Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.03.2017, Az. 5 StR 73/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 13729

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Gegenstand

Verständigung im Strafprozess: Heilung des Verstoßes gegen die Belehrungspflicht


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 3. November 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Urkundenfälschung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg.

2

1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:

3

In der Hauptverhandlung unterrichtete die Vorsitzende der [X.] von einem zuvor erfolgten [X.] sowie dem den Verfahrensbeteiligten übermittelten [X.] der Berufsrichter. Ferner gab die Vorsitzende bekannt, dass das Gericht, nunmehr einschließlich der [X.], an seinem [X.] festhalte. Nach Belehrung über die Aussagefreiheit eines Angeklagten erklärte der Verteidiger, der Angeklagte räume die Tatvorwürfe ein. Nachdem sich dieser die Erklärung seines Verteidigers ausdrücklich zu eigen gemacht hatte und Gutachten verlesen worden waren, versicherten der Angeklagte, sein Verteidiger sowie der [X.] der Staatsanwaltschaft abermals, dass sie dem [X.] zustimmen. Für die [X.] nach einer Sitzungsunterbrechung weist das [X.] Folgendes aus: „Die Vorsitzende holt die versehentlich unterlassene Belehrung gemäß § 257c StPO nach und weist zusätzlich klarstellend darauf hin, dass die Kammer sich nach dem bereits erfolgten Geständnis weiterhin an den zugesagten Strafrahmen gebunden fühlt. Alle Verfahrensbeteiligten halten an der Zustimmung zum [X.] fest.“

4

2. Danach rügt die Revision die Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO zu Recht.

5

Der [X.] hat sich in seiner Antragsschrift auf die Senatsentscheidung vom 7. August 2013 (5 [X.], siehe auch [X.], Beschluss vom 25. August 2014 - 2 BvR 2048/13) bezogen, in der es u.a. heißt:

§ 257c Abs. 5 StPO sieht vor, dass der Angeklagte vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen der nach § 257c Abs. 4 StPO möglichen Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Fairness des [X.] sichern und zugleich die Autonomie des Angeklagten in weitem Umfang schützen. Unter anderem durch die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO soll ferner einer Gefährdung der [X.] Rechnung getragen werden, die mit der Aussicht auf eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze und der dadurch begründeten [X.] einhergeht ([X.] NJW 2013, 1058 Rn. 99; [X.], Beschlüsse vom 19. August 2010 - 3 [X.], [X.]R StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 1, und vom 11. April 2013 - 1 StR 563/12, [X.], 286). Mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens ist eine Verständigung regelmäßig nur dann zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Der grundlegenden Bedeutung der [X.] für die Fairness des Verfahrens und die [X.] ist nur dann Rechnung getragen, wenn der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist. Nur so ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt ([X.] aaO, Rn. 125).

Eine Heilung des Verstoßes ist nicht eingetreten. Sie hätte hier eine rechtsfehlerfreie Wiederholung des von dem Verfahrensfehler betroffenen Verfahrensabschnitts vorausgesetzt. Dafür hätte es ... eines ausdrücklichen Hinweises auf den Fehler und auf die daraus folgende gänzliche Unverbindlichkeit der Zustimmung des Angeklagten bedurft sowie einer Nachholung der versäumten Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO und der erneuten Einholung einer nunmehr verbindlichen Zustimmungserklärung. Dem entspräche eine von der Verteidigung in Erwägung gezogene qualifizierte Belehrung.“

6

Der [X.] führt sodann weiter aus:

„Diese Erwägungen müssen im Ergebnis auch hier gelten.Eine qualifizierte Belehrung des Angeklagten nach Maßgabe der vorgenannten Entscheidung ist nicht erfolgt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte wusste, dass er nunmehr wieder autonom darüber entscheiden konnte, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, Gebrauch macht ('gänzliche Unverbindlichkeit der Zustimmung'), bestehen nicht.

Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die [X.] (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat wird die Ursächlichkeit des [X.] für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen können. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt.“

7

Dem schließt sich der Senat an.

Sander     

       

Schneider     

       

Dölp   

       

König     

       

Berger     

       

Meta

5 StR 73/17

21.03.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dresden, 3. November 2016, Az: 422 Js 26447/16 - 14 KLs

§ 257c Abs 4 StPO, § 257c Abs 5 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.03.2017, Az. 5 StR 73/17 (REWIS RS 2017, 13729)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1626 REWIS RS 2017, 13729

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