Bundessozialgericht, Urteil vom 11.09.2020, Az. B 8 SO 8/19 R

8. Senat | REWIS RS 2020, 2448

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialhilfe - Bestattungskosten - Zumutbarkeit der Kostentragung - Berücksichtigung nachgezahlten Pflegegeldes


Leitsatz

Zur Frage der Zumutbarkeit des Einsatzes nachgezahlten Pflegegelds bei der Zahlung von Bestattungskosten.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. April 2019 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] ist die Übernahme von weiteren Bestattungskosten [X.] 1422,50 [X.].

2

Die Klägerin bezieht laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem [X.] Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]). Ihr Ehemann, den sie bis zu seinem Tod pflegte, verstarb am 19.6.2017. Am selben Tag wurden dem Konto, das auf den Namen des Ehemanns lautet, 2912 [X.] gutgeschrieben. Es handelte sich um Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen (§ 37 [X.] <[X.]B XI>), das die Pflegekasse dem Ehemann für die Monate März bis Juni 2017 überwiesen hatte.

3

Vom Bestatter wurden der gemeinsamen Tochter, die die Verhandlungen mit diesem führte, 2771 [X.] berechnet (zwei Rechnungen vom 3.7.2017) und weitere 4066 [X.] von der [X.] als Bestattungsgebühren in Rechnung gestellt (Bescheid vom 7.8.2017). Die Rechnung des Bestatters beglichen die Klägerin und ihre Tochter je zur Hälfte. Auf den Antrag der Klägerin auf Übernahme ihres Anteils an den Bestattungskosten bewilligte der Beklagte 147,31 [X.] mit der Begründung, es seien lediglich Bestattungskosten [X.] (insgesamt) 3608 [X.] anzuerkennen. Das Pflegegeld, weiteres Bankguthaben des Ehemanns und der Anteil des Ehemanns an der Mietkaution (377,50 [X.]) seien als Vermögen einzusetzen (Bescheid vom 24.10.2017; Widerspruchsbescheid vom 4.4.2018).

4

Die Klage beim Sozialgericht ([X.]) [X.], die zunächst auf die Übernahme von Bestattungskosten [X.] 1796,75 [X.] gerichtet war, hat die Klägerin nach Abschluss eines Teilvergleichs über die Zahlung von 456,50 [X.] auf die Übernahme weiterer Bestattungskosten [X.] 1422,50 [X.] beschränkt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.11.2018). Das [X.] (L[X.]) [X.] hat dieses Urteil aufgehoben und den Beklagten verurteilt, weitere Kosten der Bestattung [X.] 1422,50 [X.] zu übernehmen (Urteil vom [X.]). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin sei der Einsatz des Pflegegeldes, das Teil des Nachlasses geworden sei, wegen dessen besonderer Zweckbestimmung nicht zumutbar.

5

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 74 [X.].

