Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.09.2016, Az. 4 AZR 1006/13

4. Senat | REWIS RS 2016, 5571

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Gegenstand

Rückkehr in eine alte Vergütungsgruppe - Einordnung zwischen Eingangs- und Endwert


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 4. November 2013 - 17 [X.] - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach dem Endwert ihrer Vergütungsgruppe und sich daraus ergebende Vergütungsdifferenzansprüche.

2

Die Klägerin ist seit dem 1. Januar 2003 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 12. November 2002 bei der [X.], einem Luftfahrtunternehmen, als Fachkraft Fluggastdienste tätig. Nach Ziff. 2 des Arbeitsvertrags finden auf das Arbeitsverhältnis die jeweils gültigen Tarifverträge Anwendung.

3

[X.]is zum 28. Februar 2011 war die Klägerin im [X.]ereich der Fluggastdienste als Professional Service 1 tätig und erhielt zuletzt eine Vergütung gemäß Vergütungsgruppe [X.] Endwert des Vergütungstarifvertrags Nr. 3 [X.]odenpersonal DLH ([X.] Nr. 3). Aufgrund einer Vereinbarung mit der [X.] war im Jahr 2011 die Arbeitszeit der Klägerin befristet reduziert. Auf ihre [X.]ewerbung wurde sie mit Wirkung ab dem 1. März 2011 auf eine Position als [X.]asic Operations 2 unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe [X.] versetzt. Aufgrund einer weiteren [X.]ewerbung erfolgte mit Wirkung ab dem 22. August 2011 eine weitere Versetzung auf die Position Professional Operations 1 und eine Umgruppierung in die Vergütungsgruppe [X.]. Nach Protest der Klägerin verzichtete die [X.]eklagte auf die Einarbeitungszeit von sechs Monaten. Die Klägerin erhielt ab dem 22. August 2011 eine monatliche Vergütung iHv. 1.757,96 Euro brutto, was - unter [X.]erücksichtigung des [X.] - dem um den [X.] der Vergütungsgruppe [X.] erhöhten Endwert der Vergütungsgruppe [X.] entsprach. Nachdem die Klägerin ab dem 1. Januar 2012 wieder in Vollzeit tätig war, erhielt sie eine monatliche Grundvergütung iHv. 2.261,57 Euro.

4

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin im Wesentlichen für den Zeitraum vom 22. August 2011 bis zum 31. Dezember 2012 - einschließlich des [X.] 2012 - die Zahlung der Differenz zwischen der von der [X.] gezahlten monatlichen Vergütung und einer Vergütung nach der Endstufe der Vergütungsgruppe [X.]. Sie hat die Auffassung vertreten, der Tarifvertrag honoriere die tatsächlichen [X.]eschäftigungszeiten und nicht die [X.]erufserfahrung auf einer bestimmten Stelle. Er sei im Übrigen lückenhaft und regele nur die Fälle, in denen Arbeitnehmer in eine höhere Vergütungsgruppe eingruppiert seien. Unberücksichtigt blieben die Arbeitnehmer, die bereits einen [X.]esitzstand in Form von Stufensteigerungen in einer höheren Vergütungsgruppe erworben hätten und nach zwischenzeitlicher Tätigkeit in einer niedrigeren Vergütungsgruppe wieder in diese Vergütungsgruppe zurückkehrten. Insoweit sei der Tarifvertrag unter Rückgriff auf die Regelung für das Ruhen des Arbeitsverhältnisses ergänzend auszulegen.

5

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von [X.]edeutung - sinngemäß beantragt,

        

1.    

die [X.]eklagte zu verurteilen, an sie 6.117,04 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz in näher bestimmtem Umfang und zeitlicher Staffelung zu zahlen;

        

2.    

die [X.]eklagte zu verurteilen, ihr eine Vergütungsabrechnung über die für die Monate August 2011 bis Dezember 2012 nachzuzahlende Vergütung zu erteilen;

        

3.    

festzustellen, dass die [X.]eklagte verpflichtet ist, sie vom 22. August 2011 bis zum 31. Dezember 2011 nach dem Endwert der Vergütungsgruppe [X.] des [X.] Nr. 3 zu vergüten, sowie ab dem 1. Januar 2012 bis zum 31. Januar 2013 nach dem Endwert der Vergütungsgruppe [X.] des [X.] Nr. 4.

