Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.05.2023, Az. VIII ZR 72/22

8. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 3358

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Tenor

Die Anhörungsrüge der Klägerin vom 15. März 2023 gegen den Senatsbeschluss vom 21. Februar 2023 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe

1

Die gemäß § 321a Abs. 1 ZPO statthafte und innerhalb der Frist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO eingelegte Anhörungsrüge ist unzulässig, weil es an der gesetzlich vorgeschriebenen Darlegung (§ 321a Abs. 2 Satz 5 iVm Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung durch den Senat fehlt. Unbeschadet dessen wäre die Anhörungsrüge auch unbegründet.

I.

2

1. Eine Anhörungsrüge gegen einen Beschluss über die Nichtzulassung der Revision ist nur zulässig, wenn mit ihr eine neue und eigenständige entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG durch den [X.] gerügt wird (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 26. August 2008 - 2 BvR 1516/08, juris Rn. 2; [X.], Beschlüsse vom 27. Februar 2020 - [X.], juris Rn. 3; vom 6. Dezember 2022 - [X.], juris Rn. 2; jeweils mwN). Daher muss die Darlegung erkennen lassen, aus welchen konkreten Gründen der Beschwerdeführer meint, die Zurückweisung seiner Nichtzulassungsbeschwerde lasse nur den Schluss zu, dass sein Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden sei (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Dezember 2022 - [X.], aaO; vom 11. Februar 2020 - [X.], juris Rn. 2; jeweils mwN). Die Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vorbringens genügt hierfür nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 26. August 2008 - 2 BvR 1516/08, aaO; [X.], Beschluss vom 6. November 2014 - [X.], juris Rn. 1).

3

Die vorgenannten Grundsätze gelten auch dann, wenn sich die Anhörungsrüge gegen einen Beschluss richtet, mit dem eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO - wie im vorliegenden Fall - ohne nähere Begründung zurückgewiesen worden ist. Denn eine eigenständige Gehörsverletzung liegt nicht darin, dass das Revisionsgericht von einer solchen Begründung seiner Entscheidung abgesehen hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Dezember 2022 - [X.], aaO Rn. 3; vom 11. Februar 2020 - [X.], aaO Rn. 6; jeweils mwN). Die Anhörungsrüge kann nicht zur Herbeiführung der Begründung einer Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Dezember 2022 - [X.], aaO; vom 11. Februar 2020 - [X.], aaO; jeweils mwN).

4

2. Ausgehend hiervon hat die Klägerin eine Gehörsverletzung durch den Senat bereits nicht hinreichend dargelegt.

5

a) Die Klägerin hat mit ihrer Anhörungsrüge ein Anschreiben mehrerer Verfasser, unter anderem ihres Prozessbevollmächtigten, an den [X.] vom 5. Mai 2022 vorgelegt, das einen Vorschlag zur Erweiterung der Revisionszulassungsgründe des § 543 ZPO zum Gegenstand hat. Ferner hat die Klägerin das mit Pressemitteilung vom 16. Januar 2023 bekannt gemachte Eckpunktepapier des [X.] [X.] und zur Einführung von [X.] überreicht, wonach gegen die erstinstanzliche Entscheidung eines bei einem [X.] einzurichtenden "Commercial Court" die Revision zum [X.] eröffnet sein soll. Die Klägerin macht geltend, der Senat hätte bei seiner Entscheidung das Eckpunktepapier von Amts wegen berücksichtigen und deshalb die Revision zulassen müssen. Die Nichtzulassung der Revision verletze bereits deshalb ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.

6

Des Weiteren führt die Klägerin aus, die Nichtzulassung der Revision sowie die fehlende Begründung des [X.] führe bei ihr zu der Gewissheit, dass der Senat die mit der Beschwerdebegründung vorgetragenen Gehörsrügen "offensichtlich nur einer Evidenzkontrolle unterzogen" habe. Der Senatsbeschluss verletze ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs auch deshalb, weil er die von ihr geltend gemachte Gehörsverletzung durch das Berufungsgericht perpetuiere, denn der Senatsbeschluss beseitige den gerügten Gehörsverstoß des Berufungsgerichts nicht. Ferner nimmt die Klägerin Bezug auf Teile ihres Nichtzulassungsbeschwerdeschriftsatzes sowie ihrer Replik.

7

b) Dieses Vorbringen wird den vorbeschriebenen Darlegungsanforderungen für eine Anhörungsrüge nicht gerecht. Die Ausführungen der Klägerin zeigen eine neue, eigenständige und entscheidungserhebliche Gehörsverletzung durch den angegriffenen Senatsbeschluss nicht auf.

8

Die von der Klägerin angeführten Reformvorschläge beziehungsweise Reformvorhaben zur Änderung der Zivilprozessordnung sind von vornherein nicht geeignet, eine Gehörsverletzung durch den Senat darzulegen. Soweit die Klägerin darüber hinaus beanstandet, der Senat habe das Beschwerdevorbringen nur einer Evidenzkontrolle unterzogen, stellt dies lediglich eine - unzutreffende - Mutmaßung dar. Die Klägerin zeigt insbesondere nicht auf, die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde lasse nur den Schluss zu, dass der Senat ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen habe. Eine eigenständige Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Revisionsgericht ist - anders als die Klägerin meint - auch nicht darin zu sehen, dass es eine gerügte (vermeintliche) Gehörsverletzung des Berufungsgerichts nicht beseitigt.

9

Liegt, wie hier, eine Beschwerdeerwiderung vor, muss sich der Beschwerdeführer in der Anhörungsrüge zudem mit dieser auseinandersetzen und darlegen, dass sich die Zurückweisung der Beschwerde auch unter Berücksichtigung der Argumente der Gegenseite nur damit erklären lässt, dass bestimmtes Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. Dezember 2010 - [X.], juris Rn. 5; vom 27. Februar 2020 - [X.], juris Rn. 4; vom 6. Dezember 2022 - [X.], aaO Rn. 4; jeweils mwN). Eine solche Darlegung enthält die Anhörungsrüge der Klägerin nicht. Die wiederholende Bezugnahme auf ihre Replik beziehungsweise auf Teile davon genügt insoweit nicht.

II.

Im Übrigen wäre die Anhörungsrüge auch unbegründet, weil der Senat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Der Senat hat bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Revision das gesamte und insbesondere auch das in der Anhörungsrüge wiederholte und in Bezug genommene Vorbringen der Klägerin berücksichtigt und umfassend geprüft, dieses jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Anders als die Klägerin vorbringt, hat der Senat dabei auch nicht etwa einen auf eine bloße "Evidenzkontrolle" beschränkten Prüfungsmaßstab angelegt. Von einer näheren Begründung wird nach § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, der im Anwendungsbereich des § 321a Abs. 4 Satz 5 ZPO entsprechend gilt (Senatsbeschlüsse vom 6. Dezember 2022 - [X.], aaO Rn. 7; vom 11. Mai 2021 - [X.], juris Rn. 6; jeweils mwN).

Dr. Bünger     

  

Kosziol     

  

Dr. Liebert

  

Wiegand     

  

Dr. Böhm     

  

Meta

VIII ZR 72/22

09.05.2023

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 9. Mai 2023, Az: VIII ZR 72/22, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.05.2023, Az. VIII ZR 72/22 (REWIS RS 2023, 3358)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3358

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