Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2000, Az. 3 StR 6/00

3. Strafsenat | REWIS RS 2000, 717

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]/00vom26. Oktober 2000in der [X.]rafsachegegen1.2.wegen [X.] 2 -Der 3. [X.]rafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Generalbun-desanwaltes und der Beschwerdeführer am 26. Oktober 2000 gemäß § 121Abs. 2 [X.] beschlossen:Art. 6 Abs. 3 lit. [X.] räumt dem der [X.] nichtkundigen Angeklagten (Beschuldigten) unabhängig von seinerfinanziellen Lage für das gesamte [X.]rafverfahren und damit auchfür vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger einen An-spruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers ein,auch wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des§ 140 Abs. 2 [X.]PO oder des Art. 6 Abs. 3 lit. [X.] gegeben ist.Einem Angeklagten ist daher nicht allein deswegen ein Pflicht-verteidiger beizuordnen, weil er die [X.] nicht be-herrscht und wegen seiner Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, [X.] für einen Dolmetscher aufzubringen.Gründe:[X.] Das Amtsgericht - Jugendrichter - [X.] hat die [X.] nicht mächtige, von Sozialhilfe in der Form von Wa-rengutscheinen und Taschengeld lebende Asylbewerber - wegen "je eines ge-meinschaftlichen Diebstahls und darüber hinaus zweier einzeln [X.]" jeweils zu einem Dauerarrest von zwei Wochen verurteilt. Mit ihrenRevisionen rügen die Angeklagten übereinstimmend die Verletzung formellenund materiellen Rechts. Namentlich machen sie mit der Verfahrensrüge den- 3 -absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 [X.]PO geltend, weil ihnen unter [X.] gegen §§ 68 Nr. 1 [X.], 140 Abs. 2 Satz 1 [X.]PO bzw. Art. 6 Abs. 3 lit. c[X.] kein Verteidiger beigeordnet worden sei.Das zur Entscheidung über die Revisionen berufene [X.] möchte die Rechtsmittel verwerfen. Insbesondere hält es die Rügeder Angeklagten für unbegründet, ihnen hätte allein schon deswegen [X.] beigeordnet werden müssen, weil sie die [X.]nicht beherrschen.Hieran sieht sich das [X.] jedoch durch [X.] des [X.] vom 20. Dezember 1989(RReg 4 [X.] 245/89 = [X.]V 1990, 103) gehindert. Dieses hat dort entschieden,daß einem Angeklagten, der die [X.] nicht beherrscht, [X.] von der Bedeutung des strafrechtlichen Vorwurfs jedenfalls dann [X.] beigeordnet werden muß, wenn er mittellos ist und daher [X.] für einen Dolmetscher, ohne den er sich mit einem Wahlverteidigernicht hinreichend verständigen könnte, nicht aufzubringen vermag.Das [X.] hat die Sache deshalb gemäß § 121Abs. 2 [X.] zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:Ist einem Angeklagten, der die [X.] nicht beherrscht, un-abhängig von der Bedeutung des strafrechtlichen Vorwurfs jedenfallsdann ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn er mittellos ist und daherdie Kosten für einen Dolmetscher nicht aufzubringen vermag ?- 4 -I[X.] Die Vorlage ist zulässig. Das [X.] kann [X.] der Angeklagten nicht wie beabsichtigt verwerfen, ohne von dendie Entscheidung tragenden Erwägungen des genannten [X.]usses des[X.] abzuweichen. Seine Auffassung, dieaufgeworfene Rechtsfrage sei entscheidungserheblich, weil die Revisionen [X.] aus anderen Gründen weder mit der Sach- noch mit der Verfah-rensrüge Erfolg haben könnten, ist rechtlich vertretbar. Sie ist daher bei [X.] der [X.] durch den Senat zugrunde zu legen(vgl. [X.][X.] 22, 94, 100; 33, 183, 186; 34, 101, 103 ff.).1. Dies gilt insbesondere für die Ansicht des vorlegenden Gerichts, denjugendlichen, strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getretenen Angeklagtenhabe wegen der denkbaren straf- und