6

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.]s [X.] vom 17. April 2019 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 28. November 2018 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Der [X.] kann nicht abschließend entscheiden, ob die [X.]lägerin einen Anspruch auf Übernahme weiterer [X.]osten der Bestattung nach § 74 [X.] hat.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 24.10.2017 idF des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 [X.]G), gegen den sich die [X.]lägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 [X.]G) wendet. Den streitgegenständlichen Anspruch auf Übernahme weiterer [X.]osten der Bestattung hat sie bereits vor dem [X.] der Höhe nach auf die Zahlung weiterer 1422,50 Euro begrenzt. Durch den Teilvergleich haben die Beteiligten den Streitgegenstand - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - nicht weitergehend auf die Frage begrenzt, ob das Pflegegeld "bei der Leistungshöhe Berücksichtigung finden kann" (vgl Ziffer 2 Satz 1 des [X.]). Um einen abgrenzbaren Streitgegenstand handelt es sich insoweit nicht. Ein Teilvergleich über einzelne Berechnungselemente setzt aber voraus, dass sich die Beteiligten in allen anderen Punkten wirksam geeinigt haben und so nach abschließender Entscheidung über den verbleibenden Teil sicher anzunehmen ist, dass der Streit insgesamt bereinigt werden kann (vgl nur [X.] vom 20.9.2012 - [X.] [X.] 4/11 R - B[X.]E 112, 54 = [X.]-3500 § 28 [X.], Rd[X.]3 mwN; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, Stand Mai 2017, [X.] § 54 Rd[X.] 70a). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Unter Ziffer 1 des Vergleichs haben sich die Beteiligten lediglich dahin geeinigt, dass von einer vom Bestatter in Rechnung gestellten Pauschale iHv 300 Euro ([X.] für die Durchführung der Bestattung) 75 Euro als weitere Bestattungskosten zugrunde zu legen seien, der Anteil des Ehemanns an der Mietkaution nicht als einzusetzendes Vermögen der [X.]lägerin zu berücksichtigen sei und der Beklagte das Pflegegeld um vier Euro zu hoch beziffert habe. Da über die Berechnung der übernahmefähigen Bestattungskosten, die die [X.]lägerin nach den Feststellungen des [X.] im Verwaltungsverfahren mit nahezu 3500 Euro beziffert hatte, im Übrigen keine Einigung getroffen worden ist, steht indes nicht schon nach Abschluss des [X.] fest, dass allein die Nichtberücksichtigung des Pflegegelds zu einem weitergehenden Erfolg der [X.]lägerin führen könnte. Das [X.] wird deshalb nach der Zurückverweisung der Sache die Anspruchsberechtigung dem Grunde und der Höhe nach umfassend zu prüfen haben.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 74 [X.] (idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.], [X.] 3022), wonach die erforderlichen [X.]osten einer Bestattung übernommen werden, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die [X.]osten zu tragen.

Der [X.] kann mangels hinreichender Feststellungen des [X.] schon nicht beurteilen, ob der Beklagte - der als örtlicher Träger der Sozialhilfe sachlich zuständiger Leistungsträger ist (§ 97 Abs 1, § 97 Abs 2 Satz 1 [X.] iVm § 2 des Gesetzes zur Ausführung des [X.] idF vom 1.7.2004; Gesetzblatt für [X.] 469) - örtlich zuständig ist. In den Fällen des § 74 [X.] ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt (§ 98 Abs 3 [X.]). Feststellungen zum Bezug von Sozialhilfe des Ehemanns fehlen ebenso wie solche zum Sterbeort.

Der [X.] kann darüber hinaus nicht entscheiden, ob und in welcher Höhe die [X.]lägerin zur Tragung der [X.]osten der Bestattung verpflichtet und damit Anspruchsberechtigte nach § 74 [X.] ist. Die Verpflichtung zur [X.]ostentragung wird in § 74 [X.] vorausgesetzt. Sie kann insbesondere erbrechtlich oder unterhaltsrechtlich begründet sein oder aufgrund landesrechtlicher Bestattungspflichten bestehen. [X.] ist, wer der [X.]ostenlast von vornherein nicht ausweichen kann, weil sie ihn rechtlich notwendig trifft (vgl zum Ganzen B[X.] vom 28.8.2011 - [X.] [X.] 20/10 R - B[X.]E 109, 61 = [X.]-3500 § 74 [X.], Rd[X.]7; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 23/08 R - B[X.]E 104, 219 = [X.]-3500 § 74 [X.], Rd[X.]3).

Das [X.] hat ohne weitere Begründung ausgeführt, die [X.]lägerin und die Tochter seien [X.] nach dem Ehemann bzw Vater je zur Hälfte; in Betracht kommt damit eine erbrechtliche Verpflichtung nach § 1968 [X.] ([X.]). Weitere Feststellungen, die die rechtliche Würdigung, die [X.]lägerin sei [X.], (abschließend) tragen, hat das [X.] aber nicht getroffen. Dies wird es ggf nachzuholen haben.

