Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.07.2022, Az. NotZ (Brfg) 3/22

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2022, 5254

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Gegenstand

Beibehaltung des Ergebnisses einer notariellen Fachprüfung trotz Rücknahme eines Korrekturmangels


Leitsatz

1. Sollen Prüfungsleistungen eines Kandidaten (hier: notarielle Fachprüfung) einer erneuten Bewertung unterzogen werden, sind die Gründe eines rechtskräftigen prüfungsrechtlichen Bescheidungsurteils dafür maßgeblich, in welchem Umfang die Prüfungsbehörde eine Neubewertung zu veranlassen hat und welche Rechtsauffassung dabei zugrunde zu legen ist.

2. Die Beibehaltung einer Note trotz Rücknahme eines Korrekturmangels ist als solches nicht zu beanstanden. Es ist Prüfern grundsätzlich nicht verwehrt, nach Auseinandersetzung mit den Einwendungen eines Prüflings gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistung unter Vermeidung früherer Begründungsmängel anzugeben, dass und aus welchen Gründen sie ihre bei der ersten Bewertung einer Arbeit vergebene Note auch bei selbstkritischer Würdigung nach wie vor für zutreffend halten (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 6 C 20/98, BVerwGE 109, 211 und BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 - 6 C 38/92, NVwZ 1993, 686).

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Kammergerichts - Senat für Notarsachen - vom 17. November 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

[X.]

1

[X.]ie Klägerin begehrt die erneute Neubewertung einer von ihr im Rahmen der notariellen Fachprüfung erbrachten Leistung.

2

Sie nahm an der [X.] der von dem [X.]eklagten durchgeführten notariellen Fachprüfung teil. [X.]it [X.] vom 12. September 2018 wurde ihr mitgeteilt, sie habe die notarielle Fachprüfung mit der Prüfungsgesamtnote "ausreichend" (6,05 Punkte) bestanden. [X.]ie jetzt allein noch im Streit befindliche [X.]-95, die erbrechtliche Fragestellungen zum Gegenstand hatte, wurde mit 6,00 Punkten bewertet, wobei der [X.]rstkorrektor 7 Punkte ("befriedigend") und der [X.] 5 Punkte ("ausreichend") vergaben. [X.]en Widerspruch der Klägerin vom 12. Oktober 2018, der sich gegen die ([X.]nd-)[X.]ewertungen sämtlicher Aufsichtsarbeiten sowie des Vortrags in der mündlichen Prüfung richtete, wies der [X.]eklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. [X.]ärz 2019 zurück. [X.]ie dagegen erhobene Klage war teilweise erfolgreich. [X.]it (rechtskräftigem) Urteil vom 22. Juni 2020 hob das [X.] den [X.] vom 12. September 2018 und den Widerspruchsbescheid vom 25. [X.]ärz 2019 auf und verurteilte den [X.]eklagten unter Klageabweisung im Übrigen, die Klägerin nach Neubewertung der [X.]-95 neu zu bescheiden. Hierbei beanstandete das [X.] lediglich Folgendes:

3

- [X.]ie Kritik der Prüfer an der Lösung von Aufgabe 2 ("Wie wirken sich die ‚Verzichte‘ von A und [X.] auf die gesetzliche [X.]rbfolge … aus?") sei nur teilweise berechtigt. [X.]ie auf Seite 6 der Klausur angestellte (hypothetische) [X.]rmittlung der [X.] für den Fall eines wirksamen [X.]rbverzichts der [X.] sei zutreffend.

4

- [X.]ei [X.]ewertung der Aufgabe 4 ("Was sollte Notar [X.]r. N den [X.]heleuten im Hinblick auf die Vorstellung von [X.] zur erbrechtlichen Situation des [X.] empfehlen?") sei nicht klar, ob die Prüfer - gegebenenfalls nach Auslegung der Klausurlösung - den dem [X.] zugewandten [X.]rbteil (S. 12: "der seinem gesetzlichen [X.]rbteil entspricht") für zu gering oder zu hoch erachtet hätten. [X.]arüber hinaus hätten sie übersehen, dass die von der Klägerin vorgeschlagene "Vermächtnislösung" in der Literatur vertreten werde.

5

- [X.]ie [X.]eurteilung der Aufgabe 5 ("Welche erbrechtlichen Regelungen wird Notar [X.]r. N den [X.]heleuten empfehlen, um ihre geäußerten Wünsche umzusetzen?") sei insoweit nicht frei von [X.]edenken, als nach dem Votum der Prüfer als Gestaltungselement und [X.]mpfehlung ein [X.]hevertrag zur Aufhebung der Gütertrennung zu erörtern gewesen sei. [X.]ies sei in der Aufgabenstellung ("erbrechtliche Regelungen") nicht ausdrücklich angelegt gewesen.

