Bundessozialgericht, Urteil vom 14.06.2018, Az. B 14 AS 28/17 R

14. Senat | REWIS RS 2018, 7807

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Gegenstand

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG - Vereinbarkeit mit EGRL 83/2004 - Verfassungsmäßigkeit)


Leitsatz

Weder die Richtlinie 2004/83/EG (juris: EGRL 83/2004) noch das Grundgesetz steht dem Ausschluss von Familienangehörigen anerkannter Flüchtlinge, die selbst nur über eine Duldung verfügen und deshalb Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (juris: AsylbLG) sind, von Leistungen nach dem SGB II entgegen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 30. März 2017 wird zurückgewiesen.

Kosten sind für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist der Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] statt Leistungen nach dem [X.] für November 2010.

2

Die 1996 geborene Klägerin reiste 2002 zusammen mit ihrer Mutter und fünf Geschwistern, alle [X.] Staatsangehörige, in die [X.] ein. Der Vater der Klägerin und Ehemann ihrer Mutter, ebenfalls [X.]r Staatsangehöriger, hielt sich bereits seit 1999 in [X.] auf und wurde hier im [X.] als Flüchtling anerkannt (§ 51 [X.] aF). Zwei weitere Geschwister [X.]r Staatsangehörigkeit sind als Flüchtlinge anerkannt. Die Asylanträge der Klägerin, ihrer Mutter und der mit ihr eingereisten Geschwister wurden rechtskräftig abgelehnt; seit 2004 sind sie im Besitz einer Duldung (§ 60a AufenthG).

3

Die Klägerin bezog zusammen mit ihrer Mutter und den mit ihr eingereisten Geschwistern zunächst Grundleistungen nach § 3 [X.] und sodann [X.] nach § 2 [X.] von der [X.]. Für November 2010 bewilligte das beklagte Jobcenter dem Vater der Klägerin sowie ihren als Flüchtlingen anerkannten Geschwistern Leistungen nach dem [X.] (Bescheid vom 15.10.2010). Den Widerspruch der Klägerin, ihrer Mutter und der mit ihr eingereisten Geschwister hiergegen, mit dem auch sie einen Anspruch auf Leistungen nach dem [X.] geltend machten, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 10.3.2011).

4

Auf die hiergegen erhobenen Klagen hat das [X.] nach Beiladung der [X.] als Träger der Leistungen nach dem [X.] den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 15.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.3.2011 verurteilt, der Klägerin, ihrer Mutter und den mit ihr eingereisten Geschwistern Leistungen nach dem [X.] für November 2010 zu gewähren (Urteil vom 11.3.2013). Deren Anspruch auf Leistungen nach dem [X.] folge aus der gegenüber dem Leistungsausschluss nach dem [X.] für Leistungsberechtigte nach dem [X.] höherrangigen Richtlinie 2004/83/[X.]. Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] das Urteil des [X.] geändert und die Klagen abgewiesen, soweit der Beklagte zur Gewährung von Leistungen nach dem [X.] verurteilt worden war, sowie die Beigeladene verurteilt, den damaligen Klägern [X.] nach § 2 [X.] für November 2010 zu gewähren (Urteil vom [X.]). Deren Anspruch auf Leistungen nach dem [X.] stehe der Leistungsausschluss für Leistungsberechtigte nach dem [X.] entgegen. Aus der Richtlinie 2004/83/[X.] folge kein Anspruch auf Leistungen nach dem [X.]. Doch bestehe (auch) für November 2010 ein Anspruch auf [X.] nach § 2 [X.].

5

Mit der vom [X.] zugelassenen und nur von der Klägerin eingelegten Revision macht diese geltend, dass ihr als Familienangehörige eines anerkannten Flüchtlings ein Anspruch auf Leistungen nach dem [X.] aus dem gegenüber dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.] höherrangigen Recht der Richtlinie 2004/83/[X.] zustehe.