Wenn die [X.]lägerin entsprechend der gesetzlichen Erbfolge (vgl § 1931 [X.]) neben ihrer Tochter Erbin nach ihrem Ehemann ist und damit nach § 1968 [X.] zur Tragung von Bestattungskosten verpflichtet war, verlangt § 74 [X.] weiter, dass der Verpflichtete einer Forderung im Hinblick auf die Bestattungskosten ausgesetzt (gewesen) ist (vgl [X.] Nordrhein-Westfalen vom 7.10.2016 - L 9 [X.] 414/16 B - juris Rd[X.] 7 ff; Oberverwaltungsgericht für das [X.] vom [X.] - 8 A 3515/95 - juris Rd[X.] 4 ff; Gotzen, [X.] 2018, 121; Gotzen, [X.] 2006, 1, 3). Denn der sozialhilferechtliche Bedarf im Rahmen des § 74 [X.] ist die Entlastung des Verpflichteten von den Bestattungskosten, womit die Verbindlichkeit als solche als sozialhilferechtlicher Bedarf anerkannt wird (grundlegend B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 23/08 R - B[X.]E 104, 219 = [X.]-3500 § 74 [X.], Rd[X.]5). Die [X.]ostenforderung kann sich zB aus einem Gebührenbescheid der Friedhofsverwaltung, einem [X.] oder im Fall der Erbengemeinschaft einem - erfüllten oder tatsächlich geltend gemachten - Ausgleichsanspruch nach §§ 1968, 2058, 426 [X.] ergeben (zu Letzterem vgl [X.] Nordrhein-Westfalen vom 7.10.2016 - L 9 [X.] 414/16 B - juris Rd[X.] 7 f; [X.], jurisP[X.]-[X.], 3. Aufl 2020, § 74 Rd[X.]8; Gotzen, [X.] 2018, 121, 122; Gotzen, Die Sozialbestattung, 2. Aufl 2016, [X.]ap 2 Rd[X.]5 ff).

Eine [X.]ostenforderung liegt hier in Bezug auf die Bestatterkosten vor, denn die [X.]lägerin hat hierdurch jedenfalls einen möglichen Ausgleichsanspruch der Tochter als [X.] nach §§ 1968, 2058, 426 [X.] erfüllt. Ob sie einer darüber hinausgehenden [X.]ostenforderung - insbesondere als [X.] - ausgesetzt (gewesen) ist, kann mangels Feststellungen des [X.] nicht entschieden werden; gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob sie (über die geleisteten Zahlungen hinaus) als Gesamtschuldnerin einer Forderung aus dem [X.] ausgesetzt ist, weil Feststellungen dazu fehlen, ob sie neben der Tochter Vertragspartei wurde. Aus dem nur an die Tochter adressierten Gebührenbescheid der Stadt vom 7.8.2017 folgt ebenfalls nicht ohne Weiteres eine [X.]ostenforderung gegenüber der [X.]lägerin.

Darüber hinaus fehlen Feststellungen dazu, wofür [X.]osten im Einzelnen überhaupt angefallen sind, was zur Prüfung ihrer Erforderlichkeit aber unverzichtbar ist. Diese Prüfung verlangt eine den [X.] berücksichtigende Entscheidung unter Beachtung religiöser Bekenntnisse (Art 4 Grundgesetz ) mit Rücksicht auf die auch nach dem Tod zu beachtende Menschenwürde, bei der den angemessenen Wünschen der [X.] (§ 9 Abs 2 [X.]) und ggf des Verstorbenen (§ 9 Abs 1 [X.]) Rechnung zu tragen ist. Übernahmefähig sind nur die Bestattungskosten selbst, dh die [X.]osten, die unmittelbar der Bestattung dienen bzw mit ihrer Durchführung untrennbar verbunden und angemessen sind (hierzu und den erforderlichen Ermittlungen vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 10/18 R - [X.]-3500 § 74 [X.] Rd[X.]3; zum Verbot pauschaler Leistungsbegrenzung vgl B[X.] vom 25.8.2011 - [X.] [X.] 20/10 R - B[X.]E 109, 61 = [X.]-3500 § 74 [X.], Rd[X.]9). Insoweit hat das [X.] lediglich festgestellt, welche Rechnungsposten der Beklagte nicht anerkannt hat, ohne - wie im [X.] erforderlich - Grund und Höhe des Leistungsanspruchs in vollem Umfang zu überprüfen (stRspr; vgl B[X.] vom [X.] - [X.]a/11 [X.] 81/04 R - B[X.]E 95, 8 = [X.]-4300 § 140 [X.]; B[X.] vom 20.10.2005 - [X.]a [X.] 50/05 R - B[X.]E 95, 191 = [X.]-4300 § 37b [X.]; B[X.] vom 14.4.2011 - [X.] [X.] 12/09 R - B[X.]E 108, 123 = [X.]-3500 § 82 [X.] 7, Rd[X.]3; B[X.] vom 29.1.2008 - [X.]/7a [X.] 40/06 R - [X.]-4300 § 130 [X.] Rd[X.] 9).

