Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.12.2010, Az. III B 141/10

3. Senat | REWIS RS 2010, 190

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Gegenstand

Beibehaltung des Inlandswohnsitzes bei mehrjährigem Schulbesuch im Ausland


Leitsatz

1. NV: Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH hat das FG bei einem mehrjährigen Schulbesuch des Kindes im Ausland im Wege der Tatsachenwürdigung zu entscheiden, ob es seinen Inlandswohnsitz bei den Eltern beibehält. Der Entscheidung des FG als Tatsacheninstanz kommt insoweit keine grundsätzliche Bedeutung bei .

2. NV: Mit Einwänden gegen die Tatsachenwürdigung des FG wird grundsätzlich keine Divergenz dargelegt .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragte für seine im Jahr 1998 geborene [X.] mit Schreiben vom 14. August 2008 Kindergeld. Der Kläger hatte der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) bereits im Oktober 2005 mitgeteilt, dass sich [X.] seit Oktober 2005 zum [X.]weck eines Schulbesuchs in der [X.] aufhielt. Die Familienkasse lehnte den [X.] mit Bescheid vom 13. November 2008 ab. Der Einspruch blieb erfolglos.

2

Das Finanzgericht ([X.]) wies die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 27. Mai 2010 ab. Es entschied, dass die während der Schulferien erfolgten Aufenthalte der [X.] in der Doppelhaushälfte des [X.], auch wenn dort ausreichend Wohnraum zur Verfügung stehe, keine Aufenthalte mit [X.] seien und daher nicht zur Aufrechterhaltung eines Inlandswohnsitzes ausreichen würden.

3

Mit seiner Beschwerde macht der Kläger die [X.]ulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) geltend. Die grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) ergebe sich daraus, dass Kinder, die sich zum [X.]weck einer zeitlich begrenzten Schulausbildung im Ausland aufhalten würden, ihren Wohnsitz im Inland beibehielten. Für die Annahme eines inländischen Wohnsitzes könne nicht verlangt werden, dass sich die betreffende Person während einer Mindestanzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der inländischen Wohnung aufhalten müsse; diese Fragen seien für eine Vielzahl von Fällen bedeutsam. [X.]udem weiche das [X.] in seinem Urteil von den in der Beschwerdebegründung zitierten Urteilen des [X.] ([X.]), Bundessozialgerichts (BSG) sowie des [X.] und Hessischen [X.] ab.

Entscheidungsgründe

4

II. [X.] ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 [X.]O). Soweit ihre Begründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O entspricht, rechtfertigen die vorgebrachten Gründe nicht die [X.]ulassung der Revision.

5

1. Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O).

6

Der [X.] hat bereits mehrfach die Rechtsgrundsätze dargelegt, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zum [X.]weck des Schulbesuchs mehrere Jahre im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung --AO--) beibehält (z.B. [X.]-Urteile vom 22. April 1994 [X.], [X.]E 174, 523, [X.] 1994, 887; vom 27. April 1995 [X.]/93, [X.]/NV 1995, 967; vom 23. November 2000 [X.]/99, [X.]E 193, 569, [X.] 2001, 279, und [X.], [X.]E 193, 558, [X.] 2001, 294; Senatsbeschluss vom 31. Mai 2007 [X.]/07, [X.]/NV 2007, 1907). Ob im Einzelfall bei Anwendung dieser Grundsätze davon auszugehen ist, dass ein Kind seinen Wohnsitz im Inland hat, muss das [X.] unter Berücksichtigung der Umstände des Falles im Wege der Tatsachenwürdigung beurteilen. Der Entscheidung des [X.] als Tatsacheninstanz kommt insoweit keine grundsätzliche Bedeutung bei (vgl. Senatsbeschlüsse in [X.]/NV 2007, 1907; vom 15. Mai 2009 [X.]/08, juris). Dass sich die Rechtsfragen in einer Vielzahl gleich liegender Fälle ebenfalls stellen, ändert hieran nichts (Lange in [X.]/ [X.]/[X.], § 115 [X.]O Rz 93).

