BGB sittenwidrig noch verstießen die vertraglichen Regelungen, sofern es sich dabei um Allgemeine Geschäftsbedingungen der [X.] handele, gegen § 307 BGB. Allerdings könne sich aus einer langfristigen Bindung des Vertragspartners des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen an den Vertrag eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB ergeben, wenn hierdurch seine persönliche Selbständigkeit und Freiheit sowie ein Mindestmaß an wirtschaftlichem Bewegungsspielraum so stark eingeschränkt werde, dass er seinem Gegenüber auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sei. Bei gebotener Gesamtwürdigung der nach den [X.] vorgesehenen wechselseitigen Leistungen, Rechte und Pflichten würden die Kläger durch die vereinbarte Vertragslaufzeit von zehn Jahren hier allerdings nicht in solcher Weise unangemessen benachteiligt. [X.]ie [X.] trage dem beiderseitigen Bedürfnis der Vertragsparteien nach Planungssicherheit in einem an die Bedingungen der industriellen Landwirtschaft angepassten Prozess der massenhaften Produktion, Aufzucht und Verwertung von Geflügel Rechnung. [X.]enn ebenso wie die Beklagte als Nahrungsmittelproduzent nicht in der Lage sei, kurzfristig andere Vertragspartner für die Aufzucht und spätere termingerechte Lieferung derartiger Mengen von Geflügel zu finden, könne der Mäster sich im Interesse der kontinuierlichen Auslastung seiner Ställe nicht darauf verlassen, 30.000 bzw. 40.000 Küken je [X.]urchgang auf dem freien Markt erwerben und nach der Aufzucht wieder absetzen zu können. Zwar sei die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der Kläger durch die langfristigen Verträge erheblich eingeschränkt, weil sie hinsichtlich des Bezugs und des Absatzes der in ihrem Betrieb aufgezogenen Tiere langfristig an Firmen aus dem Konzern der [X.] gebunden seien und überdies im Rahmen des [X.] das Futter für die Küken ebenfalls von einer Schwesterfirma der [X.] zu beziehen hätten. [X.]adurch seien sie der [X.] indes nicht in unangemessener Weise auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. [X.]enn die Preise für den Erwerb der Küken und des Futters sowie die Vergütung für die schlachtreifen Hähnchen seien in den [X.] nicht festgelegt, sondern an die von der [X.] [X.] gewährten "üblichen Bedingungen" bzw. die "handelsüblichen Konditionen" gekoppelt. Tatsächlich fänden in diesem Zusammenhang Preisverhandlungen zwischen den [X.] und der Leitung des W.-Konzerns statt, so dass von einem Preisdiktat der [X.] keine Rede sein könne. Im Übrigen sei nichts dazu vorgetragen, dass deren Preise oder die ihrer Schwesterfirmen unangemessen seien. Hinzu komme, dass die Beklagte zunächst dem Kläger zu 1 und später der Klägerin zu 2 Zinszuschüsse von jeweils 2.000 € pro Jahr versprochen und gezahlt habe. Schließlich sei in die Gesamtbetrachtung das berechtigte Interesse der [X.] an langfristigen [X.]n nebst Einbindung ihrer Vertragspartner in die Konzernabläufe einzubeziehen. Sie sei in Ansehung regelmäßiger Skandale aus dem Bereich der industriellen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in hohem Maße darauf angewiesen, die Einhaltung der mit ihrer Marke "W." verbundenen Qualitätskriterien (sog. fünffaches [X.]: Elterntiere aus [X.], Küken geboren in [X.], Hähnchen aufgezogen in [X.], Hähnchen geschlachtet in [X.], Tiernahrung aus [X.]) sicherzustellen. [X.]azu sei es sinnvoll, die Lieferung der Küken und der Tiernahrung sowie die Verarbeitung der gemästeten Tiere Unternehmen der W.-Gruppe vorzubehalten, die der unmittelbaren Qualitätskontrolle durch die Beklagte unterlägen. [X.]a nach alledem keine unangemessene Benachteiligung der Klägerseite durch die Vertragsgestaltung festzustellen sei, seien die Verträge auch nicht nach § 138 BGB als Knebelungsverträge sittenwidrig. [X.]er Prüfungsmaßstab für beide Unwirksamkeitstatbestände sei letztlich derselbe.

II.