Schließlich kann der [X.] nicht entscheiden, ob der [X.]lägerin die Tragung der zu ermittelnden erforderlichen [X.]osten zumutbar ist. Die Beurteilung der Zumutbarkeit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Überprüfung. Sie richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Sozialhilferechts unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls; wegen der von den üblichen sozialhilferechtlichen [X.] abweichenden Struktur des § 74 [X.] sind hierbei jedoch Besonderheiten zu beachten (vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 10/18 R - [X.]-3500 § 74 [X.] Rd[X.]4 ff; B[X.] vom 25.8.2011 - [X.] [X.] 20/10 R - B[X.]E 109, 61 = [X.]-3500 § 74 [X.], Rd[X.]4). Neben den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten können wegen des Zwecks des § 74 [X.] allerdings auch Umstände eine Rolle spielen, die im [X.] unbeachtlich sind. Hierzu zählt beispielsweise die wirtschaftliche Auswirkung der [X.]ostenbelastung im Einzelfall, selbst wenn sie nicht zur Überschuldung oder Sozialhilfebedürftigkeit des Verpflichteten führt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Verpflichteten (§§ 85 bis 91 [X.]) haben dennoch eine besondere Bedeutung bei der Prüfung der Zumutbarkeit: Liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem [X.] ([X.]B II) oder dem [X.] vor, ist regelmäßig von Unzumutbarkeit auszugehen. Dabei macht das Wort "soweit" in § 74 [X.] deutlich, dass bei einer teilweisen Zumutbarkeit die [X.]osten im Übrigen zu übernehmen sind (vgl zum Ganzen nur B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 10/18 R - [X.]-3500 § 74 [X.] Rd[X.]5 ff mwN).

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Bedürftigkeit bzw Unzumutbarkeit aus anderen Gründen ist nach allgemeinen sozialhilferechtlichen Grundsätzen und dem Sinn und Zweck des § 74 [X.] die Fälligkeit der Forderungen (§ 271 [X.]) über die Bestattungskosten (vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 10/18 R - [X.]-3500 § 74 [X.] Rd[X.]7 mwN). Die Rechnungen des Bestatters wurden im Juli 2017 gestellt, der Bescheid der Friedhofsverwaltung im August 2017 erlassen. Da es sich bei den Rechnungsdaten aber nur um Indizien für die Fälligkeit der Forderungen handelt, wird das [X.] diese noch festzustellen haben.

Erst nach der weiteren Feststellung des genauen Zeitpunkts der Gutschrift des von der Pflegekasse überwiesenen Betrags kann sodann entschieden werden, ob das Pflegegeld in den Nachlass fiel und in welcher Höhe - wie der Beklagte meint - im maßgeblichen Zeitpunkt überhaupt ein Nachlass vorhanden war (§ 1968 iVm § 1967 Abs 2 [X.]). Der genaue Buchungszeitpunkt ist dabei regelmäßig ohne Schwierigkeiten feststellbar, weil die Rechenzentren der Banken alle Vorgänge [X.] festhalten (vgl B[X.] vom [X.] - [X.]-1500 § 170 [X.] Rd[X.]7 ff; [X.] <[X.]> vom 28.10.1998 - VIII ZR 157/97 - juris Rd[X.] 9). Der Nachweis der Stunde und Minute des Todes erfolgt anhand der entsprechenden Eintragung im Sterberegister bzw der vom Standesbeamten ausgestellten Sterbeurkunde (§§ 31, 54, 55, 60 Personenstandsgesetz ); der Nachweis der Unrichtigkeit der Eintragung ist dabei zulässig (§ 54 Abs 3 PStG).