ausländerrechtlichen Rechtsfolgen, dieim Hinblick auf die vorgeworfenen Taten in Betracht kamen, ein Pflichtverteidi-ger nicht schon unter dem Aspekt der Schwere der Tat im Sinne des § 140Abs. 2 Satz 1 [X.]PO beigeordnet werden müssen.Ebenso ist seine Auffassung rechtlich vertretbar, daß weder wegen [X.] an sich (Ladendiebstähle) noch wegen der Beweislage (weitgehendeGeständigkeit der Angeklagten; ein Zeuge zu vernehmen) oder wegen Beson-derheiten des Verfahrens (gleichzeitige Verhandlung gegen zwei Angeklagte;Hinzuverbindung eines weiteren Verfahrens gegen den Angeklagten [X.]in der Hauptverhandlung unter Verzicht auf sämtliche Fristen) dieSchwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Beiordnung von Verteidigern [X.]. Bestehen beim Angeklagten [X.], so kann dies zwar dazu führen, daß die Bestellung eines Verteidigers un-ter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage eher ge-- 5 -boten sein kann, als dies sonst der Fall ist ([X.] 64, 135, 150m.w.Nachw.). Ausnahmslos trifft dies indessen nicht zu.2. Die vom vorlegenden Gericht dem Senat zur Entscheidung unterbrei-tete Rechtsfrage ist auf die besondere Fallgestaltung beschränkt, daß die [X.] nicht mächtigen Angeklagten nicht über die finanziellen Mittel ver-fügen, um die Kosten für einen Dolmetscher (gemeint: zur Verständigung miteinem Wahlverteidiger außerhalb der Hauptverhandlung) aufzubringen. [X.] kommt es für die Entscheidung des [X.] jedoch nur [X.], wenn nicht - unabhängig von der [X.] und der Schwierigkeit derSach- oder Rechtslage - allein schon die Sprachunkundigkeit eines Angeklag-ten stets seine Fähigkeit, sich selbst gegen den Tatvorwurf zu verteidigen,ausschließt (§ 140 Abs. 2 Satz 3 Alt. 3 [X.]PO) und es daher in einem [X.], wenn ein Wahlverteidiger nicht mandatiert wurde, unabhängig von denfinanziellen Verhältnissen des Angeklagten stets zur Beiordnung eines Pflicht-verteidigers kommen muß (so teilweise das Schrifttum: Lüderssen in [X.] Aufl. § 140 Rdn. 80 f.; [X.] 1980, 442, 448; nicht eindeutig[X.]rate [X.]V 1981, 46 ff. und Oellerich [X.]V 1981, 434, 438 f.). Auch dies hat dasvorlegende Gericht indessen in vertretbarer Weise verneint.Seine Auffassung, die Schwierigkeiten, die sich einem sprachunkundi-gen Angeklagten im [X.]rafverfahren stellen, könnten im Einzelfall allein schondurch die Teilnahme eines Dolmetschers an der Hauptverhandlung ausgegli-chen werden, und ein derartiger Fall sei in vorliegender Sache gegeben, istnachvollziehbar. Denn insbesondere im Bereich der Kleinkriminalität sind etwabei geständigem Angeklagten oder einfacher Beweislage ohne weiteres Fall-konstellationen denkbar, in denen den Verteidigungsbedürfnissen des sprach-unkundigen Angeklagten allein schon durch die Übersetzungsleistungen eines- 6 -Dolmetschers in der Hauptverhandlung in vollem Umfang genügt werden kann([X.] in [X.] für [X.], 31).Die Ansicht des vorlegenden Gerichts weicht in diesem Punkt [X.] nicht von der Rechtsprechung der übrigen Obergerichte ab. Denn soweitdort nicht die finanzielle Unfähigkeit des Angeklagten, einen für die Verständi-gung mit einem (Wahl-)Verteidiger außerhalb der Hauptverhandlung notwendi-gen Dolmetscher zu entlohnen, als allein entscheidender Umstand für die [X.] der Beiordnung eines Pflichtverteidigers angesehen wurde (vgl. [X.][X.]V 1985, 184, 185; 1986, 239; anders aber [X.] N[X.]Z 1990, 402 ff.; [X.] Zwei-brücken [X.]V 1988, 379; BayObLG [X.]V 1990, 103), waren stets weitere Um-stände neben den Verständigungsschwierigkeiten des Angeklagten maßgeb-lich dafür, daß im Einzelfall die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 140Abs. 