9

[X.]iese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.

[X.]ie vertraglichen [X.] sind in beiden [X.]n wirksam.

1. [X.]as Berufungsgericht hat offen gelassen, ob es sich bei den [X.] um Allgemeine Geschäftsbedingungen der [X.] handelt. [X.]avon ist im Revisionsverfahren zugunsten der Kläger auszugehen. Zugunsten der Kläger kann auch davon ausgegangen werden, dass die sich aus den [X.] ergebenden Bindungen deshalb um einige Monate über einen [X.]raum von zehn Jahren hinausgehen, weil die Verträge vor Beginn der vertraglich vorgesehenen Laufzeiten abgeschlossen worden sind.

2. [X.]ie Inhaltskontrolle erfolgt nach Maßgabe der Vorschriften des § 307 BGB, die gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB für die [X.] nach dem 1. Januar 2003 auch auf solche [X.]auerschuldverhältnisse Anwendung finden, die vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden. [X.]as Berufungsgericht hat eine gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Unwirksamkeit der in Rede stehenden Klauseln führende unangemessene Benachteiligung der Kläger verneint. [X.]ie dagegen von der Revision vorgebrachten Einwendungen bleiben ohne Erfolg.

a) [X.]ie in den streitigen Klauseln vereinbarte Vertragslaufzeit ist nicht schon gemäß § 309 Nr. 9 Buchst. a und [X.] unwirksam. § 309 BGB findet gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Anwendung auf Verträge zwischen Unternehmern im Sinne des § 14 BGB, zu denen als gewerblich tätiger Landwirt auch der Kläger zu 1 gehört. § 309 Nr. 9 Buchst. a und [X.] enthält kein Indiz dafür, dass den dort niedergelegten [X.] widersprechende formularmäßige Vereinbarungen im kaufmännischen Rechtsverkehr unwirksam seien ([X.], Urteil vom 17. [X.]ezember 2002 - [X.]/01, NJW 2003, 886, 887 - zu § 11 Nr. 12 Buchst. a AGBG).

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] stellt eine Klausel, in der der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ohne ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen, eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des [X.] im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar ([X.], Urteil vom 3. November 1999 - [X.], [X.]Z 143, 103, 113 m.w.N.; Urteil vom 25. April 2001 - [X.]/00, [X.]Z 147, 279, 282; Urteil vom 17. [X.]ezember 2002 - [X.]/01, NJW 2003, 886, 887 m.w.N. - jeweils zu § 9 Abs. 1 AGBG).

Ob eine die Laufzeit eines Vertrages betreffende Klausel den Vertragspartner des Verwenders gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ist mit Hilfe einer umfassenden Abwägung der schützenswerten Interessen beider Parteien im Einzelfall festzustellen ([X.], Urteil vom 3. November 1999 - [X.], [X.]Z 143, 103, 113 m.w.N.). Bei dieser Abwägung sind nicht nur die auf Seiten des Verwenders getätigten Investitionen, sondern es ist der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen; notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten ([X.], Urteil vom 17. [X.]ezember 2002 - [X.]/01, NJW 2003, 886, 887 m.w.N.).

aa) Zu Recht hat das Berufungsgericht bei der im Rahmen der [X.] vorzunehmenden Interessenabwägung auf die Besonderheiten des Geschäftsfeldes abgestellt, in dem beide Vertragsparteien tätig sind. [X.]ie massenhafte Produktion, Aufzucht und Verwertung von Geflügel zum Zwecke der [X.] findet, wie sich aus der Natur der Sache ergibt, in einem eng umgrenzten Markt statt, in dem die Kläger als Geflügelmäster fortlaufend auf den Bezug und späteren Absatz von jeweils mehreren zehntausend Hähnchen angewiesen sind. [X.]ie Anzahl der in dieser Größenordnung mit dem Vertrieb von [X.] befassten Nahrungsmittelhersteller ist, auch das ist offenkundig, jedenfalls überschaubar. Ähnliches gilt für Betriebe, die sich mit dem Ausbrüten von Küken in solch großer Zahl beschäftigen, allerdings nicht notwendig einem der wenigen im Geschäftsbereich der Geflügelverwertung tätigen [X.] angehören müssen.

