Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.12.2021, Az. 6 StR 528/21

6. Strafsenat | REWIS RS 2021, 9898

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Gegenstand

Verständigung im Strafverfahren: Belehrungserfordernis vor Zustandekommen


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Juni 2021 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten rügt erfolgreich eine Verletzung von § 257c Abs. 5 StPO, so dass es eines [X.] auf die weitere Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge nicht bedarf.

2

1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

3

Am ersten Hauptverhandlungstag gab die Vorsitzende bekannt, dass „nach Ansicht der Kammer bei Anwendung von Jugendrecht im Falle einer geständigen Einlassung eine Einheitsjugendstrafe in Höhe von einem Jahr und vier Monaten bis einem Jahr und zehn Monaten im Raum stehen könnte“. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und sein Verteidiger stimmten dem [X.] zu. Danach wurde der Angeklagte gemäß § 257c Abs. 4 StPO belehrt. Anschließend räumte er die Tatvorwürfe durch eine von ihm autorisierte Erklärung seines Verteidigers ein.

4

2. Der Beschwerdeführer sieht in dieser Verfahrensweise zu Recht einen Verstoß gegen § 257c Abs. 5 StPO. Denn die Vorsitzende der [X.] hätte den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des [X.]s über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen. Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. [X.] 133, 168, 237; [X.] [Kammer], NStZ 2014, 721; [X.], Beschluss vom 25. März 2015 – 5 StR 82/15 mwN).

5

[X.] und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die [X.] (§ 337 Abs. 1 StPO). Der [X.] kann die Ursächlichkeit des [X.] für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Neben anderen Beweismitteln hat die [X.] vor allem hierauf die Verurteilung gestützt. Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. August 2019 – 1 StR 295/19; vom 30. März 2021 – 2 [X.]).

[X.]     

      

[X.]     

      

Tiemann

      

Fritsche     

      

von [X.]     

      

Meta

6 StR 528/21

15.12.2021

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dessau-Roßlau, 22. Juni 2021, Az: 1 KLs (626 Js 12495/19)

§ 257c Abs 5 StPO, § 337 Abs 1 StPO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.12.2021, Az. 6 StR 528/21 (REWIS RS 2021, 9898)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9898

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