6

Die [X.]eklagte hat zur [X.]egründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe keine Vergütung nach der Endstufe der Vergütungsgruppe [X.] zu. Die tariflichen Regelungen enthielten keine unbewusste Regelungslücke. Den Tarifvertragsparteien sei der Fall einer Rückkehr in eine höhere Vergütungsgruppe bekannt gewesen. Im Übrigen könnte sie auch nicht von den Gerichten für Arbeitssachen geschlossen werden, da keine hinreichenden Anhaltspunkte für deren Schließung vorlägen. Im Übrigen seien die Tätigkeiten Professional Service 1 und Professional Operations 1 grundverschieden.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, stattgegeben. Auf die [X.]erufung der [X.] hat das [X.] das Urteil des Arbeitsgerichts insoweit abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass sowohl die Vergütungsansprüche der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum einschließlich des Anspruchs auf Weihnachtsgeld für das [X.] vollständig erfüllt sind, als auch kein Anspruch auf Abrechnung besteht.

9

I. Der (Zwischen-)Feststellungsantrag zu 3. ist, soweit er den Zeitraum vom 22. August 2011 bis zum 31. Dezember 2012 betrifft, unzulässig, da er nicht den Anforderungen des § 256 Abs. 2 ZPO genügt.

Die Klägerin hat für den ausdrücklich auf § 256 Abs. 2 ZPO gestützten Antrag kein Rechtsschutzinteresse dargetan. Insbesondere hat sie nicht aufgezeigt, für welche möglichen, denkbaren Folgerechtsstreitigkeiten die begehrte Feststellung von Bedeutung sein könnte (zu den Anforderungen an einen Antrag nach § 256 Abs. 2 ZPO, vgl. [X.] 21. Oktober 2015 - 4 [X.] - Rn. 17 [X.]; 17. Oktober 2007 - 4 [X.] 1005/06 - Rn. 20, [X.]E 124, 240). Solche sind auch sonst nicht erkennbar. Insbesondere würde aus der begehrten Feststellung nicht folgen, dass der Vergütungsanspruch auch über den Zeitraum hinaus besteht, auf den sich die [X.] bezieht (vgl. zur [X.] der [X.] [X.] 21. Oktober 2015 - 4 [X.] - Rn. 19 [X.]). Gegenstand der Feststellung ist nur die Verpflichtung der [X.], die Klägerin vom 22. August 2011 bis zum 31. Dezember 2011 nach dem Endwert der Vergütungsgruppe [X.] des [X.] Nr. 3, sowie ab dem 1. Jan[X.]r 2012 bis zum 31. Dezember 2012 nach dem Endwert der Vergütungsgruppe [X.] des [X.] Nr. 4 zu vergüten.

II. Im Übrigen sind die zulässigen Anträge unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung nach dem Endwert der Vergütungsgruppe [X.] des [X.] Nr. 3 bzw. Nr. 4 nebst Abrechnung.

1. Die aufgrund vertraglicher Bezugnahme zur Anwendung kommenden Tarifverträge der [X.] enthalten folgende Regelungen.

a) In dem Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal idF vom 1. Jan[X.]r 2007 ([X.]) war [X.]. vereinbart:

        

§ 13 Anspruch auf Vergütung

        

(1)     

Der Mitarbeiter hat für die von ihm geleistete Arbeit Anspruch auf die tarifvertraglich vereinbarte Vergütung.

        

(2)     

Als Vergütung werden eine Grundvergütung und, sofern die Voraussetzungen vorliegen, folgende Aufschläge gezahlt:

        

…       

        

(3)     

Der Mitarbeiter, dessen Beschäftigungsverhältnis nicht den ganzen Monat hindurch bestand, erhält eine nach Kalendertagen bemessene Vergütung, wobei für jeden Kalendertag des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses der 30. Teil der monatlichen Vergütung zugrunde zu legen ist, höchstens 30/30 der Vergütung.

        

…       

        

§ 14 Grundvergütung

        

(1)     

Die Grundvergütung wird, soweit dieser Tarifvertrag nichts anderes bestimmt, nach dem Wert der Leistung bemessen. Zu diesem Zweck ist jeder vom Tarifvertrag erfasste Mitarbeiter in eine Vergütungsgruppe einzuordnen.