Ist die Gutschrift erst nach Eintritt des Todes des Ehemanns erfolgt, dürfte die [X.]lägerin wegen der ausgezahlten Sozialleistung [X.] geworden sein (vgl § 56 Abs 1 Satz 1 [X.] Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - <[X.]B I>); dann wäre das Pflegegeld, anders als es das [X.] für seine rechtliche Beurteilung vorausgesetzt hat, nicht in den Nachlass gefallen. Nach § 56 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B I stehen nämlich fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten dem Ehegatten zu, sofern er mit dem Berechtigten zur [X.] in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Dagegen liegt kein Fall des § 19 Abs 6 Halbsatz 1 Alt 2 [X.] vor, der [X.] für den Anspruch auf "Pflegegeld" einen gesetzlichen Forderungsübergang im Todesfall vorsieht; denn "Pflegegeld" iS des § 19 Abs 6 [X.] ist nur das Pflegegeld nach § 64a Abs 1 Satz 2 [X.] (vgl nur [X.] in jurisP[X.]-[X.], 3. Aufl 2020, § 19 [X.] Rd[X.] 63).

Ist der Anspruch auf Pflegegeld auf die [X.]lägerin als [X.] übergegangen, weil - was hier nahe liegt - die Eheleute zuletzt vor dem Tod des Ehemanns in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben, handelt es sich bei dem aus seiner Erfüllung resultierenden Guthaben im Zeitpunkt der Fälligkeit der Bestattungskosten jedenfalls um Vermögen der [X.]lägerin iS des § 90 [X.] (vgl zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nur B[X.] vom 19.5.2009 - [X.] [X.] 35/07 R - [X.]-3500 § 82 [X.] 5 Rd[X.]4). Soweit im Zeitpunkt der Fälligkeit der Bestattungskosten das Vermögen überhaupt noch vorhanden war, unterfällt es zwar keinem der in § 90 Abs 2 [X.] bis 8 [X.] genannten Ausnahmetatbestände, wäre aber vom allgemeinen Schonbetrag gemäß § 90 Abs 2 [X.] 9 [X.] iVm § 1 Satz 1 [X.] der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 [X.] 9 des [X.] (idF der [X.] zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 [X.] 9 des [X.] vom 22.3.2017, [X.] 519) iHv 5000 Euro erfasst gewesen. Soweit dieser Schonbetrag überschritten wurde, wird das [X.] zu prüfen haben, inwieweit das übersteigende Vermögen der Härtefallregelung des § 90 Abs 3 Satz 1 [X.] unterfällt, wonach die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden darf, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde (zur Beurteilung der Härte unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vgl B[X.] vom 25.8.2011 - [X.] [X.] 19/10 R - juris Rd[X.]2; B[X.] vom 11.12.2007 - [X.]/9b [X.] 20/06 R - [X.]-3500 § 90 [X.] Rd[X.]5 f).

Der Charakter als Sozialleistungsanspruch ändert sich im Fall der Sonderrechtsnachfolge grundsätzlich nicht, weil der Anspruch in dem Zustand übergeht, in dem er dem Berechtigten zustand (vgl hierzu [X.] in [X.]asseler [X.]omm, Stand Juli 2020, § 56 [X.]B I Rd[X.]4; [X.] in jurisP[X.]-[X.]B I, 3. Aufl 2018, § 56 Rd[X.] 43; [X.] in [X.]nickrehm/[X.]reikebohm/Waltermann, [X.]omm zum Sozialrecht, 6. Aufl 2019, § 56 [X.]B I Rd[X.]2). Für die [X.] ist in diesem Fall also der Zweck des Pflegegelds zu berücksichtigen, der darin liegt, die erforderlichen körperbezogenen Pflege- und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung des Pflegebedürftigen zu decken (vgl nur [X.] vom 29.1.2020 - [X.] 500/19 - juris). Ob dieser Zweck auch bei nachträglicher Auszahlung des Pflegegelds noch erreicht werden konnte, wird das [X.] aufzuklären haben.

Bei der [X.] wird zunächst dem Umstand Bedeutung zukommen, dass es sich offenbar um eine Nachzahlung von Pflegegeld für die Monate März bis Mai 2017 handelt (zur regelmäßig monatlichen Zahlungsweise vgl B[X.] vom 25.10.1994 - 3/1 R[X.] 51/93 - [X.] 3-2500 § 57 [X.] 4, [X.], 13; Hessisches [X.] vom 30.10.2008 - L 8 P 19/07 - juris Rd[X.]1; [X.] in LP[X.]-[X.]B XI, 5. Aufl 2018, § 37 Rd[X.]5; [X.] in jurisP[X.]-[X.]B XI, 2. Aufl 2017, § 37 Rd[X.]1). Sollte sich hierfür ein Grund ergeben, den der Ehemann nicht beeinflussen konnte, könnte der Sachverhalt anders bei angespartem Pflegegeld zu beurteilen sein (vgl dazu [X.] vom 29.1.2020 - [X.] 500/19 - juris), weil der Ehemann selbst das Vermögen nicht angespart hatte und es ihm als Einkommen nicht zeitnah zur zweckentsprechenden Verwendung zur Verfügung stand (ähnlich B[X.] vom 30.4.2020 - [X.] [X.] 12/18 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, zur Härte im Hinblick auf Vermögen aus einer nachgezahlten Grundrente nach dem [X.] ).