Insbesondere darin unterscheidet sich die vorliegend zu beurteilende Vertragskonstellation von denjenigen, in denen der Anbieter frei auf dem Markt verfügbarer Verbrauchsgüter, etwa Mineralöl oder Bier, durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen auf lange [X.] an einen bestimmten Hersteller solcher Produkte gebunden wird. In diesen Fällen, in denen dem Vertragspartner des [X.] allein durch langfristige vertragliche Bezugsbindungen die Möglichkeit genommen wird, die von ihm vertriebenen Waren auf dem freien Markt zu beziehen, wird das Interesse des Vertragspartners an einer langfristigen vertraglichen Bindung an den Hersteller regelmäßig auch damit begründet, von diesem Unterstützung für die Eröffnung bzw. die Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebes zu erhalten. [X.]eshalb hat der [X.] die Angemessenheit derartiger formularmäßiger Laufzeitklauseln stets auch vom Umfang solcher Gegenleistungen abhängig gemacht und maßgeblich auf den Gesichtspunkt abgestellt, in welchem Verhältnis die [X.]auer der Vertragsbindung zu der Amortisierung des vom Hersteller - etwa durch die Gewährung von [X.]arlehen oder die Zurverfügungstellung der erforderlichen Technologie oder Betriebsausstattung - zur [X.]urchführung des Vertrages eingesetzten Kapitals steht (vgl. [X.], Urteil vom 3. November 1999 - [X.], [X.]Z 143, 103, 115 f. - Tankstelle; Urteil vom 25. April 2001 - [X.]/00, [X.]Z 147, 279, 286 - [X.]; Urteil vom 4. Juli 1997 - [X.], NJW 1997, 3022, 3023 - Telekommunikationsanlage).

bb) [X.]ieser Amortisationsgesichtspunkt hat für die rechtliche Beurteilung der hier in Rede stehenden Vertragsklauseln nicht in gleicher Weise entscheidende Bedeutung. Er wird überlagert von dem sich aus der Natur ihres Geschäftsbetriebes ergebenden eigenen Interesse der Kläger an der langfristigen Sicherung der Bezugs- und Absatzmöglichkeiten für das von ihnen in großer Zahl aufgezogene Geflügel. [X.]ieses Interesse bestand für den Kläger zu 1 bei Abschluss der beiden [X.] in besonderem Maße. Aus den Laufzeitklauseln in beiden [X.] geht hervor, dass die mit der [X.] vereinbarte [X.] in neu zu errichtenden Ställen erfolgen sollte. [X.]ie hierfür erforderlichen Investitionen, zu deren Absicherung die Beklagte im Übrigen durch Zahlung eines in [X.] vereinbarten Zinszuschusses von 2.000 [X.]M jährlich beigetragen hat, stehen folglich in unmittelbarem Zusammenhang mit der dem Kläger zu 1 erst durch die Verträge mit der [X.] eröffneten Möglichkeit, während eines längeren, für die Amortisierung seiner Investitionen benötigten [X.]raums, massenhaft Geflügel nicht nur beziehen, sondern vor allem nach der Aufzucht gesichert wieder absetzen zu können. Beide [X.] tragen diesem Gesichtspunkt durch entsprechende Zusagen der [X.] Rechnung, den Klägern die erforderliche Anzahl an Geflügel eben nicht nur aus eigener Produktion zu liefern, sondern auch zur Schlachtung in einem Schwesterunternehmen des W.-Konzerns gegen Bezahlung wieder abzunehmen.

cc) In Erwägung dessen unterliegen die Kläger durch die Vereinbarung einer langfristigen Bezugs- und Abnahmebindung an Betriebe aus dem W.-Konzern nicht in gleicher Weise einer überwiegend den Interessen ihres Vertragspartners dienenden Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit, wie sie den Anbietern frei am Markt verfügbarer Verbrauchsgüter durch langfristige Bezugsbindungen an die Produzenten solcher Güter auferlegt wird. [X.]as gilt erst recht, weil die Kläger keinen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegen und durch die vertraglichen Vereinbarungen mit der [X.] nicht gehindert sind, ihren Geschäftsbetrieb auszuweiten und die [X.], gegebenenfalls nach Errichtung weiterer Ställe, auch für andere Auftraggeber zu betreiben. [X.]iese Umstände können nicht ohne Auswirkung auf die Beantwortung der Frage bleiben, welche berechtigten Interessen der [X.] es abseits der nach den [X.] durch Zinszuschüsse in relativ geringem Umfang gewährten finanziellen Unterstützung zu rechtfertigen vermögen, die Kläger durch formularmäßige Vertragsklauseln für die [X.]auer von mindestens zehn Jahre in das Produktions- und Verwertungssystem des W.-Konzerns einzubinden.