        

(2)     

Grundlage für die Eingruppierung des Mitarbeiters sind die Vorgaben des TV VS, die in der Bewertung des einzelnen Arbeitsplatzes ihren Niederschlag finden. Dabei geben für die Bewertung diejenigen Einzelaufgaben den Ausschlag, die im Rahmen der Gesamtaufgabenstellung des Arbeitsplatzes überwiegen.

        

…       

        

§ 30 Urlaubs- und Weihnachtsgeld

        

(1)     

Alle Mitarbeiter erhalten jährlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von je einer halben Grundvergütung zuzüglich des halben Betrages eventuell zustehender Lehr-, Fremdsprachen- und Schleppzulagen. Die Berechnung des Urlaubsgeldes richtet sich nach der für Monat Mai, des Weihnachtsgeldes nach der für Monat November des betreffenden Jahres zugrunde liegenden vollen Vergütung (Grundvergütung [X.] eventueller Lehr-, Fremdsprachen- und Schleppzulagen).

        

…       

        

(4)     

Das Urlaubsgeld wird mit der Maivergütung, das Weihnachtsgeld mit der Novembervergütung gezahlt.“

b) Der Tarifvertrag Vergütungssystem Boden DLH ([X.]), gültig ab dem 1. Dezember 2005, beinhaltet [X.]. folgende Regelungen:

        

§ 2   

Eingruppierung

        

Die Eingruppierung erfolgt tätigkeitsbezogen über die Tätigkeitsmerkmale in die zutreffende Vergütungsgruppe gem. § 4. Maßgebend ist dabei das konkrete Tätigkeitsprofil des Arbeitsplatzes, wobei die Erfüllung der Q[X.]lifikationsanforderungen des Arbeitsplatzes Voraussetzung ist. Die jeweilige Vergütung ergibt sich aus dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag.

                 
                 
        

§ 3     

Einarbeitungszeitraum

        

(1) Bei Einstellung wird der Mitarbeiter in die zutreffende Vergütungsgruppe eingruppiert und absolviert zunächst eine sechsmonatige Einarbeitungszeit (bzw. eine aufgrund gesetzlicher Vorgaben ggf. längere Einarbeitungszeit). In besonderen Fällen kann eine längere individuelle Einarbeitungszeit vereinbart werden. Bei Einstellung ohne anrechnungsfähige Berufserfahrung wird der Eingangsbetrag der zutreffenden Vergütungsgruppe, abzüglich des für diese Gruppe geltenden [X.] gewährt. Nach Ablauf der Einarbeitungszeit erhält der Mitarbeiter den Eingangsbetrag dieser Vergütungsgruppe.

        

(2) Absatz 1 gilt nicht für Mitarbeiter der [X.] Für Mitarbeiter der Vergütungsgruppe B gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass die Einarbeitungszeit drei Monate beträgt.

        

(3) Bei einem Arbeitsplatzwechsel in eine höherwertige Tätigkeit wird der Mitarbeiter in die neue zutreffende Vergütungsgruppe mit der Maßgabe eingruppiert, dass der [X.] erst nach einer Einarbeitungszeit entsprechend Abs. (1) und (2) gewährt wird; mindestens jedoch wird der um den [X.] gekürzte Eingangsbetrag gewährt.“

c) Der [X.] Nr. 3 Bodenpersonal DLH ([X.] Nr. 3), gültig ab dem 1. Juni 2008, idF vom 7. Juli 2010 enthielt [X.]. folgende Regelungen:

        

§ 2   

Grundvergütung

        

(1)     

Bei ihrer Einstellung erhalten die Mitarbeiter mit einer durchschnittlichen Grundarbeitszeit gemäß § 5 Abs. (1) [X.] bzw. § 5 Abs. (1) [X.] NBL - nach Ablauf der vorgesehenen Einarbeitungszeit (§ 3 TV VS) - eine Grundvergütung entsprechend der Vergütungsgruppe der nachfolgenden Tabelle:

        

…       

        
        

(2)     

Die Grundvergütung steigt mit Vollendung von jeweils zwei Beschäftigungsjahren um einen Steigerungsbetrag (siehe Protokollnotiz I), höchstens jedoch bis zum Endwert der jeweiligen Vergütungsgruppe. Das Beschäftigungsjahr gilt als vollendet mit dem [X.] im Folgejahr, in den der festgesetzte Beginn der Beschäftigung fällt.