6

Nachdem die Beteiligten durch einen Teilvergleich im Termin vor dem Senat den streitigen Zeitraum auf November 2010 beschränkt haben, beantragt die Klägerin,

das Urteil des [X.] vom 30. März 2017 zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11. März 2013 zurückzuweisen, soweit dieses hinsichtlich ihrer Person für November 2010 geändert wurde und ihr statt Leistungen nach dem [X.] nur Leistungen nach dem [X.] zugesprochen wurden.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Das [X.] hat auf die Berufung des Beklagten zu Recht das Urteil des [X.] insoweit geändert und die Klage abgewiesen, als der Beklagte zur Gewährung von Leistungen nach dem [X.]B II verurteilt worden war.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die vorinstanzlichen Entscheidungen und der Bescheid vom 15.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.3.2011, mit dem der Beklagte ua gegenüber der Klägerin die Gewährung von Leistungen nach dem [X.]B II abgelehnt hatte. Mit ihrer zulässig auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 [X.]G) gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.]G) begehrt die Klägerin Leistungen nach dem [X.]B II statt der ihr zuletzt vom [X.] zugesprochenen [X.] nach § 2 [X.]. Streitiger Zeitraum ist nach dem Teilvergleich der Beteiligten vor dem [X.] nur noch November 2010.

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Auch wenn die Klägerin für November 2010 [X.] nach § 2 [X.] zugesprochen erhalten hat, die im Wesentlichen gleich wie die begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II ausgestaltet sind, besteht nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis, denn sie hat ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Klärung, welche Leistungen ihr zugestanden haben (vgl B[X.] vom 12.11.2015 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]0).

3. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Leistungen nach dem [X.]B II für November 2010 ist mit Blick auf den Zugang zu diesen Leistungen § 7 [X.]B II (in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung des [X.] vom 23.12.2007, [X.] 3254; [X.], vgl B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.] f) und § 28 [X.]B II (in der ab 6.3.2009 geltenden Fassung des [X.] in [X.] vom [X.], [X.] 416 = aF).

4. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem [X.]B II. Zwar erfüllte sie die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 2 Satz 1 und § 28 Abs 1 Satz 1 [X.]B II aF (dazu 5.), unterlag jedoch dem Leistungsausschluss vom [X.]B II nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.]B II (dazu 6.). Diesem stehen weder [X.] (dazu 7.) noch das [X.] (dazu 8.) entgegen.

5. Die Klägerin erfüllte nach den Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) die Voraussetzungen des § 7 Abs 2 Satz 1 [X.]B II, wonach Leistungen auch Personen erhalten, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (heute: [X.]) in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Der Vater der im November 2010 unter 15 Jahre alten Klägerin war ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (§ 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II) und sie lebte mit ihm - und weiteren Familienmitgliedern - aufgrund ihrer Hilfebedürftigkeit in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 [X.] [X.]B II). Sie erfüllte auch die Voraussetzungen nach § 28 Abs 1 Satz 1 [X.]B II aF, wonach nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld erhalten, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des [X.]B XII haben. Die Klägerin war als unter 15-Jährige nicht erwerbsfähig (vgl B[X.] vom 28.10.2014 - [X.] [X.]5/13 R - B[X.]E 117, 186 = [X.] 4-4200 § 7 [X.], Rd[X.]6) und ohne Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

6. Die Klägerin war indes nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.]B II von Leistungen nach dem [X.]B II ausgeschlossen.

a) Nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.]B II sind "ausgenommen" - also keine leistungsberechtigten Personen iS des § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II und ohne [X.] nach dem [X.]B II - Leistungsberechtigte nach § 1 [X.]. Dieser Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.]B II findet ungeachtet seines [X.] Anwendung nicht nur auf die von § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II, sondern auch auf die von § 7 Abs 2 Satz 1 [X.]B II erfassten Personen. Der [X.] hat bereits entschieden, dass der Ausschluss von Leistungen nach dem [X.]B II für Leistungsberechtigte nach dem [X.] auch gilt für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige, die mit einem Leistungsempfänger nach dem [X.]B II in Bedarfsgemeinschaft leben (B[X.] vom 21.12.2009 - [X.] [X.]6/08 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.]). Hieran ist festzuhalten.