[X.]ie sich aus der von ihr vorgegebenen Vertragskonstellation für die Beklagte ergebenden Vorteile liegen auf der Hand. Sie bestehen zunächst darin, langfristig einen Abnehmer für eine große Zahl der von ihr produzierten Küken zu den üblichen, von ihr regelmäßig eingeräumten Bedingungen zu haben. [X.]arüber hinaus hat die Beklagte, ohne hierdurch unmittelbar einen eigenen Vorteil zu erlangen, zugunsten des W.-Konzerns, dem sie allerdings angehört, sichergestellt, dass zu dem Konzern gehörende Firmen die von den Klägern aufgezogenen Tiere - ebenfalls zu üblichen Bedingungen - zur weiteren Verwertung erhalten. Schließlich sieht der zweite [X.] zum Vorteil eines weiteren Unternehmens des W.-Konzerns vor, dass die Kläger das für die Tieraufzucht benötigte Futter von jenem Unternehmen zu handelsüblichen Konditionen beziehen müssen. [X.]ie in dieser [X.] verankerten, an einer langfristigen Sicherung von Absatz- und Bezugsquellen orientierten Interessen der [X.] korrelieren, wie ausgeführt, weitgehend mit denen der Kläger. Sie finden dort allerdings keine Entsprechung und führen deshalb zu einer den Belangen der Kläger entgegenstehenden Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit, soweit ihnen durch den im zweiten [X.] vorgeschriebenen [X.] die Möglichkeit genommen ist, sich dieserhalb auf dem freien Markt zu bedienen.

Soweit sich aus diesen Umständen Bedenken gegen die Angemessenheit der in Rede stehenden Vertragsklauseln ergeben können, sind diese durch die gebotene Berücksichtigung weiterer berechtigter Interessen der [X.] ausgeräumt. Bereits das Berufungsgericht hat mit Recht Aspekte der Qualitätssicherung in die Gesamtabwägung der maßgeblichen Umstände einbezogen. Es hat zutreffend herausgearbeitet, dass die massenhafte Tierproduktion und -verwertung zum Zwecke der [X.] es erfordert, besondere Anforderungen an eine taugliche Qualitätssicherung zu stellen. Es ist allgemein bekannt, dass der erfolgreiche Vertrieb industriell produzierter tierischer Nahrungsmittel nicht zuletzt von dem Vertrauen der Endverbraucher in die Qualität und die medizinisch sowie nahrungsmitteltechnisch unbedenkliche Beschaffenheit dieser Produkte abhängt. Für den Hersteller solcher Nahrungsmittel ist es deshalb von großer, wenn nicht überragender Bedeutung, deren Qualität und Unbedenklichkeit nicht nur gewährleisten, sondern gegebenenfalls auch dokumentieren zu können. [X.]em trägt das Bezugs- und Vertriebssystem des W.-Konzerns, in das die Beklagte als dessen Tochterfirma eingebunden ist und zu dessen Verwirklichung sie zur Wahrung auch ihrer eigenen berechtigten Geschäftsinteressen durch den Abschluss der vorliegend zu beurteilenden Verträge beigetragen hat, in angemessener Weise Rechnung. [X.]enn es liegt auf der Hand, dass sich die vom W.-Konzern nach dem Prinzip des sogenannten "fünffachen [X.]" (Elterntiere aus [X.], Küken geboren in [X.], Hähnchen aufgezogen in [X.], Hähnchen geschlachtet in [X.], Tiernahrung aus [X.]) organisierte Qualitätssicherung gerade dadurch besonders wirkungsvoll durchführen lässt, möglichst viele der fünf genannten Produktionsschritte in eigenen Tochterunternehmen ausführen und überwachen zu lassen. Soweit - wie hier - die Aufzucht des Geflügels Unternehmen außerhalb des Konzerns übertragen wird, erfordert es die zweckentsprechende Aufrechterhaltung des Qualitätssicherungssystems, auch diese Unternehmen so weit wie möglich in die konzerneigene Produktionskette einzubeziehen. [X.]as betrifft über den Bezug der Küken und die Lieferung des aufgezogenen Geflügels hinaus auch und gerade den Erwerb des [X.] von einem dem W.-Konzern angehörenden Tierfutterproduzenten.