        

(3)     

Beschäftigungszeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ununterbrochen länger als drei Monate ruht (unbezahlter Urlaub, Familienzeit gemäß Betriebsvereinbarung, gesetzliche Elternzeit), bleiben bei den [X.] unberücksichtigt.

                 

Bei unbezahltem Sonderurlaub ab 365 Tagen gilt die gesamte Zeit des [X.] nicht als Beschäftigungszeit.

                 

Die vorstehende Regelung findet keine Anwendung sofern und soweit das Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund der gesetzlich geregelten Elternzeit bereits zum Stichtag 1. Dezember 2005 eingetreten ist.

        

(4)     

Wird der Mitarbeiter in eine höhere Vergütungsgruppe umgruppiert, erhöht sich die bisherige Grundvergütung nach Maßgabe der §§ 2 und 3 des Tarifvertrag Vergütungssystem Boden (TV VS) um den [X.] der neuen Vergütungsgruppe, mindestens auf den Eingangswert der neuen Vergütungsgruppe.

        

…“    

        

d) Der [X.] Nr. 4 Bodenpersonal DLH ([X.] Nr. 4) löste den [X.] Nr. 3 mit Wirkung ab dem 1. Jan[X.]r 2012 ab und galt bis zum 31. Jan[X.]r 2013. Mit Ausnahme der Tabellenwerte in § 2 Abs. 1 enthielt der [X.] Nr. 4 die wortgleichen Regelungen wie der [X.] Nr. 3. Die Protokollnotiz I bestimmte in beiden Tarifverträgen:

        

„…    

        
        

(2)     

Im Falle einer Rückgruppierung vermindert sich die bisherige Grundvergütung um den [X.] der bisherigen Vergütungsgruppe bzw., soweit der daraus errechnete Betrag über dem Endwert der neuen Vergütungsgruppe liegt auf den Endwert dieser Vergütungsgruppe.“

2. Die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum keine weiteren Zahlungsansprüche. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass die Vergütungsansprüche der Klägerin nach §§ 13, 14 [X.] einschließlich des Anspruchs auf Weihnachtsgeld nach § 30 [X.] vollständig erfüllt sind  362 BGB).

Die Klägerin hatte mit der Aufnahme der Tätigkeit als Professional Operations 1 gemäß § 2 Abs. 4 [X.] Nr. 3 nur einen Anspruch auf Zahlung des um den [X.] der Vergütungsgruppe [X.] erhöhten Endwerts der [X.] und keinen Anspruch auf Vergütung nach dem Endwert der Vergütungsgruppe [X.] [X.] Nr. 3. Entgegen der Ansicht der Revision ist eine ergänzende Auslegung des [X.] Nr. 3 ausgeschlossen. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass der [X.] Nr. 3 im Hinblick auf die Bemessung der Grundvergütung bei Umgruppierung in eine höhere Vergütungsgruppe nicht lückenhaft war.

a) Die Umgruppierung in eine höhere Vergütungsgruppe war in § 2 Abs. 4 [X.] Nr. 3 geregelt. Danach erhöhte sich die bisherige Grundvergütung nach Maßgabe der §§ 2 und 3 des [X.] um den [X.] der neuen Vergütungsgruppe, mindestens auf den Eingangswert der neuen Vergütungsgruppe. Die [X.] hat diese tarifliche Regelung zur Anwendung gebracht. Aufgrund ihrer Tätigkeit in Basic Operations 2 erhielt die Klägerin bis zur Aufnahme ihrer Tätigkeit in Professional Operations 1 am 22. August 2011 eine Vergütung nach [X.] Endwert. Nach dem Verzicht auf eine Einarbeitungszeit iSd. § 3 Abs. 3 [X.] zahlte die [X.] ab dem 22. August 2011 eine Vergütung entsprechend dem um den [X.] erhöhten Endwert der [X.].

b) Eine ergänzende Auslegung des [X.] Nr. 3 mit der Folge, dass der Klägerin ab dem 22. August 2011 aufgrund ihrer früheren Tätigkeit in Professional Service 1 bis zum 1. März 2011 eine Vergütung nach dem Endwert der Vergütungsgruppe [X.] zustand, kommt nicht in Betracht.