2 Satz 1 [X.]PO als geboten angesehen wurde.3. [X.] bedarf der Präzisierung. Während die Sprach-unkundigkeit des Angeklagten nach Ansicht des vorlegenden Gerichts für [X.] die Notwendigkeit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht zu be-gründen vermag, fordert sie nach Auffassung des [X.], wie sich aus dem Gesamtzusammenhang seiner Entscheidungergibt, unabhängig von den sonstigen Umständen des Einzelfalles stets [X.] eines Verteidigers. Es kommt daher auf die Maßgeblichkeit oderUnmaßgeblichkeit der Bedeutung des strafrechtlichen Vorwurfs nicht an. [X.] Grund formuliert der Senat die zu beantwortende Frage wie folgt:Ist einem Angeklagten allein deswegen ein Pflichtverteidiger beizuord-nen, weil er die [X.] nicht beherrscht und wegen seiner- 7 -Mittellosigkeit die Kosten für einen Dolmetscher nicht aufzubringen [X.] ?II[X.] Diese Frage ist zu [X.] Wie bereits dargelegt, beruhen die unterschiedlichen [X.] des [X.] und des vorlegenden [X.] im [X.] nicht auf einer abweichenden Auslegung der in § 140 Abs. 2Satz 1 [X.]PO normierten tatbestandlichen Voraussetzungen einer notwendigenVerteidigung.Aus den Gründen des [X.]usses des [X.] vom 20. Dezember 1989 ([X.]V 1990, 103) und insbesondere der dortals Beleg zitierten Entscheidung des [X.] in [X.]V 1985, 184 f. (auf-gegeben durch [X.] N[X.]Z 1990, 402) ergibt sich vielmehr, daß das [X.] unabhängig von den in § 140 Abs. 2 Satz 1 [X.]PO um-schriebenen Voraussetzungen die Bestellung eines Pflichtverteidigers in [X.] Anwendung dieser Vorschrift für geboten erachtete, um dem [X.] ein faires, rechtsstaatliches Verfahren zu gewährleisten. Dem liegtersichtlich die Auffassung zugrunde, daß das durch Art. 6 Abs. 3 lit. [X.]gewährleistete Recht eines der [X.] nicht kundigen Angeklagten,die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, auch für vor-bereitende Gespräche mit einem Wahlverteidiger gelte; da aber das [X.]Kostenrecht lediglich für den gerichtlich bestellten Anwalt über § 97 Abs. 2Satz 1 und 2, § 126 [X.] die Erstattung der notwendigen Auslagen ermögli-che, die für die erforderliche Zuziehung eines Dolmetschers zu Gesprächenzwischen dem Verteidiger und dem Angeklagten außerhalb der [X.] anfallen, sei die Bestellung eines Verteidigers geboten, um dem [X.] -geklagten die durch Art. 6 Abs. 3 lit. [X.] garantierte Unentgeltlichkeit auchdieser Dolmetschertätigkeit zu sichern (so auch [X.]/[X.],[X.]PO 44. Aufl. § 140 Rdn. 32 und Art. 6 [X.] Rdn. 25; [X.] in KK-[X.]PO,4. Aufl. § 140 Rdn. 25; [X.], [X.]PO 2. Aufl. § 140 Rdn. 7).Demgegenüber ist das vorlegende Gericht der Ansicht, daß der [X.] sprachunkundigen Angeklagten auf unentgeltliche Zuziehung eines Dol-metschers zu vorbereitenden Gesprächen mit einem Verteidiger nicht weitergehe als sein Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Sei eine sol-che nach § 140 [X.]PO nicht geboten und damit auch nicht im Sinne des Art. 6Abs. 3 lit. [X.] im Interesse der Rechtspflege erforderlich, bedürfe es derunentgeltlichen Zurverfügungstellung eines Dolmetschers für vorbereitendeGespräche mit einem Verteidiger auch dann nicht, wenn der Angeklagte [X.] sei (so auch [X.] Düsseldorf NJW 1989, 677 f. = [X.]V 1992, 363 f. m.Anm. Wolf; [X.] Hamm N[X.]Z 1990, 143, 144; [X.]V 1995, 64, 65; [X.] KölnNJW 1991, 2223, 2224; [X.] Koblenz MDR 1994, 1137; [X.] in [X.] fürKarlheinz [X.] ff.).2. Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts räumt Art. 6Abs. 3 lit. [X.] dem der [X.] nicht mächtigen Angeklagten (Be-schuldigten) unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte [X.]raf-verfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidigereinen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers ein, [X.] kein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 [X.]PO oderdes Art. 6 Abs. 3 lit. [X.] gegeben ist (a); indessen ist es zur Gewähr-leistung der Unentgeltlichkeit nicht erforderlich, dem Angeklagten einen Pflicht-verteidiger beizuordnen (b).- 9 -a) Der [X.] hat in seinem [X.] 23. Oktober 1978 (NJW 1979, 1091) nicht nur festgestellt, daß das inArt. 6 Abs. 3 lit. [X.] gewährleistete Recht auf unentgeltliche Beiziehungeines Dolmetschers für jedermann, der die [X.] des Gerichtsnicht spricht oder versteht, den Anspruch auf unentgeltlichen Beistand einesDolmetschers einschließt, ohne daß im Nachhinein Zahlung der dadurch verur-sachten Kosten von ihm verlangt werden darf. Er hat darüber hinaus auch [X.], daß sich dieser Anspruch nicht nur auf den in der Hauptverhandlungtätigen Dolmetscher beziehe, sondern für das gesamte Verfahren gelte undsicherstelle, daß dem sprachunkundigen Angeklagten sämtliche Schriftstückeund mündliche Erklärungen in dem gegen ihn geführten Verfahren übersetztwerden, auf deren Verständnis er angewiesen ist, um ein faires Verfahren zuhaben (aaO S. 1092).Den vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen ist der allgemeine Ge-danke zu entnehmen, daß nach den Maßstäben der [X.] der Anspruch desder [X.] nicht kundigen Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatli-ches Verfahren es gebietet, ihm nicht nur alle ihm gegenüber vorgenommenen,maßgeblichen schriftlichen und mündlichen Verfahrensakte kostenlos in einerihm verständlichen Sprache bekannt zu geben, sondern es ihm auch zu er-möglichen, alle von ihm in Ausübung seiner [X.]en Rechte abgege-benen mündlichen und schriftlichen Erklärungen unentgeltlich in die [X.] übertragen zu lassen, soweit dies zur Wahrnehmung dieser Rechteerforderlich ist. Dies folgt aus dem Zweck des Art. 6 Abs. 3 lit. [X.], [X.] eines fairen Verfahrens im Sinne des Art. 6 Abs. 1 [X.] alleNachteile auszuschließen, denen ein Angeklagter, der die [X.]nicht versteht oder sich nicht in ihr ausdrücken kann, im Vergleich zu einem- 10 -dieser Sprache kundigen Angeklagten ausgesetzt ist ([X.] 1979,640, 643; Meyer Z[X.]W 93, 507, 521; s. auch Art. 14 [X.], Art. 3 Abs. 3 GG).Er hat daher auch keine Kosten zu tragen, die auf einen der [X.]mächtigen Angeklagten nicht zukommen können; denn diese Mehrbelastungwürde nicht nur zu einer Ungleichbehandlung bei der staatlichen Rechtsgewäh-rung führen ([X.] Z[X.]W 89, 761, 790; [X.] aaO), sondern wäre auch [X.], das Verteidigungsverhalten des sprachunkundigen Angeklagten [X.] auf eventuelle Kostenfolgen nachteilig zu beeinträchtigen ([X.] NJW1978, 477; [X.] aaO).Danach hat der sprachunkundige Angeklagte gemäß Art. 6 Abs. 3 lit. e[X.] Anspruch darauf, daß alle seine schriftlichen und mündlichen Verfah-renserklärungen, die [X.] vorgesehen sind, für ihn unentgeltlich indie [X.] übersetzt werden, insbesondere wenn das [X.], wie etwa § 184 [X.], die Wirksamkeit der Erklärung davon abhängigmacht, daß sie in der [X.] abgegeben wird (vgl. dazu [X.][X.] 30,182). Verfahrenserklärungen des Angeklagten sind nach [X.]m [X.]rafpro-zeßrecht aber nicht nur im Rahmen mündlicher Vernehmungen und Verhand-lungen vorgesehen, für die schon vom Gericht oder den Ermittlungsbehördenein Dolmetscher zuzuziehen ist, wenn der Angeklagte die [X.]nicht beherrscht (§ 185 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Vielmehr hat der [X.] außerhalb mündlicher Verhandlungen oder sonstiger Termine das Recht,aus eigenem Entschluß schriftlich und mündlich verfahrensrelevante Erklärun-gen