dd) [X.]ie vertragliche [X.]urchsetzung der nach alledem berechtigten Interessen der [X.] durch eine langfristige Bindung der Kläger an Unternehmen des W.-Konzerns erweist sich auch nicht durch eine unangemessene Gestaltung und Festlegung der den Klägern gewährten Bezugs- und Absatzpreise als missbräuchlich. [X.]ie Kläger sind, wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig feststellt, keinem vertraglichen Preisdiktat des W.-Konzerns unterworfen. Ihnen werden für den [X.] handelsübliche, mithin den allgemein geltenden Marktpreisen entsprechende Konditionen eingeräumt, die im Streitfall gerichtlich überprüfbar sind und schon deshalb keine unangemessene Preisbindung bedingen. [X.]er Erwerb der Küken und der Verkauf der Masthähnchen erfolgt zu den allgemein für Junggeflügelzüchter im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehungen zur [X.] üblichen Bedingungen. [X.]iese Preise sind verhandelbar; sie werden, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, auch tatsächlich mit den Geflügelmästern verhandelt. [X.]ass der W.-Konzern eine Marktstellung innehat, die es ihm ermöglicht, letztlich entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung der Preise für den Bezug und die Lieferung des [X.] zu nehmen, verkennt das Berufungsgericht nicht. Allein darin liegt allerdings kein Umstand, der über marktmachtbedingte Einflussnahmemöglichkeiten eines Großkonzerns hinaus den Vorwurf eines vertraglich organisierten Preisdiktats rechtfertigen könnte.

ee) [X.]er von der Revision in anderem Zusammenhang vorgebrachte Einwand, die im ersten [X.] vereinbarte Kündigungsfrist von zehn Monaten zum Jahresablauf sei unangemessen lang und in Ansehung der für den zweiten [X.] auf drei Monate verkürzten Frist erkennbar nicht durch berechtigten Interessen der Beklagen gerechtfertigt, verfängt nicht. [X.]ie Einhaltung der Kündigungsfrist belastet die Kläger, denen als Betreiber eines auf Massenproduktion ausgerichteten landwirtschaftlichen [X.] die verständige Wahrnehmung ihrer geschäftlichen Interessen zugetraut werden muss, nicht in einer Weise, die geeignet sein könnte, die Angemessenheit der formularmäßig vereinbarten Vertragsbindung insgesamt in Zweifel zu ziehen.

3. Eine Nichtigkeit der in Rede stehenden Verträge gemäß § 138 Abs. 1 BGB ergibt sich nach obigen Erwägungen ebenfalls nicht. § 138 Abs. 1 BGB stellt bereits im objektiven Bereich höhere Anforderungen an die eine Nichtigkeit des Vertrages begründenden Umstände als sie für die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben sein müssen. § 138 Abs. 1 BGB setzt überdies eine grobe Interessenverletzung von erheblicher Stärke voraus (vgl. [X.], Urteil vom 25. April 2001 - [X.]/00, [X.]Z 147, 279, 287 m.w.N.), die hier nicht vorliegt.

4. Anknüpfungspunkte für einen Verstoß gegen ein Kartellverbot im Sinne des § 1 GWB sind nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht geltend gemacht. [X.]araus folgt auch, worauf ergänzend hinzuweisen ist, dass sich entgegen der Auffassung der Revision aus den kartellrechtlichen Regelungen und den damit in Zusammenhang stehenden Gruppenfreistellungsverordnungen kein gesetzliches Leitbild im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB für die Beurteilung der Vertragsdauer der vorliegenden [X.] ergibt.

III.

[X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Kniffka                                              Bauner                                              Eick

                        Halfmeier                                             [X.]

Meta

VII ZR 111/11

08.12.2011

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 15. April 2011, Az: 6 U 15/11, Urteil

§ 307 Abs 1 S 1 BGB, § 309 Nr 9 Buchst a BGB, § 309 Nr 9 Buchst c BGB, § 310 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2011, Az. VII ZR 111/11 (REWIS RS 2011, 676)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 676

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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