aa) [X.] Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine ergänzende Auslegung eines Tarifvertrags scheidet daher aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht. Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist. In einem solchen Fall haben die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich die Möglichkeit und die Pflicht, eine Tariflücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien in eigener Verantwortung darüber zu befinden, ob sie eine von ihnen geschaffene Ordnung beibehalten oder ändern. Solange sie daran festhalten, hat sich eine ergänzende Auslegung an dem bestehenden System und dessen Konzeption zu orientieren. Diese Möglichkeit scheidet aus, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung bleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden ( [X.] 18. November 2015 - 4 [X.] - Rn. 30 ff.; 15. Jan[X.]r 2015 - 6 [X.] 646/1 3 - Rn.  26 jew. [X.]; vgl. auch [X.] 29. März 2010 - 1 BvR 1373/08  - Rn. 29 , [X.]K 17, 203 ).

bb) Das [X.] hat zutreffend das Vorliegen einer Tariflücke im [X.] verneint. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Sachverhalt abschließend tariflich geregelt.

(1) Mit § 2 Abs. 4 haben die Tarifvertragsparteien des [X.] Nr. 3 eine Regelung für die Berücksichtigung der in der Vergangenheit erworbenen Steigerungsbeträge bei Höhergruppierungen getroffen. Schon aus der systematischen Stellung in Absatz 4 des § 2 [X.] folgt, dass es sich um die gegenüber der allgemeinen Steigerungsregelung in Absatz 1 speziellere Vorschrift handelt. Weder dem Wortlaut noch der Systematik des [X.] lässt sich ein Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, diese Regelung in den Fällen der erneuten Höhergruppierung - nach einer berechtigten Herabgruppierung - nicht zur Anwendung zu bringen.

(2) Soweit die Revision in der Rechtsanwendung des [X.]s einen Widerspruch zur tariflichen Systematik sieht, macht sie in der Sache lediglich geltend, die Tarifvertragsparteien hätten für die Fälle einer erneuten Höhergruppierung eine Ausnahmeregelung zu § 2 Abs. 4 [X.] treffen müssen. Zwar kann eine Regelungslücke auch vorliegen, wenn nur eine teleologische Lücke und keine Textlücke gegeben ist. Eine solche kann ausnahmsweise angenommen werden, wenn der Normgeber bei der Formulierung einer Vorschrift Sachverhalte unberücksichtigt gelassen hat, die nach dem verfolgten Normzweck und der dem negativen Gleichheitssatz zugrunde liegenden Erwägung, dass Ungleiches ungleich zu behandeln ist, eine Ausnahmeklausel erfordert hätten (sog. [X.]; [X.]/Fischer/[X.] Rechtstheorie 8. Aufl. Rn. 848; [X.] Juristische Methodenlehre 4. Aufl. S. 199 ff.). Selbst wenn man dies auf die ergänzende Auslegung von Tarifverträgen übertragen würde (dafür etwa [X.]/[X.] TVG 3. Aufl. Einleitung Rn. 527), ist eine solche Lücke in § 2 Abs. 4 [X.] Nr. 3 nicht erkennbar. Auch unter Berücksichtigung des [X.] bedurfte es keiner explizierten Ausnahme von der allgemeinen Regelung zur Berücksichtigung von Steigerungsbeträgen bei Höhergruppierungen.

(a) Die Tarifvertragsparteien waren nach dem Gleichheitssatz nicht gehalten, für die Fälle der erneuten Höhergruppierung eine Ausnahme in § 2 Abs. 4 [X.] Nr. 3 dahingehend zu regeln, dass - entsprechend der Regelung beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses - die vor der [X.] erfolgten Steigerungen nach der erneuten Höhergruppierung wieder Berücksichtigung finden müssten. Schon wegen der zunächst erfolgten [X.] sind unterschiedliche Sachverhalte gegeben. Die Herabgruppierung stellt einen vergütungsrechtlichen Einschnitt dar (vgl. [X.] 3. Juli 2014 - 6 [X.] 753/12 - Rn. 43, [X.]E 148, 323). Er bringt nach der Systematik des [X.] Nr. 3 das Erfordernis einer erneuten Zuordnung zwischen Eingangswert und Endwert der Vergütungsgruppe mit sich. In diesem Zusammenhang ist es grundsätzlich Aufgabe der Tarifvertragsparteien darüber zu befinden, ob der mit einer Herabgruppierung zwangsläufig zu verzeichnende Einkommensverlust durch die Zuordnung teilweise kompensiert oder verstärkt wird. Eine Berücksichtigung der in der höheren Vergütungsgruppe eingetretenen Steigerungen erfolgt nach dem [X.] insoweit, als der rückgruppierte Mitarbeiter nach Abs. 2 der Protokollnotiz I eine sich um den [X.] der bisherigen Vergütungsgruppe verringerte Grundvergütung - höchstens jedoch den Endwert der niedrigeren Vergütungsgruppe - erhält. Die in der höheren Vergütungsgruppe erzielten Steigerungen sind damit im Rahmen der Herabgruppierung abschließend berücksichtigt.