6

Im Übrigen sei die [X.]ewertung der Klausur nicht zu beanstanden (Aufgaben 1 und 3 sowie alle weiteren [X.]inwendungen der Klägerin gegen die [X.]ewertung der Aufgaben 2, 4 und 5).

7

[X.]er [X.]eklagte forderte die Prüfer daraufhin zur Neubewertung der [X.]-95 auf. [X.]er [X.]rstkorrektor blieb bei der [X.]ewertung mit 7 Punkten ([X.] vom 24. August 2020), während der [X.] "bei äußerst wohlwollender Abwägung unter Hintanstellung größter [X.]edenken" seine [X.]ewertung auch auf diese Punktzahl anhob (Neubewertung vom 8. September 2020). [X.]er [X.]eklagte teilte der Klägerin sodann mit [X.] vom 17. September 2020 das korrigierte [X.]rgebnis mit und stellte fest, sie habe die notarielle Fachprüfung mit "ausreichend" (6,24 Punkte) bestanden. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 21. Oktober 2020 bat der [X.]eklagte beide Korrektoren um Überdenkung ihrer [X.]ewertung. [X.]iese nahmen hierzu unter dem 9. November 2020 ([X.]rstkorrektor) und 27. November 2020 ([X.]) Stellung, wobei sie bei ihren [X.]ewertungen blieben. Nach [X.]urchführung des Überdenkungsverfahrens wies der [X.]eklagte den Widerspruch der Klägerin mit [X.]escheid vom 5. Januar 2021 zurück. [X.]ie Ausführungen der Prüfer seien nach [X.]aßgabe der vorliegenden Stellungnahmen nicht zu beanstanden. Sie seien fachlich richtig und von dem den Prüfern eingeräumten [X.]ewertungsspielraum gedeckt.

8

[X.]it der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung des [X.]eklagten erstrebt, sie unter Aufhebung des [X.]escheids vom 17. September 2020 und des Widerspruchsbescheids vom 5. Januar 2021 nach Neubewertung der [X.]-95 unter [X.]eachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

9

[X.]as [X.] hat die Klage abgewiesen. [X.]ie angefochtenen [X.]escheide seien nicht rechtswidrig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs.1, 5 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 Satz 1 [X.]NotO). [X.]ie Rechtskraft des Urteils vom 22. Juni 2020 stehe einer umfassenden Nachprüfung der [X.]eurteilung der [X.]-95 entgegen. [X.]ie gerichtliche Nachprüfung beschränke sich vielmehr auf die [X.]eanstandungen in dem vorgenannten Urteil an der [X.]ewertung der Aufgaben 2, 4 und 5. Soweit die Kritik der Prüfer für berechtigt gehalten worden sei, sei sie einer erneuten Nachprüfung entzogen. [X.]ie Auffassung der Klägerin, die Anordnung der Neubescheidung durch das Urteil vom 22. Juni 2020 müsse zwangsläufig zu einer Verbesserung der Note führen, treffe nicht zu. Außerdem hätten die neuen Korrekturen eine Anhebung um einen Punkt ergeben. [X.]ie erneute [X.]eurteilung der Klausur durch beide Prüfer sei nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Aufgabe 2 habe der [X.]rstprüfer insbesondere an seiner Kritik, die Ausführungen zur [X.]rbfolge bei der (nicht verlangten) Annahme eines wirksamen [X.]rbverzichts seien unzutreffend, nicht mehr festgehalten. [X.]ei der Neubewertung der Aufgabe 4 hätten sich die Prüfer ausreichend mit dem Urteil vom 22. Juni 2020 auseinandergesetzt. Zu Recht hätten sie auf den Widerspruch in der Klausurlösung, der sich aus der [X.]rbeinsetzung des [X.] entsprechend "seinem gesetzlichen [X.]rbteil" und dem Vermächtnis "in Höhe des gesetzlichen Pflichtteils" ergebe, und auf die fehlende Auseinandersetzung mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten hingewiesen. Im Rahmen der Neubewertung der Aufgabe 5 habe der [X.]rstkorrektor klargestellt, dass die unterlassenen Ausführungen zu einem [X.]hevertrag als Gestaltungselement nicht negativ in die [X.]ewertung eingeflossen seien. [X.]s bleibe aber dabei, dass der Klägerin bei der Lösung der Aufgabe nur wenig Zählbares gelungen sei (auch unter [X.]erücksichtigung des Hinweises auf § 2065 [X.]G[X.] hinsichtlich der etwaigen [X.]rbeinsetzung des [X.] auf [X.] der Klausurlösung).