Anderes folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht aus später ergangener Rechtsprechung des [X.] (Hinweis auf [X.] vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua - [X.]E 132, 134 = [X.] 4-3520 § 3 [X.]). Denn dieser ist nicht zu entnehmen, dass eine Differenzierung zwischen Personen bei der Zuordnung zu verschiedenen existenzsichernden Leistungssystemen schlechterdings verfassungsrechtlich unzulässig ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das nach Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 [X.] zu gewährleistende Existenzminimum für jede individuelle hilfebedürftige Person ausreichend bemessen ist ([X.] vom [X.] - 1 BvR 371/11 - [X.]E 142, 353 = [X.] 4-4200 § 9 [X.], Rd[X.]3). Eine unterschiedliche Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen in verschiedenen Leistungssystemen ist indes am Maßstab des Art 3 Abs 1 [X.] zu prüfen ([X.] vom [X.] - 1 BvR 371/11 - [X.]E 142, 353 = [X.] 4-4200 § 9 [X.], RdNr 68 ff; dazu 8.).

b) Die Klägerin hielt sich im November 2010 nach den Feststellungen des [X.] als Ausländerin tatsächlich im [X.] auf und war im Besitz einer Duldung nach § 60a [X.], weshalb sie Leistungsberechtigte nach § 1 Abs 1 [X.] [X.] war und dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.]B II unterlag. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob für die Klägerin statt der Duldung ein anderer, nicht von § 1 Abs 1 [X.] erfasster Aufenthaltstitel in Betracht kam, der ihr den Zugang zu Leistungen nach dem [X.]B II eröffnet hätte. Denn soweit der Ausschluss von Leistungen nach dem [X.]B II an den Besitz eines bestimmten Aufenthaltstitels geknüpft ist, kommt dem Besitz dieses Titels [X.] zu. Auch dies hat der [X.] bereits entschieden (B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.] R - B[X.]E 117, 297 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]1) und hält hieran fest.

7. Mit [X.] ist dieser Leistungsausschluss vereinbar. Insbesondere steht diesem nicht entgegen die Richtlinie 2004/83/[X.] vom [X.] über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ([X.] 304, 12; sog Qualifikationsrichtlinie, im Folgenden [X.] 2004/83/[X.]; aufgehoben mWv 21.12.2013 durch Art 40 der Richtlinie 2011/95/[X.] vom 13.12.2011, [X.] 337, 9).

Zwar enthält die [X.] 2004/83/[X.] (zu deren Systematik und Zielen vgl [X.] vom 18.12.2014 - [X.]/13 - juris, RdNr 35 ff, 44) einschlägige Regelungen zu Sozialhilfeleistungen für Familienangehörige von anerkannten Flüchtlingen und es gehörte die Klägerin diesem Personenkreis an (Art 2 Buchst d und h [X.] 2004/83/[X.]). Doch entsprach das [X.] Recht bereits den mit diesen Richtlinienregelungen iS von Art 288 Abs 3 A[X.]V zu erreichenden Zielen, weshalb die [X.] 2004/83/[X.] keinen Umsetzungsbedarf mit Blick auf die Abgrenzung der existenzsicherungsrechtlichen Leistungssysteme in [X.] auslöste.

a) Nach Art 28 Abs 1 [X.] 2004/83/[X.] tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diese Rechtsstellung gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten. Sie tragen nach Art 23 Abs 2 [X.] 2004/83/[X.] zudem dafür Sorge, dass die Familienangehörigen der Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Status erfüllen, gemäß den einzelstaatlichen Verfahren Anspruch ua auf die in Art 28 [X.] 2004/83/[X.] genannte Vergünstigung erhalten, sofern dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist.

Die danach für Sozialhilfeleistungen an Familienangehörige anerkannter Flüchtlinge einschlägige [X.] 2004/83/[X.] war nach ihrem Art 38 bis zum 10.10.2006 umzusetzen und ist umgesetzt worden durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der [X.] vom 19.8.2007 ([X.] 1970), ohne hierbei Änderungen bei der Abgrenzung der existenzsicherungsrechtlichen Leistungssysteme vorzunehmen.

Eine der Umsetzung bedürfende Vorgabe, dass ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen für Familienangehörige anerkannter Flüchtlinge aus einem bestimmten mitgliedstaatlichen Existenzsicherungssystem zu bestehen hat, ist Art 28 Abs 1 iVm Art 23 Abs 2 [X.] 2004/83/[X.] indes auch nicht zu entnehmen. Die [X.] 2004/83/[X.] verhält sich mit dem Begriff der Sozialhilfe nicht zur gesetzlichen Ausgestaltung der Abgrenzung von und der Zuordnung zu Existenzsicherungssystemen durch die und in den Mitgliedstaaten. Sie gibt vor, dass überhaupt ein Zugang zur Existenzsicherung zu bestehen hat und zwar zu einer gesetzlich ausgestalteten, wenn auch die Sozialhilfeleistungen für die eigenen Staatsangehörigen gesetzlich ausgestaltet sind. Aus der [X.] 2004/83/[X.] folgt jedoch die Vorgabe, Flüchtlingen und ihren Familienangehörigen "die notwendige Sozialhilfe" so zu gewährleisten, wie sie eigenen Staatsangehörigen gewährleistet wird. Formuliert ist damit eine materielle Vergleichbarkeit, ohne eine der Umsetzung bedürfende Vorgabe, wie diese im mitgliedstaatlichen Leistungssystem [X.] herzustellen ist.