Das [X.] wird ferner zur Beurteilung der Härte zu ermitteln haben, ob im Zeitpunkt des Zuflusses Verbindlichkeiten aus Aufwendungen für die Pflege gegenüber Dritten oder der [X.]lägerin bestanden haben und der seinem Zweck entsprechende Einsatz des Pflegegeldes noch möglich war. Nur wenn dabei festgestellt werden kann, dass auf Grundlage einer Verabredung der Eheleute das Pflegegeld wegen der erbrachten Pflegeleistungen stets zum alleinigen Verbrauch durch die [X.]lägerin bestimmt war, kann dies zu einem Härtegesichtspunkt in ihrer Person führen. Haben die Eheleute mit dem Pflegegeld dagegen gemeinsam gewirtschaftet, sind Härtegesichtspunkte nach dem Tod des Ehemanns mit dem allgemeinen Vermögensschonbetrag für die [X.]lägerin nach § 90 Abs 2 [X.] 9 [X.] im Grundsatz abgegolten.

Ist die Gutschrift auf dem Bankkonto hingegen vor Eintritt des Todes erfolgt, scheidet eine Sonderrechtsnachfolge aus, weil der [X.] bei Eintritt des Todes des Ehemanns durch die erfolgte Gutschrift bereits erfüllt war. Gehörte der gesamte vor Eintritt des [X.] auf dem Bankkonto gutgeschriebene Betrag zum Nachlass, ist der vollständige Einsatz des Nachlasses den Erben aber im Grundsatz zumutbar (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 10/18 R - [X.]-3500 § 74 [X.] Rd[X.]2; B[X.] vom 25.8.2011 - [X.] [X.] 20/10 R - B[X.]E 109, 61 = [X.]-3500 § 74 [X.], Rd[X.]6). Daran hält der [X.] auch für die vorliegende [X.]onstellation fest.

Zur Beurteilung, ob das Guthaben auf dem Empfängerkonto ganz oder nur zur Hälfte in den Nachlass fiel (und also auch nur insoweit als Nachlassvermögen zur Zahlung von Bestattungskosten einzusetzen ist), bedarf es aber noch weiterer tatsächlicher Feststellungen des [X.]. Bei einer Überweisung erlischt ein Anspruch durch Erfüllung (§ 362 Abs 1 [X.]) mit der Gutschrift des geschuldeten Betrags auf dem Empfängerkonto (vgl [X.] vom 28.10.1998 - VIII ZR 157/97 - juris Rd[X.] 9; [X.] vom 20.7.2010 - [X.]/07 - [X.]Z 186, 269 Rd[X.]1). Mangels abweichender Regelungen gilt dies auch für Ansprüche auf Sozialleistungen (vgl nur B[X.] vom 17.12.2013 - [X.] [X.] 13/12 R - B[X.]E 115, 106 = [X.]-4300 § 143a [X.], Rd[X.]2 mwN).

