Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.03.2018, Az. B 8 SO 104/17 B

8. Senat | REWIS RS 2018, 13021

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung des rechtlichen Gehörs - Mitteilung des Nichterscheinens keine Aufrechterhaltung eines Terminverlegungsantrags


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 28. September 2017 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Verpflichtung des [X.], die Bestattungskosten für die im Juni 2012 verstorbene Mutter der Klägerin zu zahlen (1242,36 Euro).

2

Die 1992 geborene Klägerin ist eines von fünf Kindern ihrer 2012 verstorbenen Mutter. Bis auf den 1990 geborenen [X.] der Klägerin, der damals allein von der Unterstützung der Mutter seines Kindes lebte, schlugen alle Kinder und Verwandten der Verstorbenen die Erbschaft aus. Die Klägerin, die 2012 Leistungen nach dem [X.] ([X.]) erhielt, sorgte für die Bestattung ihrer Mutter und beantragte Anfang Juli 2012 beim [X.] die Übernahme der Bestattungskosten. Dieser lehnte den Antrag unter Verweis auf die vorrangige Kostentragungspflicht des [X.]s der Klägerin ab (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 13.11.2012). Auf dessen Antrag versagte der [X.] die Übernahme von Bestattungskosten, weil die angeforderten Nachweise über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht eingereicht worden seien (Bescheid vom 15.8.2012). Die Klage der Klägerin auf Zahlung von 1242,36 Euro ist in beiden Instanzen erfolgreich gewesen (Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom [X.]; Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> Niedersachsen-Bremen vom [X.]).

3

Mit seiner Beschwerde macht der [X.] Verfahrensfehler sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Er rügt, dass das [X.] über seinen Antrag, den Termin zur mündlichen Verhandlung am [X.] zu verlegen, nicht vor Beginn der Sitzung entschieden habe. Damit sei sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden.

4

Zudem sei grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage (Frage 1), ob sich eine Verpflichtung nach § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]) im Hinblick auf die Entscheidung des [X.] ([X.]) vom 14.12.2011 ([X.]) weiterhin auch aus landesrechtlichen Bestattungsvorschriften ergebe. Der [X.] habe dargelegt, dass sich aus den landesrechtlichen Bestattungspflichten keine Kostentragungspflicht ergebe, die dann zu zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen führen könne. Insoweit sei fraglich, ob an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) noch festgehalten werden könne, wonach sich eine Kostentragungsverpflichtung aus § 74 [X.] auch aus landesrechtlichen Bestattungsgesetzen ergeben könne. Grundsätzlich bedeutsam sei darüber hinaus die Frage (Frage 2), ob der Anspruch nach § 74 [X.] auf den Anteil des Antragstellers im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung beschränkt sei. Denn es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach dem [X.] Bestattungsgesetz gemeinsam mit ihren Geschwistern bestattungspflichtig und kostentragungspflichtig sei. Hieraus ergäben sich bundesgesetzlich vorgesehene Ausgleichsansprüche der gesamtschuldnerischen Haftung. Darüber hinaus sei grundsätzlich bedeutsam (Frage 3), ob ein Anspruch eines nachrangig Verpflichteten dem Grunde nach ausgeschlossen sei, wenn ebenfalls ein Anspruch des endgültig Kostentragungspflichtigen vorliege.

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor.

6

Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Sozialgerichtsgesetz ([X.]) ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der [X.] behauptet zwar, über seinen Antrag, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, habe das [X.] nicht vor dem Termin entschieden und damit seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 [X.]; Art 103 Grundgesetz ) verletzt. Allerdings liegt dieser Verfahrensmangel tatsächlich nicht vor; in seiner Beschwerdebegründung hat der [X.] den Sachverhalt insoweit unzutreffend dargestellt. Denn tatsächlich hatte das [X.] auf den ersten [X.] des [X.] vom 19.9.2017 mitgeteilt (Schreiben vom 21.9.2017), dass es diesem nicht stattgeben werde und dem [X.] aufgegeben, sich durch einen anderen Mitarbeiter oder eine entsprechend unterrichtete Person der [X.] im Termin vertreten zu lassen. Daraufhin hatte der [X.] mitgeteilt (Schreiben vom [X.]), dass auch die Mitarbeiter der [X.] gehindert seien, den Termin wahrzunehmen. Es werde um Verständnis gebeten, dass eine Teilnahme am Termin nicht in Aussicht gestellt werden könne. Anders als vom [X.] in seiner Beschwerdebegründung dargestellt, hat er mit diesem Schreiben also gerade nicht zum Ausdruck gebracht, am [X.] festhalten zu wollen, sondern - im Gegenteil - mitgeteilt, dass der Termin ohne einen Vertreter des [X.] stattfinden müsse. Eine weitere Reaktion des [X.] musste daraufhin nicht erfolgen; eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des [X.] liegt deshalb nicht vor. Soweit der [X.] darauf hinweist, dass die Klägerin trotz der Anordnung ihres persönlichen Erscheinens nicht zum Termin erschienen sei und das [X.] (dennoch) mündlich verhandelt habe, ist schon nicht erkennbar, wie dadurch ein eigenes Recht des [X.] verletzt sein soll.