(b) Dagegen spricht auch nicht die unterschiedliche Behandlung zu den Arbeitnehmern in Eltern- und Familienzeit, deren Arbeitsverhältnis ruht (vgl. § 2 Abs. 3 [X.]). Die Differenzierung ist durch das Ziel, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern, grundsätzlich gerechtfertigt. Das [X.] soll die Ausübung des Erziehungsrechts ohne Verlust des Arbeitsplatzes erleichtern. Es dient der Förderung der Betreuung und Erziehung des Kindes in den ersten Lebensjahren durch die Eltern und der besseren Vereinbarung von Familie und Beruf. Mit der Schaffung dieses Instituts hat der Gesetzgeber der aus Art. 6 Abs. 1 GG erwachsenen Verpflichtung des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern, Rechnung getragen. Die Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, es Eltern gleichermaßen zu ermöglichen, teilweise und/oder zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten, wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden. Darüber hinaus muss der Staat dafür Sorge tragen, dass die Wahrnehmung der familiären Erziehungsaufgabe nicht zu beruflichen Nachteilen führt sowie dafür, dass eine Rückkehr in die Berufstätigkeit ebenso wie ein Nebeneinander von Erziehung und Erwerbstätigkeit für beide Elternteile einschließlich eines beruflichen Aufstiegs während und nach den Zeiten der Kindererziehung ermöglicht wird ([X.] 12. April 2016 - 6 [X.] 731/13 - Rn. 25 [X.]). Auch wenn die Tarifvertragsparteien nicht unmittelbar grundrechtsgebunden sind, steht es ihnen jedenfalls frei, diese grundsätzlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes bei ihrer tariflichen Normsetzung zu berücksichtigen. Soweit § 2 Abs. 3 [X.] Nr. 3 bzw. Nr. 4 neben Eltern- und Familienzeit auch Fälle des unbezahlten Urlaubs einschließt, ist dies von der Befugnis der Tarifvertragsparteien zur Pauschalisierung schon deshalb umfasst, weil der Anlass für ein solches Ruhen häufig ebenfalls anerkennenswerte Gründe haben wird (zB Pflege naher Angehöriger, § 3 PflegeZG).

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 108 [X.] auf Erteilung der Abrechnung. Es besteht kein Anspruch auf nachzuzahlende Vergütung. Zutreffend hat das [X.] zudem hinsichtlich des Klageantrags zu 2. darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Abrechnung - unabhängig vom Vorliegen einer Tariflücke - gemäß § 108 Abs. 1 [X.] vor Zahlung nicht klagbar ist (vgl. [X.] 27. Jan[X.]r 2016 - 5 [X.] 277/14 - Rn. 32 [X.]). Der Anspruch auf Abrechnung besteht erst „bei“ Zahlung des Arbeitsentgelts.

4. Soweit der Antrag zu 3. hinsichtlich der begehrten Feststellung für den Monat Jan[X.]r 2013 zulässig ist, ist er unbegründet. Die [X.] ist nicht verpflichtet, die Klägerin vom 1. bis zum 31. Jan[X.]r 2013 nach dem Endwert der Vergütungsgruppe [X.] des [X.] Nr. 4 zu vergüten.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Rinck    

        

    Klose    

        

        

        

    Kiefer    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 AZR 1006/13

14.09.2016

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt, 6. März 2013, Az: 6 Ca 4575/12, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.09.2016, Az. 4 AZR 1006/13 (REWIS RS 2016, 5571)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5571

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Referenzen
Wird zitiert von

Az.: 10 Ca 7263/17

Zitiert

5 AZR 277/14

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