[X.]as [X.] hat die [X.]erufung nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der [X.]erufung.

I[X.]

[X.]er zulässige Antrag auf Zulassung der [X.]erufung ist unbegründet. [X.]er allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen [X.]ntscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 [X.]NotO) liegt nicht vor.

1. [X.]ieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung der angefochtenen [X.]ntscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und sich dies auf die Richtigkeit des [X.]rgebnisses auswirken kann (st. Senatsrechtsprechung, z.[X.]. Senat, [X.]eschlüsse vom 20. Juli 2015 - [X.]([X.]rfg) 12/14, [X.][X.] 2015, 872 Rn. 19 [insoweit nicht in [X.]GHZ 206, 248 abgedruckt]; vom 23. November 2015 - [X.]([X.]rfg) 5/15, [X.][X.] 2016, 311 Rn. 5; vom 20. Juli 2020 - [X.]([X.]rfg) 5/19, [X.] 2020, 48 Rn. 2; vom 15. November 2021 - [X.]([X.]rfg) 3/21, [X.] 2022, 206 Rn. 8 und vom 14. [X.]ärz 2022 - [X.]([X.]rfg) 10/21, juris Rn. 9; jeweils mwN; siehe auch [X.]eckOK [X.]NotO/[X.], § 111d [X.]NotO Rn. 3 [5. [X.]dition, Stand: 31. Juli 2021]; [X.]/[X.], VwGO, 27. Aufl., § 124 Rn. 7).

2. [X.]aran fehlt es hier. [X.]as [X.] hat [X.]ewertungsfehler der Prüfer zutreffend verneint und die Klage zu Recht abgewiesen. [X.]ie Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des [X.]s vom 17. September 2020 und Neubewertung der [X.]-95.

a) [X.]em angefochtenen Urteil liegt kein unzutreffender Überprüfungsmaßstab zugrunde. [X.]urch das rechtskräftige Urteil des [X.]s vom 22. Juni 2020 wurde bindend festgestellt, dass sich die gerichtliche Nachprüfung im Rahmen der nunmehr geltend gemachten erneuten (weiteren) Neubescheidung nur noch auf die [X.]eanstandungen an der [X.]ewertung der Aufgaben 2, 4 und 5 bezieht. [X.]a insoweit die Kritik der Prüfer in dem unter [X.] dargestellten Umfang nur teilweise für berechtigt gehalten wurde, ist die [X.]ewertung im Übrigen ebenfalls einer erneuten Nachprüfung entzogen.

[X.]ies folgt - wie das [X.] zutreffend angenommen hat - aus der [X.] (§ 121 Nr. 1 VwGO) des [X.]escheidungsurteils (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) vom 22. Juni 2020. [X.]a sich die Rechtsauffassung, die ein [X.]escheidungsurteil der [X.]ehörde zur [X.]eachtung bei dem [X.]rlass des neuen Verwaltungsakts vorschreibt, nicht unmittelbar der Urteilsformel entnehmen lässt, ergeben sich der Umfang der materiellen Rechtskraft und damit die [X.]indungswirkung notwendigerweise auch aus den [X.]ntscheidungsgründen, in denen die nach dem [X.] zu beachtende Rechtsauffassung des Gerichts im [X.]inzelnen dargelegt wird ([X.]VerwG, NJW 1996, 737 = juris Rn. 11). Sollen Prüfungsleistungen eines Kandidaten einer erneuten [X.]ewertung unterzogen werden, sind die Gründe des prüfungsrechtlichen [X.]escheidungsurteils dafür maßgeblich, in welchem Umfang die Prüfungsbehörde eine Neubewertung zu veranlassen hat und welche Rechtsauffassung dabei zugrunde zu legen ist (vgl. OVG [X.]erlin-[X.]randenburg, [X.]eschlüsse vom 8. Januar 2010 - OVG 10 N 86.08, juris Rn. 4 und vom 27. November 2013 - OVG 7 N 18.13, juris Rn. 3). Im vorliegenden Fall hat das [X.] in den [X.]ntscheidungsgründen des Urteils vom 22. Juni 2020 (S. 15 bis 20) ausdrücklich festgestellt, dass die Kritik der Prüfer nur hinsichtlich der Aufgaben 2, 4 und 5 und auch nur teilweise - in wenigen Punkten - unberechtigt war. Zwar bezieht sich der streitgegenständliche Neubescheidungsantrag - im Gegensatz zum ersten Klageverfahren - (nur) auf die behauptete Fehlerhaftigkeit der erneuten [X.]egutachtung der [X.]-95 ([X.]en der Prüfer vom 24. August und 8. September 2020 sowie Stellungnahmen vom 9. November und 27. November 2020). [X.]iese (weitere) Neubescheidung hatte jedoch die Rechtsauffassung in dem Urteil vom 22. Juni 2020 zu beachten. An diese rechtliche [X.]ewertung war das [X.] in dem zweiten Klageverfahren gebunden (vgl. OVG [X.]remen, [X.]eschluss vom 17. [X.]ärz 2017 - 2 [X.], juris Rn. 30 ff).