Deshalb wird das [X.] im Hinblick auf die Höhe des Nachlasses zu prüfen haben, ob das Bankkonto - dem Regelfall entsprechend (vgl [X.] in [X.]/[X.], HGB, 39. Aufl 2020, 2. Teil, V, (7) Bankgeschäfte Rd[X.] A/39; Weidlich in [X.], [X.], 79. Aufl 2020, § 1922 Rd[X.]1) - als Gemeinschaftskonto der Eheleute mit [X.] (sog "Oder-[X.]onto") geführt wurde. In diesem Fall konnte - sofern keine anderweitige Absprache der Eheleute vorlag - nur die Hälfte des im Todeszeitpunkt auf dem [X.]onto vorhandenen Guthabens vererbt werden; die andere Hälfte stand nach § 426 Abs 1 Satz 1 iVm § 430 [X.] - unabhängig von der Herkunft der dem [X.]onto zufließenden Mittel sowie unabhängig vom jeweiligen Güterstand - von vornherein im Eigentum der [X.]lägerin (vgl [X.] vom [X.] - [X.] - juris Rd[X.]5; [X.] vom 29.11.1989 - [X.] - juris Rd[X.]; [X.] vom 25.2.1997 - [X.] - juris Rd[X.]; [X.] vom 30.10.1990 - [X.] - juris Rd[X.]4). Dies gilt auch beim Tod eines Ehegatten (vgl Oberlandesgericht Bamberg vom [X.] - 3 U 157/17 - juris Rd[X.]5; OLG des [X.] vom 24.11.2006 - 10 U 32/06 - juris Rd[X.] 60 ff; OLG [X.]öln vom 14.12.1999 - 15 U 79/99 - juris Rd[X.]9 ff; [X.] in [X.] [X.]ommentar zum [X.], 8. Aufl 2020, § 1922 Rd[X.] 60; Weidlich in [X.], [X.], 79. Aufl 2020, § 1922 Rd[X.]1; [X.] in [X.], [X.], 2017, § 430 Rd[X.]3; vgl für die nichteheliche Lebensgemeinschaft [X.] vom 22.10.1981 - 12 U 9/81 - FamRZ 1982, 63).

Sollte es sich bei dem Bankkonto dagegen um ein Einzelkonto des Ehemanns gehandelt haben, für das der [X.]lägerin ggf eine Vollmacht erteilt war, spricht vieles dafür, dass der gesamte vor Eintritt des [X.] gutgeschriebene Betrag in den Nachlass fiel und folglich vererbt wurde (§ 1922 Abs 1 [X.]). Denn dem Inhaber eines [X.] steht im Regelfall das Guthaben auch im Innenverhältnis der Ehegatten allein zu (vgl nur [X.] vom 11.9.2002 - [X.] - juris Rd[X.]5). In diesem Fall ist es aber, seinem Zweck entsprechend (§ 1968 [X.] iVm § 1967 Abs 2 [X.]), vollständig für die Bestattung einzusetzen. Die das Pflegegeld als Einkommen privilegierenden Vorschriften (vgl insbesondere § 13 Abs 5 [X.]B XI) stehen - anders als das [X.] meint - seinem Einsatz schon deshalb nicht entgegen, weil es sich nicht mehr um "Pflegegeld" oder eine von der übrigen Erbschaft zu trennende sonstige zweckbestimmte Leistung iS des § 83 Abs 1 [X.] handelt, die der [X.]lägerin als Pflegeperson zusteht. Es handelt sich bei dem Bankguthaben vielmehr um ein abstraktes Schuldanerkenntnis bzw Schuldversprechen (§§ 780, 781 [X.]) der Bank (vgl nur [X.] vom [X.] - [X.]Z 103, 143, 146), das nach dem in § 1922 [X.] begründeten Grundsatz der Universalsukzession als Teil des übrigen Vermögens des Ehemanns mit dem Erbfall kraft Gesetzes insgesamt und ungeteilt "als Ganzes" auf die Erben übergegangen ist (vgl nur Weidlich in [X.], [X.], 79. Aufl 2020, § 1922 Rd[X.]0 mwN) und bis zur Auseinandersetzung als Teil des Nachlasses "gemeinschaftliches Vermögen" aller Miterben wurde (§ 2032 Abs 1 [X.]). Der Umstand, dass ein Mitglied der Erbengemeinschaft - wie hier - zugleich Pflegeperson des Erblassers ist, ändert daran nichts.

Das [X.] wird ggf auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 8/19 R

11.09.2020

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 28. November 2018, Az: S 6 SO 1683/18, Urteil

§ 74 SGB 12, § 90 Abs 1 SGB 12, § 90 Abs 2 Nr 9 SGB 12, § 90 Abs 3 S 1 SGB 12, § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 1, § 1968 BGB, § 271 Abs 1 BGB, § 1 S 1 Nr 1 BSHG§88Abs2DV 1988

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.09.2020, Az. B 8 SO 8/19 R (REWIS RS 2020, 2448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2448

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 500/19

XI ZR 236/07

3 U 157/17

15 U 79/99

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