Weiteres lässt sich Art 28 Abs 1 iVm Art 23 Abs 2 [X.] 2004/83/[X.] schon aufgrund des Fehlens einer autonomen und einheitlichen unionsrechtlichen Definition des Begriffs der Sozialhilfe und aufgrund des dortigen Verweises auf das mitgliedstaatliche Recht nicht entnehmen; zu gewährleisten ist indes die praktische Wirksamkeit der [X.] 2004/83/[X.] durch die und in den Mitgliedstaaten (vgl [X.] vom 24.4.2012 - C-571/10 - juris Rd[X.] ; zu [X.] mit Blick auf den Begriff der Sozialhilfe in [X.] 2004/38/[X.] vgl [X.] vom 19.9.2013 - [X.]/12 - juris RdNr 61; [X.] vom 11.11.2014 - [X.]/13 - juris RdNr 63). Vor diesem Hintergrund stellt sich dem [X.] vorliegend keine unionsrechtliche Zweifelsfrage, die dem [X.] nach Art 267 Abs 3 A[X.]V vorzulegen wäre (vgl zu den Maßstäben insoweit zuletzt [X.] vom [X.] - [X.]/14 - juris RdNr 36 ff; [X.] vom 9.5.2018 - 2 BvR 37/18 - juris, Rd[X.]3 ff).

b) Diesen in der [X.] 2004/83/[X.] niedergelegten Zielvorgaben entsprachen die Regelungen zur Abgrenzung und zum Inhalt der existenzsicherungsrechtlichen Leistungssysteme bei Ablauf der Umsetzungsfrist, ohne dass es deren Änderung bedurfte.

Ein Zugang zur Existenzsicherung ist durch die existenzsicherungsrechtlichen Leistungssysteme des [X.]B II, [X.]B XII und [X.] je nach ihrem leistungsberechtigten Personenkreis eröffnet. Ein Ausschluss vom Zugang zu jeglicher Hilfe trotz Hilfebedürftigkeit ist in diesem gesetzlichen Leistungssystem nicht vorgesehen (vgl B[X.] vom 30.8.2017 - [X.] [X.]/16 R - vorgesehen für B[X.]E und [X.] 4-4200 § 7 [X.], RdNr 31, 39, 48).

Zugang zu einem existenzsicherungsrechtlichen Leistungssystem hatte auch die Klägerin, der im November 2010 [X.] nach § 2 [X.] zustanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin hindert die [X.] 2004/83/[X.] nicht bereits deshalb ihre Zuordnung zum [X.], weil [X.] Staatsangehörige nicht von diesem Gesetz erfasst werden. Die [X.] 2004/83/[X.] bezieht sich mit der Wendung in Art 28 Abs 1, dass anerkannte Flüchtlinge "die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten" auf eine materielle Rechtsposition, nicht auf deren konkrete gesetzliche Ausgestaltung. Hinzu kommt, dass der für Familienangehörige anerkannter Flüchtlinge einschlägige Art 23 Abs 2 [X.] 2004/83/[X.] mit den Wendungen "gemäß den einzelstaatlichen Verfahren" und "sofern dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist" auch mit Blick auf diese materielle Rechtsposition Differenzierungen nicht ausschließt und einer Anknüpfung für diese an unterschiedliche Aufenthaltsrechte nicht entgegensteht.