abzugeben. So hat er nach Zustellung der Anklage die Möglichkeit, [X.] einzelner Beweiserhebungen zu beantragen oder Einwendungengegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorzubringen (§ 201 Abs. 1 [X.]PO).Er kann bereits vor der Hauptverhandlung Beweisanträge stellen (§ 219 Abs. 1- 11 -Satz 1 [X.]PO). Wird er verurteilt, hat er die Befugnis, schriftlich oder zu Proto-koll der Geschäftsstelle Berufung einzulegen (§ 314 Abs. 1 [X.]PO), und kanndas Rechtsmittel auch begründen (§ 317 [X.]PO). Ähnliches gilt für das [X.] der Revision mit der Einschränkung, daß die Revisionsbegründung vonihm nur zu Protokoll der Geschäftsstelle begründet werden kann, wenn er in-soweit keinen Rechtsanwalt zuzieht (§§ 341 Abs. 1, 344 Abs. 1, 345 Abs. 2[X.]PO). Für all diese gesetzlich vorgesehenen Erklärungen garantiert Art. 6Abs. 3 lit. [X.] die unentgeltliche Übertragung in die [X.],wenn der Beschuldigte diese nicht beherrscht.Zu den [X.]en Rechten des Angeklagten zählt [X.] Befugnis, sich in jeder Verfahrenslage des Beistands eines Verteidigerszu bedienen (§ 137 Abs. 1 Satz 1 [X.]PO, Art. 6 Abs. 3 lit. [X.]). Ein [X.] nicht mächtiger Angeklagter kann dieses Recht in effektiver Weisenur wahrnehmen, wenn ihm eine Verständigung mit dem Verteidiger möglichist. Abgesehen von dem besonderen Fall, daß der Verteidiger die Mutterspra-che des Angeklagten beherrscht, ist hierzu die Zuziehung eines Dolmetscherserforderlich. Mit den hierfür anfallenden Kosten darf der Angeklagte gemäßArt. 6 Abs. 3 lit. [X.] ebenfalls nicht belastet werden. Denn auch das [X.] zwischen Angeklagtem und Verteidiger zur Vorbereitung der Verteidi-gung besteht aus Erklärungen, die im Rahmen des [X.]rafverfahrens abgegebenwerden. Soweit demgegenüber die Ansicht vertreten wird, Art. 6 Abs. 3 lit. e[X.] beschränke die Unentgeltlichkeit der Dolmetscherleistung auf "Prozeß-handlungen des Beschuldigten oder gegenüber dem Beschuldigten" (Wolf [X.]V1992, 364, 367) oder auf die (durch Ermittlungsbehörden oder Gerichte) ange-ordnete Anwesenheit eines Dolmetschers (etwa [X.] Düsseldorf NJW 1980,2655; N[X.]Z 1986, 128; [X.] 1980, 30), wird dies weder der [X.]el-- 12 -lung des Angeklagten als Verfahrenssubjekt noch der des mit der Verteidigungbeauftragten Rechtsanwaltes als unabhängigem Organ der Rechtspflege (§ 1BRAO) gerecht. Ebensowenig wie dem Beschuldigten für Termine bei der[X.]aatsanwaltschaft [X.] überbürdet werden dürfen (vgl. die [X.] in § 464 c [X.]PO und Nr. 9005 [X.] zum G[X.]), darf [X.] den Kosten belastet werden, die für die notwendige Zuziehung eines Dol-metschers zu Gesprächen mit dem Verteidiger anfallen, und zwar unabhängigvon seiner finanziellen Lage ([X.] NJW 1978, 477).b) Zur umfassenden Gewährleistung des Anspruchs des der [X.] nicht kundigen Angeklagten aus Art. 6 Abs. 3 lit. [X.] ist es nichterforderlich, ihm einen Pflichtverteidiger zu bestellen. Die Auffassung, die Bei-ordnung sei notwendig, weil nach § 97 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 126 [X.] eineErstattung der [X.] nur für Gespräche zwischen [X.] Pflichtverteidiger gesetzlich vorgesehen sei, greift zu kurz.Sie vermag schon nicht zu erklären, wie der sprachunkundige Ange-klagte von den Kosten freigestellt werden soll, die für die Übersetzung solcherVerfahrenserklärungen anfallen, die er unabhängig von der Zuziehung [X.] außerhalb mündlicher Verhandlungen oder sonstiger [X.] eigenständig abgeben kann (s. oben), und müßte daher insoweit ei-nen Konventionsverstoß in Kauf nehmen, solange der Gesetzgeber nicht ein-greift (vgl. [X.] Art. 6 [X.] Rdn. 244).Sie übersieht aber auch den Gesichtspunkt der Einheitlichkeitder Rechtsordnung. Di[X.] steht innerstaatlich im Rang eines einfa-chen Bundesgesetzes ([X.]