b) Soweit die Klägerin geltend macht, die unveränderte [X.]enotung durch den [X.]rstkorrektor - trotz Wegfalls ursprünglicher [X.]eanstandungen auf Grund des Urteils vom 22. Juni 2020 - könne nur auf einer unzulässigen Änderung des [X.]ewertungssystems beruhen, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der [X.]erufung.

aa) [X.]ie [X.]eibehaltung einer Note trotz Rücknahme eines Korrekturmangels ist als solches nicht zu beanstanden. [X.]s ist Prüfern grundsätzlich nicht verwehrt, nach Auseinandersetzung mit den [X.]inwendungen eines Prüflings gegen die [X.]ewertung seiner Prüfungsleistung unter Vermeidung früherer [X.]egründungsmängel anzugeben, dass und aus welchen Gründen sie ihre bei der ersten [X.]ewertung einer Arbeit vergebene Note auch bei selbstkritischer Würdigung nach wie vor für zutreffend halten ([X.]VerwG[X.] 109, 211, 217; [X.]VerwG, NVwZ 1993, 686, 688). Allerdings darf ein Prüfer, dem ein [X.]ewertungsfehler unterlaufen ist, bei der deshalb erforderlichen Neubewertung nicht sein [X.]ewertungssystem ändern. [X.]er [X.]egriff des [X.]ewertungssystems umfasst dabei nur diejenigen [X.]ewertungskriterien, die in den [X.] [X.]eurteilungsspielraum des Prüfers fallen. [X.]abei handelt es sich um diejenigen Kriterien, nach denen der Prüfer die festgestellten fachlichen Vorzüge und [X.]ängel der Prüfungsleistung einem vorgegebenen Notensystem zuordnet, zum [X.]eispiel die [X.]inschätzung des Schwierigkeitsgrads einer Aufgabe, die [X.]ewertung der Qualität der [X.]arstellung und der Überzeugungskraft der Argumentation, die Gewichtung von Fehlern sowie die auf durchschnittliche Anforderungen bezogene [X.]inschätzung der Leistung ([X.]VerwG[X.] aaO [X.]). [X.]ie [X.]eibehaltung einer Note trotz Rücknahme eines Korrekturfehlers darf ferner auch nicht darauf beruhen, dass der Prüfer im Rahmen der Neubewertung "beliebige Gründe" nachschiebt, die nur dem Zweck dienen, eine Verbesserung der Note "unter allen Umständen" auszuschließen ([X.]VerwG[X.] aaO [X.]). Von dem Prüfer ist vielmehr zu verlangen, dass er seine [X.]ewertung durch Korrektur der als rechtsfehlerhaft beanstandeten [X.]inzelwertungen ergänzt und die neu vorzunehmenden Wertungen in die komplexen [X.]rwägungen, auf denen das [X.]ewertungsergebnis beruht, einpasst ([X.]VerwG, NVwZ 1993 aaO). [X.]in Prüfling, der mit einer Rüge gegen eine nachteilige [X.]inzelwertung vor Gericht erfolgreich war, kann es den Prüfern im Hinblick auf den Grundsatz der Chancengleichheit jedoch nicht verwehren, seine Prüfungsleistung daraufhin zu überprüfen, ob die nunmehr als vertretbar zu behandelnde Lösung folgerichtig und sachgerecht begründet worden ist. Als ein unzulässiges Nachschieben beliebiger Gründe ist es nicht anzusehen, wenn die Prüfer eine früher als falsch bewertete, nunmehr jedoch als vertretbar anzusehende Lösung erstmals auf ihre sachgerechte [X.]urchführung untersuchen und sich auf dieser Grundlage neue [X.]inwendungen ergeben ([X.]VerwG[X.] aaO [X.], 219 f).