7

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der [X.] nicht ordnungsgemäß dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur [X.]-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

8

Im Hinblick auf die vom [X.] aufgeworfene Frage 1 zur Bedeutung der "Entscheidung" des [X.] vom 14.12.2011 für einen Anspruch nach § 74 [X.] fehlt es bereits an einer konkreten Rechtsfrage, die dem Senat zur Entscheidung vorgelegt wird. Die Beantwortung der allgemein gehaltenen Frage nach einer Verpflichtung aus landesrechtlichen Vorschriften würde vielmehr eine kommentar- oder lehrbuchartige Aufbereitung durch den Senat verlangen, was gerade nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein kann. Im Übrigen fehlt es an Darlegungen dazu, an welcher Stelle seiner "Entscheidung" der [X.] die vom [X.] behauptete Aussage überhaupt getroffen haben soll. Die einzige Auseinandersetzung des [X.] mit landesrechtlichen Bestattungspflichten erfolgt in RdNr 12 seines Hinweisbeschlusses; eine Aussage dergestalt, wie sie vom [X.] in der Frage 1 formuliert worden ist, hat der [X.] an dieser Stelle nicht getroffen. Es ist aber nicht Aufgabe des Senats, den Beschluss des [X.] auf - weitere - vermeintliche Übereinstimmungen mit der vom [X.] formulierten Frage zu durchforsten. Im Übrigen hat das [X.] den Beschluss des [X.] in seiner Entscheidung in Bezug genommen, ohne dass sich der [X.] in seiner Beschwerdebegründung mit den entsprechenden Ausführungen des [X.] auseinander gesetzt hätte.

9

Soweit der [X.] weiter ausführt, grundsätzlich bedeutsam sei auch die Frage (Frage 2), ob der Anspruch nach § 74 [X.] auf einen gesamtschuldnerischen Anteil begrenzt sei, fehlt es nicht nur an Darlegungen zum [X.] Landesrecht, die der [X.] zur Begründung einer gesamtschuldnerischen Haftung der Klägerin mit ihrem [X.] heranzieht, und der Frage der Revisibilität dieses Landesrechts, sondern auch an einer Auseinandersetzung mit der zu dieser Frage bereits ergangenen Rechtsprechung des [X.] im Übrigen (vgl nur [X.] vom 11.6.1981 - [X.] - NJW 1981, 2457 ff; [X.] vom 8.3.1990 - III ZR 81/88 - [X.]Z 110, 313, 318). Es fehlen auch Ausführungen dazu, warum der Klägerin die Kostentragung nach § 74 [X.] zumutbar ist, sie also tatsächlich einen Anspruch gegen ihren [X.] hätte realisieren können und müssen. Zur zuletzt formulierten Rechtsfrage (Frage 3) behauptet der [X.] lediglich, dass der [X.] der Klägerin endgültig kostentragungspflichtig sei (vgl insoweit [X.], 219 RdNr 20), erläutert dies aber nicht ansatzweise. Zudem fehlt es an der hinreichenden Darlegung der erneuten Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage, weil das BSG nach eigenem Vortrag des [X.] bereits entschieden habe, dass im Falle zweifelhafter Ausgleichsansprüche eine Einschränkung des § 74 [X.] nicht in Betracht komme. Der Vortrag im Übrigen ist nur auf die Behauptung der inhaltlichen Unrichtigkeit der Entscheidung des [X.] gerichtet, die aber nicht genügen kann, um die Zulassung der Revision zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 8 SO 104/17 B

01.03.2018

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Hildesheim, 21. Februar 2014, Az: S 34 SO 256/12, Urteil

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.03.2018, Az. B 8 SO 104/17 B (REWIS RS 2018, 13021)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13021

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