Die zu gewährleistende materielle Vergleichbarkeit ist aufgrund der Vergleichbarkeit der existenzsicherungsrechtlichen Leistungssysteme des [X.]B II, [X.]B XII und [X.] mit Blick auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gewahrt (vgl nur B[X.] vom 30.8.2017 - [X.] [X.]/16 R - vorgesehen für B[X.]E und [X.] 4-4200 § 7 [X.], RdNr 31 mwN), auch wenn unterschiedliche Aufenthaltsrechte zum Zugang zu unterschiedlichen Leistungssystemen führen können. Vergleichbarkeit besteht erst recht bei Zugang zu [X.] nach § 2 [X.], wenn in Abhängigkeit von der Dauer eines Vorbezugs von Leistungen Ausländern wegen ihres nicht nur vorübergehenden Aufenthalts in [X.] und trotz [X.] nach § 1 Abs 1 [X.] Leistungen entsprechend dem [X.]B XII erbracht werden (vgl näher zum Zugang zu diesen [X.] B[X.] vom [X.] [X.] R - B[X.]E 119, 99 = [X.] 4-3520 § 2 [X.], Rd[X.]3 ff, unter Berücksichtigung von [X.] vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua - [X.]E 132, 134 = [X.] 4-3520 § 3 [X.]). Diese Leistungen hat das [X.] der Klägerin trotz des [X.] ihrer Duldung wegen ihrer Aufenthaltsverfestigung für November 2010 zugesprochen.

Das auf die Klägerin angewandte gesetzliche Leistungssystem, das mit seinen existenzsicherungsrechtlichen Teilsystemen der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dient, ist danach insgesamt in den Blick zu nehmen. Eine auf die Leistungsausschlussregelung in § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.]B II verkürzte Perspektive wird diesem System nicht gerecht. Zudem bestanden für die Klägerin auch insoweit noch Gestaltungsmöglichkeiten durch die zumutbare Inanspruchnahme von Rechtsschutz mit dem Ziel, ein anderes Aufenthaltsrecht zu erlangen und hierüber vermittelt Zugang zu einem anderen Existenzsicherungssystem zu erhalten (vgl dazu B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.] R - B[X.]E 117, 297 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]1, Rd[X.]).

c) Angesichts des Fehlens eines [X.] kommt es nicht darauf an, ob der [X.] 2004/83/[X.] eine unmittelbare Wirkung zukommt und die Klägerin hierauf gestützt existenzsichernde Leistungen nach dem [X.]B II statt [X.] nach § 2 [X.] beanspruchen könnte. Indes hat das B[X.] bereits entschieden, dass die [X.] 2004/83/[X.] keine unmittelbaren Leistungsansprüche nach dem [X.]B II vermittelt, soweit sie vorsieht, dass den von ihr erfassten Drittstaatsangehörigen und ihren Familienangehörigen die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zu gewähren ist (B[X.] vom [X.] [X.] R - B[X.]E 119, 99 = [X.] 4-3520 § 2 [X.]). Dem schließt sich der [X.] an. Mangels [X.] ist auch eine richtlinienkonforme Auslegung nicht geboten, die entgegen § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.]B II den Zugang zu Leistungen nach dem [X.]B II eröffnet. Außerdem würde eine solche Auslegung die ihr gezogenen Grenzen überschreiten (vgl dazu B[X.] vom [X.] [X.] R - B[X.]E 119, 99 = [X.] 4-3520 § 2 [X.], Rd[X.]0).

8. Verfassungsrecht steht dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.]B II nicht entgegen.

a) Insbesondere ist dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 [X.] (grundlegend [X.] vom [X.] - 1 BvL 1/09 ua - [X.]E 125, 175 = [X.] 4-4200 § 20 [X.]) kein Anspruch auf Leistungen aus einem bestimmten Existenzsicherungssystem zu entnehmen. Geboten ist insoweit durch dieses Grundrecht als auf Ausgestaltung durch den Gesetzgeber angelegtes Gewährleistungsrecht ein gesetzlich ausgestalteter Zugang zu Leistungen bei Hilfebedürftigkeit (zum Inhalt des Gewährleistungsrechts vgl näher B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/15 R - B[X.]E 121, 55 = [X.] 4-4200 § 43 [X.], RdNr 35 ff). Dem wird auch durch die Eröffnung des Zugangs zu existenzsichernden Leistungen nach dem [X.] genügt. Diese Leistungen sind - ungeachtet ihrer unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung im Einzelnen - strukturell gleichwertig mit denen des [X.]B II wie des [X.]B XII (vgl zur strukturellen Gleichwertigkeit der existenzsichernden Leistungssysteme B[X.] vom 12.12.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 12 [X.]2 Rd[X.]0; B[X.] vom 25.6.2015 - [X.] AS 17/14 R - B[X.]E 119, 164 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]8 ff).