/[X.], vor Art. 1 [X.] Rdn. 3m.w.Nachw.). Wenn sie in Art. 6 Abs. 3 lit. e dem Angeklagten die unentgeltli-- 13 -che Zuziehung eines Dolmetschers in dem dargestellten Umfang garantiert,kann die Erfüllung dieser Garantie nicht davon abhängen, daß daneben im [X.] einfachgesetzliche kostenrechtliche Bestimmungenvorhanden sind, die die Freistellung des Angeklagten von den [X.] oder deren Erstattung ausdrücklich regeln (vgl. [X.] aaO). [X.] der entsprechende Anspruch des Angeklagten direkt aus Art. 6 Abs. 3 lit. e[X.] abzuleiten und durch eine konventionskonforme - ergänzende - Ausle-gung der bestehenden Kostennormen auszufüllen. Denn es ist nicht anzuneh-men, daß der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet hat, von völker-rechtlichen Verpflichtungen der [X.] abweichen oderdie Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will ([X.] 74, 358,370).Wie die Lücken des Kostenrechts bis zu einem Tätigwerden des [X.] im einzelnen auszufüllen sind, braucht der Senat für die Beantwor-tung der [X.] nicht zu entscheiden. In Betracht kommt etwa dieentsprechende Anwendung des § 2 Abs. 4 G[X.] (so [X.] N[X.]Z 1990, 402, 404),der §§ 3, 17 [X.] (vgl. [X.] Köln [X.]raFo 1999, 69, 70), aber auch des § 126[X.], um die Kostenfreistellung bzw. -erstattung auf die erforderlichen Ko-sten zu beschränken.Nach alledem ist es weder genügend noch erforderlich, auf eine inner-staatliche Kostenvorschrift zurückzugreifen, die für den besonderen Fall derPflichtverteidigung die Erstattung von [X.] ausschließlich [X.] ermöglicht, und, um deren tatbestandlichen Vorausset-zungen zu genügen, einen Pflichtverteidiger zu bestellen, obwohl ein Fall not-wendiger Verteidigung nicht [X.] -3. [X.] ist daher wie aus der Entscheidungsformel er-sichtlich zu beantworten.Die Entscheidung entspricht im Ergebnis dem Antrag des Generalbun-desanwaltes.[X.] [X.] [X.] von [X.][X.]:ja[X.][X.]:jaVeröffentlichung:ja_________________[X.]PO § 140 Abs. 2 Satz 1, [X.] Art. 6 Abs. 3 lit. c und [X.]. 6 Abs. 3 lit. [X.] räumt dem der [X.] nicht kundigen Ange-klagten (Beschuldigten) unabhängig von seiner finanziellen Lage für das ge-samte [X.]rafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einemVerteidiger einen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines [X.], auch wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140[X.]PO oder des Art. 6 Abs. 3 lit. [X.] gegeben [X.] -Einem Angeklagten ist daher nicht allein deswegen ein Pflichtverteidiger bei-zuordnen, weil er die [X.] nicht beherrscht und wegen seinerMittellosigkeit nicht in der Lage ist, die Kosten für einen Dolmetscher aufzu-bringen.[X.], [X.]. vom 26. Oktober 2000 - 3 [X.]R 6/00 - Oberlandesgericht Oldenburg Amtsgericht [X.]

Meta

3 StR 6/00

26.10.2000

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2000, Az. 3 StR 6/00 (REWIS RS 2000, 717)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 717

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 Ws 114/14 (Oberlandesgericht Hamm)


23 Qs - 21 Js 470/19 - 126/20 (Landgericht Detmold)


2 Ws 595/98 (Oberlandesgericht Hamm)


202 StRR 94/20 (BayObLG München)

Anforderungen an Verfahrensrüge nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO bei beanstandetem Ladungsmangel eines …


3 StR 430/19 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Anspruch des Angeklagten auf schriftliche Übersetzung eine nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteils bei Anwesenheit mit …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.