bb) [X.]iese [X.]aßgaben wurden in dem angefochtenen Urteil beachtet. [X.]s ist nichts dafür ersichtlich, dass die Prüfer die [X.]eanstandung einzelner Kritikpunkte bei den Aufgaben 2, 4 und 5 zum Anlass genommen haben, ihre [X.] [X.]ewertungskriterien und somit ihr [X.]ewertungssystem insgesamt zu ändern. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des [X.]s (Urteil, S. 5 bis 8) haben die Prüfer im [X.]inzelnen dargelegt, inwieweit ihre ursprünglichen [X.]ewertungen durch die nunmehr aufgegebenen Kritikpunkte beeinflusst wurden. [X.]er [X.]rstkorrektor hat ausführlich begründet, dass die in dem Urteil vom 22. Juni 2020 beanstandeten [X.]ewertungsfehler nicht beziehungsweise nicht so erheblich in die Klausurbewertung eingeflossen seien, dass er im Gesamtergebnis zu einer Anhebung der Note gekommen sei. [X.]s stellt auch keinen Verstoß gegen die [X.]enklogik dar, wenn der [X.]rstkorrektor einen Kritikpunkt aufgibt und dennoch zu derselben Gesamtnote kommt. [X.]ies folgt im vorliegenden Fall hinsichtlich der von der Klägerin vorgeschlagenen "Vermächtnislösung" (Aufgabe 4) schon daraus, dass sie es unterlassen hat, die Vor- und Nachteile dieser Alternative aufzuzeigen, und auch außer [X.]etracht gelassen hat, dass ein Notar von mehreren gangbaren Wegen den sichersten und gefahrlosesten Weg zumindest vorschlagen muss (vgl. st. Rspr.; z.[X.]. [X.]GH, Urteil vom 16. Oktober 2008 - [X.], [X.], 71 Rn. 18 mwN).

Soweit die Klägerin meint, die Ausführungen des [X.]rstkorrektors zur Irrelevanz einzelner entfallener Kritikpunkte, seien nicht glaubhaft, ist dies unbeachtlich, weil sie lediglich ihre [X.]ewertung an die Stelle der [X.]ewertung des Prüfers setzt. [X.]aran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der [X.] im Rahmen des ihm zustehenden [X.]eurteilungsspielraums die [X.]enotung "bei äußerst wohlwollender Abwägung unter Hintanstellung größter [X.]edenken" um zwei Punkte angehoben hat. In diesem Zusammenhang weist der [X.]eklagte zu Recht darauf hin, dass der [X.] ursprünglich eine um zwei Punkte nach unten abweichende [X.]ewertung vorgenommen hatte.

3. [X.]er [X.]inwand der Klägerin, bei Annahme einer [X.]indungswirkung des rechtskräftigen Urteils des [X.]s vom 22. Juni 2020, hätte die Klage als unzulässig abgewiesen werden müssen, übersieht, dass das erste und das zweite Klageverfahren unterschiedliche Streitgegenstände betrafen (Überprüfung der [X.]rstbewertung der [X.]-95 einerseits und deren Neubewertung andererseits). Außerdem wäre für die Klägerin nichts gewonnen, wenn ihre Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft gemäß § 121 Nr. 1 VwGO als unzulässig abzuweisen wäre. [X.]enn die [X.]erufung ist auch dann nicht zuzulassen, wenn das [X.]rstgericht die Klage als unbegründet abgewiesen hat, das [X.]erufungsgericht sie aber bereits als unzulässig bewertet (VGH [X.]ünchen, [X.], 629; [X.]/[X.] aaO Rn. 7a).

II[X.]

[X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 [X.]NotO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

[X.]ie Streitwertfestsetzung folgt aus § 111g Abs. 1 [X.]NotO i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

[X.]     

      

Reiter     

      

[X.]öttcher

      

Frank     

      

Kuske     

      

Meta

NotZ (Brfg) 3/22

11.07.2022

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend KG Berlin, 17. November 2021, Az: AR 5/21 Not, Urteil

§ 7a BNotO, § 7b BNotO, § 111b Abs 1 S 1 BNotO, § 113 Abs 5 S 2 VwGO, § 121 Nr 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.07.2022, Az. NotZ (Brfg) 3/22 (REWIS RS 2022, 5254)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5254

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