b) Die trotz struktureller Gleichwertigkeit der Existenzsicherungssysteme verbleibende Ungleichbehandlung der Klägerin im Vergleich zu Personen, die aufgrund von in § 1 Abs 1 [X.] nicht erfassten Aufenthaltstiteln Zugang zu im Einzelfall gegenüber denen nach dem [X.] weitergehenden Leistungen nach dem [X.]B II haben, ist am Maßstab des Art 3 Abs 1 [X.] zu rechtfertigen (zur Maßstabsbildung insoweit vgl [X.] vom [X.] - 1 BvR 371/11 - [X.]E 142, 353 = [X.] 4-4200 § 9 [X.], RdNr 74). Die leistungsberechtigten Personenkreise beider Existenzsicherungssysteme unterscheiden sich mit ihrer Differenzierung nach Aufenthaltstiteln und der durch sie vermittelten Bleibeperspektive grundsätzlich in einem Maße voneinander, das es bereits fraglich erscheinen lässt, ob mit Blick auf die Ausgestaltung der Leistungen überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen. Jedenfalls sind die unterschiedlichen Ausgestaltungen sachlich gerechtfertigt, weil das [X.] typischerweise Hilfebedürftige erfasst, deren Bleibeperspektive ungesichert ist und deren Integrationsaussichten deshalb eingeschränkt sind. Demgegenüber erfasst das [X.]B II typischerweise Hilfebedürftige mit gesicherter Bleibeperspektive, deren Leistungen zur Existenzsicherung durch Leistungen zur Eingliederung in Arbeit ergänzt werden, um sie (wieder) in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Diese Unterschiede genügen, um für die betroffenen leistungsberechtigten Personenkreise unterschiedliche Leistungen sachlich zu begründen (so bereits B[X.] vom 13.11.2008 - [X.] AS 24/07 R - B[X.]E 102, 60 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]0; B[X.] vom [X.] - [X.] AS 41/07 R - juris, Rd[X.]3; B[X.] vom 15.12.2010 - [X.] KG 1/09 R - juris, Rd[X.]). An dieser Rechtsprechung hält der [X.] fest, nachdem das [X.] die Bestimmung des leistungsberechtigten Personenkreises durch § 1 [X.] für den hier streitigen November 2010 nicht beanstandet hat (vgl [X.] vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua - [X.]E 132, 134 = [X.] 4-3520 § 3 [X.]).

Hinzu kommt, dass in Abhängigkeit von der Dauer eines Vorbezugs von Leistungen Leistungsberechtigte nach § 1 Abs 1 [X.] wegen ihres nicht nur vorübergehenden Aufenthalts in [X.] über § 2 [X.] Zugang zu [X.] haben, die weithin denen des [X.]B II entsprechen (vgl dazu B[X.] vom 13.11.2008 - [X.] AS 24/07 R - B[X.]E 102, 60 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]0, Rd[X.]9). Diese hat die Klägerin trotz [X.] ihrer Duldung wegen ihrer Aufenthaltsverfestigung vom [X.] für November 2010 zugesprochen erhalten. Zudem war ihr nicht schlechterdings der Zugang zu [X.]B II-Leistungen versperrt; auch insoweit gilt, dass für sie die zumutbare Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz zur Änderung des Aufenthaltstitels bestand (s oben Rd[X.]9).

c) Etwas Anderes folgt vorliegend nicht aus der Entscheidung des [X.] zur Höhe der Geldleistungen nach § 3 [X.] ([X.] vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua - [X.]E 132, 134 = [X.] 4-3520 § 3 [X.]). Denn die Klägerin hat für November 2010 bereits [X.] nach § 2 [X.] zugesprochen erhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 28/17 R

14.06.2018

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Köln, 11. März 2013, Az: S 36 AS 303/11, Urteil

§ 7 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 2, § 7 Abs 2 S 1 SGB 2 vom 24.12.2003, § 1 Abs 1 Nr 4 AsylbLG, § 2 Abs 1 AsylbLG vom 19.08.2007, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 23 Abs 2 EGRL 83/2004, Art 28 Abs 1 EGRL 83/2004

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 14.06.2018, Az. B 14 AS 28/17 R (REWIS RS 2018, 7807)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7807

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvL 1/09

2 BvR 37/18

1 BvR 371/11

1 BvL 10/10

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