7

2. Die [X.]ulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O).

8

a) Die vom Kläger behauptete Divergenz ist schon deshalb nicht gegeben, weil den von ihm zitierten Entscheidungen keine dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalte zugrunde lagen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juni 2006 III [X.], [X.]/NV 2006, 1844). Im Streitfall geht es darum, ob ein minderjähriges Kind ausländischer Herkunft mit [X.] Staatsangehörigkeit, das sich zum [X.]weck des Schulbesuchs mehrere Jahre im Heimatland seiner Eltern befindet, seinen inländischen Wohnsitz in der Wohnung des [X.] beibehält. Die vom Kläger genannten Urteile des [X.] vom 19. März 1997 [X.] ([X.]E 182, 296, [X.] 1997, 447) und des Niedersächsischen [X.] vom 23. Juli 1992 [X.] (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 1993, 135) betrafen hingegen keine Sachverhalte, bei denen Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung die [X.] eines Kindes war, das sich zum [X.]weck des Schulbesuchs mehrere Jahre im Ausland aufhielt. Die angeführten Urteile des BSG vom 25. April 1984  10 [X.] 2/83 ([X.] 5870 § 2 Nr. 32) und vom 22. März 1988  8/5a [X.] ([X.] 2200 § 205 Nr. 65) sowie des Hessischen [X.] vom 10. Dezember 1997  9 K 726/97 (E[X.] 1998, 882) beschäftigten sich zwar mit der Frage, ob Kinder, die mehrjährige Auslandaufenthalte zu Schul- bzw. Studienzwecken durchführten, ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland beibehielten. Die Sachverhalte wiesen aber die Besonderheit auf, dass es sich um volljährige Schüler bzw. Studenten [X.] Herkunft handelte.

9

b) Im Übrigen wird aus dem Vorbringen des [X.] nicht deutlich, weshalb das [X.] von den zitierten Entscheidungen abgewichen sein soll. Der [X.] hat in dem Urteil in [X.]E 182, 296, [X.] 1997, 447 zwar ausgeführt, es sei für die Annahme eines Wohnsitzes nicht erforderlich, dass sich der Steuerpflichtige während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der Wohnung aufhalte. Das [X.] hat aber --entgegen der Ansicht des [X.]-- im Streitfall nicht einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Weiterhin lässt sich aus den vom Kläger zitierten Entscheidungen für den Streitfall auch nicht entnehmen, dass es für die Beibehaltung eines Inlandswohnsitzes gemäß § 8 AO in der elterlichen Wohnung ausreicht, wenn zum dauerhaften Wohnen geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen und regelmäßig genutzt werden. Mit seinen Einwänden gegen die Überzeugungsbildung des [X.] kann der Kläger nicht die [X.]ulassung der Revision wegen Divergenz begründen. Die Beurteilung der Begleitumstände des Innehabens einer Wohnung liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet (s.o. II.1.). Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie Schlussfolgerungen tatsächlicher Art sind einer Nachprüfung durch den [X.] entzogen, sofern nicht Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze zu beanstanden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 30, m.w.N.). Solche Verstöße sind im Streitfall weder vorgetragen noch erkennbar. Vielmehr ist das [X.] bei der Beurteilung der [X.] zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der [X.] in den Urteilen in [X.]E 193, 569, [X.] 2001, 279 und in [X.]E 193, 558, [X.] 2001, 294 wiedergegeben hat. Es hat die tatsächlichen Umstände dahingehend gewürdigt, dass die Aufenthalte der [X.] in der elterlichen Wohnung nicht einem Aufenthalt mit [X.] gleichkommen.

3. Letztlich wendet sich der Kläger mit seinen Ausführungen gegen die materielle Rechtmäßigkeit des [X.]-Urteils. Dies rechtfertigt die [X.]ulassung der Revision nicht.

Meta

III B 141/10

17.12.2010

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 27. Mai 2010, Az: 2 K 160/09 Kg, Urteil

§ 8 AO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.12.2010, Az. III B 141/10 (REWIS RS 2010, 190)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 190

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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